„Testosteron“ – Versionsunterschied

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Bei Frauen im mittleren Lebensalter gehen erhöhte Testosteronwerte mit einem höheren Risiko für eine Depression einher.<ref>Joyce T. Bromberger, Laura L. Schott, Howard M. Kravitz, MaryFran Sowers, Nancy E. Avis, Ellen B. Gold, John F. Randolph Jr, Karen A. Matthews: [http://archpsyc.ama-assn.org/cgi/content/full/67/6/598 ''Longitudinal Change in Reproductive Hormones and Depressive Symptoms Across the Menopausal Transition.''] In: Archives of General Psychiatry, 2010;67(6):598-607.</ref>
Bei Frauen im mittleren Lebensalter gehen erhöhte Testosteronwerte mit einem höheren Risiko für eine Depression einher.<ref>Joyce T. Bromberger, Laura L. Schott, Howard M. Kravitz, MaryFran Sowers, Nancy E. Avis, Ellen B. Gold, John F. Randolph Jr, Karen A. Matthews: [http://archpsyc.ama-assn.org/cgi/content/full/67/6/598 ''Longitudinal Change in Reproductive Hormones and Depressive Symptoms Across the Menopausal Transition.''] In: Archives of General Psychiatry, 2010;67(6):598-607.</ref>


Als [[Verhaltensbiologie|verhaltensbiologische]] Wirkungen bei Tieren wurden [[Imponierverhalten|Imponiergehabe]], [[Kampf]]verhalten sowie [[Begattung]]sdrang erforscht und beobachtet. Dies wurde u. a. durch [[Kastration]] und anschließende Hormonzufuhr an Tieren (mächtige, aggressive [[Hengst]]e werden zu sanften, angepassten [[Wallach]]en) nachgewiesen. Bei Menschen ist der Einfluss des Hormons auf das Verhalten weniger etabliert als bei Tieren. Eine [[Metaanalyse]] von insgesamt 45 Studien zum Verhältnis zwischen Testosteron und Aggressivität bei Menschen ergab einen schwachen, aber signifikanten positiven Zusammenhang zwischen Aggressivität und Testosteron.<ref>Angela S. Book, Katherine B. Starzyk, Vernon L. Quinsey: ''The relationship between testosterone and aggression: a meta-analysis''. In: ''Aggression and Violent Behavior''. 6, Nr. 6, November/Dezember 2001, S. 579–599. {{doi|10.1016/S1359-1789(00)00032-X}}.</ref> Zwei [[Systematische Übersichtsarbeit|systematische Übersichtsarbeiten]] kamen zu dem Schluss, dass es nicht allein Testosteron ist, das aggressives Verhalten steigert, sondern das Verhältnis von Testosteron zu [[Cortisol]]. Ein hoher Testosteronspiegel gepaart mit einem niedrigen Cortisolspiegel sei besonders stark mit Aggressivität assoziiert.<ref>David Terburg, Barak Morgan, Jack van Honk: ''The testosterone–cortisol ratio: A hormonal marker for proneness to social aggression''. In: ''International Journal of Law and Psychiatry''. 32, Nr. 4, Juli/August 2009, S. 216–223. {{doi|10.1016/j.ijlp.2009.04.008}}.</ref><ref>Estrella R. Montoya, David Terburg, Peter A. Bos, Jack van Honk: [https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3294220/ ''Testosterone, cortisol, and serotonin as key regulators of social aggression: A review and theoretical perspective'']. In: ''Motivation and Emotion''. 36, Nr. 1, März 2012, S. 65–73. {{doi|10.1007/s11031-011-9264-3}}.</ref> Eine Studie aus dem Jahr 2012 zeigte, dass subjektiv empfundene Wut mit erhöhtem Testosteron, nicht jedoch mit Cortisol, zusammenhing.<ref>Carly K Peterson und Eddie Harmon-Jones: ''Anger and testosterone: Evidence that situationally-induced anger relates to situationally-induced testosterone.'' In: ''Emotion''. 12, Nr. 5, Oktober 2012, S. 899–902. {{doi|10.1037/a0025300}}, PMID 21910539.</ref>
Als [[Verhaltensbiologie|verhaltensbiologische]] Wirkungen bei Tieren wurden [[Imponierverhalten|Imponiergehabe]], [[Kampf]]verhalten sowie [[Begattung]]sdrang erforscht und beobachtet. Dies wurde u. a. durch [[Kastration]] und anschließende Hormonzufuhr an Tieren (mächtige, aggressive [[Hengst]]e werden zu sanften, angepassten [[Wallach]]en) nachgewiesen.

Allerdings lassen sich Erkenntnisse über die verhaltensändernde Wirkung von Testosteron an Tieren nicht auf den Menschen verallgemeinern. Eine Studie von Forschen der Universitäten [[Universität Zürich|Zürich]], [[Albert-Ludwigs-Universität Freiburg|Freiburg]] und [[Royal Holloway College|Royal Holloway]] an Frauen kam zu dem Ergebnis, dass die einmalige Gabe von Testosteron zu mehr [[Fairness]] führte. Die Forscher erklären diese Wirkung damit, dass rücksichtsloses und aggressives Verhalten im komplexen sozialen Umfeld des Menschen zu Nachteilen führt, faires und soziales Verhalten dagegen den Status fördern würden. Die Studie zeigte zudem, dass alleine der Glaube an die vermeintlich aggressionssteigernde Wirkung das Verhalten beeinflusst. Wenn die Teilnehmerinnen glaubten, sie wären mit Testosteron behandelt worden, aber nur ein [[Placebo]] erhalten hatten, handelten sie dem voraus eilenden Ruf des Testosterons entsprechend egoistischer und risikobereiter.<ref name="Nature 1">{{BibDOI|10.1038/nature08711}}</ref>
Eine systematische Übersichtsarbeit zur Beziehung zwischen Testosteron und [[Dissoziale Persönlichkeitsstörung|antisozialem]] Verhalten ergab, dass ein hoher Testosteronspiegel zu einer beeinträchtigten Regulation emotionaler und motivationaler Prozesse, geringerer sozialer Sensibilität und starker Belohnungsmotivation führt. Ob sich das in antisozialem Verhalten äußert, hängt jedoch von einer Reihe sozialer und genetische Faktoren ab.<ref>Bariş O. Yildirim und Jan J.L. Derksen: ''A review on the relationship between testosterone and life-course persistent antisocial behavior''. In: ''Psychiatry Research''. 200, Nr. 2–3, Dezember 2012, S. 984–1010. {{doi|10.1016/j.psychres.2012.07.044}}.</ref> Einzelne Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass Testosteron dissoziales Verhalten wie [[Egozentrik|egozentrische]] Entscheidungen fördert<ref>Nicholas D. Wright et al.: [http://europepmc.org/articles/PMC3321715 ''Testosterone disrupts human collaboration by increasing egocentric choices'']. In: ''Proccedings of the Royal Society''. 279, Nr. 1736, Juni 2012, S. 2275–2280. {{doi|10.1098/rspb.2011.2523}}.</ref> und kognitive [[Empathie]] verringert.<ref>Jack van Honk et al.: [http://europepmc.org/articles/PMC3044405 ''Testosterone administration impairs cognitive empathy in women depending on second-to-fourth digit ratio'']. In: ''Proccedings of the National Academy of Sciences of the United States of America''. 108, Nr. 8, Februar 2011, S. 3448–3452. {{doi|10.1073/pnas.1011891108}}.</ref> Andere Einzelstudien kamen zu umgekehrten Ergebnissen, so z.B. dass die Gabe von Testosteron die Tendenz zum Lügen bei Männern reduziert.<ref>{{Internetquelle|titel=Testosteron macht ehrlicher. Wissenschaftler der Universität Bonn untersuchen die biologischen Hintergründe des Lügens|url=http://www.ukb.uni-bonn.de/42256BC8002AF3E7/vwWebPagesByID/1FC1851E4BDB359BC1257A940023C239|hrsg=[[Universitätsklinikum Bonn]]|datum=2012-10-10|zugriff=2013-06-18}}</ref><ref name="PLOS 1">{{BibDOI|10.1371/journal.pone.0046774}}</ref> Eine Untersuchung zeigte, dass Testosteron bei Frauen dazu führt, dass die Versuchsteilnehmenden fairere Angebote in einem Verhandlungsexperiment machten. Die Forscher erklären diese Wirkung damit, dass das Hormon die Sensitivität für den Status erhöht und vermuteten, dass in der sozial komplexen Umwelt des Menschen nicht Aggression, sondern pro-soziales Verhalten den Status sichert.<ref name="Nature 1">{{BibDOI|10.1038/nature08711}}</ref> Allerdings kam eine Studie an Männern zu dem Resultat, dass exogenes Testosteron aggressives, anti-soziales Verhalten bei Verhandlungen signifikant erhöht. Männer, denen Testosteron verabreicht wurde, behielten im Vergleich zur Placebo-Gruppe 27 % mehr Geld für sich in Verhandlungssituationen. Der Effekt blieb auch nach Kontrolle individueller Komponenten wie [[Altruismus]] bestehen.<ref>Paul J. Zak et al.: [http://www.plosone.org/article/info:doi/10.1371/journal.pone.0008330 ''Testosterone Administration Decreases Generosity in the Ultimatum Game'']. In: ''PLoS ONE''. 4, Nr. 2, 2009, S. 1–7. {{doi|doi:10.1371/journal.pone.0008330}}, PMID 20016825.</ref>
Eine Studie an Männern durchgeführt kam zu dem vergleichbaren Ergebnis, es {{"|Text=widerspricht klar dem eindimensionalen Ansatz, dass Testosteron zu antisozialem Verhalten führt.|Quelle={{Internetquelle|titel=Testosteron macht ehrlicher. Wissenschaftler der Universität Bonn untersuchen die biologischen Hintergründe des Lügens|url=http://www.ukb.uni-bonn.de/42256BC8002AF3E7/vwWebPagesByID/1FC1851E4BDB359BC1257A940023C239|hrsg=[[Universitätsklinikum Bonn]]|datum=2012-10-10|zugriff=2013-06-18}}|ref=ja}}<ref name="PLOS 1">{{BibDOI|10.1371/journal.pone.0046774}}</ref>


Es besteht offensichtlich eine Korrelation zwischen der Schlafdauer und dem Testosteronspiegel. So stieg in einer Studie, die mit 800 gesunden Männern aller Altersstufen durchgeführt wurde, der Testosteronspiegel mit zunehmender durchschnittlicher Schlafdauer (gemessen über drei Wochen) zuerst an, erreicht bei etwa acht Stunden einen Höhepunkt und fällt ab dort überraschenderweise wieder stark ab. Während der Anstieg mit einer vermehrten Hormonproduktion, die vor allem im Schlaf stattfindet, erklärt wird, ist der Abfall bisher noch ungeklärt.<ref>''Schlaf und der Hormonhaushalt.'' In: ''Deutsches Ärzteblatt'' 15, 2009, S.&nbsp;12&nbsp;f.</ref>
Es besteht offensichtlich eine Korrelation zwischen der Schlafdauer und dem Testosteronspiegel. So stieg in einer Studie, die mit 800 gesunden Männern aller Altersstufen durchgeführt wurde, der Testosteronspiegel mit zunehmender durchschnittlicher Schlafdauer (gemessen über drei Wochen) zuerst an, erreicht bei etwa acht Stunden einen Höhepunkt und fällt ab dort überraschenderweise wieder stark ab. Während der Anstieg mit einer vermehrten Hormonproduktion, die vor allem im Schlaf stattfindet, erklärt wird, ist der Abfall bisher noch ungeklärt.<ref>''Schlaf und der Hormonhaushalt.'' In: ''Deutsches Ärzteblatt'' 15, 2009, S.&nbsp;12&nbsp;f.</ref>

Version vom 29. Juni 2013, 17:34 Uhr

Strukturformel
Struktur von Testosteron
Allgemeines
Freiname Testosteron
Andere Namen
  • 17β-Hydroxyandrost-4-en-3-on
  • 4-Androsten-17β-ol-3-on
Summenformel C19H28O2
Kurzbeschreibung

farb- und fast geruchloser Feststoff [1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
  • 58-22-0 (Base)
  • 58-20-8 (Cypionat)
  • 5721-91-5 (Decanoat)
  • 315-37-7 (Enanthat)
  • 15262-86-9 (Isocaproat)
  • 1255-49-8 (Phenylpropionat)
  • 57-85-2 (Propionat)
  • 5949-44-0 (Undecanoat)
PubChem 6013
DrugBank APRD00433
Wikidata Q1318776
Arzneistoffangaben
ATC-Code

G03BA03

Wirkstoffklasse

Androgen

Eigenschaften
Molare Masse 288,43 g·mol−1
Schmelzpunkt
  • 155 °C (Base)[1]
  • 101-102 °C (Cypionat)[2]
  • 48-54 °C (Decanoat)[2]
  • 36-37 °C (Enanthat)[2]
  • 77-79 °C (Isocaproat)[2]
  • 116 °C (Phenylpropionat)[2]
  • 120 °C (Propionat)[2]
  • 61 °C (Undecanoat)[2]
Löslichkeit

praktisch unlöslich in Wasser (20 °C) [1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 350​‐​361
P: 201​‐​281​‐​308+313[3]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Testosteron ist ein Sexualhormon (Androgen), das bei beiden Geschlechtern vorkommt, sich dabei aber in Konzentration und Wirkungsweise bei Mann und Frau unterscheidet. Wie bei allen Androgenen besteht das Grundgerüst des Testosterons aus Androstan (19 C-Atome). Die Vorläufer des Testosterons sind die Gestagene (21 C-Atome) bzw. DHEA. Testosteron ist ein Kunstwort, das von testis (Hoden) und Steroid abgeleitet ist. Es wurde von Ernst Laqueur kreiert, der es erstmals aus Stierhoden isolierte.

Bei Männern wird Testosteron zum größten Teil unter dem Einfluss des LH (Luteinisierendes Hormon) in den Leydig'schen Zwischenzellen im Hoden produziert. Die Nebennierenrinde bildet zwar kleine Mengen anderer Androgene, jedoch nur in sehr geringem Maße Testosteron.

Bei Frauen produzieren die Eierstöcke und die Nebennierenrinde geringe Mengen an Testosteron. In der Biosynthese des Organismus ist das Cholesterol der Precursor (Vorstufe), bzw. das Progesteron ein Zwischenprodukt für die Testosteronsynthese.

Funktion

Testosteron hat verschiedene Wirkungen auf diverse Organe. Es bewirkt z.B. die Entstehung des männlichen Phänotyps, ist für das Wachstum mit verantwortlich und sorgt für die Spermienproduktion.

Testosteron wird, an ein Protein gebunden, über das Blut auch zu vielen anderen Zielorganen transportiert, die Rezeptoren für dieses Hormon haben. Das Transportprotein heißt Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG). Im Körper wird ein Teil des Testosterons durch das Enzym 5α-Reduktase zu dem biologisch noch aktiveren Dihydrotestosteron (DHT) metabolisiert. Über ein negatives Feedback hemmt Testosteron in der Hirnanhangsdrüse die Sekretion von Luteinisierendem Hormon (LH) und im Hypothalamus die des Gonadoliberins, welches auch Gonadotropin-Releasing Hormon (GnRH) genannt wird.

Testosteron wird über das Androgenbindungsprotein (ABP) der Sertoli-Zellen zu den Samenkanälchen transportiert. Hier bewirkt es die Reifung der Spermatiden zu Spermien (siehe auch Hodenfunktion). Darüber hinaus bewirkt Testosteron bei männlichen Individuen in der Pubertät die Entwicklung des Penis, Hodensacks, der akzessorischen Geschlechtsdrüsen und der sekundären Geschlechtsmerkmale und sorgt bei Erwachsenen für die Aufrechterhaltung dieser Merkmale.

Bei Tieren, bei denen Mehrlingsgeburten die Regel sind, also auch den meisten Säugetieren, ist der adulte Testosteronspiegel maßgeblich von der Position der Föten im Uterus abhängig. Föten, die in der Gebärmutter zwischen zwei Weibchen liegen, weisen später eine niedrigere Testosteronkonzentration auf, als Föten, die zwischen zwei männlichen Geschwistern liegen. Bei adulten Tieren zeigen sich infolgedessen sehr unterschiedliche Verhaltensmuster.[4]

Außerhalb der Geschlechtsorgane fördert das Hormon das Wachstum der Körperbehaarung und der Barthaare (aber nicht der Kopfhauptbehaarung; siehe auch Haarausfall) und besitzt eine anabole, das heißt muskelaufbauende Wirkung. Des Weiteren verstärkt Testosteron die Knorpel- und Knochenneubildung, ähnlich wie Thyroxin. Ein hoher Testosteronspiegel fördert das Entstehen bzw. die Steigerung von sexuellem Verlangen (Libido) und generell Antrieb, Ausdauer und „Lebenslust“, sowie dominante und aggressive Verhaltensweisen. Schließlich kommt es durch Testosteronwirkung zu einer Vermehrung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) durch die Stimulation der Freisetzung von Erythropoetin in der Niere und die Aktivierung des Knochenmarks[5].

Künstliche Testosteronzufuhr bei Frauen kann zu einer Vermännlichung (Stimme, Muskulatur, Gesichtszüge, Behaarung) und Vergrößerung der Klitoris führen, welche sich nach Absetzen mehr oder weniger zurückbildet (abhängig von der Dauer, Höhe der Dosis und individueller Veranlagung).

Bei Frauen im mittleren Lebensalter gehen erhöhte Testosteronwerte mit einem höheren Risiko für eine Depression einher.[6]

Als verhaltensbiologische Wirkungen bei Tieren wurden Imponiergehabe, Kampfverhalten sowie Begattungsdrang erforscht und beobachtet. Dies wurde u. a. durch Kastration und anschließende Hormonzufuhr an Tieren (mächtige, aggressive Hengste werden zu sanften, angepassten Wallachen) nachgewiesen. Bei Menschen ist der Einfluss des Hormons auf das Verhalten weniger etabliert als bei Tieren. Eine Metaanalyse von insgesamt 45 Studien zum Verhältnis zwischen Testosteron und Aggressivität bei Menschen ergab einen schwachen, aber signifikanten positiven Zusammenhang zwischen Aggressivität und Testosteron.[7] Zwei systematische Übersichtsarbeiten kamen zu dem Schluss, dass es nicht allein Testosteron ist, das aggressives Verhalten steigert, sondern das Verhältnis von Testosteron zu Cortisol. Ein hoher Testosteronspiegel gepaart mit einem niedrigen Cortisolspiegel sei besonders stark mit Aggressivität assoziiert.[8][9] Eine Studie aus dem Jahr 2012 zeigte, dass subjektiv empfundene Wut mit erhöhtem Testosteron, nicht jedoch mit Cortisol, zusammenhing.[10]

Eine systematische Übersichtsarbeit zur Beziehung zwischen Testosteron und antisozialem Verhalten ergab, dass ein hoher Testosteronspiegel zu einer beeinträchtigten Regulation emotionaler und motivationaler Prozesse, geringerer sozialer Sensibilität und starker Belohnungsmotivation führt. Ob sich das in antisozialem Verhalten äußert, hängt jedoch von einer Reihe sozialer und genetische Faktoren ab.[11] Einzelne Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass Testosteron dissoziales Verhalten wie egozentrische Entscheidungen fördert[12] und kognitive Empathie verringert.[13] Andere Einzelstudien kamen zu umgekehrten Ergebnissen, so z.B. dass die Gabe von Testosteron die Tendenz zum Lügen bei Männern reduziert.[14][15] Eine Untersuchung zeigte, dass Testosteron bei Frauen dazu führt, dass die Versuchsteilnehmenden fairere Angebote in einem Verhandlungsexperiment machten. Die Forscher erklären diese Wirkung damit, dass das Hormon die Sensitivität für den Status erhöht und vermuteten, dass in der sozial komplexen Umwelt des Menschen nicht Aggression, sondern pro-soziales Verhalten den Status sichert.[16] Allerdings kam eine Studie an Männern zu dem Resultat, dass exogenes Testosteron aggressives, anti-soziales Verhalten bei Verhandlungen signifikant erhöht. Männer, denen Testosteron verabreicht wurde, behielten im Vergleich zur Placebo-Gruppe 27 % mehr Geld für sich in Verhandlungssituationen. Der Effekt blieb auch nach Kontrolle individueller Komponenten wie Altruismus bestehen.[17]

Es besteht offensichtlich eine Korrelation zwischen der Schlafdauer und dem Testosteronspiegel. So stieg in einer Studie, die mit 800 gesunden Männern aller Altersstufen durchgeführt wurde, der Testosteronspiegel mit zunehmender durchschnittlicher Schlafdauer (gemessen über drei Wochen) zuerst an, erreicht bei etwa acht Stunden einen Höhepunkt und fällt ab dort überraschenderweise wieder stark ab. Während der Anstieg mit einer vermehrten Hormonproduktion, die vor allem im Schlaf stattfindet, erklärt wird, ist der Abfall bisher noch ungeklärt.[18]

Testosteron-Mangel bei alternden Männern wird unter dem Begriff Testosteron-Mangel-Syndrom bzw. dem englische Fachbegriff partial androgen deficiency in the aging male (abgekürzt mit PADAMEs, PADAM) beschrieben.

Der Blutspiegel unterliegt tageszeitlichen Schwankungen. Sinkt der Wert unter 12 nmol/l, so gilt er als behandlungsbedürftig (12 nmol/l = 3,5 ng/ml = 346 ng/dl). Die häufigste Form des Testosteronmangels ist der Late-Onset (d.h. altersassoziierte) Hypogonadismus, von dem bis zu 30 % aller Männer über 40 Jahre betroffen sind.

Eine Studie der Universität Manchester aus 2010 stellt allerdings in Frage, ob die beklagten, vielschichtigen Symptome überhaupt mit der Höhe des Testosteronspiegels korrelieren und ob eine Testosteronsubstitution ursächlich hilft. Zwischen den vermeintlichen Wechseljahresbeschwerden bei Männern in fortgeschrittenem Alter und einem niedrigen Testosteronspiegel konnten die Forscher keinen Zusammenhang feststellen.[19]

Testosteronbiosynthese

Biosynthese der Steroidhormone

Der Ausgangsstoff für die Testosteronbiosynthese in den Leydig-Zellen ist Cholesterol (Cholesterin), welches über zwei verschiedene Wege verarbeitet werden kann. Den letzten Schritt, die Reduktion von Androstendion, katalysiert das Enzym Testosteron-17beta-Dehydrogenase.[20]

Diagnostik und Normwert

Der Testosteronspiegel wird vorwiegend aus dem Blutserum bestimmt. Die Blutabnahme muss in den Morgenstunden stattfinden, da der Wert tageszeitlichen Schwankungen unterliegt.[21] Die Bestimmung erfolgt meist per Immunassay-Methodik; da diese bei niedrigen Werten ungenaue Ergebnisse liefert, wird hier eine Kombination aus Extraktion, chromatographischen Methoden und nachfolgender Immunoassay- oder massenspektrometrischer Bestimmung empfohlen. Flüssigchromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung ermöglicht die Messung verschiedener Steroide in derselben Probe.[22]

Der Testosteronspiegel im Blutserum eines gesunden Mannes folgt einer Circadianen Rhythmik, wobei der Wert frühmorgens ein Maximum und nachmittags ein Minimum durchläuft. Abhängig vom Alter schwanken die Werte dabei zwischen 13 und 23 nmol/l mit einem Mittelwert von etwa 16 für ältere Männer und etwa 18 für jüngere Männer. Der Normbereich liegt dabei für alle Männer zwischen 12 und 40 nmol/l.[22] Eine Therapie kann bei Serumspiegeln unter 12 nmol/l erwogen werden und wird bei Werten kleiner 8 nmol/l empfohlen; bei Hypogonadismus kann auch bei höheren Spiegeln eine Substitutionstherapie angezeigt sein.[23]

Haarausfall

Das Hormon Dihydrotestosteron (DHT) ist ein Abbauprodukt von Testosteron. Beim erblich bedingten Haarausfall kann eine vererbte Überempfindlichkeit der Haarwurzeln gegenüber DHT bestehen und zu einer fortschreitenden Verkleinerung der Haarwurzeln führen. Eine Behandlungsmöglichkeit besteht in Medikamenten zur Senkung des DHT-Spiegels.[24]

Testosteronersatztherapie

Ein Testosteronmangel kann unter anderem zu Erektionsstörungen und Osteoporose führen. Reicht die natürliche Produktion von Testosteron nicht aus, dann kann eine Langzeittherapie mit von außen zugeführtem Testosteron erfolgen.

Als Ersatztherapie gibt es folgende Möglichkeiten:

  • „Monats-Spritze“: Älteste Therapieform, Spritzenabstand 3 bis 4 Wochen, dennoch stark schwankende Spiegel.
  • Gel zum Auftragen auf die Haut: Das Gel wird täglich auf die Haut aufgetragen und ermöglicht einen relativ konstanten Testosteronspiegel.
  • Skrotalpflaster: Täglich auf den Hodensack zu klebendes Pflaster. Gute Ergebnisse, jedoch manchmal störend in der Anwendung.
  • In einigen Ländern sind auch Testosteronimplantate zugelassen. In einer kleinen, ambulanten Operation werden sie unter die Haut appliziert. Nur alle 5 bis 6 Monate notwendig. Guter Testosteronspiegel.
  • „3-Monats-Spritze“: Neueste Therapieform, gute Ergebnisse.

Anmerkungen:

  • In der Praxis werden die Injektionsintervalle oft noch weiter ausgedehnt, da im Organismus Mechanismen zur Bindung von Testosteronmolekülen an bestimmte Proteine (SHBG) vorhanden sind.
  • Da eine externe Testosteronverabreichung von der Natur nicht vorgesehen ist und künstliche Testosteronsalben und Matrixpflaster erst sehr kurz am Markt sind, ist über Risiken und Langzeitnebenwirkungen noch nichts bekannt. Externe Testosterongaben könnten die Fähigkeit des Körpers, selbst Testosteron zu produzieren, vorübergehend oder gar dauerhaft beeinträchtigen.

Behandlung von Frau-zu-Mann-Transsexuellen

Nach von Psychotherapeuten diagnostizierter Transsexualität wird Frau-zu-Mann-Transsexuellen Testosteron durch Endokrinologen oder Allgemeinmediziner verabreicht.[25] Dies führt auch zu einer wahrnehmbaren Veränderung der Stimmlage des Patienten.[26]

Testosteron als Dopingmittel

Manche Bodybuilder sowie Ausdauersportler verwenden Testosteron als Dopingmittel, um ihren Muskelaufbau zu beschleunigen oder die natürliche Leistungsgrenze zu überwinden. Dabei besteht aber die Gefahr, eine überhöhte Dosis zu verwenden, die zu ernsthaften, womöglich dauerhaften urologischen Problemen führen kann. Gebräuchlich sind synthetische Testosterone in Form kurzkettiger (Propionat), mittelkettiger (Enanthat/Cypionat) und langkettiger Ester (Undecanoat, Buciclat), wobei der größte Teil über den Schwarzmarkt bezogen wird. Bei diesen Produkten besteht unter anderem die Gefahr der Verunreinigung, der falschen Dosierungen und der Leberschädigung.

Nebenwirkungen

Mögliche Nebenwirkungen, vor allem bei Zufuhr synthetischer Testosterone, sind:

Siehe auch

Testosteronderivate

Einzelnachweise

  1. a b c d Eintrag zu Testosteron in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich).
  2. a b c d e f g SWGDRUG Monographs: TESTOSTERONE AND ESTERS (PDF; 2,4 MB), abgerufen am 20. Mai 2013.
  3. a b Datenblatt Testosterone bei Sigma-Aldrich (PDF). Angabe des Markenparameters in Vorlage:Sigma-Aldrich fehlerhaft bzw. nicht definiertVorlage:Sigma-Aldrich/Abruf nicht angegeben
  4. Kappeler: Verhaltensbiologie S.464
  5. S. Shahani, M. Braga-Basaria, M. Maggio, S. Basaria: Androgens and erythropoiesis: past and present. In: Journal of endocrinological investigation. Band 32, Nummer 8, September 2009, S. 704–716, ISSN 1720-8386. doi:10.3275/6149. PMID 19494706. (Review).
  6. Joyce T. Bromberger, Laura L. Schott, Howard M. Kravitz, MaryFran Sowers, Nancy E. Avis, Ellen B. Gold, John F. Randolph Jr, Karen A. Matthews: Longitudinal Change in Reproductive Hormones and Depressive Symptoms Across the Menopausal Transition. In: Archives of General Psychiatry, 2010;67(6):598-607.
  7. Angela S. Book, Katherine B. Starzyk, Vernon L. Quinsey: The relationship between testosterone and aggression: a meta-analysis. In: Aggression and Violent Behavior. 6, Nr. 6, November/Dezember 2001, S. 579–599. doi:10.1016/S1359-1789(00)00032-X.
  8. David Terburg, Barak Morgan, Jack van Honk: The testosterone–cortisol ratio: A hormonal marker for proneness to social aggression. In: International Journal of Law and Psychiatry. 32, Nr. 4, Juli/August 2009, S. 216–223. doi:10.1016/j.ijlp.2009.04.008.
  9. Estrella R. Montoya, David Terburg, Peter A. Bos, Jack van Honk: Testosterone, cortisol, and serotonin as key regulators of social aggression: A review and theoretical perspective. In: Motivation and Emotion. 36, Nr. 1, März 2012, S. 65–73. doi:10.1007/s11031-011-9264-3.
  10. Carly K Peterson und Eddie Harmon-Jones: Anger and testosterone: Evidence that situationally-induced anger relates to situationally-induced testosterone. In: Emotion. 12, Nr. 5, Oktober 2012, S. 899–902. doi:10.1037/a0025300, PMID 21910539.
  11. Bariş O. Yildirim und Jan J.L. Derksen: A review on the relationship between testosterone and life-course persistent antisocial behavior. In: Psychiatry Research. 200, Nr. 2–3, Dezember 2012, S. 984–1010. doi:10.1016/j.psychres.2012.07.044.
  12. Nicholas D. Wright et al.: Testosterone disrupts human collaboration by increasing egocentric choices. In: Proccedings of the Royal Society. 279, Nr. 1736, Juni 2012, S. 2275–2280. doi:10.1098/rspb.2011.2523.
  13. Jack van Honk et al.: Testosterone administration impairs cognitive empathy in women depending on second-to-fourth digit ratio. In: Proccedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. 108, Nr. 8, Februar 2011, S. 3448–3452. doi:10.1073/pnas.1011891108.
  14. Testosteron macht ehrlicher. Wissenschaftler der Universität Bonn untersuchen die biologischen Hintergründe des Lügens. Universitätsklinikum Bonn, 10. Oktober 2012, abgerufen am 18. Juni 2013.
  15. Matthias Wibral, Thomas Dohmen, Dietrich Klingmüller, Bernd Weber, Armin Falk: Testosterone Administration Reduces Lying in Men. In: PLOS ONE. Band 7, Nr. 10, 10. Oktober 2012, doi:10.1371/journal.pone.0046774 (englisch).
  16. C. Eisenegger, M. Naef, R. Snozzi, M. Heinrichs, E. Fehr: Prejudice and truth about the effect of testosterone on human bargaining behaviour. In: Nature. Band 463, 21. Januar 2010, S. 356–359, doi:10.1038/nature08711 (englisch).
  17. Paul J. Zak et al.: Testosterone Administration Decreases Generosity in the Ultimatum Game. In: PLoS ONE. 4, Nr. 2, 2009, S. 1–7. , PMID 20016825.
  18. Schlaf und der Hormonhaushalt. In: Deutsches Ärzteblatt 15, 2009, S. 12 f.
  19. Identification of Late-Onset Hypogonadism in Middle-Aged and Elderly Men. In: NJEM 16. Juni 2010 doi:10.1056/NEJMoa0911101.
  20. E. Mutschler: Arzneimittelwirkungen. 7. Aufl. WVG, Stuttgart 1996, S. 380.
  21. www.laborlexikon.de: Testosteron abgerufen am 17. Juni 2010.
  22. a b Eberhard Nieschlag, Hermann M. Behre, Susan Nieschlag: Andrologie: Grundlagen und Klinik der reproduktiven Gesundheit des Mannes. 3. Auflage. Springer, 2009, ISBN 978-3-540-92962-8, S. 119–121.
  23. Substitution trotz normaler Testosteron-Werte. Urologe: Bei Hypogonadismus-Symptomen ist Ersatztherapie schon bei Werten von 15 nmol/l hilfreich. Meldung in der Ärzte Zeitung vom 30. Januar 2007.
  24. Initiative proHaar: Testosteron ist Freud und Leid des Mannes, abgerufen am 27. Mai 2013.
  25. J. Schölmerich, S. Burdach et. al.: Medizinische Therapie 2005/2006. Kap. Transsexualität, Springer, 2005, ISBN 978-3-540-21226-3
  26. Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie: Zur stimmlichen Situation von sogenannten Frau-zu-Mann Transsexuellen: Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmung und akustische Daten zur Geschlechtsdarstellung, Vortrag zur 20. Wissenschaftlichen Jahrestagung der DGPP, 2003.

Handelsnamen

Monopräparate

Andriol (A, CH), Androgel (A), Androtop (D), Intrinsa (D, A), Livensa (A), Nebido (A, CH), Testim (D), Testogel (D, A, CH), Testopatch (D), Testotop (D), Testoviron (CH), Tostran (D, A)

Weblinks

Wiktionary: Testosteron – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen