„Zahnfluorose“ – Versionsunterschied

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Version vom 12. Juni 2016, 19:56 Uhr

Klassifikation nach ICD-10
K00.3 Schmelzflecken [Mottled teeth];
Dentalfluorose;
Gefleckter Zahnschmelz
ICD-10 online (WHO-Version 2019)
Leichte Form der Zahnfluorose

Zahnfluorose, (Dentalfluorose; aus Fluor und Vorlage:ELSalt2, Medizin: meist eine nichtentzündliche Erkrankung; engl.: Mottled teeth, gesprenkelte Zähne), entsteht durch zu hohe Fluoridzufuhr während der ontogenetischen Entwicklung der Zähne.

Während Fluorid in einer Dosierung von ca. 1 mg/Tag als ein wirksames Mittel zur Prophylaxe der Karies (Fluoridierung) angesehen wird, erzeugt es in höheren Dosen die Zahnfluorose, bei der sich weiße bis braune Verfärbungen in Form von Flecken oder Streifen auf der Zahnschmelzoberfläche bilden. Gelegentlich ist die gesamte Zahnoberfläche kreideweiß (matt) verfärbt und von braunen Verfärbungen durchsetzt („Colorado Brown Stain“ oder „Texas Teeth“).[1] In stärkerer Ausprägung ist dies nicht nur kosmetisch störend, sondern auch schädlich für die Zähne, da die Zahnschmelzoberfläche dadurch weniger widerstandsfähig wird.[2]

Grundlagen

Elementarzelle von Fluorapatit

Hydroxylapatit bildet die Grundlage der Hartsubstanz aller Wirbeltiere. Es ist in Knochen zu einem Anteil von etwa 40%, im Zahnbein (Dentin) zu 70% und im Zahnschmelz (Enamelum) zu 97% enthalten. Zahnschmelz wird von Adamantoblasten (Ameloblasten, schmelzbildenden Zellen) gebildet. Diese Zellen sezernieren zunächst eine bindegewebige Substanz (Präenamelum). Nach dem Zahndurchbruch vollzieht sich der Hauptteil der Mineralisation: Durch Einlagerung von Ca2+ und Phosphaten in Form von Apatit erlangt der Zahnschmelz seine endgültige Härte.

Wird Zahnschmelz bei einem pH < 5,5 in Lösung gebracht, so demineralisiert er. Dies geschieht im Mund durch bakterielle Säuren und Fruchtsäuren, wobei aus Hydroxylapatit unter Einfluss von Säuren ionisches Calcium, Phosphat und Wasser entstehen:[3]

Ca5(PO4)3(OH) + H3O+ → 5 Ca2+ + 3 (PO4)3- + 2H2O

lntoxikatlon rnlt Spurenelementen

Die professionelle Exposition gegenüber Phosphor, Blei, Wismut, Strontium und Fluor kann toxische Osteopathien mit Hyperostose und Spongiosklerose auslösen. Für Zahnentwicklungsstörungen können aber nur alimentäre und medikamentöse Überdosierungen während der kindlichen Entwicklung in Frage kommen. Damit begrenzen sich lntoxikationen ausschließlich auf Strontium und Fluor im Trinkwasser sowie auf Überdosierung von Fluoridpräparaten. Der dosisabhängige Einfluss des Strontlumgehalts im Trinkwasser ist bisher wenig untersucht worden. Bei steigendem Gehalt von 0‚2–34.0 mg/l Strontium zeigt sich eine Korrelation zur Zunahme von linienfönnigen Hypoplasien (horizontale Schmelzstreifung) auch dann, wenn eine Fluorose ausgeschlossen werden kann.[4][5]

Fluoridierung

Bei der Fluoridierung wird Hydroxylapatit zu Fluorapatit umgewandelt:

Ca5(PO4)3(OH) + F- → Ca5(PO4)3 F + OH-

Fluorapatit besitzt bei gleichem pH-Wert ein viel geringeres Löslichkeitsprodukt, d. h. es dissoziieren weitaus weniger Fluorapatitmoleküle in einer Lösung, als Hydroxylapatitmoleküle. Dies ist der Grund, weshalb Fluorapatit beständiger ist, als das körpereigene Hydroxylapatit.

Ätiologie

Fluorid ist ein Enzyminhibitor. Beim Menschen haben Fluoride eine sichtbar zellschädigende Wirkung nur während der Wachstumsphase. Als besonders empfindlich zeigen sich die Ameloblasten. Bei erhöhter Fluoridzufuhr kommt es zu einer mangelhaften Syntheseleistung der Ameloblasten und dadurch zu einer fleckförmigen Unterentwicklung des Zahnschmelzes. Die Zahnfluorose tritt jedoch nur bei erhöhter Fluoridzufuhr während der Zahnbildung auf, die bis zum achten Lebensjahr abgeschlossen ist.[6] Zu hohe Fluoridkonzentrationen stören die Matrixsekretion, den Matrixabbau, die Schmelzreifung und Schmelzmineralistion. Die Folge davon sind hypo- und hypermineralisierte Bereiche im Schmelz und Dentin. Je länger und höher konzentriert die Fluoride eingenommen werden, desto grösser werden die hypomineralisierten Zonen. Klinisch manifestiert sich diese Störung der Schmelzbildung durch Farbveränderungen und eine erhöhte Porosität. Die genauen Mechanismen sind Gegenstand heutiger Forschung.[7]

Differentialdiagnose

Die Zahnfluorose ist abzugrenzen von folgenden Zahnerkrankungen:

Therapie

Je nach Schweregrad und ästhetischer Beeinträchtigung kommen nachfolgende Therapien in Betracht:

Geschichte

Schon bald nachdem Jakob Berzelius 1822 als Kurgast in Carlsbad zum ersten Mal gebundene Flusssäure im dortigen Sprudelwasser nachgewiesen hatte,[8] zeigten sich Kurgäste besorgt, dass diese Säure, die auch das benutzte Trinkglas anzuätzen schien, ihren Zähnen schaden könnte. Sie wurden beschwichtigt mit dem Hinweis, dass im Zahnschmelz kein Silikat enthalten sei, das von der Flusssäure angelöst werden könne.[9][10] Ca. 110 Jahre später wurde Fluorid im Trinkwasser als Ursache der endemischen Zahnfluorose erkannt und die Fluoridwirkung irrtümlich zunächst auf einen Ätzeffekt zurückgeführt, der die betroffenen Zahnflächen wie korrodiert aussehen ließ.[11]

Der Erstbeschreiber der Zahnfluorose war höchst wahrscheinlich der Zahnarzt C. Kühns, der 1888 in einem Vortrag über schwarz gefleckte Zähne bei einer Familie berichtete, die aus Durango (Mexiko) herüber gekommen ist und dann zu seinem Patientenkreis gehörte. Von dieser Familie erfuhr er, dass derartige Verfärbungen in Durango sehr häufig seien. Er machte Eisen- oder Manganablagerungen für die Verfärbung verantwortlich, die der „caries nigra“ ähnelte.[12] Dieser frühe Bericht ist ungewöhnlich, denn spätestens seit Carl Wedl 1870 in seinem Buch Pathologie der Zähne braune Schmelzverfärbungen unbekannter Herkunft als Anzeichen für Zahnkaries ansah, dürften Vorkommen von Zahnfluorose oft fehlinterpretiert worden sein. Ansonsten hätten Versuche des Münchner Chirurgen Ludwig von Stubenrauch bereits 1904 einen wichtigen Hinweis auf die Ursache bieten können. Der Chirurg hatte Hunde während der Zahnentwicklung mit Natriumfluorid gefüttert und stellte neben den für Fluorose typischen Skelettveränderungen fest, dass sie „ausnahmslos eine typische Caries der Zähne mit falschen Stellungen der Zähne“ bekamen.[13] In dem Gebiet um Neapel (Italien) hatten die Bewohner „denti neri“ (schwarze Zähne) bzw. „denti scritti“ (die aussahen, als ob sie beschriftet wären) was von den Einheimischen auf den Gasausstoß des Vesuvs zurückgeführt wurde. John Eager, ein in Neapel stationierter Arzt des United States Public Health Service (USPHS) hatte darüber 1901 berichtet, wo die Zahnschäden „Denti di Chiaie“ (nach einem Ortsteil von Neapel, Chiaia) genannt wurden.[14][15][16] Elf Jahre zuvor hatte der italienische Arzt und Mineraloge Arcangelo Scacchi über den Fluoridgehalt der vulkanischen Exhalationen und der Böden der Gegend geschrieben[17] - an einen Zusammenhang mit den dort später berichteten Zahnschäden dachte aber niemand.

Fluorose bei einer Kuh

Die Verfärbungen wurden seit 1923 auch in den trockenen Küstenregionen von Nordafrika beschrieben, wo sowohl Einheimische, aber insbesondere Pflanzenfresser, davon betroffen waren. Dort wurde das Phänomen von dem marokkanischen Tiermediziner Henri Velu (1887-1973) „Le darmous“ genannt, der es 1922 erstmals beschrieb und experimentell nachweisen konnte, dass die Ursache ein sehr hoher Fluoridanteil im Trinkwasser war, nachdem es fluorhaltiges Phosphorit passiert hatte. Die Erkrankung wird auch Velu-Charnot-Spéder Syndrom genannt.[18][19][20][21] Velu fand heraus, dass ungewaschene Proben von Stroh und Gerste einen höheren Fluorid-Gehalt hatten, als gewaschene Proben. Die deutliche Fluorose bei Pflanzenfressern resultierte eher aus dem staubkontaminiertem Futter mit hohem Fluoridgehalt, als durch das Einatmen von fluoridhaltigen Staub. Im Gegensatz resultierte die endemische menschliche Fluorose in der Region meist durch Einatmen von fluoridhaltigen Phosphatstaub.[22] Ähnliche Symptome der Fluorose fand man in Holland, Mexiko und vielen Städten in den Vereinigten Staaten.

Fluorose-Forschung durch Frederick Sumner McKay

Im Kurort und Goldsucher-Paradies Colorado Springs machte Frederick Sumner McKay eine überraschende Beobachtung. Die Zähne vieler Einwohner hatten unschöne braune Flecken (engl.: „mottled teeth" – gesprenkelte Zähne). Für einen „Oststaatler“ war dies befremdend, die örtlichen Zahnärzte und Ärzte maßen dem jedoch keine große Bedeutung bei, zumal die Verfärbungen keine offensichtlichen Auswirkungen auf die Gesundheit hatten. McKay wollte jedoch die Ursache herausfinden und widmete 30 Jahre seines Lebens dieser mühsamen Suche. Er vermutete, dass ein Zusammenhang mit dem Trinkwasser bestehen müsse, wobei zunächst unklar war, ob diesem Wasser etwas Bestimmtes fehlte oder ob ein unerwünschter Bestandteil verantwortlich zu machen sei. Als erstes testete er die Wasserquelle in Colorado Springs, auch auf Arsen, aber er fand nichts Ungewöhnliches. Er hatte auch andere Gewässer getestet; sie zeigten einige Gemeinsamkeiten und einige Unterschiede, aber nichts Bestimmtes. Ein einschneidendes Erlebnis war für Mckay, als er einige portugiesischen Familien aufsuchte, die von den Inseln Brava und Fogo auf den Azoren nach Nantucket, Massachusetts, eingewandert waren. McKay besuchten diese Leute und stellte fest, dass die Brava-Eingeborenen Zähne mit den ominösen braunen Flecken hatten, die Fogo-Eingeborenen jedoch nicht. Bei gleicher Umgebung und Ernährung auf den Azoren könnte der einzige Unterschied nur ihr Trinkwasser sein. Ähnliche Erfahrungen machte er mit anderen Bevölkerungsgruppen, aber immer noch hatte er keine Erklärung dafür gefunden.

Bereits 1925 war McKay so von der Idee überzeugt, dass irgendein Zusammenhang mit der Zusammensetzung des regionalen Trinkwassers bestehen muss, dass er guten Gewissens der Gemeinde Oakley, Idaho, zu einer Investition von 35.000 Dollar für den Wechsel der Wasserquelle raten konnte, um die dort festgestellten Zahnschäden für zukünftige Generationen abzustellen.[23] Den tatsächlichen Erfolg konnte er aber erst acht Jahre später verbuchen. Frustrierend waren dagegen seine Erfahrungen ab 1927 mit der Stadt Lake Elsinore (Kalifornien), ca. 100 Meilen südöstlich von Los Angeles. Alle nativen Einwohner dort hatten Zahnfluorose. Die Stadt lebte aber vom Tourismus, die heißen Quellen, die die Stadt auch mit Trinkwasser versorgten, dienten den Kurgästen für Trink- und Badekuren. Die Besitzer der Kurhäuser wandten sich gegen einen Wechsel der Wasserquellen, obwohl solche nach McKays Ansicht in größerer Zahl zur Auswahl standen.[24] Das Problem wurde erst Jahrzehnte später nach heftigen (auch politischen) Auseinandersetzungen und großem Druck gelöst.[25]

Eine ähnlich hitzige Debatte um die Trinkwasserversorgung wie in Elsinore entwickelte sich während der 1930er Jahre in Chetopa, Kansas, wo ein lokaler Zahnarzt, James Scott Walker, als Anführer der Befürworter eines Wechsels zu einer fluoridärmeren Wasserversorgung eine entscheidende Rolle spielte.[26] Der Wechsel der Quelle, für den Walker bis 1939 kämpfen musste, kam aber hier erst zustande, nachdem Sicherheitsprobleme aufgeworfen worden waren. Als nach diesem Erfolg Zahnärzte in Kansas weitere Quellen als problematisch erkannten, wurde vom Leiter der zahnärztlichen Abteilung des Kansas State Board of Health, Leon Kramer, gefordert, den Grenzwert für Fluorid möglichst hoch anzusetzen, um die Wasserversorgung der Städte auch unter wirtschaftlichen Aspekten zu gewährleisten. Als Grenzwert wurden von ihm 3 ppm vorgeschlagen.[27]

Der Durchbruch

Für McKays Projekt kam der Durchbruch 1931 durch Wasseruntersuchungen, die Harry V. Churchill, Chefchemiker in den Forschungslabors der Aluminium Company of America (ALCOA) in New Kensington ausführen ließ.[28] Churchill war auf Umwegen mit McKay in Kontakt gekommen und veranlasste eine Prüfung des Trinkwassers von Bauxite (Arkansas) auf Spurenelemente. Grund war der Verdacht, dass Kochgeschirr aus Aluminium, das diese Firma herstellte, für die braunen Flecken verantwortlich sein könnte. Unterstützung fand diese These in dem Umstand, dass in den betroffenen Gebieten in Colorado das Wasser aus dem Kryolith-haltigen Boden Aluminium aufnehmen konnte, ebenso wie aus dem Bauxit-Erz, das in der Stadt Bauxite abgebaut wurde. Churchill stellte zu seiner Erleichterung jedoch einen erhöhten Fluoridgehalt des jeweiligen Wassers fest. Er ließ sich dann, unter dem Siegel der Verschwiegenheit, über McKay Wasserproben aus verschiedenen Gebieten zuschicken, deren Fluoridgehalt er untersuchte. Während der Fluoridgehalt des Wassers einiger Städte grob mit dem Schweregrad der dort von McKay gefundenen Dentalfluorose korrelierte, war bei einem Fluoridgehalt von unter 1 ppm keine endemische Schädigung beobachtet worden. Mit Hilfe der Ergebnisse des Chemikers hatte McKay endlich als Ursache der Dentalfluorose die lang gesuchten Unterschiede im Trinkwasser gefunden. Daraus resultierte auch die Bezeichnung Colorado brown stain für die Zahnfluorose.

Diesen Zusammenhang quantitativ darzustellen oblag dem Zahnarzt Henry Trendley Dean, der sich im USPHS ab Ende 1931 mit dem Problem befasste. Dean hatte sich vor dem Aufgreifen seiner neuen Aufgabe mit McKay getroffen und sich bei ihm über Details informiert.

Fluorose-Indices

Mittelschwere dentale Fluorose
Schwere Form der Zahnfluorose
Datei:Fluorosiscartoon11.jpg
Cartoon, das gegen die Fluoridierung aufrütteln soll, weil sie Fluorose hervorruft.

Fluorose-Indices wurden entwickelt, um einerseits die Ausprägung der Fluorose je nach Schweregrad zu erfassen und andererseits mittels epidemiologischen Studien Grenzwerte zur Fluorid-Zufuhr zur Kariesprävention zu ermitteln, bei denen keine oder tolerierbare Fluorose-Zahnschäden auftreten. Bei der Ermittlung der individuellen Fluoridzufuhr ist die Gesamtmenge zu bestimmen, die aus Fluoridtabletten, Nahrung, Trinkwasser, sonstigen Getränken (grüner und schwarzer Tee (auch Eistee), manche Mineralwässer, fluoridierte Milch), fluoridiertem Speisesalz und fluoridhaltigen Zahnpasten täglich aufgenommen wird.

Fluoroseindex nach Dean

H. Trendley Dean veröffentlichte erstmals einen Fluoroseindex im Jahr 1934. Der Index erfuhr zwei Änderungen und wurde in seiner endgültigen Form im Jahre 1942 veröffentlicht.[29] Der Schweregrad richtet sich nach den gravierendsten Befunden an zwei oder mehr Zähnen.[30]

Fluoroseindex nach Dean
Schweregrad Klassifikation Symptome Wichtung
0 Normal Keine Veränderungen 0
1 Fraglich Der Zahnschmelz zeigt leichte Abweichungen in der Transluzenz, mit gelegentlichen weißen
Flecken.
0,5
2 Sehr mild Kleine, undurchsichtige, weißliche Bereiche, unregelmäßig über den Zahn verstreut. Es sind
nicht mehr als 25 Prozent der Zahnoberfläche beteiligt.
Hierunter fallen auch Zähne, die nicht mehr als etwa 1–2 mm einer weißen Opazität an den
Höckerspitzen der ersten oder zweiten Molaren aufweisen.
1
3 Mild Kleine, undurchsichtige, weißliche Bereiche, unregelmäßig über den Zahn verstreut. Es sind nicht
mehr als 50 Prozent der Zahnoberfläche beteiligt
2
4 Mittelschwer Alle Schmelzoberflächen der Zähne sind betroffen. Sie zeigen Abrasionszeichen und sind durch
braune Flecken unästhetisch im Aussehen.
3
5 Schwer Alle Schmelzoberflächen sind betroffen. Die Schmelzhypoplasien sind ausgeprägt und erscheinen
löchrig. Die Zähne zeigen großflächige braune Schmelzflecken.
3

Community Index of Dental Fluorosis

Der Community Index of Dental Fluorosis (FCI) wird häufig bei epidemiologischen Studien zur Fluoroseprävalenz angegeben und berechnet sich nach folgender Formel, wobei die Wichtung im oben aufgezeigten Index nach Dean verwendet wird:[31]

n = Fluorose-Erkrankte. w = Wichtungsfaktor (Schweregrad), N = Gesamtzahl aller Untersuchten

Fluoroseindex nach Thylstrub und Fejerskov

Thylstrub und Fejerskov entwickelten 1978 einen Fluoroseindex, der auf Deals Index aufbaut. Sie bezogen die zugrunde liegende Pathologie der Fluorose mit ein. Der Index erfasst Veränderungen im Schmelz in einer Skala von 0 bis 9, so dass eine genauere Definition von leichten und schweren Fällen ermöglicht wird.[32]

Fluoroseindex nach Thylstrub und Fejerskov (TFI)
Schweregrad Symptome
0 Keine Veränderungen
1 Schmale weisse Linien, die den Perikymatien folgen
2 Schmale weisse Linien, die den Perikymatien folgen. An wenigen Stellen konferierend (snowcapping)
3 Ausgeprägte weisse Linien, an wenigen Stellen konfluierend.
4 Ausgeprägte weisse Linien, an den meisten Stellen konfluierend.
5 Stark verschmelzende Linien mit unregelmässigen wolkig-opaken Arealen auf der gesamten Zahnoberfläche.
6 Ganze Fläche mit deutlichen Opazitäten oder kalkig-weissem Aussehen < 2mm.
7 Opak weisse oder bräunliche Oberfläche mit einzelnen lokalen Hypoplasien
8 Oberflächenschmelzverlust in grösseren Bereichen. Der übrige Bereich des Zahnschmelzes ist von opaker Farbe.
9 Oberflächenschmelzverlust in grösseren Bereichen. Die Zahnform ist verändert.

TSIF-Index

Horowitz entwickelte auf den beiden vorherigen Indices den TSIF-Index (Tooth Surface Index of Fluorosis, engl.: Zahnoberflächenindex bei Fluorose) der sieben Schwererade vorsieht.[33][34]

Tooth Surface Index of Fluorosis (TSIF)
Schweregrad Symptome
0 Keine Veränderungen
1 Der Zahnschmelz zeigt deutliche Hinweise auf Fluorose mit Bereichen mit Pergament-weißer Farbe, die weniger
als ein Drittel der sichtbaren Zahnschmelzoberfläche umfassen.
Zu dieser Kategorie gehören auch Zähne, deren Schneidekanten der Frontzähne oder Höckerspitzen der Seitenzähne
betroffen sind („snowcapping").
2 Pergament-weiße Fluorose die mindestens ein Drittel aber weniger als zwei Drittel der sichtbaren Oberfläche umfasst.
3 Pergament-weiße Fluorose die mehr als zwei Drittel umfasst.
4 Zusätzlich zu den Erscheinungen der vorherigen Schweregrade sind die Zähne hellbraun bis dunkelbraun verfärbt
5 Die Zähne weisen kleine, löchrige, raue, verfärbte Defekte auf, die von gesundem Zahnschmelz umgeben sind
6 Die Zähne weisen sowohl die beschriebenen Defekte, als auch umfangreiche Verfärbungen auf.
7 Die Zähne weisen eine konfluierende Grübchenbildung der Schmelzoberfläche auf sowie große Zahnschmelzdefekte.
Dunkelbraune Flecken sind in der Regel vorhanden.

Fluorose Risiko Index

Der Fluorosis Risk Index (engl.: Fluorose Risiko Index) wurde 1990 von Pendrys vorgeschlagen, um in analytischen epidemiologischen Studien verwendet zu werden. Er dient zur genaueren Identifizierung von altersspezifischen Forderungen an Fluoridgaben und der sich daraus entwickelnden Entwicklung der Zahnfluorose. Dieser Index unterteilt die Schmelzoberflächen der Zähne im bleibenden Gebisses in 2 Gruppen.[35]

Fluorose Risiko Index
Kategorie Zahnschmelzbildung Betroffene Zähne
1 während des ersten Lebensjahres Inzisalkanten bzw. Okklusalflächen der Zähne 16, 11, 21, 26, 36, 31, 41, 46
(Sechsjahrmolaren und mittlere Schneidezähne)
2 zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr Zervikales Drittel der Schneidezähne,
Mittleres Drittel der Eckzähne 13, 23, 33, 43 und das
inzisale und mittlere Drittel der Prämolaren und Molaren.

In den jeweiligen Kategorien werden die Befunde nach dem TFI-Fluoroseindex nach Thylstrub und Fejerskov erfasst.

Modifizierter DDE-Index

1982 schlug die Commission on Oral Health, Research and Epidemiology die Verwendung eines Developmental defects of enamel-Index (DDE) vor (engl.: Index der Zahnschmelzentwicklungsstörungen). Auf Grund seiner Kompliziertheit wurde er 1989 von J. Clarkson und D. O‘Mullane modifiziert[36] und ist seit 1999 durch die Fédération Dentaire Internationale (FDI), dem Zahnärzteweltverband, anerkannt.[37]

Modified developmental defects of enamel-Index (DDE)
Schweregrad Symptome
0 Normal
1 Begrenzte Opazitäten
2 Diffuse Opazitäten
3 Hypoplasien
4 Hypoplasien mit weiteren Defekten
5 Gleichzeitig begrenzte und diffuse Opazitäten
6 Begrenzte Opazitäten mit Hypoplasien
7 Diffuse Opazitäten mit Hypoplasien
8 Gleichzeitig begrenzte und diffuse Opazitäten mit Hypoplasien

Neuere Untersuchungsmethoden

Die Visuelle Analogskala (VAS) {Visual Analogue Scale) wurde 2005 von Preira entwickelt. Die Laborstudie zeigte eine bessere Korrelation zwischen der Fluoridkonzentration und dem VAS für die Zahnfluorose als zwischen Fluoridkonzentration und dem TFI.[38] Pretty und McGrady experimentieren mit quantitativer Fluoreszenz (Quantitative Light Fluorescence, QLF) und seit 2012 mit polarisiertem Licht mit Hilfe eines Digital-Imaging-Systems zum Erfassen von Bildern. Das Verfahren soll eine automatisierte Software-Analyse ermöglichen und für epidemiologische Studien geeignet sein.[39]

Literatur

  • Markus Schaffner, Peter Hotz, Adrian Lussi, Thema des Monats:Zahnfluorose, Swiss Dental Journal, SSO, Volume 125, Heft 6, 2015, S. 710–711. Abgerufen am 4. Juni 2016.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Zahnfluorose (englisch)
  2. Hendrik Meyer-Lückel, Kim Ekstrand, Sebastian Paris: Karies: Wissenschaft und Klinische Praxis. Georg Thieme Verlag, 2012, ISBN 978-3-13-169321-1, S. 200– (google.com).
  3. Hydroxylapatit, Chemie.de. Abgerufen am 4. Juni 2016.
  4. Peter Gängler: Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie: 66 Tabellen. Georg Thieme Verlag, 2005, ISBN 978-3-13-593702-1, S. 74 (google.com).
  5. Eckhart Buddecke: Biochemische Grundlagen der Zahnmedizin. Walter de Gruyter, 1981, ISBN 978-3-11-008738-3, S. 53–54 (google.com).
  6. Eckhart Buddecke: Biochemische Grundlagen der Zahnmedizin. Walter de Gruyter, 1981, ISBN 978-3-11-085820-4, S. 83–84 (google.com).
  7. Ole Fejerskov, Edwina Kidd: Dental Caries: The Disease and Its Clinical Management. John Wiley & Sons, 2009, ISBN 978-1-4443-0928-7, S. 299 ff. (google.com). Abgerufen am 4. Juni 2016.
  8. Jakob Berzelius: Extrait d'une lettre de M. Berzelius à M. Berthollet. Ann. de Chimie 21 (1822) 246
  9. Joseph Ernest Ryba: Karlsbad und seine Heilquellen. Ein Handbuch für Kurgäste, Verlag Kronberger und Weber, Prag, 1828, S.127-128
  10. Buchbesprechung: Ryba: Carlsbad und seine Heilquellen. In: Medicinische Jahrbücher des kaiserlich-königlichen österreichischen Staates, N.F. 1. Band, (1829) S. 271
  11. F. S. McKay: Schreiben vom 29. Januar 1931 an H. V. Churchill; ALCOA papers, Wisconsin State Historical Society, Madison, Wisconsin
  12. Dtch. Mschr. Zahnheilk. 6: (1888) 446, zit. in: F. J. McClure: Water Fluoridation. The search and the victory. NIDR, Bethesda, MD, 1970, S. 1–3. Abgerufen am 4. Juni 2016.
  13. Ludwig von Stubenrauch: Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung des Fluornatriums auf den Knochen, speziell den Kieferknochen. Verhandl Dtsch Ges für Chhirurgie, 33. Kongr., Berlin, 6. April 1904, S.20
  14. J. M. Eager, Denti di Chiaie (Chiaie Teeth). Publ Health Rep Volume 16, 44, 1. November 1901, S. 2576–2577
  15. J. M. Eager, Chiaie Teeth, Periscope, Dental Cosmos, Volume 44 (März 1902) S. 300-303.
  16. F. J. McClure: Water Fluoridation. The search and the victory. NIDR, Bethesda, MD, 1970, S. 1–3. Abgerufen am 4. Juni 2016.
  17. Arcangelo Scacchi: La regione vulcanica fluorifera della Campania. G. Barbera, Firenze, 1890
  18. Gaston Compain: 'El Darmous'– Lésions des dents et ostéite déformante du maxillaire inférieur chez les animaux domestiques de la région du Gantour (Maroc), Thèse, Lyon 1926
  19. Albert Claudon: Le Darmous. Dystrophie dentaire des espèces domestiques de la Haute-Chaouia, Thèse, Lyon 1931
  20. Henri Velu: Le Darmous (ou Dermes) - Fluorose spontanée des zones phosphatées, Archives de l'institut Pasteur d'Algérie 10:1 (März 1932) S. 41-118
  21. André Chambionnat: La lutte contre le Darmous. Le dosage du fluor dans les eaux. Son élimination en vue de la potabilité des eaux à Darmous, 78 S., undatiert (ca. 1938)
  22. Y. Haikel, J.C. Voegel, R.M. Frank: Fluoride content of water, dust, soils and cereals in the endemic dental fluorosis area of Khouribga (Morocco). In: Archives of Oral Biology. 31, 1986, S. 279, doi:10.1016/0003-9969(86)90041-5.
  23. P. Meiers: A new water supply for Oakley, Idaho, abgerufen am 3. Juni 2016
  24. F. S. McKay: Schreiben an Grover Kempf, USPHS, vom 29. März 1927; Ruth Roy Harris papers
  25. Hans Ludigs: Fluorid und die Geschichte der US-amerikanischen Zahnmedizin, ca. 1900-1950; Masterarbeit, Universität Konstanz, 2013
  26. J. Scott Walker, One Man’s Battle Against Mottled Enamel, Oral Hygiene 24 (März 1934), S. 340–47.; American Journal of Public Health 23 (Januar 1933), S.47–48.
  27. s. Hans Ludigs, loc. cit.
  28. P. Meiers: The Bauxite Story. A look at Alcoa. Abgerufen am 1. Juni 2016.
  29. P. Meiers, Meiers P: HT Dean´s epidemiology of Mottled Teeth. In: The History of Fluorine, Fluoride and Fluoridation. Abgerufen am 2. Juni 2016.
  30. H. Shelton, D. Browne, P. Felicia, J. Shelton, Whelton H, Browne D, Felicia P, Whelton J: E-training for Dean’s Index Version 2. Oral Health Services Research Centre, University College Cork, Ireland., abgerufen am 2. Juni 2016.
  31. Thomas Weber, Zahnfluorose, Memorix Zahnmedizin, 3. Auflage, 2010, Thieme Verlag. Abgerufen am 5. Juni 2016.
  32. A. Thylstrup, O. Fejerskov: Clinical appearance of dental fluorosis in permanent teeth in relation to histologic changes. In: Community dentistry and oral epidemiology. Band 6, Nummer 6, November 1978, S. 315–328, PMID 282114.
  33. Michael Bonnet, Diagnostik criteria for fluorosis: The TSIF Tooth Surface Index of Fluorosis, Fluoride Action Network, July 2012. Abgerufen am 4. Juni 2016.
  34. H. S. Horowitz, et al. A new method for assessing the prevalence of dental fluorosis–the Tooth Surface Index of Fluorosis. Journal of the American Dental Association (1984) 109 (1) S. 37-41.
  35. D. G. Pendrys: The fluorosis risk index: a method for investigating risk factors. In: Journal of public health dentistry. Band 50, Nummer 5, 1990, S. 291–298, PMID 2231522 (Review).
  36. J. Clarkson, D. O'Mullane: A modified DDE Index for use in epidemiological studies of enamel defects. In: Journal of dental research. Band 68, Nummer 3, März 1989, S. 445–450, PMID 2921385.
  37. [http://jdr.sagepub.com/content/68/3/445.abstract A review of developmental defects of enamel index (DDE), Federation Dentaire Internationale, Commission on Oral Health Research and Epidemiology, International Dental Journal, 42, 1992, S. 411-426.
  38. A. P. Vieira, H. P. Lawrence u. a.: A visual analog scale for measuring dental fluorosis severity. In: Journal of the American Dental Association (1939). Band 136, Nummer 7, Juli 2005, S. 895–901, PMID 16060470.
  39. Iain A Pretty, Michael McGrady u. a.: Quantitative Light Fluorescence (QLF) and Polarized White Light (PWL) assessments of dental fluorosis in an epidemiological setting. In: BMC Public Health. 12, 2012, S. 366, doi:10.1186/1471-2458-12-366.