„Punktmechanik“ – Versionsunterschied

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Version vom 26. Februar 2020, 15:28 Uhr

Zweikörperproblem von zwei sich anziehenden Massenpunkten (blau)

Die Punktmechanik[1] ist in der Mechanik eine auf Isaac Newton zurückgehende altbewährte Disziplin, bei der von der Beschaffenheit und Gestalt der Körper, deren Bewegungen interessieren, abgesehen wird und sie auf ihre im Massenmittelpunkt konzentrierte Masse reduziert werden. Diese Idealisierung vereinfacht die mathematische Behandlung und hatte ihre ersten Erfolge in der Himmelsmechanik, wo es Newton gelang die Keplerbahnen um die Sonne mathematisch darzustellen, siehe Bild. Denn die Abmessungen der Himmelskörper sind im Sonnensystem klein gegen ihren Abstand und der Einfluss der Eigenrotationen ist vernachlässigbar.[2]

In vielen Bereichen und Anwendungen ist das Konzept des Massenpunkts erfolgreich und es können mit ihm auch Aspekte der Relativitätstheorie und Quantenmechanik behandelt werden. Die Darstellung bleibt dabei aber übersichtlich und auch Anfängern zugänglich.[3]

Anwendungsbereiche und Limitierungen

Die Idealisierung eines Körpers als Massenpunkt ist probat, wenn eine charakteristische Abmessung des Körpers klein ist gegen die Genauigkeit, mit der Längenmessungen vorgenommen werden[4], und Fehler in der Größenordnung des Verhältnisses der gleich null gesetzten Strecken zu den anderen Strecken in kauf genommen werden können.[5]. Der Ort des Massenpunkts ist im Allgemeinen der Massenmittelpunkt oder – was oft dasselebe ist – der Schwerpunkt des von ihm repräsentierten Körpers.

Effekte, die auf die Ausdehnung realer Körper zurück gehen, kann die Punktmechanik nicht behandeln. Eigendrehung mit Präzession und Nutation oder Verformungen sind zutreffender mit anderen Disziplinen wie Starrkörper- oder Kontinuumsmechanik zu behandeln, wo die Mathematik jedoch ungleich komplizierter ist, nicht zuletzt, weil der Starrkörper sechs und der verformbare unendlich viele Freiheitsgrade besitzt.[2]

Seit der Begründung der theoretischen Physik durch Isaac Newton 1687 wird die elementare Punktmechanik in den Lehrbüchern praktisch unverändert dargestellt, und das obwohl sie in mancher Hinsicht logisch unbefriedigend ist. Diese Mängel in der Newton’schen Mechanik wurden durch die Relativitätstheorie und Quantenmechanik behoben, doch es gibt eine beträchtliche Anzahl von Aussagen, die in der klassischen und der modernen Physik gleich lauten. Diese Aussagen betreffen sämtlich fundamentale physikalische Größen, die Prozesse durch ihren Austausch beschreiben. So ist der Newton’schen, Einstein’schen und der Quantenmechanik gemeinsam, dass zusammenstoßende Körper oder Teilchen Impuls und Energie austauschen. Nur die Kinematik, also die geometrische Darstellung der Bewegung durch den Raum, ist in der modernen Physik und der klassischen Mechanik grundverschieden.[3]

Bewegungsgleichungen und Integrale der Bewegung

Die Bewegung eines Massenpunkts wird durch seinen dreidimensionalen Ortsvektor als Funktion des Zeitparameters beschrieben, der wie eine zusätzliche Koordinate behandelt wird. Indem der Massenpunkt mit der Zeit durch den Raum wandert, kann durch Zeitableitungen die Geschwindigkeit und Beschleunigung ermittelt werden. In physikalischen Gesetzen wie Newton’s Gravitationsgesetz oder dem Coulomb-Gesetz ist umgekehrt die Beschleunigung des Massenpunkts vorgegeben und seine Bahnkurve ergibt sich dann durch zweifache Zeitintegration. Eine Schar von Bahnkurven kennzeichnen den zum Beschleunigungsverlauf gehörigen Bewegungstyp[6]. So sind die Keplerbahnen der Bewegungstyp der Planeten im Gravitationsfeld des Sonnensystems.

Von fundamentaler Bedeutung sind Größen, die für einen sich bahntypisch bewegenden Körper über die Zeit konstant sind. Diese Konstanten werden Integral der Bewegung eines Bewegungstyps genannt und haben in den Erhaltungssätzen fundamentale Vertreter. Beispielsweise ist die Gesamtenergie eines isolierten Massenpunkts aufgrund des Energieerhaltungssatzes ein Integral der Bewegung. Die Integrale sind eine Funktion des Ortes und der Geschwindigkeit aber entlang der Bahnkurve konstant, weswegen der Funktionswert schon mit den Anfangsbedingungen festliegt.[7].

Newton’s Gravitationsgesetz

Zwei sich anziehende Massenpunkte m1 und m2

Das Newton’sche Gravitationsgesetz besagt, dass zwei wechselwirkende Massenpunkte sich gegenseitig anziehen, was sich als Anziehungskraft bemerkbar macht, siehe Bild. In moderner Sichtweise ist das Gravitationsfeld ein Beschleunigungsfeld und kein Kraftfeld. Die Newton’sche Gravitationstheorie behandelt einen bestimmten Bewegungstyp, die Keplerbahnen, wie sie Himmelskörper verfolgen. Das Bewegungsintegral in Form der spezifischen Bahnenergie bestimmt den Bewegungstyp, der ellipsen-, hyperbel- oder parabelförmig ist, jenachdem das Integral negativ, positiv oder null ist. Auch das Zweikörperproblem kann analyisch gelöst werden[8], was beim Dreikörperproblem schon nicht mehr allgemein möglich ist.

Bei gravitativ wechselwirkenden Massenpunkten existieren sieben Integrale der Bewegung, die auf die Erhaltungssätze von Impuls, Drehimpuls und Energie zurück gehen. Am Impuls- und Energieaustausch zwischen den Körpern beteiligt sich auch das von ihnen erzeugte Gravitationsfeld, das im Gegensatz zu den Massenpunkten nicht lokalisierbar sondern über den gesamten Raum ausgebreitet ist. Das Newton’sche Gravitationsfeld kann Energie aufnehmen, nicht aber Impuls, den es deshalb unverzüglich an andere Massenpunkte wieder abgibt (Prinzip Actio und Reactio)[9].

Die im Zweikörpersystem des Zweikörperproblems gespeicherte, konstante Gesamtenergie kann aufgespalten werden in die Schwerpunkts- oder äußere Energie, die die konstante kinetische Energie des Schwerpunkts ist, und die daher ebenfalls konstante innere Energie. Die Schwerpunktsenergie kann durch Übergang ins Schwerpunktsystem, in dem der Gesamtimpuls verschwindet, auf null reduziert werden, während die innere Energie invariant gegen Galilei-Transformationen ist. In Abwesenheit von Gesamtimpuls ist die Gesamtenergie minimal und gleicht der inneren Energie. Mit dieser Zerlegung vereinfacht sich die Lösung des Zweikörperproblems. Die Aufspaltung in wegtransformierbare äußere Energie und einen Minimalwert der Energie, die innere oder Ruheenergie, ist auch in der Einstein’schen Mechanik von Bedeutung.[10]

Dynamik

Die Dynamik beschreibt die Bewegung eines Körpers so, dass der Körper im Lauf der Bewegung bestimmte austauschbare physikalische Größen von anderen Körpern oder Systemen aufnimmt oder an diese abgibt. In der Punktmechanik sind Impuls und Energie austauschbar und für sie gelten Erhaltungssätze (Impulserhaltungssatz, Energieerhaltungssatz). Sie können daher weder erzeugt noch vernichtet, sondern nur aufgenommen, abgegeben oder behalten werden. Das Gravitationsfeld beteiligt sich an dem Austausch und vermag Impuls und Energie von einem Körper auf andere zu übertragen.[11]

Impulsbilanz

Zwei Massenpunkte können Impuls durch Kräfte übertragen, die sie nach dem Prinzip Actio und Reactio immer paarweise entgegengesetzt gleich aufeinander ausüben, wie beispielsweise beim Zusammenstoß. Die modellierten realen Körper verformen sich dabei mehr oder weniger, worin sich die gegenseitigen Kraftwirkungen offenbaren. Die Impulsübertragung geschieht nach „Newton’s zweitem Gesetz Kraft gleich Masse mal Beschleunigung, wo das Produkt aus Masse und Beschleunigung die Impulsänderungsgeschwindigkeit ist. Die Impulszu- oder abnahme ist das Resultat des ausgeübten Kraftstoßes, durch den das ausübende System in gleichem Maß Impuls verliert oder gewinnt. Auch das Gravitationsfeld vermag durch die Anziehungskraft eine Impulsänderung zu bewirken, da es aber selbst keinen Impuls aufnehmen kann, muss es ihn momentan von anderen Massenpunkten abziehen (Prinzip Actio und Reactio). Jean-Baptiste le Rond d’Alembert sah im Produkt aus Masse und Beschleunigung die „Trägheitskraft“ und in der Gravitationskraft eine „äußere Kraft“.[12]

Energiebilanz

Die Energie eines Massenpunkts kann nur verändert werden, indem eine Kraft an ihr Arbeit entlang eines Weges verrichtet. Das die Kraft ausübende System verliert dabei in gleichem Maß an Energie, wie durch die Arbeit übertragen wird. Die Geschwindigkeit der Energieübertragung ist die Arbeit pro Zeiteinheit oder die Leistung. Relativ zu einem festen Bezugspunkt bringt die Kraft ein Drehmoment auf, das Arbeit parallel zur Drehung verrichtet, bei der dem Massenpunkt Rotationsenergie verliehen wird.

Das Gravitationsfeld vermag Lageenergie von Massenpunkten aufzunehmen, zu speichern oder an sie abzugegeben.

Massenerhaltung

In der Newton’schen Mechanik sind schwere Masse und träge Masse zwangsweise proportional zueinander[10].

Denn beim Zweikörperproblem geht in das Impulsintegral der Bewegung nur die schwere Masse („Gravitationsladung“) und ihre momentane Geschwindigkeit ein. Dieselben Körper würden bei einem Zusammenstoß mit derselben Geschwindigkeit einen zu ihrer trägen Masse proportionalen Impuls zeigen, der in Summe ebenfalls eine Erhaltungsgröße ist. In den Impulsgleichungen treten die Geschwindigkeiten mit den schweren bzw. trägen Massen als Koeffizienten auf. Wären beide Gleichungen linear unabhängig, könnten aus ihnen die dann zwangläufig konstanten Geschwindigkeiten berechnet werden und wären somit nur geradlinige Bewegungen auf den Keplerbahnen erlaubt, was offensichtlich nicht zutrifft. Lineare Abhängigkeit der Gleichungen mündet in die Proportionalität der trägen und schweren Massen in der Newton’schen Mechanik.

Mit dem Impuls muss in der Newton’schen Dynamik auch die Masse einen Erhaltungssatz erfüllen.[13]

Denn der Gesamtimpuls eines abgeschlossenen Systems von Massenpunkten ist, anders als deren Massen, abhängig von der Geschwindigkeit des benutzten Bezugssystems. Im Schwerpunktssystem ist der Gesamtimpuls konstant null, auch wenn die Massenpunkte untereinander Impuls austauschen. Ein relativ dazu gleichförmig bewegter Beobachter stellt ein zu seiner Relativgeschwindigkeit und der Gesamtmasse proportionalen, ebenfalls konstanten Gesamtimpuls wahr. Weil das bei jeder Relativgeschwindigkeit festzustellen ist, muss die Gesamtmasse zu jeder Zeit dieselbe sein.

Drehimpulsbilanz

Der Drehimpuls ist wie der Impuls eine Erhaltungsgröße und kann nur verändert werden, indem ein Drehmoment aufgebracht wird. Dem System, das das Drehmoment ausübt, wird in gleichem Maß Drehimpuls entzogen, wie dieser durch das Moment übertragen wird. In der Punktmechanik ist die Drehimpulserhaltung eine Konsequenz der Impulserhaltung und davon, dass Massenpunkte nur Zentralkräfte aufnehmen können, siehe Drallsatz in der Punktmechanik.

Bei einem System von Massenpunkten kann der Drehimpuls zerlegt werden in den Bahndrehimpuls des Massenmittelpunkts und einen Eigendrehimpuls um den Massenmittelpunkt. Beide Drehimpulse, Bahn- und Eigendrehimpuls, sind Erhaltungsgrößen aber nur der Eigendrehimpuls ist invariant gegen Galilei-Transformationen des Bezugssystems. Zwei nicht rotierende, gegeneinander gleichförmig bewegte Beobachter nehmen immer übereinstimmende Eigendrehimpulse der von ihnen beobachteten Körper wahr.[14]

Aspekte der modernen Physik

Grundlagen der Mechanik

Die Newton’sche und Einstein’sche Mechanik können aus drei Gesetzen abgeleitet werden.

  1. Hauptsatz: Impuls und Energie sind Erhaltungsgrößen.[15]
  2. Die Beziehung zwischen Geschwindigkeit und Impuls ist eindeutig: Geschwindigkeit und Impuls sind parallel und ihr Proportionalitätsfaktor, die Masse , kann von der Geschwindigkeit abhängen:[16]
  3. Fundamentalgleichung der Dynamik: Die Änderung der Energie dE entspricht der Änderung des Impulses , wenn die Transportgeschwindigkeit der Energie gleich der Geschwindigkeit ist:[11] .

Eine Mechanik wird durch die Energie-Impuls-Relation definiert.[17]

Newton’sche Mechanik

In der Newton’schen Mechanik ist und , woraus sich die Energie-Impuls-Relation[18]

ableitet. Die Konstante ist die innere Energie bei .

Einstein’sche Mechanik

In der Einstein’schen Mechanik ist mit der Lichtgeschwindigkeit c und aus der Fundamentalgleichung (3) ergibt sich:[19]

oder , wo die Ruheenergie ist. Einsetzen von Impuls und Energie als Funktion der Masse führt zu

und

Die Beziehung zwischen Geschwindigkeit und Impuls (2) führt schließlich auf den relativistischen Impuls.

In der Relativitätstheorie ist jeder Austausch durch die Lichtgeschwindigkeit begrenzt. Während das Feld zum Beispiel Impuls von einem Massenpunkt auf den anderen überträgt, kann der Impulserhaltungssatz verletzt erscheinen, denn der zu übertragende Teil des Impulses ist im Feld absorbiert, was als Retardierung bekannt ist, siehe auch Retardiertes Potential im Elektromagnetismus.

Der Energieerhaltungssatz der Einstein’schen Mechanik zerfällt im Grenzfall kleiner Geschwindigkeiten in einen Erhaltungssatz für die innere Energie und einen für die Masse.[20]

Quantenmechanik

Feynmandiagramm für den Zerfall eines Neutrons n in Proton p, Elektron e und Elektron-Antineutrino  vermittelt über ein W-Boson W.

In der Quantenmechanik kann auch mit Massenpunkten gearbeitet werden[21], wenn ihnen neben Impuls, Energie und/oder Masse auch ein Eigendrehimpuls in Form eines Spin zugeordnet wird. Diese physikalischen Größen können in der Quantenmechanik nur diskrete Werte annehmen und unterliegen ebenfalls Erhaltungssätzen.[22] Aus der Drehimpulserhaltung ist beispielsweise erkennbar, das beim β-Zerfall des Neutrons in ein Proton und ein Elektron mit jeweils gleichem Spin ℏ/2, trotzdem die Ladungserhaltung durch die drei Teilchen bereits gewährleistet ist, noch ein viertes Teilchen mit Spin ℏ/2 entstehen muss, siehe Bild.[23]

Siehe auch

Weblinks

Fußnoten

  1. Falk (1966), Hamel (1912), siehe Literatur, oder Punktmechanik. Spektrumverlag, 1998, abgerufen am 26. Februar 2020.
  2. a b Wilderich Tuschmann, Peter Hawig: Sofia Kowalewskaja. Ein Leben für Mathematik und Emanzipation. Birkhäuser Verlag, Basel 1993, ISBN 978-3-0348-5721-5, S. 119 f., doi:10.1007/978-3-0348-5720-8 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 25. Mai 2017]).
  3. a b Falk (1966), S. V ff.
  4. Falk (19660), S. 1 f.
  5. Hamel (1912), S.66 f.
  6. Falk (1966), S. 10.
  7. Falk (1966), S. 18.
  8. Falk (1966), S. 23 ff.
  9. Falk (1966), S. 75.
  10. a b Falk (1966), S. 73.
  11. a b Falk (1966), S. 76.
  12. Falk (1966), S. 70 f.
  13. Falk (1966), S. 80.
  14. Falk (1966), S. 102.
  15. Falk (1966), S. 66.
  16. Falk (1966), S. 67.
  17. Falk (1966), S. 79.
  18. Falk (1966), S. 77.
  19. Falk (1966), S. 81 f.
  20. Falk (1966), S. 87.
  21. Falk (1966), S. 97.
  22. Falk (1966), S. 114.
  23. Falk (1966), S. 105 f.

Literatur