„Wasserstoffflugzeug“ – Versionsunterschied

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== Literatur ==
== Literatur ==
* Ralf Peters (Hrsg.): ''Brennstoffzellensysteme in der Luftfahrt'', Springer Vieweg, Berlin/Heidelberg 2015, ISBN 978-3-662-46797-8
* Ralf Peters (Hrsg.): ''Brennstoffzellensysteme in der Luftfahrt'', Springer Vieweg, Berlin/Heidelberg 2015, {{DOI|10.1007/978-3-662-46798-5}}, ISBN 978-3-662-46797-8
* Heinrich Großbongardt: ''Pack die Sonne in den Tank: Treibstoffe der Zukunft.'' In: ''[[Aero International|AERO International]]'', Nr. 10/2020, S. 42–44
* Heinrich Großbongardt: ''Pack die Sonne in den Tank: Treibstoffe der Zukunft.'' In: ''[[Aero International|AERO International]]'', Nr. 10/2020, S. 42–44
* Thomas Wagner-Nagy: ''Ohne Abgas durch die Lüfte.'' In: ''[[P.M. Magazin|P.M.]]'', Nr. 1/2020, S. 44–49
* Thomas Wagner-Nagy: ''Ohne Abgas durch die Lüfte.'' In: ''[[P.M. Magazin|P.M.]]'', Nr. 1/2020, S. 44–49

Version vom 19. Oktober 2020, 13:51 Uhr

Die Antares DLR-H2, das weltweit erste bemannte und ausschließlich mit Brennstoffzellen angetriebene Flugzeug 2014 bei einem Demonstrationsflug

Als Wasserstoffflugzeug wird ein Flugzeug bezeichnet, das als Treibstoff Wasserstoff nutzt. Gemeint sind nicht Luftschiffe, sondern Flugzeuge schwerer als Luft.

Außer unmittelbarer Verbrennung, könnte auch eine Verstromung des Wasserstoffs mithilfe einer Brennstoffzelle angewandt werden, wodurch Elektromotoren als Vortriebsmittel verwendet werden können. Bei einer Nutzung von aus regenerativem Strom erzeugten sogenannten grünem Wasserstoff könnte damit eine sehr klimafreundliche Antriebsform geschaffen werden.

Geschichte

Unternehmen und Einrichtungen wie Tupolew, Boeing, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Lange Aviation und Airbus erforschten den Wasserstoffantrieb zu unterschiedlichen Zeitpunkten.

In den 1980er Jahren wurden bei Tupolew alternative Kraftstoffe für Strahltriebwerke im Rahmen der Weiterentwicklungen der Tu-154 in der Praxis erprobt. Dabei entstand der mit Flüssigwasserstoff bzw. Erdgas betriebene Prototyp Tu-155. Bei dieser dreistrahligen Maschine wurde das rechte Triebwerk nicht von Kerosin, sondern von Wasserstoff oder Erdgas angetrieben. Ihren ersten Flug mit Flüssigwasserstoff absolvierte die Tu-155 am 15. April 1988, ihren ersten Flug mit Erdgasantrieb am 18. Januar 1989.

2000 bis 2019

Unter dem Namen Cryoplane (deutsch Kälteflugzeug) lief von 2000 bis 2002 ein Großprojekt von 36 Firmen, Hochschulen und Behörden unter der Führung von Airbus mit dem Ziel, die technische und wirtschaftliche Machbarkeit sowie Sicherheitsaspekte und die Umweltverträglichkeit von flüssigem Wasserstoff als Flugzeugkraftstoff zu untersuchen sowie Strategien für einen möglichst reibungslosen Wechsel zu diesem neuen Treibstoff zu erarbeiten. Der Name des Projektes leitet sich aus der Notwendigkeit ab, Wasserstoff auf mindestens −253 °C abzukühlen, um ihn in flüssigem Zustand zu halten.[1][2]

An der Universität Stuttgart entwickelte das Institut für Flugzeugbau unter dem Projektnamen Hydrogenius einen mit Wasserstoff angetriebenen zweisitzigen Motorsegler. Die als gasförmiger Wasserstoff gespeicherte Energie sollte in einer Brennstoffzelle in Strom umgewandelt werden; ein Elektromotor sollte die Luftschraube antreiben. Mit dem Konzeptentwurf gelang dem Team um Rudolf Voit-Nitschmann im Jahr 2006 der Gewinn des Berblinger-Flugwettbewerbs der Stadt Ulm.[3] Das daraus entwickelte Flugzeug e-Genius flog im Mai 2011.

Eine von Boeing auf Elektroantrieb umgerüstete Diamond HK36, deren Brennstoffzellensystem genug Leistung für den Horizontalflug lieferte

Ab Februar 2008 testete Boeing mit der Phantom Works (Kennung: EC-003) auf Basis einer Diamond HK36 ein bemanntes Elektro-Flugzeug, das durch Strom aus einer Batterie und einem Brennstoffzellensystem angetrieben wurde.[4] Die Leistungsabgabe der Brennstoffzelle war dabei für den Horizontalflug ausgelegt. Der Steigflug erfolgte mit zusätzlicher Energie aus einer Lithium-Ionen-Batterie.[5] Im Juli 2010 stellte Boeing den wasserstoffgetriebenen Phantom Eye vor, ein ausdauerndes, unbemanntes Aufklärungsflugzeug für große Höhen. Das Antriebssystem bestand nun aus zwei Verbrennungsmotoren die mit Wasserstoff angetrieben wurden.[6]

Das von Brennstoffzellen angetriebene Elektro-Flugzeug Antares DLR-H2

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hatte unterdessen auf Basis einer Antares 20E der Lange Aviation mit der Antares DLR-H2 das weltweit erste bemannte und auch beim Start ausschließlich mit Brennstoffzellen angetriebene Flugzeug entwickelt. Der Erstflug erfolgte am 7. Juli 2009 in Hamburg. Die Maschine hatte in zwei zusätzlichen Außenlastbehältern einen Wasserstofftank und ein hocheffizientes Brennstoffzellensystem. Mit einer maximalen Leistung von 25 kW und einer Dauerleistung von über 20 kW wurde ein 42 kW bürstenloser Elektromotor betrieben. Die Gesamteffizienz beträgt rund 44 %.[7] In den folgenden 2010er-Jahren wurde das Potential der Wasserstofftechnologie in der Luftfahrt aufgrund der nun forcierten Energiewende nochmals wichtiger.

Das Wasserstoff-Brennstoffzellen-Flugzeug HY4 beim Erstflug am 29. September 2016 über dem Flughafen Stuttgart

Es folgte am 12. Oktober 2015 das Konzept eines viersitzigen Brennstoffzellen-/Batterie-Passagierflugzeuges HY4.[8] Dieses wurde mit Partnern aus öffentlichen Forschungseinrichtungen, Universitäten und Industrie entwickelt und kann je nach Speichertechnologie bei einer Reisefluggeschwindigkeit von 165 km/h eine Strecke von 750 bis 1500 km zurücklegen.[9] Am 29. September 2016 gelang der Erstflug.[10][11]

Ab 2020

Eines der größten bisherigen Brennstoffzellenflugzeuge ist eine umgebaute Piper PA-46 die 2020 abhob.[12] Diese wurde von ZeroAvia[13] im Rahmen des britischen Projektes HyFlyer gebaut.[12]

Im September 2020 gab sich der Direktor von Airbus vom Wasserstoffantrieb „überzeugt“: Innerhalb von fünf Jahren solle das zu verfolgende Konzept feststehen.[14] Das Ziel sei der Bau eines kommerziellen Wasserstoffflugzeuges bis 2035.[15]

Technologie

Verbrennung oder Elektroantrieb über Brennstoffzelle

Bei der konventionellen Verbrennung von Kerosin entsteht neben anderen Abgasen viel klimaschädliches CO2.[16] Als Alternative kann Wasserstoff in einem Verbrennungsantrieb verwendet werden, wobei kein CO2 entsteht, weil im Wasserstoff außerdem kein Kohlenstoff enthalten ist. Allerdings entstehen durch diese Verbrennung dennoch Abgase.

Der technisch elegantere Weg ist die indirekte Nutzung des Wasserstoffs mithilfe einer Brennstoffzelle, weil dabei keine Abgase entstehen, sondern nur Wasserdampf. Dabei kann aus dem Wasserstoff mit einer Brennstoffzelle zunächst Strom gewonnen werden, der dann Flugzeuge über Elektromotoren antreibt.

Vorteile

Da Wasserstoff bei gleicher Masse das 2,8-fache an Energie enthält wie Kerosin, würde ein Wasserstoffflugzeug bei gleicher Reichweite erheblich weniger Treibstoffmasse benötigen als eine heutige Maschine und könnte somit den Transport höherer Nutzlasten ermöglichen.

Überblick über technische und ökonomische Parameter[17][18]
Technologie Energiedichte in MJ/kg Verbrauchskosten
Kerosin 43 ca. 0,50 Euro/Liter
Wasserstoff 120 ca. 9,50 Euro/kg

Wasserstoff verbrennt ohne Emission von Kohlendioxid, Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffen, daher hätten Wasserstoffflugzeuge im Hinblick auf diese Stoffe deutlich geringere schädliche Auswirkungen auf die Umwelt. Ein möglicher wirtschaftlicher Vorteil ergibt sich hieraus, wenn Regierungen – z. B. zur Umsetzung der Vereinbarungen des Kyoto-Protokolls zur Bekämpfung des Klimawandels – Förderungsmaßnahmen für emissionsarme Technologien beschließen. Allerdings entstehen bei der Verbrennung mit Luft weiterhin Wasserdampf (Kondensstreifen, bei gleicher Turbinenleistung sogar intensiver) und Stickoxide.

Im Brandfall wird die Tatsache als Vorteil angesehen, dass Wasserstoff bei Temperaturen über −253 °C gasförmig und leichter als Luft ist. Die Bildung von Brandteppichen, wie sie bei auslaufendem Kerosin auftritt, wäre ausgeschlossen, da austretender Wasserstoff schnell nach oben entweicht, sodass Rettungskräfte leichter zu einer am Boden havarierten Maschine vordringen könnten.

Nachteile

Das Volumen von Wasserstoff ist auch im flüssigen Zustand noch viermal größer als das von Kerosin. Das hat zur Folge, dass entweder weniger Raum für Nutzlasten verbleibt oder dass die Rümpfe von Wasserstoffflugzeugen entsprechend größer ausgelegt werden müssten. Darüber hinaus müssen Tanks, in denen flüssiger Wasserstoff transportiert werden soll, beim heutigen Stand der Technik Kugel- oder Zylinderform haben. Damit ist eine Unterbringung der Tanks in den Tragflächen – wie es heute bei Kerosintanks der Fall ist – nur noch begrenzt möglich. Dies führt dazu, dass neue Positionen für die Unterbringung der Treibstofftanks gefunden werden müssen. Diskutiert wird derzeit (2006) z. B. über einen Einbau im Rumpf oberhalb der Passagier- bzw. Frachtkabine.

Aufgrund der hohen Verbrennungstemperatur von Wasserstoff entstehen bei der Verbrennung mit Luft umweltschädliche Stickoxide.

Der Einsatz von Wasserstoff als Treibstoff bedingt neue Konstruktionen für Tanks, Kraftstoffsysteme und Triebwerke der Maschinen sowie eine neue Technik der Betankung an Flughäfen. Die für die Automobiltechnik entwickelten Konzepte, z. B. leichte Drucktanks, können abgewandelt auch in der Flugzeugtechnik eingesetzt werden.

Wasserstoff muss energieaufwändig hergestellt werden, dabei können weitere Nachteile auftreten. Derzeit (2006) geschieht dies aus Erdgas unter Kohlendioxid-Freisetzung. Die Herstellung aus Biomasse, die nur begrenzt zur Verfügung steht, ist im Versuchsstadium. Eine Herstellung durch Elektrolyse aus Solarstrom ist bei Überkapazitäten wirtschaftlich (Windgas).

Siehe auch

Literatur

  • Ralf Peters (Hrsg.): Brennstoffzellensysteme in der Luftfahrt, Springer Vieweg, Berlin/Heidelberg 2015, doi:10.1007/978-3-662-46798-5, ISBN 978-3-662-46797-8
  • Heinrich Großbongardt: Pack die Sonne in den Tank: Treibstoffe der Zukunft. In: AERO International, Nr. 10/2020, S. 42–44
  • Thomas Wagner-Nagy: Ohne Abgas durch die Lüfte. In: P.M., Nr. 1/2020, S. 44–49

Weblinks

Commons: Wasserstoffflugzeuge – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Cryoplane – Hydrogen Aircraft. (PDF-Datei; 2,5 MB) 2003, abgerufen am 13. Juni 2006 (englisch).
  2. Wasserstoffflugzeug Cryoplane. In: diebrennstoffzelle.de. Abgerufen am 6. September 2005.
  3. Projekt des bemannten Brennstoffzellenflugzeugs “Hydrogenius” gewinnt an Fahrt. In: solarserver.de. 28. Juli 2007, abgerufen am 23. September 2020.
  4. Ion tiger hydrogen UAV. Sciencedaily.com, 15. Oktober 2009, abgerufen am 12. Dezember 2010.
  5. DLR Boeing testet Wasserstoff-Flugzeug. Erstmals mit Pilot. In: Kronen Zeitung. Krone Multimedia GmbH & Co KG, 4. April 2008, abgerufen am 3. Oktober 2016.
  6. Boeing’s 'Phantom Eye' Ford Fusion powered stratocraft. The Register, 13. Juli 2010, abgerufen am 14. Juli 2010.
  7. DLR Institut für Technische Thermodynamik: Abheben mit der Brennstoffzelle: Alles zur Antares DLR-H2. In: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Institut für Technische Thermodynamik. Abgerufen am 2. Oktober 2016.
  8. Der Traum vom sauberen Fliegen, Republik, 28. Januar 2020
  9. H2Fly-Website, abgerufen am 29. September 2016.
  10. DRL Presse Portal – Emissionsfreier Antrieb für die Luftfahrt: Erstflug des viersitzigen Passagierflugzeugs HY4, abgerufen am 29. September 2016.
  11. Jürgen Schelling: HY4 in der Erprobung: Das erste viersitzige Wasserstoffflugzeug. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 12. Oktober 2016, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 24. Oktober 2016]).
  12. a b V. K. Thomalla: Brennstoffzellenflugzeug aus Großbritannien und USA. In: aerobuzz.de. 28. Juni 2020, abgerufen am 14. Oktober 2020.
  13. Firmenwebsite: ZeroAvia. Abgerufen am 18. Oktober 2020.
  14. Mit diesem Flugzeug will Airbus grüner fliegen. In: Tages-Anzeiger. 23. September 2020, S. 11 (tagesanzeiger.ch).
  15. Airbus will 2035 Wasserstoff-Flugzeug bauen. In: cash. 21. September 2020, abgerufen am 23. September 2020.
  16. Deutsche Bundesregierung: Wie funktioniert der Antrieb von Flugzeugen mit Wasserstoff? 13. August 2020, abgerufen am 9. September 2020.
  17. M. Sterner, I. Stadler: Energiespeicher: Bedarf, Technologien, Integration, SpringerVieweg, 2. Auflage, Berlin 2017, ISBN 978-3-662-48892-8, S. 649 ff
  18. Thomas Schmidt: Wasserstofftechnik: Grundlagen, Systeme, Anwendungen, Wirtschaft, Hanser, München 2020, ISBN 978-3-446-46001-0, S. 382, 384