Apparatus

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Apparatus (lateinisch für „Vorrichtung“ oder „Apparat“ (U-Deklination),[1] System[2]) bezeichnet in der Anatomie eine Gruppe zusammengehöriger Organe (Organkomplex[3]). Beteiligt sind also immer mindestens zwei Organe. So gehören zum Beispiel zu den Organa uropoetica (früher auch Organa urinaria) die Nieren, das Nierenbecken, die beiden Harnleiter und die Harnblase als Einzelorgane,[4] welche in der Urologie unter Einschluss der Harnröhre zum Apparatus excretorius zusammengefasst wurden.[5] Die Uropoese ist einerseits die Harnbereitung[6] in den Organa urinaria von der Niere bis zum Meatus urethrae externus beziehungsweise andererseits die „Harnbildung in den Nephronen der Niere.“[7] Insofern würden auch ein Nierenknäuelchen (im Nierenkörperchen) und ein Nierenkanälchen als die beiden Einzelorgane im Nephron (Glomerulum und Tubulus) zusammen einen exkretorischen Apparat bilden.

Die Hauptkomponenten des Körpers werden als Organsystem bezeichnet. Für einige Organsysteme wird der Terminus Systema, für einige der Fachbegriff Apparatus verwendet,[8] nämlich Apparatus acusticus (Gehörorgan),[9] Apparatus digestorius (Verdauungsapparat), Apparatus respiratorius[10] (Atmungsapparat) und Apparatus urogenitalis (Harn- und Geschlechtsapparat, „Harn- und Geschlechtsorgane[11]).[12] Aber auch für funktionell kleinere Organgruppierungen wie für den Tränenapparat (Apparatus lacrimalis) oder den Zungenbeinapparat (Apparatus hyoideus) ist der Begriff üblich. Schließlich werden auch Strukturen wie der Aufhängeapparat der Milchdrüse (Apparatus suspensorius mammarius) oder der Aufhängeapparat der Augenlinse (Apparatus suspensorius lentis)[13] so bezeichnet. Bei der weiblichen Brustdrüse ist es eine Gruppe von Faszienabspaltungen, die die Milchdrüse am Körper fixiert. Der Apparatus ligamentosus Weitbrechti am zweiten Halswirbel (Axis) war das Ligamentum latum epistrophei.[14] In der Nephrologie kennt man neben dem Apparatus excretorius den juxtaglomerulären Apparat.[15] Aus dem Italienischen kommt der Fachbegriff Apparato reticulare [richtig (nach Otto Roth): reticolare] interno für den Golgi-Apparat.[16][17]

Weitere Beispiele sind der Apparatus alimentarius (= Apparatus digestorius), Apparatus cochlearis (Kochlearapparat als Teil des Gehörorgans, schallperzipierender Apparat), Apparatus excretorius (= Harnapparat als Teil des Apparatus urogenitalis), Apparatus genitalis (Organa genitalia, Genitalapparat als einer der beiden Teile des Apparatus urogenitalis), Apparatus muscularis (Muskelapparat), Apparatus vestibularis (Vestibularapparat) und Apparatus vocalis (Stimmapparat).[18]

Früher gab es noch einen ganz anderen Bedeutungskomplex, nämlich therapeutische Gerätschaften (Instrumentarium, medizinische Instrumente, chirurgische Instrumente) oder Zubereitungen (Medikamente). Der Apparatus chirurgicus zum Beispiel bezeichnete das zu einer chirurgischen Operation Erforderliche. Unter dem Apparatus medicaminum verstand man den Arzneivorrat. Der Apparatus maior beziehungsweise der Apparatus minor waren die großen und kleinen Gerätschaften für einen Steinschnitt. Ebenso waren der Apparatus altus beziehungsweise der Apparatus hypogastricus die Gerätschaften für den hohen Steinschnitt am Unterbauch beziehungsweise über dem Schambeinbogen.[19] Johann Georg Krünitz spricht hier vom Apparatus parvus und vom Apparatus magnus.[20] So auch die Etymologie des Wortes Apparat: Dieses Fremdwort erschien zuerst im 17. Jahrhundert mit der allgemeinen Bedeutung Vorrat an Werkzeugen.[21] Eine Apparatur bezeichnet alle Hilfsmittel oder Geräte.[22] Analog gibt es die (obsoleten) Begriffe Apparatnarkose (Narkose mit einem Narkoseapparat) und Apparatotherapie (Behandlung mit gymnastischen oder orthopädischen[23] Apparaten).[24] Ein orthopädischer Apparat ist ein Stützapparat oder eine Schutzvorrichtung zur Verbesserung oder Unterstützung gestörter Funktionen einzelner Körperteile,[25] ein medikomechanischer Apparat ist ein Schienenapparat für die Bewegungstherapie.[26]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Nomina Anatomica Veterinaria. International Committees on Veterinary Gross Anatomical Nomenclature, 4. Auflage, Zürich 1994, ISBN 0-9600444-7-7, S. 146.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hermann Stieve: Die anatomischen Namen, ihre Ableitung und Aussprache von Hermann Triepel. 24. Auflage, Verlag von Joseph Friedrich Bergmann, München 1948, S. 9.
  2. Otto Roth: Klinische Terminologie. 10. Auflage, von Karl Doll und Hermann Doll, Georg Thieme Verlag, Leipzig 1925, S. 35.
  3. Markwart Michler, Jost Benedum: Einführung in die medizinische Fachsprache, 2. Auflage, Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1981, ISBN 3-540-10667-7, S. 199.
  4. Duden: Das Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke, 9. Auflage, Bibliographisches Institut, Mannheim / Zürich 2012, ISBN 978-3-411-04619-5, S. 128.
  5. Heinz Walter, Günter Thiele (Hrsg.): Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete, Band 1 (A–Carf), Verlag Urban & Schwarzenberg, München / Berlin / Wien 1966, ISBN 3-541-84000-5, S. A 260.
  6. Heinz Walter, Günter Thiele (Hrsg.): Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete, Band 6 (S–Zz), Verlag Urban & Schwarzenberg, München / Berlin / Wien 1974, ISBN 3-541-84006-4, S. U 42.
  7. Duden: Das Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke, 9. Auflage, Bibliographisches Institut, Mannheim / Zürich 2012, ISBN 978-3-411-04619-5, S. 797; 10. Auflage, Dudenverlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-411-04837-3, S. 827.
  8. Peter Reuter: Springer Klinisches Wörterbuch 2007 | 2008; Springer-Verlag, 1. Auflage, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-540-34601-2, S. 112.
  9. Roche Lexikon Medizin, 5. Auflage, Verlag Urban & Fischer, München / Jena 2003, ISBN 978-3-437-15156-9, S. 110.
  10. Otto Dornblüth: Klinisches Wörterbuch, 11. Auflage, Vereinigung wissenschaftlicher Verleger, Berlin / Leipzig 1922, S. 27.
  11. Otto Roth: Klinische Terminologie. 10. Auflage, von Karl Doll und Hermann Doll, Georg Thieme Verlag, Leipzig 1925, S. 35.
  12. Duden: Das Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke, 7. Auflage, Bibliographisches Institut, Mannheim / Leipzig / Wien / Zürich 2003, ISBN 3-411-04617-1, S. 128.
  13. Herbert Volkmann: Guttmanns Medizinische Terminologie, 30. Auflage, Verlag Urban & Schwarzenberg, Berlin / Wien 1941, Spalte 58.
  14. Walter Guttmann: Medizinische Terminologie, 1. Auflage, Verlag Urban & Schwarzenberg, Berlin / Wien 1902, Spalte 55.
  15. Maxim Zetkin, Herbert Schaldach: Lexikon der Medizin, 16. Auflage, Ullstein Medical Verlag, Wiesbaden 1999, ISBN 3-86126-126-X, S. 128.
  16. Maxim Zetkin, Herbert Schaldach: Wörterbuch der Medizin, 1. Auflage, Verlag Volk und Gesundheit, Berlin / Leipzig 1956, S. 58.
  17. Otto Roth: Klinische Terminologie. 10. Auflage, von Karl Doll und Hermann Doll, Georg Thieme Verlag, Leipzig 1925, S. 35.
  18. Heinz Walter, Günter Thiele (Hrsg.): Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete, Verlag Urban & Schwarzenberg, Band 1, München / Berlin / Wien 1966, ISBN 3-541-84000-5, S. A 259 f.
  19. Ludwig August Kraus: Kritisch-etymologisches medicinisches Lexikon, 3. Auflage, Verlag der Deuerlich- und Dieterichschen Buchhandlung, Göttingen 1844, S. 116. archive.org
  20. Johann Georg Krünitz: Oeconomische Encyclopädie, Berlin 1830, Band 153, S. 4 f.
  21. Duden: Das Herkunftswörterbuch, Der Duden in 10 Bänden, Bibliographisches Institut, Band 7, Mannheim / Wien / Zürich 1963, ISBN 3-411-00907-1, S. 30.
  22. Lutz Mackensen: Das moderne Fremdwörter-Lexikon, 3. Auflage, VMA-Verlag, Wiesbaden 1988, S. 47.
  23. Otto Dornblüth: Klinisches Wörterbuch, 2. Auflage, Verlag von Veit & Comp, Leipzig 1901, S. 16.
  24. Dagobert Tutsch (Hrsg.): Lexikon der Medizin, Verlag Urban & Schwarzenberg, München / Berlin / Wien 1975, ISBN 3-541-03012-7, S. 30.
  25. Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, 253. Auflage, Verlag Walter de Gruyter, Berlin / New York 1977, ISBN 3-11-007018-9, S. 75.
  26. Hexal Lexikon Orthopädie Rheumatologie, Verlag Urban & Schwarzenberg, München / Wien / Baltimore 1992, ISBN 3-541-16421-2, S. 10.