COINTELPRO

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Der langjährige FBI-Chef J. Edgar Hoover ließ in den 1960er und 1970er Jahren die Bürgerrechts- und Anti-Vietnamkriegsbewegung in den USA mit dem COINTELPRO-Programm illegal überwachen und manipulieren. Dabei kam es auch zur Verurteilung politischer Aktivisten aufgrund von falschen Beweisen und zu ungesetzlicher Gewaltausübung, bis hin zu Morden wie der von Fred Hampton.[1]

COINTELPRO ist ein Akronym für COunter INTELligence PROgram. Es steht für ein ehemals geheimes Programm der US-Bundespolizei FBI, das die systematische Überwachung, Unterwanderung und Störung von politischen Organisationen und politisch aktiven Privatpersonen innerhalb der USA umfasste. Hintergrund war eine allgemeine antikommunistische Stimmung und die teilweise zwanghafte Vorstellung, vor allem von FBI-Chef J. Edgar Hoover, dass sich hinter jeder regierungskritischen Bewegung oder Person der Einfluss sowjetischer KGB-Spione verbergen könnte. Das Programm wurde nach seinem Bekanntwerden in den 1970ern zum Gegenstand parlamentarischer Untersuchungen und gilt als Begleiterscheinung bzw. Folge der so genannten McCarthy-Ära. Es umfasste zahlreiche illegale Aktivitäten, darunter die Strafverfolgung von Menschen aufgrund durch das FBI gefälschter Beweismittel, und willkürliche Gewaltanwendung bis hin zu politischen Morden an missliebigen Personen.

Vorgehen

Der von Senator Frank Church geleitete Untersuchungsausschuss Church Committee des US-Kongresses untersuchte ab 1975 illegale Aktivitäten von US-Geheimdiensten und des FBI. Church bilanzierte, dass „der wachsende Missbrauch der Geheimdienste ein größeres, grundlegendes Problem in unseren zentralen Institutionen reflektiert.“[2]

Die Operationen fanden zwischen 1956 und 1971 statt und sollten als politisch gefährlich eingestufte Gruppen und Individuen diskreditieren, überwachen und zermürben. Von den – oftmals illegalen – Aktionen des FBI betroffen waren dabei sowohl linksgerichtete Parteien (KPUSA, Socialist Workers Party) als auch Studentenorganisationen (Students for a Democratic Society) und die Bürgerrechtsbewegung (SCLC, NAACP, CORE).[3][4] Ins Visier geriet auch die Antikriegsbewegung gegen den Vietnamkrieg, wobei teilweise Mitglieder des US-Senats in den Fokus gerieten, die sich kritisch über den Krieg geäußert hatten.[4]

Das FBI verwendete vor allem vier Methoden:[5]

  • Unterwanderung: Informanten und Agenten spionierten nicht nur Aktivisten und Organisationen aus, sondern störten sie aktiv.
  • Psychoterror von außen: Mittels falscher Anschuldigungen in den Medien, gefälschter Briefe, anonymer Denunziationen etc. wurde versucht, Arbeitsverhältnisse und persönliche Beziehungen von bestimmten Personen zu zerstören.[3]
  • Verfolgung: Das FBI und lokale Polizeibehörden stellten Dissidenten als Kriminelle dar. Um Verhaftungen und Verurteilungen zu erreichen, wurden Beweise gefälscht und falsche Aussagen vor Gericht gegeben.[6]
  • Gewaltanwendung: Auch durch Gewalt sollten Aktivisten eingeschüchtert oder sogar ausgeschaltet werden. Dies ging von der bloßen Androhung von Gewalt über Einbrüche und illegale Durchsuchungen bis hin zu Vandalismus, Schlägertrupps und sogar Mord. So wurde Fred Hampton, ein Anführer der Black Panther, von Polizisten im Schlaf erschossen.[1][6]

Zu den prominentesten Opfern solcher Methoden zählten Martin Luther King und die indianischen Aktivisten Dennis Banks und Leonard Peltier. Die Aktivitäten des FBI wurden später Gegenstand der Untersuchungen des Church Committees.[3]

Hintergrund

Das Projekt hatte seine Wurzeln in einer weitverbreiteten antikommunistischen Hysterie, siehe auch Red Scare. Mutmaßungen, dass linke und radikale Organisationen von feindlichen Geheimdiensten aus dem Ausland manipuliert seien (insbesondere vom KGB) und die staatliche Ordnung der USA gewaltsam unterwandern wollten, bewogen den mächtigen FBI-Chef J. Edgar Hoover zur Institutionalisierung von COINTELPRO. Historiker bezeichneten dies später als die „große amerikanische Inquisition.[7]

Etwa zur gleichen Zeit wurden solche Personengruppen auch vom Auslandsnachrichtendienst CIA im Rahmen der Operation CHAOS überwacht, was gegen die US-Verfassung verstieß.

Aufdeckung

Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung hatten seit spätestens Mitte der 1960er Jahre angenommen, dass sie entgegen den Gesetzen durch das FBI nicht nur beobachtet wurden, sondern unter Druck gesetzt werden sollten. Eine Gruppe um William C. Davidon, einem Physikprofessor am Haverford College, wollte Beweise für das illegale Vorgehen der Behörden beschaffen. Sie planten einen Einbruch in ein FBI-Büro, bei dem sie Dokumente stehlen wollten. Nach monatelanger Vorbereitung brachen neun Aktivisten in der Nacht des 8. März 1971 in die Außenstelle des FBI in Media ein und stellten die erbeuteten Dokumente der Presse zur Verfügung. Die Täter blieben 43 Jahre unerkannt und traten teilweise dann im Januar 2014 zusammen mit der Journalistin Betty Medsger an die Öffentlichkeit.

Film

Literatur

  • Betty Medsger: The Burglary: The Discovery of J. Edgar Hoover’s Secret F.B.I. Alfred A. Knopf, 2014, ISBN 978-0307962959

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Center for Constitutional Rights: Racism, Repression, and Resistance: COINTELPRO Then and Now: 40 years since the FBI and Chicago police assassinated Fred Hampton. Center for Constitutional Rights, abgerufen am 20. Juni 2013 (englisch).
  2. "Final report of the Select Committee to Study Governmental Operations with Respect to Intelligence Activities, United States Senate : together with additional, supplemental, and separate views." 26. April 1976, Originalzitat: "the growth of intelligence abuses reflects a more general failure of our basic institutions."
  3. a b c Intelligence Activities and the Rights of Americans, Book II (Abschlussbericht des Church Committees)
  4. a b Supplementary Detailed Staff Rerports on Intelligence Activities and the Rights of Americans, Book III (Abschlussbericht des Church Committees)
  5. Glick, Brian (1989). War at Home: Covert Action Against U.S. Activists and What We Can Do About It. South End Press. ISBN 978-0-89608-349-3 (Online-Auszüge aus dem Kapitel über COINTELPRO.)
  6. a b James C. Harrington: (Un)abhängige Justiz. Die Gerichtsverfahren um Fethullah Güllen im Zuge der Demokratisierung der Türkei. 1. Auflage. Main-Donau-Verlag, Frankfurt am Main 2012, ISBN 3-944206-05-3.
  7. Athan G. Theoharis/John S. Cox: The Boss: J. Edgar Hoover and the Great American Inquisition. Temple University Press. 1988