Chagos-Archipel

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Chagos-Archipel
Karte des Chagos-Archipels
Braune Flächen sind trockenes Land
Karte des Chagos-Archipels
Braune Flächen sind trockenes Land
Gewässer Indischer Ozean
Geographische Lage 6° 17′ S, 72° 5′ OKoordinaten: 6° 17′ S, 72° 5′ O
Chagos-Archipel (Indischer Ozean)
Chagos-Archipel (Indischer Ozean)
Anzahl der Inseln 7 Atolle
Hauptinsel Diego Garcia
Gesamte Landfläche 63,17 km²
Einwohner 3500

Der Chagos-Archipel (deutsch auch Tschagos-Archipel) ist eine Inselgruppe im Indischen Ozean. Er ist unter dem politischen Namen Chagos Archipelago ein britisches Überseegebiet, der letzte noch verbliebene Teil des Britischen Territoriums im Indischen Ozean, und dient bis 2016 den USA als Marine- sowie Luftwaffenstützpunkt.

Geographie

Der Archipel liegt inmitten des Indischen Ozeans, etwa 1600 km südwestlich von Indien, 500 km südlich der Malediven sowie etwa 1900 km östlich der Seychellen. Die Inselgruppe besteht aus zahlreichen Atollen, von denen einige komplett vom Meer überspült sind, andere lediglich bei Flut. Größtes Objekt ist die Great Chagos Bank, ein gewaltiger Komplex aus Korallenriffen mit atollartiger Struktur, der eine Fläche von über 12.000 km² einnimmt. Die Landfläche aller Inseln des Archipels ist mit 63,17 km² vergleichsweise gering. Größte Insel ist die Hauptinsel des Atolls Diego Garcia mit etwa 27 km² Fläche. Diese wurde für 50 Jahre (bis 2016) an die USA verpachtet,[1] die dort „eine Basis mit 5000 Mann Besatzung, Langstreckenbombern, Kriegsschiffen verschiedenster Grösse, U-Booten, einem Arsenal an Nuklearwaffen und modernsten Lauschanlagen möglichst unbeobachtet betreiben“ wollten.[2]

Folgende Atolle und Inseln gehören zum Chagos-Archipel (von Norden nach Süden):

Flora und Fauna

Der Chagos-Archipel ist eines der am besten geschützten tropischen Inselsysteme. Die Inseln bieten Lebensraum für viele Arten, vor allem für Seevögel. Insgesamt wies BirdLife International zehn Important Bird Areas (IBA) aus, einschließlich der Barton Point Reserve auf Diego Garcia, welche die weltweit größte Population von Rotfußtölpeln (Sula sula) beheimatet.

Im November 2009 startete eine Gruppe von neun britischen Naturschutz- und Wissenschaftsorganisationen eine Kampagne zur Unterschutzstellung der Korallenriffe des Archipels. Das dabei vorgesehene geschützte Riffgebiet hätte eine Fläche von 554.000 km², was es zum weltgrößten marinen Schutzgebiet machen würde.[3]

Geschichte

Der Archipel wurde 1544 von dem Spanier Diego García de Moguer bei einer Expedition für die portugiesische Krone entdeckt, war zuvor jedoch schon den Maledivern bekannt. Ende des 17. Jahrhunderts beanspruchte Frankreich die Inselgruppe für sich und besiedelte – von Réunion und Mauritius aus – die Inseln. Am 27. April 1786 erhob Großbritannien seinen Anspruch auf die Chagos-Inseln, erhielt jedoch erst 1814 die Hoheit und ordnete sie administrativ zuerst den Seychellen, später (1903) Mauritius zu. Nach der mauritischen Unabhängigkeit 1968 wurde der Archipel zum „Britischen Territorium im Indischen Ozean“, wird jedoch auch von Mauritius und den Seychellen beansprucht. In Analogie zu Mauritius und den Seychellen haben sich trotz britischer Hoheit noch heute vielfach die französischen Inselnamen behauptet.

Ein Îlois, wie die traditionellen Bewohner der Insel genannt werden (1971)

Vom 18. Jahrhundert bis zum Jahr 1971 waren die folgenden vier Atolle des Chagos-Archipels besiedelt: Diego Garcia, Egmont Islands, Peros Banhos und Salomon Islands. Die Einwohner – die Chagossianer oder auch Îlois – wurden zwangsumgesiedelt, um die Inselgruppe menschenleer dem US-amerikanischen Militär übergeben zu können. Die heute etwa 5500 Nachfahren der Îlois leben in Mauritius, auf den Seychellen und in Großbritannien.

1998 erhoben die Îlois vor einem britischen Gericht eine Klage auf Entschädigung und das Recht auf Rückkehr. Im Jahr 2000 erklärte der High Court of Justice die Deportationen für illegal und gestand den Deportierten das Recht auf Rückkehr zu, was aber folgenlos blieb. Im Jahr 2004 erließ Königin Elisabeth II. namens der Regierung eine Order-in-Council, die die Îlois aus ihrer Heimat verbannt. Im Mai 2006 erklärte das High Court of Justice diese Order-in-Council aus dem Jahr 2004 aber für rechtswidrig. Dies wiederum wurde von der Regierung angefochten und an den Court of Appeal weitergezogen. Im Mai 2007 entschied der Court of Appeal zugunsten der Îlois. Die britische Regierung legte gegen das Urteil wiederum Berufung ein.[4] Am 22. Oktober 2008 gab das House of Lords der britischen Regierung recht und verbot die Rückkehr der Einwohner auf die Insel.[5] Dagegen wurde Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erhoben.[6] Ende 2012 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass aufgrund einer 1982 erfolgten abschließenden Einigung zur Wiedergutmachung zwischen den Chagossianern und der britischen Regierung der Opferstatus der Chagossianer entfallen ist. Deswegen und weil die britischen Gerichte den Chagossianern bereits Rechtsschutz gewährt haben, hat der Gerichtshof die Klage nach Art. 35 EMRK abgewiesen.[7] Im Dezember 2010 haben die Chagossianer Klage beim Ständigen Schiedshof in Den Haag gegen das Vereinigte Königreich eingereicht.[8]

Im April 2006 konnte eine Gruppe von 100 Chagossianern auf Kosten des British Foreign Office den Chagos-Archipel besuchen.[9]

Im April 2012 wurde eine internationale Petition an die Vereinigten Staaten eingereicht, um das Weiße Haus darum zu bitten, den Fall der Chagossianer zu überprüfen. Eine offizielle Antwort wurde auf der Petitionsseite des Weißen Hauses veröffentlicht. Darin wird die Zuständigkeit für den Fall der Chagossianer an das Vereinigte Königreich verwiesen.[10]

Protest

Simon Winchester, Reiseschriftsteller, setzte 1985 von einer Segelyacht aus vor der Insel Diega Garcia ein Notsignal ab. Somit musste er nach geltendem Seerecht in den Hafen gelassen werden, wurde aber dort dann für wenige Tage inhaftiert.

Zwei kleine Boote, die People’s Navy, starteten im Dezember 2007 in Richtung Chagos-Archipel, um auf die Situation der Exil-Bevölkerung aufmerksam zu machen. Nach einer 2000 Meilen langen Reise wurden Pete Bouquet und Jon Castle, die Besatzung des Bootes Musichana, am 8. März 2008 vor Diego Garcia verhaftet und am 22. März 2008 über Singapur nach Großbritannien abgeschoben.[11]

Literatur

  • David Vine: Island of Shame. The Secret History of the U.S. Military Base on Diego Garcia. Princeton University Press, Princeton/Oxford 2009, ISBN 978-1-4008-2997-2 (englisch).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Sarah Knapton: Law Lords to rule on whether Chagos Islanders can finally return home. In: The Telegraph. Telegraph Media Group, 21. Oktober 2008, abgerufen am 1. Oktober 2016 (englisch).
  2. Christian Schmidt: Zurück ins Paradies. In: Tages-Anzeiger. Tamedia, 23. Januar 2015, abgerufen am 1. Oktober 2016.
  3. Jessica Aldred: Conservationists urge Gordon Brown to create 'Britain’s Great Barrier Reef'. In: The Guardian. Guardian News & Media Ltd., 27. Januar 2010, abgerufen am 1. Oktober 2016 (englisch).
  4. Times Online article on history and struggle for justice (englisch, LogIn erforderlich).
  5. Britain blocks return home for Chagos Islanders. In: The International Herald Tribune. 22. Oktober 2008 (englisch, online auf nytimes.com, abgerufen am 1. Oktober 2016).
  6. Marc Engelhardt: Vertrieben aus dem Paradies. In: taz.de. 29. Januar 2009, abgerufen am 1. Oktober 2016.
  7. Chagos Islanders against the United Kingdom. Entscheidung der Vierten Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg. In: HUDOC database. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 11. Dezember 2012, abgerufen am 1. Oktober 2016 (englisch).
  8. Owen Bowcott, John Vidal: Britain faces UN tribunal over Chagos Islands marine reserve. In: The Guardian. Guardian News & Media Ltd., 28. Januar 2013, abgerufen am 1. Oktober 2016 (englisch).
  9. In pictures: Chagossians’ visit. In: BBC News. 10. April 2006, abgerufen am 1. Oktober 2016 (englisch).
  10. The U.S. Government Must Redress Wrongs Against the Chagossians. In: petitions.whitehouse.gov. 5. März 2012, abgerufen am 1. Oktober 2016 (englisch, Petition auf We the People mit Antwort der U.S.- Regierung).
  11. Kerstin Eitner: Bombenparadies. In: Greenpeace Magazin. Ausgabe 4.08. 2008, ISSN 1611-3462 (online, abgerufen am 1. Oktober 2016).