Dietkirchen (Limburg an der Lahn)

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Dietkirchen
Wappen der ehemals selbstständigen Gemeinde Dietkirchen
Koordinaten: 50° 24′ N, 8° 6′ OKoordinaten: 50° 24′ 10″ N, 8° 5′ 30″ O
Höhe: 133 (115–180) m ü. NHN
Einwohner: 1693 (31. Dez. 2014)[1]
Eingemeindung: 1. Oktober 1971
Postleitzahl: 65553
Vorwahl: 06431
Karte
Dietkirchen als Stadtteil von Limburg

Dietkirchen an der Lahn ist ein Stadtteil der Kreisstadt Limburg an der Lahn des Landkreises Limburg-Weilburg in Hessen. Der Ort, in der Mundart der Region auch „Dickerisch“ genannt, wird beherrscht von der Lubentius-Basilika, dem im frühen Mittelalter bedeutendsten Kirchenbauwerk der Region.

Geographische Lage

Dietkirchen von Südosten aus gesehen
Friedrich Christian Reinermann: Blick über Dehrn nach Dietkirchen um 1815

Dietkirchen liegt unmittelbar am Westufer der Lahn. Markant ist der hoch aufragende Kalkfelsen, auf dem sich die Lubentiusbasilika erhebt. Der Ort selbst liegt auf 120 bis 170 Metern Höhe. Im Nordteil der Gemarkung steigt die Landschaft auf bis zu 180 Meter an, während sie im Südteil unterhalb des Kirchenfelsens am Lahnufer bis auf 115 Meter abfällt.

Naturräumlich gesehen liegt der Ort an der östlichen Verengung der Limburger Lahntalweitung zum schmaleren Runkeler Lahntal hin. Das Bild des alten Ortskerns wird wegen des großen Höhenunterschiedes von zahlreichen Stützmauern zur Terrassierung der Baugrundstücke geprägt. Die Gemarkung besteht mit Ausnahme des Uferbewuchses der Lahn fast ausschließlich aus Landwirtschaftsfläche.

Die Dietkirchener Gemarkung grenzt im Norden an den Runkeler Stadtteil Dehrn, im Osten und Süden an Eschhofen, im Südwesten an die Kernstadt Limburg und im Westen und Nordwesten an Offheim.

Geschichte

St. Lubentiuskirche im Abendlicht

Vorzeit

Im Bereich der Lubentiuskirche haben Archäologen Spuren, die auf eine Kultstätte aus der Kupfersteinzeit (2000 bis 4000 v. Chr.) hindeuten, sowie Reste einer Siedlung entdeckt, die der Urnenfelderkultur (1300 bis 800 v. Chr.) zugeordnet wird.

Grabungen in der Lubentiusbasilika deuten darauf hin, dass sich vor der Kirche ein heidnischer Kult- und Versammlungsort auf dem Kalkfelsen befand. Der Reckenforst, ein gerichtlicher Versammlungsort, an dem spätestens im Frühmittelalter die Blutgerichtsbarkeit für die weite Umgebung ausgeübt wurde, lag in unmittelbarer Nähe. Er wird schon 1217 urkundlich erwähnt.

Erste urkundliche Erwähnung

Dietkirchen wird erstmals im Jahre 841 als „in ecclesia dietkircha“ urkundlich erwähnt. Das Dorf ist jedoch älter. Die Bedeutung des Ortsnamens ist unklar. Der zweite Teil „-kirchen“ bezieht sich nach einhelliger Meinung auf die Stiftskirche. Probleme bereitet die Deutung der Silbe „Diet-“. Einige Historiker vermuten, dass sie aus dem Althochdeutschen stammt und „Volk“ bedeutet. Der Ortsname bedeute dann „Volkskirche“ und beziehe sich auf die herausgehobene Stellung als Zentralkirche des Archidiakonats. Andere gehen von einer vorgermanischen Bedeutung des Namens aus; demnach soll sich die Silbe „Diet-“ auf die wichtige Furt über die Lahn unterhalb der Kirche beziehen.[2]

Christianisierung

Pfarrheim

In der Geschichte des Dorfes nimmt die Christianisierung des Lahngebietes und das ehemalige Lubentiusstift eine besondere Rolle ein. Die Legende, der Heilige Lubentius habe dort missioniert, ist aber nachweislich falsch. Die Anfänge des Christentums an der Lahn reichen etwa vom 6. bis zum Ende des 7. Jahrhunderts. In diesem Zeitraum dürfte wohl auch die Gründung des Dorfes liegen.

Lubentiusstift

Lubentiuskirche von Süden aus gesehen
Kriegerdenkmal an der Lubentiuskirche

Die erste Erwähnung des Lubentiusstifts ist auf das Jahr 841 datiert. In der romanischen Stiftskirche ruhen die Gebeine von St. Lubentius, um den sich viele Legenden gebildet haben. Wahrscheinlich sind die sterblichen Überreste schon vor 841 von Kobern an der Mosel nach Dietkirchen überführt worden. Nach archäologischen Funden wurde eine steinerne Vorgängerkirche bereits um 720 erbaut. Zuvor gab es hier vielleicht eine Holzkirche. Das Stift wurde zwischen 830 und 838 errichtet.

Inmitten einer parkähnlichen Friedhofsanlage trifft man auf einen romanischen Kirchenbau, der von einer für die Architektur der Zeit typischen Schwere der Bauglieder und allgemein kubischen Massigkeit geprägt ist, wovon sich nur der Innenraum stellenweise zu lösen vermag. Der Anspruch der Architektur sowie die Qualität der Innenausstattung erinnern noch heute an die wichtige kirchenpolitische Rolle des Stifts sowie des seit 1021 bezeugten Archidiakonats. Von Dietkirchen aus wurden damit sämtliche rechtsrheinischen Teile des Bistums Trier verwaltet. Sechs Dekanate waren Dietkirchen untergeordnet. Zu diesem Zeitpunkt müssen die Bauarbeiten an der heutigen Stiftskirche bereits begonnen haben. Am 5. August 1225 wurde sie geweiht. Vermutlich dauerten die Bauarbeiten aber noch rund zehn Jahre an. Spätestens ab 1326 besaß auch das Dekanat Dietkirchen ein eigenes Landkapitel, eine geistliche Gemeinschaft, analog zu Stiftkapiteln. Sein Memorienbuch verzeichnete 1709 den letzten Eintrag, nachdem die übrigen Landkapitel im Archidiakonat bereits in der Reformation untergegangen waren.

Als weitere Schutzheilige neben Lubentius wird die Heilige Juliana benannt. Die Kirche war Grablege für einige Mitglieder der regional bedeutsamen niederadligen Familie Frei von Dehrn.

Lahnfähre und -brücke

Kurt van der Burg-Brücke

Die Lahnfähre in Dietkirchen wird bereits zwischen 1048 und 1098 erwähnt. Der Betrieb dieser Fähre war ein Lehnsrecht. 1959 wurde der Fährbetrieb eingestellt. Als Ersatz wurde 1989 eine 145 Meter lange und 3,30 Meter breite Rad- und Fußbrücke aus Holz unterhalb des Felsens gebaut, die eine direkte Verbindung zum Nachbarort Eschhofen darstellt. 2010 wurde sie nach dem damaligen Dietkircher Ortsvorsteher Kurt van der Burg benannt. An dieser Brücke treffen sich die beiden hessischen Radfernwege R7 und R8. Die Brücke stellt außerdem den Anschluss Dietkirchens an die ebenfalls 1989 fertiggestellte Kläranlage Eschhofen auf der gegenüberliegenden Lahnseite dar. Die Abwasserrohre werden unter den Holzplanken, auf denen sich Fußgänger und Radfahrer bewegen, über die Lahn geführt.

Im Bereich der Emsbach-Mündung gibt es in der Lahn eine Furt, die spätestens in fränkischer Zeit intensiv genutzt wurde. Die kaiserliche Reichspost nutzte später diesen Weg auf der Streckenführung Frankfurt – Köln und trug dazu bei, dass die Bezeichnung Postmauer bis heute noch lebendig ist.

Dietkircher Markt

Die ersten Anfänge des Dietkircher Marktes sind nicht mehr zu datieren. Wahrscheinlich liegen sie im Hochmittelalter. Hinweise auf einen Jahrmarkt am Lubentiustag datieren bereits auf das späte 13. Jahrhundert, eindeutig belegt ist er aber erst 1538. Der Markt war in früheren Zeiten ein Anziehungspunkt für Besucher aus der weiteren Umgebung.

Seit 1991 gibt es wieder, auf Initiative des damaligen Ortsvorstehers Kurt van der Burg und der Zusammenarbeit aller Vereine, eine Neuauflage des Marktes. Dieser findet als historisch orientierter Markt alle drei Jahre im Oktober seine Neuauflage und ist neben der jährlichen Zeltkirmes im August der festliche Höhepunkt in Dietkirchen.

Kriegsgefangenenlager

Gedenkstein auf der Kriegsgräberstätte
Keltisches Hochkreuz auf der Kriegsgräberstätte

Im Ersten Weltkrieg wurde Ende 1914 an beiden Seiten der Straße von Limburg nach Dietkirchen ein Kriegsgefangenenlager eingerichtet. Die aus Baracken bestehende Anlage war auf bis zu 12.000 Inhaftierte ausgelegt. Zunächst waren dort vor allem englische, irische und französische Soldaten festgesetzt, zum Ende des Krieges hin insbesondere Russen und Polen, vereinzelt auch Italiener. Am 23. Dezember 1914 wurde mit militärischen Ehren der erste Tote des Lagers, ein Ire, Fredrick Reilly (* 24. August 1864; † 20. Dezember 1914), auf dem nahe gelegenen Gräberfeld bestattet. Im Mai 1915 kam das Lager an seiner Belegungsgrenze an. Tagsüber mussten die Gefangenen in Firmen und auf Bauernhöfen der Umgebung Arbeit leisten. Im August 1916 wurde das Gräberfeld, das sich gemeinsam mit der Sanitätsstation südlich der Straße zwischen Limburg und Dietkirchen befand, zu einer Kriegsgräberstätte ausgebaut. Zum Pfingstfest am 25. Mai 1917 wurde ein drei Meter hohes Keltenkreuz zum Gedenken an die irischen Verstorbenen errichtet. Am 3. August wurde eine Skulptur des französischen Bildhauers Eduard Colomo, der selbst Gefangener in Dietkirchen war, fertiggestellt.

Bis 1920 diente das Lager als Durchgangsstation für ehemalige deutsche Soldaten, die aus alliierter Kriegsgefangenschaft entlassen worden waren. 1923 wurden bis auf die russischen Toten und einen Franzosen alle exhumiert und entweder in ihrer Heimat oder auf größeren, zentralen Gräberstätten bestattet.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Lagerfriedhof wieder genutzt. Dort wurden sowjetische Kriegsgefangene beigesetzt, die im „Stammlager XII“ bei Diez gestorben waren. Im Ersten Weltkrieg wurden auf dem Friedhof rund 330 Russen, 130 Franzosen, 60 Italiener, 47 Engländer, 45 Iren, sieben Serben, zwei Belgier und ein Rumäne bestattet. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wuchs die Zahl der sowjetischen Bestatteten auf schätzungsweise 945 an. Deshalb wird die Gräberstätte im Volksmund auch als „Russenfriedhof“ bezeichnet. 1954 wurden dort die sterblichen Überreste dreier sowjetischer Kriegsgefangener beigesetzt, die in den letzten Kriegstagen bei Oberweyer von SS-Leuten erschossen und vom Ortsbürgermeister zunächst dort bestattet worden waren. An der Stelle des nicht mehr instandsetzbaren französischen Denkmals ließ die Stadt Limburg 1959 einen Gedenkstein für die sowjetischen Toten errichten. Zwischen 1998 und 2005 wurde die gesamte Anlage grundlegend saniert.[3]

Dietkirchen als Stadtteil von Limburg

Alte Schule
Altes Rathaus von Dietkirchen
Feierliche Beflaggung am Ortseingang aus Richtung Limburg
Blick vom Kirchenfelsen über den „Weinberg“ auf die Lahn

Dietkirchen ist der einzige Stadtteil von Limburg, der seit 1969 keine eigene Grundschule mehr unterhält. Um daraus resultierende Nachteile für die Dorfgemeinschaft zu vermeiden, wurden im Gegenzug seit der Schließung alle Dietkircher Kinder gemeinsam in einer Klasse der Limburger Leo-Sternberg-Schule unterrichtet. Erstmals ab dem Schuljahr 2012/2013 konnte diese Vereinbarung nicht aufrechterhalten werden.

Am 1. Oktober 1971 gab die Gemeinde ihre Selbständigkeit auf und wurde im Rahmen der Gebietsreform in Hessen als erster der umliegenden Orte in die Stadt Limburg eingemeindet.[4] Seit 2001 ist Dietkirchen im hessischen Dorferneuerungsprogramm. Unterstützt durch Fördergeld aus diesem Programm wurden bereits mehrere alte Landwirtschaftsgebäude, insbesondere in der Brunnen- und Limburgerstraße, saniert und zu Wohnhäusern umgebaut.

Wappen

Am 20. Februar 1968 wurde der Gemeinde Dietkirchen im damaligen Landkreis Limburg ein Wappen mit folgender Blasonierung verliehen: In von Silber und Grün gespaltenem Schild eine Linde mit Bodenstück in verwechselten Farben.[5]

Vereine

Dietkirchen verfügt über einen Verschönerungsverein, den Turn- und Sportverein, den Männergesangverein „Liederkranz“, den Sängerchor „Cäcilia“ der Lubentiuskirche mit Kinderchor St. Lubentius, einen Obst- und Gartenbauverein, die Freiwillige Feuerwehr Dietkirchen (gegründet 1934) mit Jugendfeuerwehr seit 14. Mai 1974, einen Schützenverein, den Verein „Kinder und Jugend im Dorf“, den „Vereinsring Fastnacht“ sowie Ortsgruppen der Katholischen Frauengemeinschaft, der Katholischen Arbeitnehmerbewegung und des VdK. Der Vereinsring, der ursprünglich nur der Koordination der Aktivitäten diente, hat sich inzwischen vor allem auf den Dietkircher Markt ausgerichtet.

Sonstiges

Die Städtepartnerschaft der Stadt Limburg mit der belgischen Stadt Oudenburg hatte ihren Ursprung in einer Initiative der Gemeinde Dietkirchen kurz vor deren Angliederung an Limburg.

Seit 1998 wird am Südwesthang des Stiftsfelsens Wein angebaut. Die Ernte liegt zwischen 300 und 400 Kilogramm pro Jahr und wird vor allem zu Messwein verarbeitet.

2012 nahm Dietkirchen am Europäischen Dorferneuerungspreis der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung teil und wurde für „besondere Leistungen in einzelnen Bereichen der Dorfentwicklung“ ausgezeichnet.

Persönlichkeiten

  • Wilhelm Breithecker (* 31. Januar 1897 in Ellar; † 4. Juli 1982 in Ellar), 1. August 1929 Regens am Konvikt Montabaur, 1. Februar 1939 kath. Pfarrer in Dietkirchen, erste Verhaftung 7. März 1939 wegen der geheimen Weiterführung des Bund Neudeutschland; KZ-Haft Berlin Sachsenhausen und Dachau von 3. Juli 1939 bis 28. März 1945; 5. Februar 1947 Dekan von Dietkirchen, 1. Dezember 1970 Ruhestand; Ehrenbürger von Dietkirchen.

Literatur

  • Wolf-Heino Struck: Das Stift St. Lubentius in Dietkirchen, Reihe GERMANIA SACRA, Walter de Gruyter, Berlin 1986
  • Marie-Luise Crone: Dietkirchen, Geschichte eines Dorfes im Schatten des St. Lubentiusstifts, Magistrat der Kreisstadt Limburg an der Lahn, 1991, ISBN 3-9802789-0-5
  • Wilhelm Schäfer: Die Baugeschichte der Stiftskirche St. Lubentius zu Dietkirchen im Lahntal, Selbstverlag der Historischen Kommission für Nassau, Wiesbaden 1966
  • Schulchronik Dietkirchen: 1825–1969, Magistrat der Kreisstadt Limburg an der Lahn, 2002
  • Lorenz Müller: St. Lubentius und Dietkirchen an der Lahn, Eine Untersuchung, Selbstverlag des Verfassers, 1969
  • Wilhelm Schäfer: Die Stiftskirche St. Lubentius und Juliana zu Dietkirchen im Lahntal, Darmstadt 1964
  • Wolf-Heino Struck: Das Nekrologium II des St. Lubentius-Stiftes zu Dietkirchen a.d. Lahn, Mainz, Ges. f. Mittelrhein. Kirchengeschichte, 1969

Weblinks

Commons: Limburg-Dietkirchen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Wirtschaftsdaten im Internetauftritt der Stadt Limburg, abgerufen im Juli 2016.
  2. Peter Paul Schweitzer: Dietkirchen – Der Name der Kirche und des Dorf an der Lahn. In: Nassauische Annalen. Band 117. Verlag des Vereines für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung, 2006, ISSN 0077-2887, S. 1–16.
  3. Website zur Geschichte des Kriegsgefangenenlagers
  4. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27. 5. 1970 bis 31. 12. 1982. W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart und Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 369.
  5. Genehmigung eines Wappens durch den Hessischen Minister des Innern vom 20. Februar 1968 (StAnz. S. 375) Seite 7 der tif-Datei 5,86 MB
  6.  Info: Bitte auf Vorlage:HessBib umstellen, um auch nach 2015 erfasste Literatur zu selektieren!