Individualverkehr

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Hinweis auf einen Übergang zwischen Individual- und öffentlichem Personennahverkehr

Beim Individualverkehr benutzt der Verkehrsteilnehmer ein ihm zur Verfügung stehendes Verkehrsmittel (Auto, Dienstwagen, (Dienst-)Fahrrad, Motorrad, Fuhrwerk, Boot, Schneemobil, Flugzeug, Reitpferd usw.) oder Sportgerät (Rollschuhe, Inlineskates, Segelboot, Segelflugzeug usw.) bzw. er geht zu Fuß (siehe Fußverkehr), wobei er im Wesentlichen frei über Zeiten und Wege entscheiden kann (engl. choice rider). Individualverkehr steht im Gegensatz zum öffentlichen Verkehr und privatwirtschaftlichen nichtöffentlichen Verkehr (dessen Verkehrsmittel sind zum Beispiel Ausflugsboote, touristisch genutzte Seilbahnen, Skilifte).

Zum Individualverkehr (Akronym IV) zählen im Verkehrswesen der nichtmotorisierte Individualverkehr (Fußgänger, Radfahrer, Skater etc.) und der motorisierte Individualverkehr (Pkw, Moped, Motorrad, Wohnmobil usw.).

Fahrzeuge, Fuhrwerke und Rikschas, die im Bedarfsverkehr kurzfristig mit Fahrer angemietet werden, gehören, auch wenn der Nutzer frei über Zeiten und Wege entscheiden kann, zu den Sonderformen des öffentlichen Personennahverkehrs.

Ist der Reisende in irgendeiner Weise in seiner Entscheidung abhängig (z. B. als Mitfahrer), wird dieser als captive rider bezeichnet.

Motorisierter Individualverkehr

Kraftfahrzeuge zur individuellen Nutzung wie Pkw und Krafträder (Zweiräder, welche zu 100 % durch Motorleistung fahren wie Motorräder, Motorroller und Mofas) werden als motorisierter Individualverkehr (Akronym: MIV) bezeichnet. Auch Quads und Trikes zählen zum motorisierten Individualverkehr. Der MIV gewann seine Bedeutung im Zuge der Massenmotorisierung.

Geschichte

Im Jahr 1955 wurden 50 % der Verkehrsleistung in Westdeutschland durch Pkw, Motorrad und Moped erbracht. Gleichzeitig ging der Anteil des öffentlichen Verkehrs zurück. Mitte der 1960er Jahre machten Stadtentwicklungs- und Umweltexperten auf die negativen Auswirkungen des MIV aufmerksam. Die deutsche Politik ließ Gutachten zum Thema erstellen, die die Grundprobleme darstellten. Erst infolge der ersten Ölkrise 1973 wurden jedoch Maßnahmen ergriffen, die allerdings bald darauf wieder rückgängig gemacht wurden.[1]

In West- und Ostdeutschland entwickelte sich der MIV unterschiedlich. Die Regierung der DDR fasste den PKW im Gegensatz zur BRD erst 1954 als Konsumgut auf – zuvor strebte man einen Ausbau des ÖPNV an. Während es 1960 im Westen bereits 78 Pkw pro 1000 Einwohner gab, waren in Ostdeutschland nur 32 Autos / 1000 Einwohner vorhanden. [2] Ende der 1980er Jahre war dieser Rückstand annähernd aufgeholt, so gab es 1989 in der DDR 550,[3] in der BRD 610 PKW pro 1000 Haushalte. Zu beachten ist jedoch, dass die damaligen PKW der DDR technologisch rückständiger waren. Auch war das Verkehrsaufkommen bedeutend geringer, weil die Jahreslaufleistung eines PKW in der DDR mit durchschnittlich 9300 km/Jahr geringer war als in der BRD. Dies hängt einerseits mit dem sehr preiswerten ÖPNV-Angebot der DDR, aber auch mit Ersatzteilmangel für PKW zusammen.

Motorräder, die als reines Transportmittel in der Bundesrepublik bereits seit Ende der 1950er bedeutungslos waren, wurden in der DDR häufiger benutzt. Erst 1975 gab es auch in Ostdeutschland mehr Pkw als Motorräder.[4]

Auswirkungen und Probleme

Der MIV hat neben seinem Nutzen auch negative Wirkungen auf die Umwelt, da er pro beförderter Person mehr Verkehr, eine höhere Umweltbelastung, einen deutlich höheren Flächenverbrauch (sowohl im ruhenden als auch im fließenden Verkehr) und damit höhere externe Kosten als der Öffentliche Verkehr oder der nicht motorisierte Individualverkehr verursacht. Er ist daher Angriffspunkt vieler Umweltinitiativen, die sich für eine Sanfte Mobilität einsetzen. Ferner wird durch MIV die Lebensqualität vor allem in Städten durch Platzbedarf, Lärm, Luftverschmutzung und Unfallgefahr erheblich beeinträchtigt. Negative Wirkungen auf die Verkehrssicherheit treten auf, wenn die Verkehrsdichte den für den jeweiligen zur Verfügung stehenden Raum kritischen Schwellenwert überschreitet und es durch Überlastung zur Verringerung des Verkehrsflusses kommt. Dies ist in Ballungsgebieten der Regelfall. Hinzu kommt, dass der eigene PKW als Statussymbol vor allem seit Verbreitung des Internets und mobiler Kommunikationsgeräte an Bedeutung verliert. All das lässt erwarten, dass der klassische MIV mit eigenem Privatfahrzeug langfristig durch andere Mobilitätsformen verdrängt werden wird. Seit den 1990er Jahren ist eine starke Zunahme des Carsharings und der Autovermietung zu beobachten.

Dennoch fahren die Deutschen – allen Problemen, Staus und hohen Benzinkosten zum Trotz – noch am liebsten mit dem eigenen Wagen. Eine Studie der Stiftung für Zukunftsfragen – eine Initiative von British American Tobacco zeigt dies deutlich am Beispiel des Arbeitsweges.[5] Von 100 Arbeitnehmern fahren demnach 53 mit dem eigenen Automobil, 16 nutzen den öffentlichen Personennahverkehr, 14 gehen zu Fuß, 10 nehmen das Rad, 4 nutzen eine Mitfahrgelegenheit und 2 erreichen ihre Arbeitsstelle mit dem Zug.

Kosten

Kosten für den Verkehrsteilnehmer

  • Fixkosten:
    • Fahrzeuganschaffung (Kaufpreis, Leasingrate, Kreditrate)
    • fester Abstellplatz Fahrzeug (Garage, Parkhaus)
    • Versicherung
    • KFZ-Steuer
    • Gesetzlich vorgeschriebene technische Überprüfung (TÜV, „Pickerl“)
  • Distanz-, Orts- und Zeitabhängige Kosten (laufende Kosten):
    • Treibstoffkosten
    • Abnutzung (Reifen, Bremsen, Lager)
    • Reparaturen
    • Mauten
    • Parkgebühren unterwegs
    • Nicht von Versicherungen gedeckte, privat zu bezahlende Unfallfolgekosten

Kosten für die Volkswirtschaft

  • Straßenbaukosten, Straßenerhaltungskosten
  • Folgekosten der Umweltverschmutzung durch den MIV
  • Flächenverbrauchskosten
  • Grundstücksnettoentwertungskosten (= Grundstückentwertung durch Straßenbau – Grundstückaufwertung durch Straßenbau)
  • Einschränkung der Mobilität der nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer oder der Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel wenn diese durch den MIV behindert oder eingeschränkt werden
  • Unfallfolgekosten
  • Knappheitswert von Straßen und öffentlichen Parkplätzen (Staukosten, Parkplatzsuchzeitkosten (suchender Verkehr))
  • Zeitkosten der Verkehrsteilnehmer[6][7]
  • Lichtverschmutzung bei Dunkelheit vor allem in Ballungsräumen sowie entlang von Autobahnen und stark befahrenen Straßen

Sind die volkswirtschaftlichen Kosten des MIV höher als die Summe der Teilnehmer am MIV als private Kosten zu tragen haben, dann spricht man von externen Kosten des MIV.

Nichtmotorisierter Individualverkehr

Nichtmotorisierte Verkehrsmittel zur individuellen Nutzung wie Fahrrad, Fahrradtaxi und die eigenen Füße werden als „Nichtmotorisierter Individualverkehr“ (Akronym: NMIV) bezeichnet. Neben dem Nachteil, geringere Entfernungen zurücklegen zu können, weniger transportieren zu können und im Vergleich zum Pkw und den Öffentlichen Verkehrsmitteln stärker dem Wetter ausgesetzt zu sein, hat der NMIV aber auch deutliche Vorteile: Er verursacht keine Schadstoffemissionen und nahezu keine Lärmemissionen; der Energiebedarf beschränkt sich auf den körpereigenen Energieverbrauch und ist bezogen auf die zurückgelegte Entfernung beim Radfahren noch geringer als beim Zufußgehen, externe Energie wird nicht benötigt. Darüber hinaus ist der Flächenbedarf des NMIV deutlich geringer als der des Pkw- und des Öffentlichen Verkehrs. Deutlich geringerer Flächenbedarf, sowohl im ruhenden als auch im fließenden Verkehr und geringere technische Anforderungen an die Verkehrsanlagen bedingen in der Regel deutlich geringere Verkehrsinfrastrukturkosten für den NMIV und ermöglichen kürzere Wege. Auch die individuellen Kosten sind in der Regel geringer. Zudem ergeben sich positive Auswirkungen auf die individuelle Gesundheit durch die verstärkte körperliche Aktivität. Aus diesem Verkehrsmittelvergleich wird von verschiedenen Umweltinitiativen immer wieder die Forderung abgeleitet, dem NMIV in der Verkehrsplanung Vorrang gegenüber dem MIV einzuräumen.

Verwandte Themen

  • Der Modal Split bezeichnet die Aufteilung des Verkehrs auf verschiedene Verkehrsträger.
  • Sanfte Mobilität bezeichnet die vorrangige Nutzung des nichtmotorisierten Individual- und des öffentlichen Verkehrs.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Individualverkehr – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Helmut Nuhn, Markus Hesse: Verkehrsgeographie. Schöningh, Paderborn u. a. 2006, ISBN 3-8252-2687-5, S. 35f.
  2. Informationen zur politischen Bildung Nr. 312/2011, S. 47 (PDF, 7,7 MB).
  3. Peter Kirchberg: Plaste, Blech und Planwirtschaft, Nicolai Verlag, Berlin 2000.
  4. Helmut Nuhn, Markus Hesse: Verkehrsgeographie. Schöningh, Paderborn u. a. 2006, ISBN 3-8252-2687-5, S. 35f. unter Berufung auf H.-J. Ewers: Aufbau der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B5, Seiten 23–33.
  5. Stiftung für Zukunftsfragen – eine Initiative von British American Tobacco: Mehr als jeder Zweite fährt mit dem eigenen PKW zur Arbeit … und braucht hierfür täglich eine halbe Stunde, Forschung Aktuell, 253, 35. Jg., 31. März 2014.
  6. http://www.vcoe.at/images/doku/VCOeFactsheetNachhaltigSteuern.pdf
  7. http://www.vcoe.at/images/doku/VCOeFactsheetKostenVerkehr.pdf