Julius Freiherr von der Heydte

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Julius Freiherr von der Heydte (* 13. April 1865 in Hersbruck; † 7. August 1923 in München) war ein deutscher Jurist und Münchner Polizeipräsident.[1]

Werdegang

Julius Freiherr von der Heydte studierte Rechtswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität und absolvierte 1886 das erste Staatsexamen. Seine Vorbereitungspraxis widmete er dem Amtsgericht, dem Landgericht, der Polizeidirektion, dem Bezirksamt und einer Anwaltspraxis in München. 1889 bestand er die Assessorprüfung (Staatskonkurs), das Zweite Staatsexamen. Von 1890 bis 1892 war er Praktikant bei dem Bezirksamt München und der Regierung von Oberbayern und danach dem Bezirksamt von Günzburg als Assessor zugeteilt.

Im selben Jahr erhielt er eine Anstellung im Staatsministerium des Innern und wurde 1895 zum Regierungsassessor ernannt. 1897 bis 1899 war er Bezirksamtmann des Landkreis Berchtesgaden, bevor er im Staatsministerium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten beschäftigt wurde.

1900 wurde er zum Regierungsrat, 1903 zum Oberregierungsrat und 1906 zum Polizeidirektor der Polizeidirektion München ernannt, die er bis 1913 leitete. 1907 durfte er den Titel Polizeipräsident führen. 1913 wurde er zum Senatspräsident am Verwaltungsgerichtshof berufen, ein Jahr später krankheitshalber in den einstweiligen Ruhestand versetzt. 1920 wurde er zum Generalstaatsanwalt am Verwaltungsgerichtshof ernannt.

Seine Öffentlichkeitsarbeit war geprägt von umfassender Fürsorge.[2] Als Frank Wedekind 1908 um eine Genehmigung (Placet) für seine Travestie auf Albert Langen, Oaha bat, erklärt ihm von der Heydte in Gegenwart von Ignaz Georg Stollberg (* 1853; † 1926; Mitte November 1897 bis 1901 Leiter des Schauspielhaus München in den Centralsälen, anschließend im Gebäude der Münchner Kammerspiele):

„Sie haben die öffentliche Meinung gegen sich. Solange das der Fall ist gebe ich Ihr Stück nicht frei.“

Julius von der Heydte, 1908

Wedekind fragte daraufhin in einem offenen Brief:

Was hat die öffentliche Meinung gegen mich?
Welche Partei hat etwas gegen mich, und wo ist diese Partei zu finden?
Kommt es in der Kunststadt München in künstlerischen Fragen wirklich nicht darauf an, was jemand kann, sondern darauf, was er gegen sich hat?“

Münchner Theaterzensurbeirat

„Die mannigfachen Vorschläge, welche zur Verbesserung des Theaterzensurwesens seit Jahren in den Parlamenten, in der Presse und in der Fachliteratur gemacht worden sind, haben mich veranlaßt, zu dem Versuche der Schaffung eines Theaterzensurbeirates für die kgl. Polizeidirektion München zu schreiten. Diesem Beirate oder Kollegium soll die Aufgabe zufallen, der Behörde in zweifelhaften Fragen auf dem Gebiete der Theaterzensur durch Abgabe mündlicher oder schriftlicher Gutachten beratend zur Seite zu stehen. Behufs Vermeidung umfangreicher Arbeitskraft für jene Herren, welche ihre Kräfte freiwillig in den Dienste dieser, das kulturelle Leben, wie das öffentliche Interesse überhaupt stark berührenden Angelegenheit zu stellen gesonnen wären, würde ich mir jeweils nur besonders wichtige Einzelfälle, so dann vielleicht gewisse prinzipielle Gegenstände der Zensurpolizei zu Beratung und gutachtlichen Äußerung zu unterbreiten gestatten.“

Schreiben vom 7. März 1908, gez. v.d.Heydte in Zensurbeirat I" (4342). Nach Michael Meyer: Theaterzensur in München, 1900–1918. 1982. S. 85

Empfänger des Schreibens vom 7. März 1908 waren:

  1. Berhard von Arnold (* 1838 in Würzburg; † 1922 in München); Geheimer Hofrat, 1862: Studienlehrer in Würzburg.
  2. Friedrich Basil
  3. Otto Crusius
  4. Heinrich Adelbert Carl Alexander Konrad von Gleichen-Rußwurm (* 6. November 1865 in Schloss Greifenstein (Unterfranken); † 25. Oktober 1947 in Baden-Baden), Schriftsteller, Urenkel von Friedrich Schiller.[3]
  5. Karl Graßmann (* 1867; † 1933) 1895: Oberarzt im Klinikum rechts der Isar Spezialisiert auf Herzerkrankungen Von seinen 50 Publikationen betreffen 30 sein Spezialgebiet.[4]
  6. Max von Gruber
  7. Max Halbe
  8. Karl Theodor von Heigel
  9. Adolf von Hildebrand
  10. Georg Kerschensteiner (* 29. Juli 1854 in München; 15. Januar 1932 ebenda), 1895 Stadtschulrat in München, Volksschullehrer, Begründer der Berufsschule, Gymnasiallehrer.[5]
  11. Emil Kraepelin
  12. Richard Du Moulin-Eckart
  13. Friedrich von Müller (* 17. September 1858 Augsburg; † 18. November 1941 in München) Direktor des Klinikum rechts der Isar[6]
  14. Franz Muncker
  15. Johann Nicklas (* 1851; † 1933) 1896–1919 Rektor des Theresien-Gymnasium München
  16. Ernst von Possart Vorsitzender
  17. Josef Ruederer
  18. Jocza Savits (* 10. Mai 1847 in Novi Bečej; † 7. Mai 1915 in München), Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller.[7]
  19. Hans Schnorr von Carolsfeld (* 1862 in München; † 1933 ebenda) 1918: Geheimer Rat, Studium der klassischen und deutschen Philologie. 1885: Praktikant an der Hof- und Staatsbibliothek München. 1892: Oberbibliothekar an der Universitätsbibliothek. 1909–1929: Kgl. Direktor der Hof- und Staatsbibliothek München.
  20. Anton von Stadler
  21. Emil Sulger-Gebing (* 7. Juli 1863 Basel; † 29. Dezember 1923 in München) Literaturhistoriker, Kaufmannssohn
  22. Karl Voll (* 18. Juli 1867 in Würzburg; † 21. Juni 1917 in München) Lehrer an der Freisinger Realschule, Austritt aus dem Schuldienst und Übernahme des Kunstreferats der Allgemeinen Zeitung
  23. Wilhelm Weigand
  24. Julius von Werther (* 20. Mai 1838 in Roßla; † 23. Juli 1910 in Pertisau) 1884–1890: Generalintendant des Stuttgarter Hoftheaters, Geheimer Hofrat.[8]

In einem Schreiben vom 8. März 1908 wurden die Mitglieder der Ersatzkommissionen um ihre Mithilfe gebeten:[9]

  1. Berhard von Arnold
  2. Friedrich Basil
  3. Otto Crusius
  4. Karl Graßmann
  5. Emil Kraepelin
  6. Josef Ruederer
  7. Jocza Savits
  8. Hans Schnorr von Carolsfeld
  9. Emil Sulger-Gebing

1912 löste Thomas Mann, Max Halbe in diesem Gremium ab, was zu einem Eklat bei der Beerdigung von Frank Wedekind führte.[10] Für die 1915 bzw. 1917 verstorbenen Savits und Voll wurde keine Ersatzräte benannt.

VorgängerAmtNachfolger
Karl du Moulin-EckartBezirksamtmann des Landkreis Berchtesgaden
1. November 1897 bis 1. November 1899
Franz von Machenheim, genannt Bechtolsheim
Otto Halder von SchweinfurtMünchner Polizeipräsident
1. Februar 1906 bis 1. August 1913
Ludwig von Grundherr zu Altenthann und Weyerhaus

[11]

Einzelnachweise

  1. Heydte, Julius Frhr. v. d. In: verwaltungshandbuch.bayerische-landesbibliothek-online.de. Abgerufen am 5. Januar 2015.
  2. Thomas Grasberger: Stenz: Die Lust des Südens. (bei Google Books)
  3. Heinrich Adelbert Carl Alexander Konrad von Gleichen-Rußwurm (Google Books)
  4. Karl Graßmann (Imago – Zeitschrift für psychoanalytische Psychologie)
  5. Georg Kerschensteiner (Google Books)
  6. Friedrich von Müller (deutsche-biographie.de)
  7. Jocza Savits (deutsche-biographie.de/)
  8. Julius von Werther (deutschestextarchiv.de)
  9. Francisca: S. 236
  10. Peter Sprengel:Geschichte der deutschsprachigen Literatur, 1900–1918.
  11. Münchener Digitalisierungszentrum: Julius Heydte im Verwaltungshandbuch der Bayerischen Landesbibliothek (online); Julius von der Heydte – Datensatz bei der Deutschen Nationalbibliothek