Kernkraftwerk Creys-Malville

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Kernkraftwerk Creys-Malville
Kernkraftwerk Creys-Malville
Kernkraftwerk Creys-Malville
Kernkraftwerk Creys-Malville
Lage
Kernkraftwerk Creys-Malville (Frankreich)
Kernkraftwerk Creys-Malville (Frankreich)
Koordinaten 45° 45′ 30″ N, 5° 28′ 20″ OKoordinaten: 45° 45′ 30″ N, 5° 28′ 20″ O
Land Frankreich
Daten
Eigentümer Électricité de France
Betreiber Électricité de France
Projektbeginn 1976
Stilllegung 31. Dez. 1998

Stillgelegte Reaktoren (Brutto)

1  (1242 MW)
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme 3.392 GWh
Stand 27. Juli 2007
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation.
f1
Modell des Containments
Kernkraftwerk Creys-Malville im Jahr 1984

Das französische Kernkraftwerk Creys-Malville, auch Superphénix, liegt an der Rhone bei der kleinen Ortschaft Malville innerhalb der Gemeinde Creys-Mépieu im Département Isère. Es handelt sich dabei um einen natriumgekühlten schnellen Brüter, der seit 1996 keinen Strom mehr produziert, 1997 endgültig stillgelegt wurde und bis 2027 abgebaut werden soll.

Bau

Superphénix entstand als weitere Entwicklung in industriellem Maß vom Vorgänger Kernkraftwerk Phénix, in Betrieb seit 1973.

Die Arbeiten am Entwurf wurden im Zuge des Verzichts auf Hochtemperaturreaktoren 1968 begonnen. Angesichts der damals schon hohen Preise für Öl und Gas und dem Rückgang der weltweit verfügbaren Mengen an Uran wurde der Reaktortyp des schnellen Brüters gewählt, womit die Ausnutzung vom Brennstoff um über Faktor 50 im Vergleich zu einem Leichtwasserreaktor vergrößert werden kann. Der Bau des Kernkraftwerks wurde 1972 freigegeben, 1974 begonnen und dauerte einschließlich der Inbetriebsetzung bis zum Beginn der Stromerzeugung 1985. Die Gesamtkosten stiegen während der Bauphase enorm an. Das Kraftwerk wurde von NERSA betrieben. NERSA war die internationale Betreibergesellschaft in Form einer AG, deren Anteilseigner waren EDF (51 %), der italienische Energieversorger Enel (33 %) und die deutsche Schneller Brüter Kernkraftwerksgesellschaft mbH "SBK" (16 %). Letztere war wiederum ein Konsortium der Energieversorger RWE aus Deutschland, SEP aus den Niederlanden, sowie Electrabel aus Belgien. SBK war Eigentümer des Kernkraftwerks Kalkar. Nach ursprünglicher Absicht sollte in jedem Partnerland ein Reaktor des Typs "Schneller Brüter" gebaut werden, aber als Folge politischen Drucks ging letztlich nur der Superphénix Creys-Malville in Betrieb. Das nach langen Verzögerungen 1986 fertiggestellte Kernkraftwerk Kalkar wurde nie in Betrieb genommen. Am 6. Oktober 2000 wurde die Auflösung der NERSA bekanntgegeben.[1]. EDF wurde zum alleinigen Eigentümer.

Es gab beträchtliche Proteste während der Bauphase. Ein Protestmarsch von 60.000 Menschen wurde 1977 gewaltsam von der Bereitschaftspolizei CRS aufgelöst. Einer der Demonstranten, Vital Michalon, wurde von einer von der CRS eingesetzten Blendgranate getötet, hunderte wurden zum Teil schwer verletzt.

Betrieb

Die elektrische Leistung des Reaktors sollte ursprünglich 1.200 Megawatt (MW) betragen. Der experimentelle Aufbau des Reaktors veranlasste den Betreiber zu großer Vorsicht, so dass dieser Wert während der gesamten Betriebszeit nicht erreicht werden konnte. Mit der Zeit kamen weitere Probleme hinzu: Das Flüssig-Natrium-Kühlsystem litt unter Korrosion und Lecks.

  • 1984 erfolgte die Befüllung des Reaktors mit Natrium
  • 1985 folgte die Beladung mit Brennstoff.
  • Nach Ankopplung (Synchronisation) an das Elektrizitätsnetz am 15. Januar 1986 erzeugte das Kraftwerk Strom.
  • Erster Störfall: Am 8. März 1987 entstand ein Leck im sogenannten Barillet[2] (dies ist ein zylindrischer Behälter innerhalb des Reaktors, in dem man benutzte Brennelemente für einige Zeit auskühlen lässt, bevor sie nach außen transportiert oder nach innen umgesetzt werden). Die Verwendung einer falschen Stahlsorte führte zu Rissbildung in geschweißten Bereichen und verursachte so eine Leckage von 20 Tonnen Natrium, ein Vorkommnis der Klasse 2 auf der französischen Ereignis-Skala.[3] Da ohnehin das gesamte Brennelement-Becken mit flüssigem Natrium gefüllt war, gab es keine Folgeschäden, allerdings einen langen Stillstand. Am 26. Mai 1987 entschied der damalige Industrieminister Alain Madelin, den Reaktor stillzulegen. Das Wiederanfahren des Reaktors wurde am 12. Januar 1989 per Erlass durch den Premierminister Michel Rocard erlaubt. Er blieb jedoch noch bis zum 7. September 1989 abgeschaltet.
  • 29. April 1990: Erneuter Störfall der Klasse 2. Ein Natrium-Leck in einem der vier Primärkreisläufe erzwang die sofortige Leerung des mit 400 Tonnen Na gefüllten Kreislaufs. Das Natrium im Reaktor muss unter allen Umständen vor Verschmutzung bewahrt werden, damit keine Oxyde oder Metallpartikel den Kühlkreislauf verstopfen können. Die darum erforderliche Reinigung dauerte acht Monate.
  • Am 8. Dezember 1990 stürzte unter der Last von 80 cm Schnee ein Teil des Daches der Turbinenhalle ein. Es wurde notwendig, die Hälfte der Stützkonstruktion des Gebäudes neu aufzubauen. 1992 konnte die Stromproduktion wieder aufgenommen werden.
  • 1994 gab es eine kraftwerksinterne Argon-Freisetzung, wonach die erlaubte Leistung 1995 vorläufig auf 30 Prozent herabgesetzt wurde (Argon dient als Schutzgas für das Natrium im Reaktorgefäß). Ab 1996 waren es 60 Prozent, aber nur für wenige Monate, bis eine Schnellabschaltung den Reaktor erneut stilllegte.[4]

Superphénix erwies sich somit als nicht so erfolgreich wie der kleinere Vorgänger Phénix. Zum Baubeginn war die gesammelte Erfahrung von Phénix noch gering, und die um Faktor fünf gesteigerte Leistung des Superphénix brachte unerwartete Schwierigkeiten.[5].

Proteste gegen Bau und Betrieb

Creys-Malville war seit seiner Planung und während der Jahre des Baus ein Brennpunkt für viele Atomkraftgegner wie etwa die Grüne Partei Frankreichs.

Bei einer Demonstration mit 60.000 Teilnehmern am 31. Juli 1977 kam es zu erheblichen Ausschreitungen, bei denen ein Demonstrant ums Leben kam.[6] 1989 schlossen sich Dutzende Verbände und Organisationen aus Frankreich, der Schweiz und Italien zum "Comité européen contre Superphénix" zusammen. Am 26. April organisierte man in mehreren Städten Frankreichs, der Schweiz und Italiens Kundgebungen unter dem Motto "Tchernobyl vor vier Jahren, Malville heute".

Raketenangriff : Die andauernden Proteste und Sabotageversuche erreichten in der Nacht des 18. Januar 1982 ihren Höhepunkt. Eine Gruppierung militanter Atomkraftgegner beschoss das noch unfertige Kraftwerk mit fünf Geschossen aus einem tragbaren Raketenwerfer des sowjetischen Typs RPG-7. Zwei der Raketen verfehlten den damals noch nicht mit radioaktivem Material bestückten Reaktor und beschädigten das Gebäude leicht, was jedoch laut Herstellerangaben nicht zu Bauverzögerungen führte.

Am 8. Mai 2003 gab Chaïm Nissim, ein Mitglied der Grünen Partei der Schweiz, zu, den Angriff durchgeführt zu haben.[7] Die Gruppe um Nissim habe versucht, über den Terroristen Carlos an Waffen zu kommen und habe sie schließlich von der linksextremen belgischen Terrororganisation Cellules Communistes Combattantes erhalten.[8]

1997 gründete sich aus einem Zusammenschluss von 758 Gruppen von Atomkraftgegnern das nationale Netzwerk Sortir du nucléaire (dt. Atomausstieg) - im Zusammenhang mit dem Kampf der Naturschützer gegen Superphénix zu dessen Stilllegung.

Schließung

Im Dezember 1996 wurde der Brüter wegen Wartungsarbeiten heruntergefahren. Ein von den Gegnern des Kraftwerks begonnener Gerichtsprozess vor dem Conseil d’État kam zum Ergebnis, dass eine Verfügung von 1994, welche die Wiederaufnahme des Betriebes erlaubt hatte, ungültig war.

Anfang 1997 begannen Arbeiten, um „die Plutonium-Produktionsmaschine mit weiterem Milliardenaufwand in einen Plutonium-Vernichter“ zu verwandeln.[9]

Im Juni 1997 kündigte Premierminister Lionel Jospin als eine seiner ersten Amtshandlungen die Schließung des Kraftwerks an. Er begründete diesen Schritt mit den enormen Kosten, die das Kraftwerk verursachte. In den vorangehenden zehn Jahren hatte es aufgrund von Fehlfunktionen die meiste Zeit keinen Strom produziert. Es verbrauchte sogar beträchtliche Mengen an Strom, um das Natrium im Kühlsystem oberhalb dessen Schmelztemperatur zu halten.[10] (Jede Natrium führende Rohrleitung und jeder Tank war zu diesem Zweck mit Heizungen und Wärmedämmung versehen)

Creys-Malville war das vorletzte Kernkraftwerk in Westeuropa, das mit einem Brutreaktor Strom erzeugte. Seit 1. Februar 2010 ist auch das letzte, der Phénix (130 MW netto) offiziell abgeschaltet. Nur Russland setzte zu dieser Zeit weiter auf Brutreaktoren.[9]

Nach einem Bericht des Cour des Comptes von 1996 beliefen sich die Kosten für das Kraftwerk bis dahin auf umgerechnet 9,1 Milliarden Euro.[10] Die letzten der 650 Brennstäbe wurden am 18. März 2003 entfernt. 2006 wurde mit dem vollständigen Abbau des Kraftwerks begonnen.[11]

Ähnlich wie nach der Schließung des schnellen Brüters im Kernkraftwerk Dounreay in Großbritannien wurde eine Anlage gebaut, welche die 5520 Tonnen Natrium aus dem ehemaligen Kühlsystem in Na-Lauge umwandelt, die dann mit Zement zu 38000 Betonblöcken vergossen wird. Diese verbleiben als ca. 70000 Tonnen nur leicht radioaktives und wasserunlösliches Material zur Endlagerung.[12]

Daten der Reaktorblöcke

Das Kernkraftwerk Creys-Malville – der bisher leistungsfähigste je gebaute schnelle Brüter – hat insgesamt einen Block:

Reaktorblock[13] Reaktortyp Netto-
leistung
Brutto-
leistung
Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Abschal-
tung
Superphénix Brutreaktor 1200 MW 1242 MW 13.12.1976 15.01.1986 nicht genau bekannt 31.12.1998

Siehe auch

Quellen

  1. Décret no 2000-980 du 6 octobre 2000 autorisant la dissolution de la société anonyme dénommée Centrale nucléaire européenne à neutrons rapides SA (NERSA)
  2. Superphénix, l'expérimentation nucléaire en question, par Raymond Avrillier, publié dans Stratégies Energétiques, Biosphère & Société (SEBES), en novembre 1990
  3. Rapport parlementaire sur Superphénix et la filière des réacteurs à neutrons rapides, par Christian Bataille, le 25 juin 1998
  4. R. Sené: Rapport Superphénix à l’assemblée nationale, 1998; historischer Anhang
  5. Claude Bienvenu, SUPERPHENIX - Le nucléaire à la française
  6. 1971 Utopie oder Tod, Der Freitag, Nr. 13, 31. März 2011, S. 12.
  7. parlament.ch Motion von Elmar Bigger
  8. Die Saboteure (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive) Artikel in der Wochenzeitung
  9. a b spiegel.de 3. Februar 1997: Phönix in der Asche. - Der französische Superphénix, größter Brutreaktor aller Zeiten, brütet nicht mehr. Der Traum vom nuklearen Perpetuum mobile ist weltweit ausgeträumt.
  10. a b Cour des comptes: Rapport public 1996 (Memento vom 26. November 2006 im Internet Archive)
  11. http://energie.edf.com/fichiers/fckeditor/Commun/En_Direct_Centrales/Nucleaire/General/Deconstruction/documents/creys/plaquette_demantelementcomposants_creys.pdf
  12. http://energie.edf.com/fichiers/fckeditor/Commun/En_Direct_Centrales/Nucleaire/Centrales/creys_malville/vie_centrale/plaquette_tna_vf_2010.pdf
  13. Power Reactor Information System der IAEA: „France (French Republic): Nuclear Power Reactors“ (englisch)

Weblinks

Commons: Kernkraftwerk Creys-Malville – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien