Michel Schwalbé

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Mich(a)el Schwalbé (* 27. Oktober 1919 in Radom, Polen; † 8. Oktober 2012[1][2] in Berlin) war ein polnischer Geiger und Violinpädagoge.

Leben

Michel Schwalbé, von jüdischer Herkunft, studierte bei Moritz Frenkel an der Musikhochschule Warschau und schloss mit zwölf Jahren dort ab. 1933 legte er sein Abitur ab. Er setzte danach seine musikalischen Studien bei Jules Bucherit[3] (Violine), George Enescu (Interpretation) und Pierre Monteux (Kammermusik und Dirigieren) in Paris fort, wo er 1938 abschloss. 1940 floh er nach Lyon, wo er ab 1942[3] als Konzertmeister des dortigen Symphonieorchesters tätig war und von Prof. Bouffard unterrichtet wurde.[3] 1944 flüchtete er erneut vor den deutschen Truppen in einem Möbelwagen versteckt in die Schweiz. Ernest Ansermet engagierte ihn 1944 als Ersten Konzertmeister des Orchestre de la Suisse Romande. In der Schweiz gründete er das Genfer Trio und das Schwalbé-Quartett (1946–48), erhielt eine Professur am Genfer Konservatorium als Nachfolger von Joseph Szigeti und war auch als Konzertmeister des Lucerne Festival Orchesters tätig.

Berliner Philharmoniker

Als Herbert von Karajan ihn zu den Berliner Philharmonikern nach West-Berlin holte, empfand Schwalbé dies als einziger Überlebender seiner Familie – seine Mutter und seine Schwester wurden im Vernichtungslager Treblinka ermordet[4] – als einen „Akt der Versöhnung mit den Deutschen“.[5] 1957 wurde er bei den Philharmonikern Konzertmeister und prägte den berühmten Streicherklang[4] des Orchesters über mehrere Jahrzehnte bis zum Ende seiner Tätigkeit 1986, als der polnische Geiger Daniel Stabrawa zu seinem Nachfolger als Konzertmeister bestimmt wurde. Er trat in vielen Ländern als Solist, mit kammermusikalischen Ensembles wie den Philharmonischen Solisten und als Dirigent auf.

Geige „König Maximilian“

Er spielte als Nachfolger der Geigerin Martha Drews,[6] die 1904 als Solistin mit den Berliner Philharmonikern debütiert hatte, auf der Geige „König Maximilian“ (1709) von Antonio Stradivari, die ihm Ende 1966 auf Vermittlung von Herbert von Karajan von der Axel Springer Stiftung, zu deren Stiftungszwecken die Unterstützung von Künstlern und die Aussöhnung von Juden und Deutschen gehören, auf Lebenszeit zur Verfügung gestellt wurde.[7] Die Geige wurde 1966 für 326.630 Deutsche Mark (≈167.000 Euro) von Axel Springer in Boston erworben, nachdem sie viele Jahre nur ausgestellt war. Schwalbé musste sie zunächst einige Jahre bespielen, damit der Klang des Instrumentes wieder seinen hohen Wert erlangen konnte. 1973 wurde dann eine Langspielplatte mit dem Titel Antonius Stradivarius Cremonensis – Faciebat Anno 1709 – Die König-Maximilian-Stradivari gespielt von Michel Schwalbé mit der Violinsonate g-Moll von Johann Sebastian Bach (Bach-Werke-Verzeichnis 1001) und einigen Capricen von Niccolò Paganini veröffentlicht. Karajan äußerte 1974 schließlich, dass der seltene Fall eingetreten sei, bei dem „ein preziöses Instrument einen kongenialen Partner findet, der die Fähigkeiten voll auszuschöpfen weiß“. Schwalbé gab die Geige 1992 der Stiftung zurück, die sie danach für 2,5 Millionen Deutsche Mark (1,278 Millionen Euro) verkaufte.[8]

Tod

Schwalbé, der bis zu seinem Lebensende mit den Berliner Philharmonikern verbunden blieb,[2] starb in der Nacht zum 9. Oktober 2012.[9] Er wurde am 15. Oktober auf dem Jüdischen Friedhof an der Heerstraße beigesetzt.[1] Schwalbé nahm an, dass sein Name ursprünglich vom französischen ‚Chevalier‘ abstammt.

Lehrtätigkeit

Außer in Genf unterrichtete Michel Schwalbé auch in Salzburg, London und an der Hochschule der Künste Berlin. Darüber hinaus hatte er auch Gastprofessuren und Meisterklassen außerhalb Europas. Zu seinen zahlreichen Schülern zählen unter anderem:

Ehrungen

Diskographie (Auswahl)

  • Michel Schwalbé – Virtuose Violine, mit Werken versch. Komponisten; Klavier: Karl Engel, Hör zu/Electrola (1970)[15]
  • Richard Strauss: Ein Heldenleben op. 40, Berliner Philharmoniker, Michel Schwalbé, Herbert von Karajan, Deutsche Grammophon (1959)
  • Richard Strauss: Also sprach Zarathustra op. 30, Berliner Philharmoniker, Michel Schwalbé, Herbert von Karajan, Deutsche Grammophon (1974)
  • Peter Tschaikowsky: Der Schwanensee – Suite aus dem Ballett op. 20, Berliner Philharmoniker, Michel Schwalbé, Herbert von Karajan, Deutsche Grammophon (1972)
  • Antonio Vivaldi: Die vier Jahreszeiten, Michel Schwalbé, Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan, Deutsche Grammophon (1973, LP[16] – 1985, CD[17])
  • Johannes Brahms: Symphonie Nr.1 c-moll op.68, Berliner Philharmoniker, Michel Schwalbé, Karl Böhm, Deutsche Grammophon (1959)

Literatur

  • Berliner Philharmoniker: Variationen mit Orchester – 125 Jahre Berliner Philharmoniker, Band 2, Biografien und Konzerte, Verlag Henschel, 2007, ISBN 978-3-89487-568-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Nachruf Prof. Michel Schwalbé, Homepage der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, online abgerufen am 14. Oktober 2012
  2. a b Michel Schwalbé ist tot, tagesspiegel.de, online abgerufen am 11. Oktober 2012
  3. a b c d e f g h List of the known missing Strads. #1349 The 1709 King Maximilian Unico (Memento vom 17. Dezember 2012 im Webarchiv archive.today), lostfiddle.blogspot.de, 24. Mai 2011, online abgerufen am 11. Oktober 2012
  4. a b Zum Tod von Michel Schwalbé – Karajans Konzertmeister – Zur Versöhnung nach Berlin, faz.net, 11. Oktober 2012, online abgerufen am 11. Oktober 2012
  5. Tagesspiegel vom 26. Oktober 2009, Seite 3
  6. Martha Drews, Musik und Gender im Internet, online abgerufen am 14. Oktober 2012
  7. Michel Schwalbé, Hans Wallenberg (Herausgeber): Die König-Maximilian-Stradivari – Die ungewöhnliche Geschichte einer Geige, dargestellt in Briefen und Dokumenten, Edition AB, Hamburg, Verlag, Andreas Brylka, 1973
  8. Axel Springer Stiftung (Herausgeber): Eine Stiftung im Dienste von Aussöhnung, Freiheit und Einheit, Zur Geschichte der Axel Springer Stiftung, veröffentlicht aus Anlass des 100. Geburtstags des Stifters am 2. Mai 2012, Broschüre, Berlin, Mai 2012
  9. Springers Stradivari, sueddeutsche.de, 10. Oktober 2012, online abgerufen am 11. Oktober 2012
  10. Raphael Christ – Vita
  11. Das Münchner Barockensemble Freudenfeuer
  12. Neithard Resa Berliner Philharmoniker
  13. Toru Yasunaga verabschiedet sich in Berlin (1.  Februar 2009)
  14. Michel Schwalbé bei the Strad
  15. Rezension von Heinz Gelking auf platte11
  16. Vivaldi: Le Quattro Stagioni, Michel Schwalbé, Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan discogs.com (online)
  17. Vivaldi: Die Vier Jahreszeiten, Albinoni: Adagio, Corelli: Weihnachtskonzert, Michel Schwalbé, Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan discogs.com (online)