Rotation eines Vektorfeldes

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Als Rotation oder Rotor[1][2] bezeichnet man in der Vektoranalysis, einem Teilgebiet der Mathematik, einen bestimmten Differentialoperator, der einem Vektorfeld im dreidimensionalen euklidischen Raum mit Hilfe der Differentiation ein neues Vektorfeld zuordnet. In der Kontinuumsmechanik kann sich die Rotation auf ein Tensorfeld beziehen, wodurch ein neues Tensorfeld entsteht.

Die Rotation eines Strömungsfeldes gibt für jeden Ort das Doppelte der Winkelgeschwindigkeit an, mit der sich ein mitschwimmender Körper dreht („rotiert“). Dieser Zusammenhang ist namensgebend.

Das Geschwindigkeitsfeld einer rotierenden Scheibe besitzt eine konstante Rotation parallel zur Drehachse

Es muss sich aber nicht immer um ein Geschwindigkeitsfeld und eine Drehbewegung handeln; beispielsweise betrifft das Induktionsgesetz die Rotation des elektrischen Feldes.

Ein Vektorfeld, dessen Rotation in einem Gebiet überall gleich null ist, nennt man wirbelfrei oder, insbesondere bei Kraftfeldern, konservativ. Ist das Gebiet einfach zusammenhängend, so ist das Vektorfeld genau dann der Gradient einer Funktion, wenn die Rotation des Vektorfeldes im betrachteten Gebiet gleich null ist.

Die Divergenz der Rotation eines Vektorfeldes ist gleich null. Umgekehrt ist in einfach zusammenhängenden Gebieten ein Feld, dessen Divergenz gleich null ist, die Rotation eines anderen Vektorfeldes.

Beispiele:

  • Das Vektorfeld, das an jedem Ort die Windrichtung und -geschwindigkeit eines Wirbelsturms angibt, hat in der Umgebung des Auges eine von null verschiedene Rotation.
  • Das Vektorfeld das an jedem Punkt einer rotierenden Scheibe die Geschwindigkeit angibt, hat an jedem Punkt dieselbe von null verschiedene Rotation. Die Rotation beträgt das Zweifache der Winkelgeschwindigkeit,
  • Das Kraftfeld, das an jedem Punkt die Gravitationskraft der Sonne auf ein Testteilchen angibt, ist wirbelfrei. Das Kraftfeld ist der negative Gradient der potentiellen Energie des Teilchens.

Definition der Rotation in kartesischen Koordinaten

Seien die kartesischen Koordinaten des dreidimensionalen euklidischen Raumes und , und die auf Einheitslänge normierten, zueinander senkrechten Basisvektoren, die an jedem Punkt in Richtung der zunehmenden Koordinaten zeigen.

Die Rotation eines dreidimensionalen, differenzierbaren Vektorfeldes

ist das dreidimensionale Vektorfeld

Als Merkregel kann man als Determinante einer Matrix auffassen, deren erste Spalte die kartesischen Basisvektoren enthält, die zweite die partiellen Ableitungen nach den kartesischen Koordinaten und die dritte die zu differenzierenden Komponentenfunktionen

Allerdings sind hier die verschiedenen Spalten nicht Vektoren desselben Vektorraumes.

Gibt man die Vektoren als Spaltenvektoren ihrer kartesischen Komponenten an, dann ist das Kreuzprodukt des Spaltenvektors der partiellen Ableitungen nach den kartesischen Koordinaten, des Nabla-Operators , mit dem Spaltenvektor der kartesischen Komponentenfunktionen

Mit dem Nabla-Operator kann die Rotation auch auf Tensoren zweiter Stufe verallgemeinert werden, s. u.

Andere Koordinatendarstellungen der Rotation

Kugelkoordinaten

Schreibt man das Vektorfeld in Kugelkoordinaten als Linearkombination

der auf Einheitslänge normierten Vektoren

die an jedem Punkt in Richtung zunehmender -Koordinaten zeigen, so ist die Rotation

Zylinderkoordinaten

Gibt man das Vektorfeld in Zylinderkoordinaten als Linearkombination

der Vektoren

an, die auf Einheitslänge normiert an jedem Punkt in Richtung zunehmender -Koordinaten zeigen, so ist die Rotation

Koordinatenfreie Darstellung der Rotation als Volumenableitung

Mit Hilfe des klassischen Integralsatzes von Stokes kann die Rotation, ähnlich wie die Divergenz (Quellendichte), als Volumenableitung dargestellt werden. Diese Darstellung hat den Vorteil, dass sie koordinatenunabhängig ist. Aus diesem Grund wird die Rotation im Bereich der Ingenieurwissenschaften oftmals direkt so definiert.

Ist ein Raumgebiet mit stückweise glattem Rand und dem Volumen , dann kann die Rotation des Vektorfelds im Punkt mittels der Volumenableitung durch

berechnet werden. Dabei bezeichnet das äußere vektorielle Flächenelement von wobei der nach außen zeigende Normalenvektor und das skalare Flächenelement ist. Zur Grenzwertbildung wird das Raumgebiet auf den Punkt p zusammengezogen, sodass sein Inhalt gegen null geht.[3]

Ersetzt man durch eine Strömungsgeschwindigkeit, erscheint die Rotation als Wirbeldichte. Ähnlich gebildete Synonyme existieren auch für die Divergenz (Quellendichte) und den Gradienten (Kraftdichte). Die Koordinatendarstellungen des vorigen Abschnitts ergeben sich aus der Volumenableitung, wenn man das jeweilige Volumenelement als Raumgebiet wählt.

Axialvektorfeld

Die Rotation eines Vektorfeldes ist ein Pseudovektorfeld. Ein Vektorfeld geht bei Spiegelung am Ursprung in sein negatives am gespiegelten Ort über, die Rotation des Vektorfeldes ändert bei dieser Spiegelung ihr Vorzeichen nicht,

Vektorfeld in zwei Dimensionen

Ein Vektorfeld im zweidimensionalen, euklidischen Raum kann als Vektorfeld

in drei Dimensionen aufgefasst werden, das nicht von der dritten Koordinate abhängt und dessen dritte Komponente verschwindet. Seine Rotation ist kein Vektorfeld dieser Art, sondern hat eine dritte Komponente,

Definiert man in zwei Dimensionen die Rotation als den Differentialoperator

dann ist das Ergebnis eine skalare Funktion, nicht ein Vektorfeld.

Zusammenhang zur Winkelgeschwindigkeit

Wir betrachten einfachheitshalber die Drehung eines starren Körpers um die -Achse mit konstanter Winkelgeschwindigkeit Dabei wächst der Drehwinkel gleichmäßig mit der Zeit an, und jeder Punkt durchläuft eine Bahn

Die Geschwindigkeit beträgt

Das Geschwindigkeitsfeld einer starren Drehung um die -Achse ist also, wie oben im Beispiel angegeben,

Seine Rotation ist die doppelte Winkelgeschwindigkeit

Veranschaulichung durch Drehmoment

In einem Flächenkraftdichte-Feld , das jedem Körperoberflächenelement mit dem Inhalt unabhängig von seiner Ausrichtung die Kraft einprägt, erfährt eine Kugel mit dem Radius (und dem zugehörigen Volumeninhalt ) das Drehmoment

Vorausgesetzt ist, dass im Bereich der Kugel konstant ist. Die Gleichung folgt mit dem aus der koordinatenfreien Darstellung der Rotation unmittelbar folgenden Integralsatz mit und

Zerlegung in quellen- und wirbelfreien Teil

Zweifach stetig differenzierbare Vektorfelder , die mit ihren Ableitungen für große Abstände hinreichend rasch gegen null gehen, kann man eindeutig in einen wirbelfreien Teil und einen quellenfreien Teil zerlegen,

Dabei bezeichnen und den Divergenz- bzw. Gradient-Operator, wobei die Definition die in der Physik übliche Konvention ist. Mathematisch ist:

Diese Zerlegung ist Bestandteil des Helmholtz-Theorems.

Rechenregeln

Die Rotation ist linear. Für alle Konstanten und differenzierbare Vektorfelder und gilt

Die Rotation eines Vektorfeldes verschwindet genau dann, wenn es lokal ein Gradientenfeld ist. Die Divergenz eines Vektorfeldes verschwindet genau dann, wenn es lokal die Rotation eines anderen Feldes ist,

und die anderen Implikationen sind Spezialfälle des Poincaré-Lemmas.

Für differenzierbare Funktionen und Vektorfelder und gelten die Produktregeln

Für die zweifache Anwendung der Rotation gilt

Für einen Vektor , der von einem Skalar abhängt, und dieser in 3D vom Ort, gilt die Kettenregel

Integralsatz von Stokes

Fläche mit Berandung

Das Integral über eine Fläche über die Rotation eines Vektorfeldes ist nach dem Satz von Stokes gleich dem Kurvenintegral über die Randkurve über

Durch das Doppelintegral wird links betont, dass man von einer zweidimensionalen Integration ausgeht. Auf der rechten Seite soll das Kreissymbol im Integralzeichen unterstreichen, dass es sich um ein Integral über einen geschlossenen Weg handelt. Die Orientierung entspricht dabei der Drei-Finger-Regel, siehe Abbildung rechts: die folgenden drei Vektoren, nämlich erstens der Vektor in Richtung der Flächennormalen, zweitens der Vektor in Tangentialrichtung der Kurve und drittens der vom Rand in die Fläche zeigenden Vektor, entsprechen Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand, das heißt, sie bilden ein Rechtssystem. Oft schreibt man indem man mit dem Normalenvektor die Richtung der Größe hervorhebt.

Rotation von Tensoren zweiter Stufe

Tensoren zweiter Stufe werden mit dem dyadischen Produkt“ von Vektoren gebildet, auf die die Rotation angewendet werden kann. Auf diese Weise kann die Rotation auch auf Tensoren verallgemeinert werden. Sei

ein Tensor mit Spaltenvektoren mit Komponenten Tij. In der Gleichung wurde die Einsteinsche Summenkonvention angewendet, der zufolge über in einem Produkt doppelt vorkommende Indizes, hier i und j, von eins bis drei zu summieren ist. Dann kann die Rotation des Tensors definiert werden als:

Der Index nach einem Komma ist die Kurzschreibweise für die Ableitung nach dieser Koordinate:

Mit dem Nabla-Operator schreibt sich die Rotation eines Tensors:

In der Literatur kommt jedoch auch die transponierte Version mit den Zeilenvektoren vor

die sich also durch die Transposition des Argumentes von der hiesigen Definition unterscheidet.

Im Zusammenhang mit Tensoren sind Klammern ein wichtiges Hilfsmittel, um die Reihenfolge der Anwendung und die Argumente der verschiedenen Operatoren klarzustellen, was auf das Ergebnis einen entscheidenden Einfluss hat. Es ist beispielsweise

Eigenschaften

Wenn der Tensor symmetrisch ist, dann ist seine Rotation spurfrei:

denn Terme mit vertauschten Indizes i und j sind gleich groß, besitzen aber umgekehrtes Vorzeichen und heben sich daher in der Summe gegenseitig auf.

Die Produktregel führt im Produkt mit einem Skalar f, Vektoren und dem Tensor auf:

Bei der Verknüpfung der Rotation mit anderen Differentialoperatoren entstehen unter Beteiligung eines Tensors teilweise ähnliche Formeln wie sie aus der Vektoranalysis bekannt sind:

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Wie kann man sich vom Rotor (Wirbel) eines Vektorfeldes und vom Vektorpotentiale eine Anschauung verschaffen?, Walter Rogowski, Archiv für Elektrotechnik
  2. Mathematik für Naturwissenschaftker und Ingenieure: Tensorrechnung, Hans Karl Iben
  3. Bronstein, Semendjajew, Musiol, Mühlig: Taschenbuch der Mathematik, Verlag Harri Deutsch, Frankfurt, 8. Aufl. 2012, Abschn. 13.2, Räumliche Differentialoperatoren

Literatur

Weblinks