Siemens EuroSprinter

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ES64P, der Prototyp der EuroSprinter-Familie
Die für die OSE konfigurierten Lokomotiven wurden als HellasSprinter vermarktet

Siemens ES64 EuroSprinter ist die Bezeichnung einer Typenfamilie von Elektrolokomotiven, die von den Unternehmen Siemens Transportation Systems und Krauss-Maffei produziert und in zahlreichen europäischen Bahngesellschaften verwendet werden.

Bezeichnung

Die Hersteller-Bezeichnung „ES64“ ist die Abkürzung von „EuroSprinter“ zusammen mit den ersten beiden Ziffern der Nennleistung (6400 kW). Die Bezeichnung U steht für Universallok, P steht für Prototypenlok und F für Fracht bzw. Freight. Die nachfolgende Zahl 2 steht für die Zweifrequenzausführung (15 kV 16,7 Hz und 25 kV 50 Hz), die 4 für die Viersystemausführung (zusätzlich 1,5 kV und 3 kV Gleichspannung).

Entstehungsgeschichte

Im Jahr 1997 konnte Siemens eine Ausschreibung für 50 Lokomotiven (+ Option auf weitere 350) der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) für sich entscheiden. Die angebotene ES64U2 wurde als Universallok zusammen mit dem Drehgestell-Kompetenzzentrum Simmering-Graz-Pauker (SGP Graz) entwickelt. Ausgangsbasis für die Entwicklung waren die Baureihe 152 und die Baureihe 120 der Deutsche Bahn AG. Seit 2001 werden diese Entwicklungen als Baureihen 1016 (in einer reinen 15-kV-Bahnstrom-Version) und als Baureihe 1116 (in einer Zweistromsystem-Version mit 15 kV und 25 kV für den grenzüberschreitenden Verkehr nach Ungarn, Tschechien und Slowakei) eingesetzt.

Typen-Differenzierung

Gemeinsame Merkmale

Bild eines Führerstands der ES64U2

Der Antrieb der Lokomotiven erfolgt über Drehstrom-Asynchronmotoren, die als 4-polige Kurzschlussläufermotoren ausgeführt sind.

Der Lokkasten stützt sich über das kugelig ausgeführte und mit Gummi ausgeschichtete Drehzapfenlager (Gleitstuhl) und den Drehzapfen auf die Drehgestelle ab. Der Drehzapfen dient als Drehachse der Drehgestellauslenkung und überträgt sämtliche Zug- und Bremskräfte.

Die Typenfamilie hat eine elektrische Bremse und Scheibenbremsen. Die Bremsscheiben sind jedoch nicht direkt auf den Radsatz-Achsen angebracht, sie sitzen vielmehr auf eigenen Bremswellen, die über das Antriebszahnrad des Fahrmotors mit der Bewegung des Radsatzes gekoppelt sind. Auf jeder Bremswelle sitzen zwei Bremsscheiben. Diese nennt man Wellenbremsscheiben.

Der ölgekühlte Transformator ist unterflur angeordnet, während er in der herkömmlichen Bauweise im Lok-Kasten untergebracht war. Dadurch wurde im Lokkasten ein durchgehender Mittelgang zwischen den Führerständen ermöglicht. Beiderseits des Mittelgangs befinden sich die Stromrichter-Gestelle. Je ein Stromrichtersatz versorgt die Fahrmotoren eines Drehgestelles. Er besteht aus Gleichrichtern in den Vier-Quadranten-Stellern (4QS) sowie jeweils drei Motorstromrichtersätzen. Zur Glättung der Zwischenkreis-Gleichspannung sind Stützkondensatoren und Saugkreisdrosseln vorhanden, die die 33-Hz-Resonanzfrequenz bedämpfen.

Mit den 4QS wird die Sekundärspannung des Transformators zuerst in Gleichspannung umgewandelt und auf den erforderlichen Spannungspegel ausgeregelt. Die zeitlich versetzt taktenden Motorstromrichter formen den Gleichstrom in Drehstrom um und versorgen die Fahrmotoren einzeln. Dadurch können diese auch einzeln geregelt und der Reibwert Rad-Schiene optimal ausgenutzt werden.

Die Stromrichter ermöglichen zusammen mit der elektrischen Bremse auch eine Bremsstrom-Rückspeisung mit einer Bremsleistung von theoretisch 6,4 MW. Die Bremskraft ist aber aus Gründen der Entgleisungssicherheit auf 150 kN begrenzt.

Weitere hauptsächliche Baugruppen im Maschinenraum sind die Fahrmotor- und die Stromrichter-Lüftertürme. Die Fahrmotoren befinden sich direkt an den je zwei Radsätzen in den beiden Drehgestellen.

Unterschiede bestehen vor allem hinsichtlich der Geschwindigkeitsauslegung und der damit verbundenen Alternative zwischen Tatzlager-Antrieb (bis 140 km/h) und Hohlwellen-Antrieb (über 140 km/h). Ferner bestehen auch Unterschiede bei der Auslegung für mehrere Bahnstromsysteme.

ES64P

Die Lokomotive der Baureihe 127 in Ingolstadt Hbf.

Die ES64P ist eine Lokomotive für den schweren Güterzugverkehr sowie für den schnellen Reiseverkehr. Sie ist der Prototyp der EuroSprinter-Familie und war als Erprobungsträger für neue Komponenten und umweltfreundliche Materialien bei der DBAG als Baureihe 127 im Einsatz. Die Baureihe 127 ist unter technischen Aspekten betrachtet die „Urmutter“ aller modernen Drehstromloks von Siemens.

Mit einer Geschwindigkeit von 310 km/h stellte die 127 001-6 am 6. August 1993 auf der Schnellfahrstrecke Hannover–Würzburg zwischen Würzburg und Fulda einen neuen Weltrekord für Drehstromfahrzeuge auf.[1]

ES64F

Eine Lokomotive der Baureihe 152 bei Gaimersheim.

Die ES64F (DBAG-Baureihe 152) ist eine Hochleistungslokomotive für den schweren Güterzugverkehr sowie für den Personenverkehr. Sie kann mit ihrer hohen Leistung und Zugkraft auch für schwere Doppelstockzüge im Wendezugbetrieb eingesetzt werden. Sie ist mit einer Zugsammelschiene für die Versorgung von Reisezügen mit elektrischer Energie ausgestattet - eingesetzt werden die Loks sowohl von der Deutschen Bahn als auch von der Privatbahn ITL, die zwei dieser Loks besitzt, nahezu ausschließlich vor Güterzügen.

EG 3100

Die EG 3104 mit einem Güterzug aus Wechselbehälter, Container und Sattelauflieger bei der Durchfahrt durch Korsør.


Mit der Baureihe EG 3100 für die Dänischen Staatsbahnen (DSB) wurde eine sechsachsige Version der ES64F gebaut. Als Zwei-System-Fahrzeug ist sie ausgelegt für den Betrieb im dänischen 25 kV-50 Hz-Fahrleitungsnetz sowie in den schwedischen und deutschen 15 kV-16,7 Hz-Fahrleitungsnetzen und verfügt über die Zugsicherungssysteme aller drei Länder.

Durch die sechsachsige Ausführung wird die Anfahrzugkraft von 300 auf 400 kN gesteigert und die EG 3100 damit eines der leistungsstärksten Fahrzeuge auf dem europäischen Kontinent. Diese Zugkraft ist notwendig, um die bis zu 2000 Tonnen schweren Güterzüge auf der 15,6 Promille-Steigung im Großen-Belt-Tunnel befördern und auch mit einem ausgefallenem Drehgestell anfahren zu können. Hier konnten bislang lediglich 1400 Tonnen schwere Züge mit einer Lokomotive fahren.

ES64U2

ÖBB-Werbelok der Baureihe 1116 im Bahnhof Kinding.

Die ES64U2 wurde ursprünglich als Universallok für die Österreichische Bundesbahnen (ÖBB) entwickelt und dort als Baureihen 1016 (reine 15 kV-Version) und 1116 (2-System-Version mit 15 kV und 25 kV für internationalen Verkehr nach Ungarn) geführt. Bei der ÖBB trägt die Lok den geschützten Namen Taurus.

Bei der Deutschen Bahn AG läuft die Maschine unter der Bezeichnung Baureihe 182, beschafft wurden 25 Stück. Die ungarische MÁV führt ihre zehn Lokomotiven als Baureihe 1047, dazu kommen noch zahlreiche Loks bei Privatbahnen in Deutschland, Österreich und Ungarn.

ES64U4

ÖBB 1216 050-5 bei Versuchsfahrten in Ingolstadt Hbf.

Die ES64U4 ist eine Weiterentwicklung sowohl der der ES64F4 als auch der ES64U2, die als Dreisystem-Drehstrom-Universallokomotive gebaut wird, bei Bedarf aber auch als Viersystemversion geliefert werden kann. Die Testfahrten der ersten drei Prototypen (mit unterschiedlichen „Länderpaketen“) begannen Anfang 2005, die Auslieferung an die ÖBB als ÖBB 1216 (Taurus III) erfolgt ab 2006. Die ÖBB hat 50 Lokomotiven bestellt, 32 die nationale slowenische Eisenbahngesellschaft , fünf ES64U4-G (Baureihe 183) als Einsystemlokomotive nur für Deutschland die Regentalbahn, zwei die Privatbahn RTS, eine die SLB

Weltrekordfahrt

Die Weltrekordlok 1216 050 mit Messwagen auf Rekordfahrt mit 357 km/h auf Höhe des Autohofs bei Hilpoltstein

Ein Serienexemplar der Baureihe ES64U4 (später ausgeliefert als ÖBB 1216 050) stellte am 2. September 2006 auf der Neubaustrecke Nürnberg–Ingolstadt zwischen den Bahnhöfen Kinding und Allersberg mit einer Höchstgeschwindigkeit von 357 km/h einen neuen Weltrekord für Lokomotiven auf.


ES64F4

Die 189 002 und 075 in Doppeltraktion in Fürth (Bay) Hbf

Die ES64F4 ist eine Frachtversion mit Vier-Stromsystem-Ausstattung. Neben der Fähigkeit, unter allen vier in Europa gängigen Stromsystemen auf Normalspur zu fahren, besitzt die Lok eine anpassbare, LED-basierende Beleuchtung, mit der jede beliebige Beleuchtungsanordnung für die diversen europäischen Bahnnetze darstellbar ist. Lediglich auf den britischen Inseln ist wegen des dortigen engeren Lichtraumprofils sowie in Spanien/Portugal wegen der dortigen Breitspur kein Einsatz möglich. Für die verschiedenen Bahngesellschaften können die jeweils erforderlichen Zugsicherungssystem-Komponenten als „Paket“ installiert werden. In Deutschland werden diese Lokomotiven als Baureihe 189 bezeichnet.

Nachfolger

Seit dem Jahr 2007 werden die Lokkästen aller EuroSprinter- und EuroRunner-Typen vereinheitlicht. Diese mehr oder weniger neue Lokfamilie wurde als EuroSprinter 2007 bezeichnet, bis diese durch eine neue, dem EuroSprinter 2007 sehr ähnliche Platform für Elektrolokomotiven mit dem Namen Siemens Vectron ersetzt wurde.[2]

Vergleichsliste

Merkmal ES64P ES64U2 ES64U4 ES64F ES64F4 EG 3100
Erste Indienststellung 1992 2000 2005 1996 2003 1999
Achsfolge Bo’Bo’ Bo’Bo’ Bo’Bo’ Bo’Bo’ Bo’Bo’ Co’Co’
Stromsysteme (kV/Hz) 15 / 16,7 15 / 16,7
25 / 50
15 / 16,7
25 / 50
3 =
1,5 =
15 / 16,7 15 / 16,7
25 / 50
3 =
1,5 =
15 / 16,7
25 / 50
Dauerleistung (kW) 6400 6400 6400 6400 6400 (25/15 kV)
6000 (3 kV)
4200 (1,5 kV)
6500
Anfahrzugkraft (kN) 300 300 300 300 300 400
Höchstgeschw. (km/h) 230 230 230 140 140 140
Masse (t) 86 86 86 86 86 129
DBAG-Baureihe (127) (ehm. 1 St.) 182 (25 St.) 152 (170 St.) 189 (90 St.)
ÖBB-Baureihe 1016/1116 (332 St.) 1216 (50 St.) 1890 (? St.)
SBB-Baureihe Re 474 (12 St.)
MÁV-Baureihe 1047 (10 St.)
GySEV-Baureihe 1047 (5 St.)
SŽ-Baureihe 541 (32 St.)
MRCE Dispolok (1 St.) (60 St.) - (ca. 105 St.)
Anzahl insgesamt 1 ca. 432 ca. 93 172 ca. 210 13

Literatur

  • Karl Gerhard Baur: Taurus – Lokomotiven für Europa. Eisenbahn-Kurier-Verlag, Freiburg 2003, ISBN 3-88255-182-8.
  • Thomas Feldmann: Der beliebte Stier. Der Taurus (Baureihe 182). In: Lok-Magazin. 251/Jahrgang 41. GeraNova Zeitschriftenverlag, 2002, ISSN 0458-1822, S. 36–49.
  • Markus Inderst: Investitionen ins Blaue? Tauri-Beschaffung bei den ÖBB. In: Lok-Magazin. 260/Jahrgang 42. GeraNova Zeitschriftenverlag, 2003, ISSN 0458-1822, S. 28.
  • Thomas Feldmann: Baureihe 182. Im Führerstand. In: Lok-Magazin. 261/Jahrgang 42. GeraNova Zeitschriftenverlag, 2003, ISSN 0458-1822, S. 46–47.
  • Bo Oldrup Pedersen, Ole Aaboe Jörgensen, Günther Pröll: Co’Co’-Zweifrequenzlokomotive EG 3100 für Danske Statsbaner. In: Elektrische Bahnen. Nr. 12. Oldenbourg Industrieverlag, 2000, ISSN 0013-5437.
  • Markus Inderst: Europalok auf Rampenstrecken. Neue DB-Baureihe 189. In: Lok-Magazin. 255/Jahrgang 41. GeraNova Zeitschriftenverlag, 2002, ISSN 0458-1822, S. 28.
  • Konrad Koschinski: Taurus & Hercules – DB-182, ÖBB-1016/1116, MAV-1047.0, GySEV-1047.5, Siemens-Dispolok, ÖBB-2016 – Eisenbahn-Journal Sonderausgabe 1. Merker, 2003, ISSN 0720-051X.
  • Karl Gerhard Baur: EuroSprinter – Die erfolgreiche Lokomotivfamilie von Siemens. EK-Verlag, Freiburg 2007, ISBN 3-88255-226-3.

Siehe auch

Weblinks

Commons: ES 64 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Weltrekord für Drehstromlok. In: Die Deutsche Bahn. Nr. 9/10. Darmstadt 1993, S. 723. ISSN 0007-5876
  2. Siemens Vectron – Die neue Lokomotivengeneration für den europäischen Schienenverkehr (pdf)