Werner Sylten
Werner Sylten (* 9. August 1893 in Hergiswil am See, Kanton Nidwalden, Schweiz; † 26. August 1942 in der NS-Tötungsanstalt Hartheim in Oberösterreich) war ein evangelischer Theologe jüdischer Abstammung, Erzieher und Gegner des Nationalsozialismus. Er wurde von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet.
Leben
Werner Sylten wurde als ältestes von fünf Kindern in Hergiswil im Kanton Nidwalden in der Schweiz geboren. Bedingt durch den Beruf des Vaters zog die Familie oft um und Sylten besuchte Schulen in Berlin, in Friedeburg bei Breslau und in Lohr am Main. Er studierte Theologie in Marburg und war Mitglied der Studentenverbindung SBV Frankonia Marburg im Schwarzburgbund. Während des Studiums wurde er Soldat im Ersten Weltkrieg.
Er beendete nach dem Krieg sein Studium, ergänzt um Nationalökonomie und Sozialpädagogik, in Berlin. Nach Stellen als Jugendvikar in Göttingen und als Pastor in Hildesheim leistete Sylten ab 1925 in Thüringen kirchliche Sozialarbeit für gefährdete Jugendliche. Er arbeitete als Pfarrer in einem Erziehungsheim für Mädchen in Bad Köstritz bei Gera und reformierte das Heim so, dass es die Mädchen mit einem Berufsabschluss als Haushaltshilfe verlassen konnten, bis er 1936 wegen seiner jüdischen Abstammung aus dem Pfarrdienst entlassen wurde.
Syltens Frau Hildegard hielt dem Druck, der auf die Familie des „Halbjuden“ Sylten ausgeübt wurde, nicht stand und beging bereits im Jahre 1935 Suizid.
Sylten trat dem Pfarrernotbund bei und erhielt mit Hilfe von Martin Niemöller eine Anstellung bei Pfarrer Heinrich Grüber im Büro Grüber in Berlin, wo er für die Seelsorge zuständig war. Im „Büro Grüber“ half er mit, das Leben von mehr als tausend „nichtarischen“ Christen durch Ermöglichung der Auswanderung zu retten.
Mit seiner neuen Lebensgefährtin Brunhilde Lehder und seinen Kindern wohnte Sylten in Wendenschloß in Köpenick. Nach der Verhaftung Grübers durch die Gestapo 1940 leitete Sylten das Büro weiter, bis es zwei Monate später endgültig geschlossen wurde.
Sylten wurde am 27. Februar 1941 verhaftet,[1] ins Polizeigefängnis Alexanderplatz verbracht und schließlich in das KZ Dachau verschleppt. Er musste dort in der Landwirtschaft harte körperliche Arbeit leisten, doch er war auch im KZ weiter als Seelsorger und Vermittler tätig. Trotz Krankheit durch die Unmenschlichkeiten und Folter der KZ-Haft meldete sich Sylten nicht krank, da die Krankentransporte aus dem KZ heraus in den sicheren Tod führten.
Nachdem Grüber ihn einmal durch Bestechung vor der Transportliste gerettet hatte, wurde er dennoch kurze Zeit später durch die Offensichtlichkeit eines eitrigen Ausschlages als krank aus dem Lager abtransportiert. Werner Sylten kam wahrscheinlich am 26. August 1942 im Rahmen der sogenannten „Aktion 14f13“ in die NS-Tötungsanstalt Hartheim im Schloss Hartheim bei Alkoven in der Nähe von Linz in Oberösterreich, wo er vergast wurde.
Ehrungen
- Die Evangelische Kirche in Deutschland ehrt Werner Sylten mit einem Gedenktag im Evangelischen Namenkalender am 26. August.
- In Bad Köstritz ist die Werner-Sylten-Straße nach ihm benannt.
- 1963 wurde in Berlin-Zehlendorf der Werner-Sylten-Weg nach ihm benannt.[2]
- 1979 verlieh die Gedenkstätte Yad Vashem ihm den Ehrentitel Gerechter unter den Völkern.[3]
- 1993 benannte die St.-Laurentius-Kirchengemeinde in Alt-Köpenick ihre Predigtstätte Kirchsaal (Köpenick Südost) in Werner-Sylten-Saal und bald darauf die Friedhofskapelle in Werner Sylten-Kapelle.
- Vor seinem damaligen Wohnhaus Ostendorfstraße 19 in der Villenkolonie Wendenschloß wurde Ende 2006 ein Stolperstein verlegt.[4] Seit dem 8. September 2014 erinnert auch am ehemaligen Mädchenheim in Bad Köstritz ein Stolperstein an ihn.[5]
Literatur
- Bruno Köhler: Gotha, Berlin, Dachau. Werner Sylten. Stationen seines Widerstandes im Dritten Reich. Radius, Stuttgart 1980, ISBN 3-87173-563-9.
- Hartmut Ludwig, Eberhard Röhm. Evangelisch getauft - als «Juden» verfolgt. Calver Verlag Stuttgart 2014, ISBN 978-3-7668-4299-2, S. 340-341.
Weblinks
- Werner Sylten in der Online-Ausstellung Widerstand!? Evangelische Christen und Christinnen im Nationalsozialismus.
- Kurzbiografie der Gedenkstätte Deutscher Widerstand
- Werner Sylten im Ökumenischen Heiligenlexikon
- Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim – Internetauftritt der heutigen Gedenkstätte im Schloss Hartheim
Einzelnachweise
- ↑ Jochen-Christoph Kaiser: Protestantismus, Diakonie und 'Judenfrage' 1933-1941. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 37(1989), H. 4, S. 709 (PDF).
- ↑ Werner-Sylten-Weg. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
- ↑ Daniel Fraenkel (Hrsg.): Deutsche und Österreicher, S. 270 (Google Books)
- ↑ Darstellung der feierlichen Verlegung des Stolpersteins; auf ev-schule-koepenick.de, abgerufen am 5. Dezember 2012 ( vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive)
- ↑ Christine Schimmel: Stolperstein für Pfarrer Werner Sylten in Bad Köstritz. Ostthüringer Zeitung, 9. September 2014, abgerufen am 9. September 2014.
Personendaten | |
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NAME | Sylten, Werner |
KURZBESCHREIBUNG | evangelischer Theologe jüdischer Abstammung, Erzieher und Gegner des Nationalsozialismus |
GEBURTSDATUM | 9. August 1893 |
GEBURTSORT | Hergiswil am See, Kanton Nidwalden, Schweiz |
STERBEDATUM | 26. August 1942 |
STERBEORT | NS-Tötungsanstalt Hartheim, Oberösterreich |
- Evangelischer Geistlicher (20. Jahrhundert)
- Person der Bekennenden Kirche
- Korporierter im Schwarzburgbund
- Gerechter unter den Völkern (Deutschland)
- Märtyrer
- Person des evangelischen Namenkalenders
- Person der sozialen Arbeit
- Häftling im KZ Dachau
- Geboren 1893
- Gestorben 1942
- Mann
- Opfer der NS-Euthanasie
- Todesopfer der Tötungsanstalt Hartheim