Winterbaden

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 1. September 2016 um 10:43 Uhr durch Pittimann (Diskussion | Beiträge) (→‎Gesundheitlicher Nutzen: BKL). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Eisbaden im Saarland
Eisbaden in Finnland

Eisbaden oder Winterbaden ist das Baden in freien Gewässern bei Wassertemperaturen von bis nahe 0 °C. Die Bezeichnung Winterbaden ist präziser als Eisbaden, da dieser Sport sinnvollerweise im Herbst begonnen und das ganze Winterhalbjahr bis zum Frühjahr fortgesetzt wird, also nur teilweise mit Eis in Verbindung zu bringen ist. Die Bezeichnung Eisbaden ist aber geläufiger. Das Eisbaden im engeren Sinne schließt ein, dass die Beteiligten ein ausreichend großes Loch ins Eis des Gewässers hacken, um dann beispielsweise über Leitern oder einen Steg in das Wasser zu steigen.

Eisschwimmen oder Winterschwimmen unterscheidet sich vom Baden vor allem dadurch, dass hier die Aktivität Schwimmen dazukommt. Winterschwimmer nutzen oft Kanäle oder Flüsse, die im Winter nicht so schnell zufrieren. Beim Winterschwimmen tragen sie häufig Neopren-Anzüge, um nicht zu stark auszukühlen. Es gibt populäre Winterschwimmer-Veranstaltungen, wie das Donau-Schwimmen in Neuburg, an denen Tausende Sportler teilnehmen.

Geschichte

Winterbaden oder -schwimmen wird seit Jahrhunderten als Volkssport in vielen Ländern mit natürlich zufrierenden Gewässern betrieben. Bereits von Johann Wolfgang von Goethe ist bekannt, dass er das Eis der Ilm aufgehackt hat, um im kalten Wasser zu baden.

In der DDR wurden ab etwa 1970 Vereine und Organisationen zugelassen, die entsprechende Veranstaltungen organisierten wie den Seehundpokal-Wettbewerb von der Jugendzeitschrift Die Trommel. Ebenso wurde und wird in der Bundesrepublik (alt und neu) diese Wintersportart gepflegt, teils individuell, teils in Vereinen. Im Jahr 2003 wurde von rund 1000 deutschen Eisbadern aus Vereinen berichtet.[1] Die Sportgemeinschaften, die es in der ganzen Welt für die Winterbader oder -schwimmer gibt, nennen sich Seehunde, Pinguine, Eiszapfen, Bernauer Eisheilige,[2] Merchweiler Seelöwen oder ähnlich und treten meist medienwirksam auf.

Gesundheitlicher Nutzen

In der Praxis werden die Begriffe Winterbaden, Eisbaden und Winterschwimmen (gelegentlich auch Eisschwimmen) oft synonym gebraucht. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass durch den Kältereiz eine Stärkung des Immunsystems herbeigeführt wird.

So wie andere Sportler, z. B. Sprinter oder Gewichtheber, ihren Organismus trainiert haben, in wenigen Sekunden sehr viel Energie in Bewegung umzusetzen, so ist der Organismus des Winterbaders darauf trainiert, bei aktuellem Kältereiz seine Energiereserven reflexartig in Körperwärme umzusetzen, so dass eine Unterkühlung gar nicht erst eintritt. Der Winterbader bleibt nur wenige Minuten im kalten Wasser, so dass er danach die sich im Körper ausbreitende Wärme gut nutzt. Auf Grund von Blutuntersuchungen unmittelbar vor und nach einem 150 m Winterschwimmen (6 Grad Celsius) zeigte es sich, dass die Leukozyten im Blut durch die Kälte signifikant zunehmen, so dass ein besserer Schutz vor Entzündungen gegeben ist.[3]

Eisbaden, zu therapeutischen Zwecken als Kryotherapie bezeichnet, soll bei Leistungssportlern auch vorbeugend gegen Muskelkater helfen[4] und auch der Testosteronspiegel war signifikant erhöht und die Creatin-Kinase-Werte waren signifikant niedriger, so dass die Leistungsfähigkeit insgesamt gesteigert ist.[5] Es gibt Hinweise, dass es Ängste und Panikattacken abbauen hilft[6] und schließlich auch für einen besseren Schlaf sorgen kann.[7] Allerdings scheint es zwei verschiedene Arten der Reaktionen im Körper zu geben, da es Personen gibt, die sehr schnell an Körpertemperatur verlieren (isolierende hypothermische Reaktion), und andere, die sie sehr langsam verlieren (metabolisch-isolierende Reaktion).[8]

Untrainierten kann nicht empfohlen werden, mitten im Winter ins kalte Wasser zu steigen. Als Vorbereitung sollte vom Sommer an wöchentlich (möglichst mehrmals) im Freien gebadet werden. Auch regelmäßiges Wechselduschen ist zum Training sehr gut geeignet.

Im Allgemeinen wird davon abgeraten, den Kopf (und damit die Haare) unterzutauchen. Da die Hände und Füße besonders schnell auskühlen, sollten die Hände beim Baden in die Luft gehalten und dünne schützende Schuhe an den Füßen getragen werden. Wenn Badesachen benutzt wurden, ist eine Auskühlung nach dem Baden unbedingt zu vermeiden.

Winterschwimmen als Massensport

Veranstaltungen in Deutschland (Auswahl)

  • Spreeschwimmen, das an der Schiffs-Anlegestelle Zenner in Berlin im Februar 2000 erstmals stattfand; bei 3 Grad Wassertemperatur mussten 300 m zur Insel der Jugend und zurück geschwommen werden.
  • Seit 1985 findet im Berliner Orankesee regelmäßig im Januar der eisige Spaß statt. Mutige aus vielen deutschen Eisschwimm-Klubs sowie Gesundheitsbewusste aus anderen Ländern nehmen teil, z. B. kamen im Januar 2003 120 Teilnehmer und 500 Schaulustige! Die Veranstaltung erhält den Charakter eines Eisfaschings und ein Motto, z. B. 2003 Neptun und sein Gefolge.[1] oder 2016 beim 31. WiB "Das Leben ist bunt". [9]
  • 2006 richtete der Sponsor Jägermeister einen WildBadeTag in einem Berliner Freibad aus: auf einer 25 m-Bahn war eine Freistil-Staffel zu absolvieren. Außer diesen Schwimm-Wettbewerben gab es für die rund 1000 Zuschauer auch allerlei lustigen Unfug zu sehen.[10][11]
  • Am Helenesee fand im Januar 2006 die erste Eisbadeveranstaltung der Region statt.[12]
  • In der Elbe fand am 7. Januar 2007, organisiert durch Eisbader aus Radebeul, ein Neujahrsschwimmen statt.[13]
  • Im Wöhrsee fand vom 9. bis 11. Januar 2015 die erste Ice Swimming German Open statt, bei der über 100 Starterinnen und Starter aus 10 Ländern angereist sind. Organisiert wird dieses Extremschwimm-Event von Oliver Halder und Christof Wandratsch. Wandratsch hält derzeit den Weltrekord und ist amtierender Weltmeister über 1000 m Eiswasser.[14]

Veranstaltungen in Österreich

  • In Pertisau am Achensee findet seit 2001 am Silvesternachmittag ein für alle tauglicher Bewerb mit paarweisem Start und 40 bis 50 Teilnehmern statt: Eine Kübel-Dusche kaltes Wasser zum Akklimatisieren, 3-m-Sprung vom Steg ins Wasser, 25 m Schwimmstrecke zum aufgeblasenen Eisberg, 8 m raufklettern, eine Glocke läuten, runter (eventuell springen) und zurückschwimmen. Seit einigen Jahren wird nicht der schnellste, sondern das Erreichen der Durchschnittszeit aller Teilnehmer gewertet. Zusätzlich Gaudiwertung für Verkleidung.
  • Ebenfalls am Silvesternachmittag wurde etwa 4 Jahre lang bis 2007 von Oberlandshaag donauüberquerend nach Aschach geschwommen. Gestartet wurde am linken Ufer mit einem flachen, steinigen Einstieg etwa 300 m oberhalb des Ziels am Marktplatz des rechtsufrigen Aschach. Der Fluss ist hier 250 m breit, doch wirkt sich die unmittelbar oberhalb liegende 45°-Rechts-Biegung des Flusses erschwerend aus, indem oberflächlich eine Strömungskomponente in Richtung linkes Ufer und damit gegen die Schwimmrichtung auftritt. Neoprenhülle von Kopf bis Zehe ist für diese Distanz nötig, Manche wählten alternativ mehrere Lagen Latexhandschuhe, Schwimmbrille oder Tauchmaske wärmen ebenfalls. Einzelne beugten dem Eindringen von kaltem Wasser vor, indem sie vor dem Start warmes Wasser in den Anzug schütteten. Sportlich halbwegs anspruchsvoll, mit Massenstart auf schnellste Zeit.
  • In Graz findet alljährlich ein Dreikönigsschwimmen der Wasserrettung in der Mur von der Murinsel flussab zum Augarten statt, in Neopren, mit den Füßen voran und am Rücken liegend, um zu vermeiden, mit dem Steißbein an einen Stein anzustoßen.

Veranstaltung in der Schweiz

  • Sonntag, 20. Dezember 2015 fand in Genf das 77. Weihnachtsschwimmen Coupe de Noël im Genfersee (8°C) mit 1500 – viele kostümiert – Teilnehmern statt. Es wird seit 1934 fast alljährlich durchgeführt – am letzten Wochenende vor Weihnachten. Teams von bis zu 20 Personen schwimmen die 120 (125) m Distanz, danach steht ein warmer Whirlpool zur Verfügung. Der schnellste war 2015 der ehemalige Genfer Schwimmsportler Yanouck Tyriseva.[15]

Veranstaltungen in anderen Ländern (Auswahl)

Polar Bear Plunge - Eisbaden in den USA
Eisbaden zum Epiphanie-Fest (Erscheinung des Herrn) der Russisch-Orthodoxen Kirche in Nowosibirsk (Sibirien)
  • Aus Großbritannien wurde berichtet, dass es in der Nähe von London seit ca. 1940 einen Damenclub der Ganzjahres-Schwimmerinnen gibt, deren älteste Aktive im Jahr 2004 82 Jahre alt war.[16]
  • In Tschechien wird seit den 1950er-Jahren jährlich am 2. Weihnachtsfeiertag das Moldauschwimmen organisiert, dabei müssen mindestens 100 m geschwommen werden. Das Event wird als Memorial-Schwimmen zu Ehren des tschechischen Sportlers Alfred Nikodém durchgeführt.[17]
  • In Russland ist das Eisbaden auf Grund der meist geeigneten Wetterbedingungen weit verbreitet. Russisch-orthodoxe Christen betreiben es in Anlehnung an die Taufe Christi als Reinwaschungsritual zu Epiphanias am 19. Jänner. Dazu werden kreuzförmige Löcher im Eis von Flüssen angeboten, samt einer Treppe und Plattform unter Wasser.[18]
  • Ein deutscher Student berichtete aus Peking, dass es in China ein traditionelles Eisschwimmen jährlich am 1. Januar gibt.[19]
  • In Kanada und den USA gibt es ebenfalls eine Vielzahl von Winterschwimmveranstaltungen für jedermann.

Eisschwimmen als Sport und als Extremsport

Weltmeisterschaften

Seit dem Winter 1999/2000 gibt es auch in dieser Sportart Weltmeisterschaften (Winter Swimming World Championships), die Ersten fanden im finnischen Jyväskylä statt. Bei Lufttemperaturen von minus 10 °C wurde aus einem zugefrorenen See ein Schwimmbecken von 25 m Länge und 12 m Breite aus dem 40 cm dicken Eis herausgesägt. Im folgenden Winter wurde an gleicher Stelle bereits mit 700 Teilnehmern, von denen die Meisten aus Finnland und Russland kamen, die zweite Weltmeisterschaft durchgeführt. Im Jahr 2003 nahmen schon 13 Länder an diesen internationalen Wettkämpfen teil.[20]

Für die offiziellen Wettkämpfe müssen die Teilnehmer Badesachen (Hose oder Anzug aus nicht durchsichtigem Material) und können Mützen und Schwimmbrillen tragen. Ein wärmehaltendes Hautpflegemittel ist nicht erlaubt.

Weitere Weltmeisterschaften fanden 2006 (in Oulu), 2008 (in London) und 2010 (im slowenischen Bled)[21] statt.[22] Die Teilnehmer des Jahres 2006 kamen aus Australien, Belgien, Deutschland,[23] Estland, Finnland, Großbritannien, Kasachstan, Lettland, Libanon, Niederlande, Norwegen, Russland und Schweden. Außer den 25m-Einzelstrecken wurde nun auch eine Team-Performance für Jedermann eingeführt (pro Team wurden zwischen 3 und 20 Schwimmer zugelassen, keiner durfte länger als 5 Minuten im Wasser sein). Kinderwettbewerbe und etliche Fun-Schwimmen wie auch eine Fackelschwimmstaffel wurden ausgeschrieben. Dem Sieger des Einzelschwimmens winkte ein Preisgeld von 1000 Euro; alle Teilnehmer bekamen eine Medaille.[24]

Die achte Weltmeisterschaft wurde vom 20. bis 22. Januar 2012 in Jurmala, Lettland, ausgetragen. Die Disziplinen und Regeln entsprachen denen der vorangegangenen Veranstaltungen.[25]

Die neunte Weltmeisterschaft fand 2014 in der finnischen Stadt Rovaniemi statt, die am Polarkreis gelegene Hauptstadt Lapplands.

Die zehnte Weltmeisterschaft wird 2016 in Tjumen ausgetragen werden.

Austragungsmodus der Eisschwimm-Weltmeisterschaften

Für die Wettkämpfe werden keine offiziellen Disziplinen unterschieden; die zurückzulegenden Strecken werden in den Austragungsorten festgelegt und sind unterschiedlich lang; es zählt die erreichte Zeit. Vergleiche in den Schwimmstilen Freistil und Brust sind jedenfalls schon durchgeführt worden. Bewährt hat sich inzwischen eine Streckenlänge von 25 m. Gestartet wird stehend von einer Leiter, wobei die Schultern bereits im Wasser sein müssen. Die Teilnehmer werden nach Altersgruppen und Geschlecht eingeteilt. Im Jahr 2010 wurden Vergleiche in den Disziplinen Brustschwimmen 50 m, Freistil 25 m und Freistil 50 m durchgeführt.[22]

Extrem-Eisschwimmen

Das Schwimmen in eiskaltem Wasser wird auch als Extremsport betrieben. Dabei werden bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt Strecken von mehr als einem Kilometer schwimmend zurückgelegt. Bekannte Eisschwimmer sind Lynne Cox und Lewis Pugh. Es wird auch ein Eisschwimm-Rekord notiert, den der Kanadier Pugh mit einer Strecke von 1,2 km in 23 Minuten in einem norwegischen See aufgestellt hat. Der See wird von dem Gletscher Nigards Glaciers gespeist.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Commons: Ice swimming – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b "Lichtenberger Rathausnachrichten" vom 18. Januar 2003
  2. Heidekraut Journal vom Dezember 2006; S. 8
  3. Lombardi, G., Ricci, C et al. (2011). Effect of winter swimming on haematological parameters. Biochemica Medica 21(1), 71-78
  4. Stimmt's, dass ein Eisbad gegen Muskelkater hilft? RBB Radio Eins vom 30. Januar 2006; abgerufen am 2. März 2012
  5. Arnd Krüger: Ganzkörperkältetherapie. Leistungssport (Zeitschrift) 44(2014), 5, 25-26
  6. Ice Bath Treatment for Anxiety http://www.articlesnatch.com
  7. Ice Bath Benefits www.icebath.org 2011
  8. Brazaitis M et al. (2014). Two strategies for response to 14 Grad C cold-water immersion: is there a difference in the response of motor, cognitive, immune and stress markers? PLoS One 9(10) e109020
  9. 31. Winterbaden im Orankesee
  10. Volle Kanne – Bericht im ZDF vom 23. Dezember 2006
  11. Boulevardmagazin Blitz auf SAT1: Jägermeister Wildbadetag; 2007
  12. Abtauchen im letzten freien Wasserloch. Bericht in der MOZ vom 30. Januar 2006; abgerufen am 23. November 2010
  13. Private Homepage der Radebeuler Eisbader; abgerufen am 23. November 2010 (Memento vom 21. Dezember 2010 im Internet Archive)
  14. Offizielle Homepage der Ice-Swimming German Open
  15. http://www.aargauerzeitung.ch/sport/weitere/1500-menschen-springen-am-weihnachtsschwimmen-in-den-genfersee-129831594 1500 Menschen springen am Weihnachtsschwimmen in den Genfersee, aargauerzeitung.ch 20. Dezember 2015, abgerufen 21. Dezember 2015.
  16. eine Website von Weltbilder; gefunden im Jahr 2007
  17. Foto vom Moldauschwimmen des Jahres 2009
  18. http://religion.orf.at/stories/2690146/ Russen reinigen sich bei rituellem Eisbad von Sünden, religion.ORF.at, 19. Januar 2015
  19. Bericht eines deutschen Medizinstudenten vom Februar 2007 auf www.stethosglobe.de/chancen/studium (im Nov. 2010 nicht mehr verfügbar)
  20. Berliner Zeitung vom Februar 2001
  21. Fernsehausschnitt (Video 2:32 Minuten) über die Vorbereitung auf die Eisschwimm-WM 2010
  22. a b Bericht über deutsche Teilnehmer an den WM 2010 auf Wochenspiegelonline; abgerufen am 26. November 2010
  23. Kurzinfo zur WM in Bled
  24. Website über die Eisschwimm-WM 2006 in Oulu; abgerufen am 23. November 2010
  25. Winter Swimming World Championships 2012 in Jurmala, Lettland