„Geschichte der Republik Türkei“ – Versionsunterschied

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Die '''Geschichte der Türkei''' beginnt mit dem Befreiungskrieg. Nachdem alle ausländischen Kräfte aus Anatolien vertrieben wurden, rief Mustafa Kemal am 29. Oktober 1923 die [[Republik]] aus und verlegte die Hauptstadt nach Ankara. Zuvor wurde schon am 2. November 1922 die Regierung von [[Sultan]] [[Mehmed VI.]] (*1861; †1926; regierte 1918-1922) abgesetzt. Sein Nachfolger [[Abdülmecid II.]] trug nur noch den Titel eines [[Kalif]]en. Am 3. März 1924 wurde schließlich auch Kalif Abdülmecid II. (*1868; †1944; regierte 1922-1924) abgesetzt.
Die '''Geschichte der Türkei''' beginnt mit dem Befreiungskrieg. Nachdem alle ausländischen Kräfte aus Anatolien vertrieben wurden, rief [[Mustafa Kemal Pascha]] am 29. Oktober 1923 die [[Republik]] aus und verlegte die Hauptstadt von Istanbul nach Ankara. Zuvor wurde schon am 2. November 1922 die Regierung von [[Sultan]] [[Mehmed VI.]] (*1861; †1926; regierte 1918-1922) abgesetzt. Sein Nachfolger [[Abdülmecid II.]] trug nur noch den Titel eines [[Kalif]]en. Am 3. März 1924 wurde schließlich auch Kalif Abdülmecid II. (*1868; †1944; regierte 1922-1924) abgesetzt.


== Reformen unter Atatürk ==
== Reformen unter Atatürk ==

Version vom 26. November 2008, 09:53 Uhr

Die Geschichte der Türkei beginnt mit dem Befreiungskrieg. Nachdem alle ausländischen Kräfte aus Anatolien vertrieben wurden, rief Mustafa Kemal Pascha am 29. Oktober 1923 die Republik aus und verlegte die Hauptstadt von Istanbul nach Ankara. Zuvor wurde schon am 2. November 1922 die Regierung von Sultan Mehmed VI. (*1861; †1926; regierte 1918-1922) abgesetzt. Sein Nachfolger Abdülmecid II. trug nur noch den Titel eines Kalifen. Am 3. März 1924 wurde schließlich auch Kalif Abdülmecid II. (*1868; †1944; regierte 1922-1924) abgesetzt.

Reformen unter Atatürk

Datei:Ataturk.jpg
Mustafa Kemal Atatürk

Im Laufe seiner Amtszeit führte Atatürk tiefgreifende Reformen im politischen und gesellschaftlichen System durch, die die Türkei in einen modernen, säkularen, weltlichen und am Westen orientierten Staat verwandeln sollten. Im Jahre 1922 wurde das Sultanat abgeschafft und am 29. Oktober 1923 das Kalifat. 1924 schaffte die Türkei die religiösen Gerichte ab und 1925 wurde im Zuge einer umfassenden „Kleiderreform“ der Fez (traditionelle türkische Kopfbedeckung der Männer) und der Schleier für die Frau verboten und die Koedukation eingeführt. Im selben Jahr wurde die islamische Zeitrechnung durch den Gregorianischen Kalender ersetzt sowie das metrische System eingeführt.

In den folgenden Jahren wurden ganze Rechtssysteme aus europäischen Ländern übernommen und den türkischen Verhältnissen angepasst. 1926 wurde zunächst das Schweizer Zivilrecht und damit die Einehe, das Scheidungsrecht und die Gleichstellung von Mann und Frau übernommen. Es folgten das deutsche Handelsrecht und das italienische Strafrecht. Die Gleichstellung der Geschlechter gelang allerdings nur teilweise. 1928 wurde die Säkularisierung ausgerufen und im gleichen Jahr die Arabische Schrift durch die Lateinische ersetzt. Im Jahre 1930 wurde das aktive Frauenwahlrecht eingeführt, und 1934 das passive Wahlrecht.

Grundlage Atatürks Handelns war die Ideologie des Kemalismus, welcher auf sechs Prinzipien basiert: türkischer Nationalismus, Laizismus, Republikanismus, Etatismus, Revolutionismus und Populismus.

Die Reformen wurden von traditionalistischen Kräften nicht ohne Widerstand hingenommen. So kam es 13. Februar 1925 zu einem Aufstand der kurdischen Minderheit unter Scheich-Said. Sie bildete eine Mischung aus kurdischem Nationalismus und einem Widerstand der Geistlichen gegen die Säkularisierung der Türkei. Der Aufstand wurde wie andere Aufstände durch das Militär gewaltsam niedergeschlagen.

Atatürks Reformen haben einen tiefgreifenden sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Wandel erreicht, die das Land bis heute prägen. Gleichwohl hatte er Elemente des Osmanischen Reiches nicht angetastet: so die autoritäre Staatsführung oder die Vorherrschaft des Militärs und der Beamtenschaft.

Nach dem Tode Atatürks im Jahre 1938 wurde sein Weggefährte Ismet Inönü Staatspräsident. Inönü war bestrebt, die Modernisierung der Türkei fortzuführen und die außenpolitische Neutralität beizubehalten. Er war ein geschickter Diplomat und erreichte letzte territoriale Veränderungen: Hatay (Sandschak Alexandrette), seit 1920 französisches Mandatsgebiet, wurde 1938 unabhängige Republik und 1939 türkische Provinz (Hauptstadt: İskenderun).

Exil für Juden und politisch Verfolgte

Hauptartikel: Exil in der Türkei 1933–1945, Türkische Juden

Im Vorfeld und auch noch während des Zweiten Weltkrieges nahm die Türkei Tausende Flüchtlinge aus Mitteleuropa auf, die auf Grund ihrer jüdischen Religion oder politischen Orientierung durch die Autoritäten des Dritten Reiches oder seiner Verbündeten verfolgt wurden. Ca. 1000 Exilanten aus dem deutschsprachigen Raum, vorwiegend Akademiker jüdischer Herkunft, erhielten in der Türkei ab 1933 Asyl und trugen signifikant zum Ausbau des Bildungssystems bei. Während des Krieges wurden aber auch viele Flüchtlinge an den türkischen Grenzen abgewiesen und jüdische Einwanderung gezielt per Gesetz beschränkt.

Während des Zweiten Weltkrieges setzten sich türkische Botschafter in Staaten, welche die jüdische Bevölkerung verfolgten, z.T. erfolgreich für ihre Rettung ein. Dem Botschafter in Frankreich (damals von der Wehrmacht okkupiert), Behiç Erkin, gelang es z.T. gegen die Haltung seiner Regierung, etwa 18.000 jüdische Personen mit türkischem Pass vor dem Tod in Konzentrationslagern zu retten. Selahattin Ülkümen, türkischer Konsul auf Rhodos, trägt als einziger Türke den Titel Gerechter unter den Völkern. Er setzte seiner Familie Leben und sein eigenes ein um Teile der jüdischen Bevölkerung der Insel vor dem Tod zu retten, indem er ihnen türkische Dokumente ausstellte.

Westbindung (1940er und 1950er Jahre)

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bewahrte die Türkei zunächst ihre außenpolitische Neutralität. Am 1. August 1944 brach die Türkei die diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reich ab und erklärte am 23. Februar 1945 Deutschland und Japan symbolisch den Krieg, um anschließend die UN-Charta mit zu unterschreiben.

Nach dem Kriegsende gab die Türkei ihre außenpolitische Neutralität auf und wurde im Jahre 1952 gemeinsam mit Griechenland Mitglied in der NATO. Diese Entscheidung wurde durch die Teilnahme der Türkei auf amerikanischer Seite am Korea-Krieg von 1950 begünstigt.

Staatspräsident Ismet Inönü leitete am 19. Mai 1945 das Ende des Einparteiensystems ein. Celal Bayar und andere Mitstreiter traten aus der Republikanischen Volkspartei aus und gründeten 1946 die DP (Demokratische Partei). Bei den Wahlen 1946 war die DP noch wenig erfolgreich, gewann jedoch die Wahlen am 14. Mai 1950 mit überwältigenden Mehrheit (408 von 487).

Celal Bayar wurde Staatspräsident und Adnan Menderes übernahm das Amt des Ministerpräsidenten. Kreise im Militär, die sich durch diese Entwicklung bedroht fühlten, boten dem nun zum Oppositionsführer "degradierten" Ismet Inönü an, gegen die neue Regierung zu putschen. Inönü lehnte das Angebot ab.

Den Sieg hatte die DP vor allem der ländlichen Bevölkerung zu verdanken. Diese fühlte sich von der CHP vernachlässigt. Siegentscheidend war auch das Versprechen, dem Islam wieder mehr Freiheiten zu gewähren. Der Islam sollte wieder eine größere Rolle im öffentlichen Leben spielen. Das stellte einen Bruch mit dem bis dahin praktizierten Laizismus dar.

Die DP unter ihrem Ministerpräsidenten Adnan Menderes führte zwischen 1950 und 1960 eine stärkere wirtschaftliche Liberalisierung durch. Menderes trieb in dieser Zeit die Industrialisierung voran. Das hatte zur Folge, dass Auslandsschulden und Inflation anstiegen.

Trotz raschen wirtschaftlichen Wachstums nahmen die sozialen Spannungen in der Türkei nun stärker zu als zuvor. Die Wahlen 1954 gewann die DP erneut souverän. 1957 war der Wahlausgang sehr knapp. Zunehmend ging die DP dazu über, die oppositionelle CHP politisch zu unterdrücken.

1955 fand das von der Regierung Menderes inszenierte türkische Pogrom gegen orthodoxe Christen statt, in dessen Folge schwerste Menschenrechtsverletzungen und nie bezifferter Schaden entstand. 72 Kirchen und mehr alls 30 christliche Schulen gingen allein in Istanbul in Flammen auf; viele Friedhöfe wurden geschändet.

1960 proklamierte Adnan Menderes ein Ermächtigungsgesetz, um den wachsenden Widerstand auszuschalten. Er setzte auch den Oberbefehlshaber Cemal Gürsel ab, was diesen 1960 zum Putsch veranlasste. Das Militär wollte zudem die durch Spannungen zwischen den politischen Parteien hervorgerufene Staatskrise beenden.

Menderes und andere Politiker wurden unter Korruptions-Vorwurf zum Tode verurteilt und am 17. September 1961 auf İmralı gehängt. Nachdem das Militär 1961 eine neue Verfassung eingeführt hatte, gab es die Macht an eine Zivilregierung ab. Die neue Verfassung beinhaltete Regelungen, die die Unterdrückung der Opposition verhindern sollten.

Von 1962 bis 1980

Hauptartikel: Zypernkonflikt

Die politische Situation in der Türkei zwischen den 1960er und 1990er Jahren wirkt relativ verwirrend, da sie von stark wechselnden Mehrheiten, Neuwahlen, Parteineugründungen beziehungsweise -umbenennungen und Drohungen des Militärs zur Machtübernahme gekennzeichnet ist. Diese innere Instabilität machte die Türkei anfällig für ausländische Einflüsse, insbesondere der NATO, aber auch der Weltbank und des IWF.

Die politische Situation lässt sich grob folgendermaßen charakterisieren:

  • der inzwischen sozialdemokratische Kemalismus der CHP (Republikanische Volkspartei) von Bülent Ecevit (* 1925), Ministerpräsident in den Jahren 1974-1975, 1978-1979 und 1999-2002
  • die konservative Strömung der AP (Gerechtigkeitspartei, ehemals DP, dazwischen DYP (Partei des Rechten Weges)) unter Süleyman Demirel (*1924), Ministerpräsident 1965-1971, 1975-1977, 1979-1980 und 1991-1993; Staatspräsident seit 1993
  • die wirtschaftsliberalistische Politik von Turgut Özal (1923-1993). Er war 1983 bis 1989 Ministerpräsident und 1989 bis 1993 Staatspräsident.
  • schließlich bleibt das Militär eine eigenständige Macht, die mit Kenan Evren (*1918) ab 1980 das Amt des Staatspräsidenten inne hat.
  • Aufstieg des politischen Islam in den Neunzigern unter Erbakan

Inönü wurde Ministerpräsident und regierte von 1961 bis 1965. 1963 schloss die Türkei mit der damaligen EWG ein Assoziationsabkommen ab. Als Nachfolgepartei der nun verbotenen DP wurde die Gerechtigkeitspartei AP ("Adalet Partisi") gegründet. Daneben existierten nun links- und rechtsextremistische Parteien.

1965 schaffte die kommunistische „Arbeiterpartei der Türkei” TIP (Türk Işçi Partisi) mit 15 Abgeordneten den Sprung in das Parlament. Sie gehörte damals zu den wenigen Parteien, die öffentlich die Kurdenproblematik ansprachen. Am rechten äußeren Rand konkurrierten die islamistische Nationale Heilspartei MSP (Millî Selamet Partisi) und die nationalistische Partei der Nationalen Bewegung MHP (Milliyetçi Hareket Partisi).

Nach der CHP-Regierung unter Inönü errang Süleyman Demirel mit seiner AP 1965 die absolute Mehrheit. Aber auch die Regierung von Demirel bekam die Probleme nicht in den Griff. Gegen Ende der 1960er nahmen linke und rechte Terror-Aktivitäten zu, und die Wirtschaftslage verschlechterte sich rapide. Auf der rechten Seite trat vor allem die MHP mit ihrer Organisation der Grauen Wölfe hervor. Am 12. März 1971 griff die Armee erneut ein, ohne allerdings zu putschen. Sie forderte Reformen und die Bekämpfung der Terrorakte. Demirel trat als Ministerpräsident zurück und das Land wurde zwei Jahre lang von Technokraten gelenkt. Die Veränderungen an der Verfassung führten diesmal zu repressiven Maßnahmen gegenüber der Bevölkerung.

Im Oktober 1973 wurden neue Parlamentswahlen durchgeführt, bei der die CHP unter Bülent Ecevit als Sieger hervorging. Zweitstärkste Partei wurde Demirel mit seiner AP-Partei. Die MSP unter Necmettin Erbakan errang 11,8 % der Stimmen. Damit gelang einer islamistischen Partei zum ersten Mal der Sprung ins türkische Parlament und in die Regierungsverantwortung. Die Koalition zwischen der sozialdemokratischen CHP und der islamistischen MSP unter der Führung von Bülent Ecevit hielt bis zur Zypernkrise 1974 an.

Die traditionelle Rivalität zwischen Griechenland und der Türkei besteht insbesondere in Gebietsstreitigkeiten (besonders in Zypern) fort und eskaliert periodisch. Einen Höhepunkt fand die Auseinandersetzung 1974, nachdem die griechischen Zyprioten im Juli versuchten, Zypern dem obristisch geführten Griechenland anzuschließen. In der Folge besetzten türkische Truppen am 20. Juli den Nordteil der Insel. Die Zypernkrise drohte immer wieder zu eskalieren, wurde aber jedesmal diplomatisch (durch NATO, EU und UNO) befriedet. In der Folgezeit kam es sowohl in der Zypernfrage als auch an anderen Punkten wie der Erdölförderung in der Ägäis immer wieder zu Spannungen zwischen den Nachbarn.

1975 wurde Bülent Ecevit von Demirel im Amt des Ministerpräsidenten abgelöst. Er ging mit den extremistischen Parteien MSP und MHP eine Dreiparteien-Koalition der "Nationalen Front" ein. Bei den Neuwahlen von 1977 konnte sich erneut weder die CHP noch die AP durchsetzen. Zunächst konnte Demirel seine Koalition der "Nationalen Front" fortführen. 1978 gelang es Ecevit, nun durch Parteiwanderungen gestärkt, die Koalition zu stürzen und selber eine Koalitionsregierung zu bilden. 1979 kam wiederum Demirel an die Macht. Das Bild der Türkei war Ende der 1970er geprägt durch fehlende politische Stabilität, ungelöste wirtschaftliche und soziale Probleme, Streiks und Terrorakte links- und rechtsextremer Gruppen.

Die Politik war außerstande, die Gewalt zu bekämpfen. Den Straßenkämpfen, die bürgerkriegsähnliche Züge annahmen, fielen tausende Menschen zum Opfer.

1980 bis 1990

In dieser Situation putschte sich das Militär am 12. September 1980 zum zweiten Mal an die Macht. Putschistenführer General Kenan Evren verhängte über das Land das Kriegsrecht und verbot alle politischen Parteien. Das Militär versuchte die Gesellschaft der Türkei durch "Säuberungsaktionen" in staatlichen Institutionen zu entpolitisieren. Zehntausende Menschen waren davon betroffen.

Daneben ging die Junta heftig gegen kurdische Autonomisten und linke Oppositionelle vor. Am 7. November 1982 wurde die von den Militärs vorgelegte neue Verfassung in einem Volksentscheid angenommen. Kenan Evren wurde 1982 zum Staatspräsidenten gewählt.

Es wurden neue Parteien gegründet, die ohne Erfolg blieben, und bald entstanden die meisten alten Parteien mit neuem Namen wieder. Nach der Aufhebung des Politikverbotes kehrten auch die meisten alten Parteiführer an die Spitze ihrer "neuen" Parteien zurück. Auf die CHP folgte die SODEP, Ecevit gründete die Partei der Demokratischen Linken DSP (Demokrat Sol Parti), und Demirel gründete die DYP (Partei des Rechten Weges/Doğru Yol Partisi), die sich mit der Mutterlandspartei (ANAP) unter der Leitung von Turgut Özal das Klientel der früheren AP, Technokraten, Konservative und auch islamische Kreise, teilte.

Nach der Stichwahl zum Parlament im November 1983 gewann die konservative ANAP haushoch die Wahl und konnte von nun an mit absoluter Mehrheit regieren. Als Ministerpräsident leitete Özal in seiner Regierungszeit marktwirtschaftliche Reformen ein, welche die Wirtschaft des Landes, die Industrialisierung und die Exporte in den 1980er Jahren stark ankurbelten.

Von dem Wachstum profitierten aber nicht alle Bevölkerungsschichten gleichermaßen. Die steigende Ungleichheit polarisierte die Gesellschaft weiter. Es gab zwar Aufsteiger, doch Kleinbauern und die Binnen-Migranten in den großen Städten gehörten zu den Verlierern dieser Entwicklung. Die wirtschaftliche Öffnung wurde auch auf Kosten hoher Inflationsraten erkauft. In weiten Teilen der Bevölkerung nahm die Unzufriedenheit mit dieser Politik gegen Ende der 1980er zu.

Am 15. November 1983 proklamierte der seit 1974 von türkischen Truppen besetzte Nordteil der Insel Zypern seine Eigenstaatlichkeit unter der Bezeichnung "Türkische Republik Nordzypern". Am 27. März 1987 kam es zu erneuten Spannungen mit Griechenland wegen Erdölförderungen in der Ägäis, die aber friedlich beigelegt wurden.

Auch die Wahlen am 29. November 1987 gewann Özal mit seiner ANAP. Zweiter wurde SHP unter Erdal Inönü. Die SHP ersetzte die SODEP. Nachdem Turgut Özal am 1. Oktober 1989 zum Staatspräsidenten gewählt wurde, wurde Yıldırım Akbulut Regierungschef.

Außer wirtschaftlichen Reformen führte Turgut Özal auch wichtige Reformen zur Demokratisierung des Landes durch. So wurde außer in einigen kurdischen Provinzen 1984 bis 1986 das Kriegsrecht sukzessive aufgehoben, 1983 das Verbot der kurdischen Sprache außer Kraft gesetzt. 1991 wurden Paragraphen aus dem Gesetzestext entfernt, die kommunistischen und islamistischen Parteien das politische Handeln verboten. Unter Özal wurden die Mediengesetze des Landes liberalisiert und private Fernsehsender zugelassen. Zugleich wurde durch die restriktiven neuen Antiterrorgesetze die freie Meinungsäußerung beschnitten. Auch war es Özal, der letztendlich am 14. April 1987 in Brüssel offiziell um Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft (EG) ersucht hatte, die damals abgelehnt wurde.

Im Jahre 1978 entstand im Zuge der kulturellen Unterdrückung der Kurden die „Arbeiterpartei“ Kurdistans (PKK). Die PKK war eine marxistisch-leninistische Gruppierung mit Abdullah Öcalan an ihrer Spitze.

Jahrzehnte lang hatte die Türkei gegenüber den Kurden eine Assimilierungspolitik betrieben. Offiziell wurden kulturelle und ethnische Unterschiede zwischen Kurden und Türken geleugnet und die Kurden als „Bergtürken“ bezeichnet. Aufgrund staatlicher Restriktionen konnte die kurdische Kultur nicht frei ausgelebt werden. Die kurdische Sprache durfte weder an den Schulen gelehrt noch zwischen den Schülern gesprochen werden. Auch die Benutzung der kurdischen Sprache auf den Ämtern und jegliche Art von Medien in kurdischer Sprache waren verboten.

1984 begann die PKK ihren bewaffneten Kampf für ein unabhängiges Kurdistan. Bis 1999 sollten bei diesem Krieg zwischen dem türkischem Militär und den PKK-Kämpfern 30.000 Menschen ums Leben kommen.

1990 bis Ende des 20. Jahrhunderts

Im Zweiten Golfkrieg 1990 stellte sich die Türkei auf die Seite der USA und ihrer Alliierten und damit gegen den Irak. Als Saddam Husseins Truppen aus Rache gegen die kurdische Bevölkerung vorgingen, errichtete die Türkei auf ihrem Staatsgebiet eine Sicherheitszone und bot so Hunderttausenden irakischer Kurden Schutz. Diese Aktion und ähnliche Maßnahmen weckten bei der Bevölkerung die Hoffnung auf eine friedliche Lösung des "Kurdenproblems".

Nachfolger von Akbulut an der Spitze der ANAP wurde 1991 Mesut Yılmaz. Die 90er-Jahre waren in der Türkei wieder durch wechselnde politische Mehrheiten und ständige Neuwahlen gekennzeichnet. 1991 wurde die DYP bei den Wahlen zur stärksten Kraft gewählt, die ANAP und die SHP kamen auf den zweiten und dritten Platz. Die SHP war zuvor ein Wahlbündnis mit der kurdischen Volksarbeiterpartei HEP (Halkın Emek Partisi) eingegangen. Die HEP stellte nun, innerhalb der Fraktion der SHP, 22 Abgeordnete im türkischen Parlament. Süleyman Demirel ging mit der SHP eine Koalition ein.

Am 17. April 1993 starb Turgut Özal an einem Herzinfarkt. Nach seinem Tod wurde Demirel am 16. Mai 1993 zum Staatspräsidenten gewählt. Als Ministerpräsident folgte ihm Tansu Çiller als Parteichefin der DYP. Sie führte auch die Regierungskoalition mit der SHP weiter.

Özal hatte als Staatspräsident noch versucht, das "Kurdenproblem" politisch zu lösen. Der Staat und die PKK näherten sich unter seiner Regentschaft an und es keimte die Hoffnung einer friedlichen Lösung auf. Nach der Übernahme des Ministerpräsidenten-Amtes durch Tansu Çiller radikalisierte sich der Konflikt wieder. Der Staat lehnte mehrere Waffenstillstandsangebote der PKK wiederholt ab.

Im Mai 1993 wurde die Immunität von acht HEP-Abgeordneten wegen separatistischer Aussagen aufgehoben. Als Nachfolgepartei wurde 1994 die Demokratische Volkspartei HADEP (Halkın Demokrasi Partisi) gegründet.

Bis 1994 wurden durch das Militär ca. 2000 Dörfer im Südosten der Türkei gewaltsam geräumt. Die Bevölkerung wurde gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Durch diese Maßnahmen wollte die Regierung die Unterstützungsbasen der PKK zerstören. Die PKK wiederum ging brutal gegen Dörfer vor, die mit dem türkischen Militär zusammenarbeiteten, und verübte Terroranschläge, bei denen viele Soldaten und Zivilisten umkamen.

Auf der Seite des Staates kämpften auch so genannte Dorfschützer. Diese waren „loyale“ Dorfbewohner, die durch den türkischen Staat mit Waffen und Geld unterstützt wurden.

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten führten Mitte der 90er Jahre zu steigender Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung und den etablierten Parteien. Bei den Kommunalwahlen am 28. März 1994 erreichten die Islamisten von der Wohlfahrtspartei RP (Refah Partisi), unter Necmettin Erbakan, 18,75 % und wurden hinter der DYP und ANAP die drittstärkste politische Kraft. Viel wichtiger waren jedoch die Siege in Istanbul und Ankara. Die RP stellte zukünftig in beiden Städten den Bürgermeister.

Çillers Regierungskoalition kam 1995 ins Straucheln. Dennoch gelang es ihr, vor der Unterzeichnung der Verträge für die Zollunion mit der Europäischen Union die nötigen Verfassungsänderungen im Parlament durchzusetzen.

Am 1. Januar 1996 trat die Zollunion zwischen der Türkei und der Europäischen Union (EU) in Kraft, am 6. Oktober 1999 befürwortete das Europäische Parlament prinzipiell eine Kandidatur der Türkei als Mitgliedstaat der Europäischen Union. Vor allem die deutsche Bundesregierung verzögerte aber die Gespräche. Die individuelle Freizügigkeit, die die EU der Bevölkerung ihrer Mitgliedstaaten garantiert, blieb bislang bei den Verhandlungen ausgeklammert.

Im Gegensatz zum rechten Parteienflügel, wo sich die DYP und ANAP erbittert bekämpften, gelang es den "linken" Parteien sich zu einigen. Februar 1995 schlossen sich die beiden Parteien SHP und CHP zur neuen CHP zusammen. Nachdem Deniz Baykal die Parteiführung übernommen hatte, kündigte er am 12. September 1995 die Koalition mit der DYP. Daraufhin setzte Tansu Çiller Neuwahlen an.

Aus den Parlamentswahlen am 24. Dezember 1995 ging zum ersten Mal in der türkischen Geschichte eine islamistische Partei, die Wohlfahrtspartei (RP), mit 21,38 % als stärkste politische Kraft hervor.

Der Aufstieg des politischen Islam in der Türkei hatte vor allem soziale Ursachen und wurde durch die Krise des türkischen Parteiensystems verstärkt. Im gesamten politischen Spektrum konkurrierten mehrere Parteien um die Gunst der Wähler. Zudem spielten schon seit den 1950er Jahren die Politiker gern mit religiösen Empfindungen, um Wählerstimmen zu gewinnen.

Da die RP keinen Koalitionspartner fand, erhielt die zweitstärkste Kraft, die DYP, den Auftrag die Regierung zu bilden. Die DYP ging mit der ANAP eine Koalition ein. Die Koalition stand unter keinem guten Stern. Sie war auf die Unterstützung durch andere Parteien angewiesen, hinzu kamen die persönlichen Anfeindungen der beiden Parteiführer, Tansu Çiller und Mesut Yilmaz.

Die Koalition hielt daher nicht lange. Mesut Yılmaz kündigte am 6. Juni 1996 die Koalition auf. Zuvor unterlag er einem Misstrauensvotum und musste daraufhin zurücktreten. Daraufhin bekam die RP am 28. Juni 1996 unter Necmettin Erbakan den Auftrag, die Regierung zu bilden. Die RP ging mit der DYP eine Koalition ein.

Am 3. November 1996 erschütterte ein banaler Autounfall, in einem Ort namens Susurluk, das ganze Land. Die Zusammensetzung der Insassen warf viele Fragen bezüglich des Verhältnisses zwischen dem Staat und der organisierten Kriminalität auf. Im Auto verstarben ein durch Interpol gesuchter Terrorist mit rechtsradikalem Hintergrund Abdullah Çatlı, die Geliebte eines ermordeten Mafiabosses, der Chef der Istanbuler Polizei, der einzige Überlebende war ein DYP-Abgeordneter. Neben seiner Tätigkeit als Abgeordneter war dieser auch Oberhaupt eines bekannten kurdischen Clans.

Teile des Staates schienen sich mit der Unterwelt verbündet zu haben. Gemeinsam seien sie für zahlreiche Morde an kurdischen Oppositionellen, liberalen Journalisten und in der Unterwelt verantwortlich gewesen. Der Fall wurde nie zweifelsfrei aufgeklärt.

Mit seiner Politik geriet Necmettin Erbakan in Widerspruch zu der von Kemal Atatürk begründeten laizistischen Staatsdoktrin, als deren Stützen sich vor allem die Militärs sahen. Unüblich für einen Ministerpräsidenten stattete er Libyen den ersten Staatsbesuch ab. Erbakan wollte damit seine außenpolitische Neuorientierung, hin zu den islamischen Ländern, demonstrieren. Diese und andere islamisch orientierte Aktivitäten stießen das kemalistische Establishment vor den Kopf.

Im Nationalen Sicherheitsrat forderten die Generäle von Erbakan ein entschiedenes Vorgehen gegen islamistische Tendenzen, die Verlängerung der Schulpflicht auf acht Jahre und die konsequente Einhaltung des Kopftuchverbotes in den Schulen und Universitäten des Landes. Mit der verlängerten Schulpflicht wollten die Militärs dem Einfluss der Imam-Hatip-Schulen, in denen Prediger und Vorbeter ausgebildet wurden, entgegenwirken. Am 30. Juni 1997 musste Neçmettin Erbakan zurücktreten, weil er diese Politik nicht umsetzen konnte. Am 16. Januar 1998 wurde die RP vom Verfassungsgericht verboten, an ihre Stelle trat die Tugendpartei FP (Fazilet Partisi).

Die Vorstellungen der "Islamisten" unter Erbakan und die divergierenden politischen und gesellschaftlichen Realitäten führten zum vorzeitigen Ende seiner Ära. Viel gravierender war aber die anschließende Spaltung der Islamisten. Die "fundamentalistische" Strömung unter Erbakan spielt seit den Wahlen im Jahre 2002 keine Rolle mehr. Die gemäßigte Strömung unter dem derzeitigen Ministerpräsidenten Erdogan scheint sich mit der demokratisch-laizistischen Grundstruktur der Türkei abgefunden zu haben.

Nach einer kurzen Regierungsphase (Juni 1997-November 1998) von Mesut Yılmaz wurde ihm wegen Korruptionsverdacht das Misstrauen ausgesprochen. Am 11. Januar 1999 wurde Ecevit Regierungschef einer Minderheitsregierung. Aus den Neuwahlen vom 18. April 1999 ging Ecevits DSP als stärkste Fraktion heraus. Zweitstärkste Kraft wurden die Nationalisten (MHP). Den dritten Platz nahm die FP ein, die ehemaligen Volksparteien ANAP und DYP waren nun viert- und fünftstärkste Partei.

Am 17. August 1999 verwüstete ein schweres Erdbeben İzmit und die Marmararegion. Es legte mit İstanbul auch die größte Wirtschaftszone der Türkei lahm. Rund 20.000 Menschen starben als Folge ungenügender Einhaltung von Bauvorschriften. Betroffen waren vor allem die ärmsten Teile der Bevölkerung.

Im August 1996 beendete das Parlament den Ausnahmezustand in den Kurdenprovinzen, erteilte der Armeeführung jedoch erweiterte Vollmachten bezüglich militärischer Einsätze, Verhaftungen und Zensur in allen Provinzen des Landes. Ein Waffenstillstandsangebot der PKK lehnte die türkische Armeeführung im Januar 1997 ab; am 14. Mai 1997 drangen türkische Verbände bis zu 200 km in die Kurdengebiete im Nordirak ein.

1999 erklärte die PKK einen Waffenstillstand, als ihr Führer Abdullah Öcalan von Kenia in die Türkei verschleppt wurde. Der Waffenstillstand hielt bis 2004.

21. Jahrhundert

Ecevit gründete am 9. Juni 1999 eine Koalitionsregierung mit der MHP und der ANAP. Im August 1999 hob die Regierung Ecevit das zwischenzeitig verhängte Politikverbot gegen Erbakan auf, um die Zustimmung seiner Fraktion zu einer Verfassungsreform zu erhalten und darüber internationale Kredite über den Internationalen Währungsfonds zu erlangen. Als Nachfolger von Demirel wurde 2000 als Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer gewählt.

Mitte 2000 wurden bei Wirtschaftsprüfungen bei mehreren Banken massive Manipulationen wie Steuerhinterziehung und Veruntreuung entdeckt, was zu einem Börsencrash führte. Die eingeleitete staatliche Kontrolle der Banken konnte die Kapitalflucht nicht bremsen.

Querelen zwischen Staats- und Ministerpräsidenten über Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption führten im Frühjahr 2001 erneut zu einer massiven Abwertung der türkischen Lira. Massenproteste und polizeiliche Repressionen dagegen waren die Folge.

Die Wirtschaftskrise von 2001 verursachte einen Rückgang des Bruttosozialprodukts von fast 10 %. Der Staat stand kurz vor dem Bankrott und konnte nur durch Kredite des Internationaler Währungsfonds zahlungsfähig gehalten werden. Zur Unterstützung der Wirtschaftspolitik holte Ecevit Kemal Derviş in sein Kabinett. Derviş wurde für diese Aufgabe aus Washington (D.C.) abberufen, wo er das Amt des stellvertretenden Weltbank-Chefs innehatte. Als neuer Wirtschaftsminister führte Kemal Derviş wichtige Reformen im Bankensektor durch und ging gegen die Korruption vor. Die Reformen unter Derviş bildeten die Grundlage für die schnelle Erholung der türkischen Wirtschaft, von der die AKP-Regierung seit 2002 profitiert.

Trotz dieser Schwierigkeiten führte die Koalitionsregierung wichtige Reformen durch, die die Menschen- und Bürgerrechte in der Türkei stärkten. Vor allem die Verfassungsänderungen Oktober 2001 und August 2002 bildeten die Grundlage für die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union. Daneben stieß die Regierung auch wichtige Reformen im sozialen Bereich an. So wurden die Renten- und Krankenversicherung reformiert und eine Arbeitslosenversicherung eingeführt. Gesetzesänderungen erleichterten die Privatisierung von Staatsunternehmen.

Am 3. August 2002 wurde Öcalan vom Staatssicherheitsgericht zum Tode verurteilt. Die Strafe wurde zwei Monate später in lebenslange Haft umgewandelt.

Aufgrund der Spannungen in der Koalition war der gesundheitlich angeschlagene Ecevit gezwungen, für den 3. November 2002 Neuwahlen anzusetzen. Bei den Neuwahlen wurden alle Regierungsparteien abgestraft. Keiner der Parteien gelang es, die 10-Prozent-Hürde zu überspringen. Lediglich die AKP und die CHP schafften den Sprung in das Parlament.

Ministerpräsident wurde zunächst Abdullah Gül. Der Führer und wichtigste Mann der AKP Recep Tayyip Erdoğan durfte dieses Amt nicht übernehmen, da er 1998 wegen der „öffentlichen Äußerung islamistischer Parolen“ (Zitierung eines religiösen Gedichts) verurteilt und vorbestraft worden war. Erst nach Änderung von Gesetzen (Abschaffung des Verbots der politischen Tätigkeit von in dieser Art Verurteilten) konnte er durch eine Nachwahl am 9. März 2003 in der Provinz Siirt am 11. März 2003 das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen.

Die von der AKP geführte Regierung setzte die unter der Regierung Ecevit (1999-2001) begonnenen umfassenden Reformen im Zivilrecht, die Menschen- und Freiheitsrechte stärkten (z. B. Versammlungs- und Demonstrationsrecht) fort. Unter anderem wurden die Todesstrafe abgeschafft, Folter verboten und die kulturellen Freiheiten der kurdischen Minderheit gestärkt. So sind der Gebrauch der kurdischen Sprache, Kurdisch-Unterricht und kurdische Radio- und Fernsehkanäle nun erlaubt. So erteilte die Regulationsbehörde für Fernseh- und Radiosender (RTÜK) am 18. August 2004 drei Privatsendern im Südosten der Türkei, die Lizenz, in Kurdisch zu senden. Auch der staatliche Sender TRT 3 darf Sendungen in Arabisch, Zazaki, Kumanci, Bosnisch usw. ausstrahlen. Trotz dieser politischen Erfolge gibt es weiterhin Menschenrechtsverstöße, namentlich Folter und Beschneidung demokratischer Rechte, in der Türkei.

Im Krieg gegen den Irak im Jahre 2003 verweigerte die Türkei den USA und ihren Verbündeten die Nutzung ihrer Militärbasen. Vorangegangen waren Bestrebungen der türkischen Armee, bei einer Invasion in den kurdischen Teil des Irak einzumarschieren, was international auf Ablehnung gestoßen war. Nach der Verhaftung türkischer Einheiten im Nord-Irak durch US-amerikanische Truppen kam es zur sogenannten Sackaffäre.

Am 21. Januar 2000 unternahm die Türkei den Versuch, mit verschiedenen Abkommen ihr traditionell gespanntes Verhältnis zu Griechenland zu normalisieren. Seit 2001 gab es erstmals Fortschritte bei den von den Vereinten Nationen betriebenen Verhandlungen zur Lösung der Zypernfrage. Der UN-Plan sah eine Konföderation der beiden Teile nach dem Muster der Schweiz vor. Er sollte vor dem Beitritt Zyperns in die Europäische Union zum 1. Mai 2004 von beiden Seiten unterzeichnet werden. Die türkische Seite unter Denktaş zeigte sich bislang aber nicht bereit und lehnte auch ein von der UN gefordertes Referendum ab. Darauf kam es zu massiven Protesten der türkischen Zyprioten, die wohl mehrheitlich für eine Wiedervereinigung waren. Als Reaktion öffnete Denktaş überraschend die Grenze zum griechischen Teil und ermöglichte so gegenseitige Besuche, die seit gut 30 Jahren nicht möglich gewesen waren. Am 24. April 2004 scheiterte der UN-Plan bei einem Referendum im griechischen Teil der Insel vorerst.

Im November[2003 verübte Al-Qaida vermutlich unter Mithilfe der IBDA-C („Front der Kämpfer für den Islamischen Großen Osten“) mehrere Bombenanschläge in Istanbul. Ziele der Anschläge, bei denen 61 Menschen starben, waren zwei Synagogen, das britische Konsulat und eine Filiale der britischen HSBC-Bank. Im März 2004 verübte Al-Qaida unter dem Namen Al-Quds in Istanbul einen neuen Bombenanschlag auf ein Logengebäude der Großloge der Freien und Angenommenen Maurer der Türkei. Bei dem Anschlag starben 3 Menschen.

Nachdem die damalige Europäische Gemeinschaft 1989 einen Antrag der Türkei auf Vollmitgliedschaft abgelehnt hatte, wurde auf dem EU-Gipfel in Luxemburg 1997 entschieden, dass die Türkei für einen Beitritt in Frage komme. Am 11. Dezember 1999 bekam die Türkei offiziell den Beitrittskandidaten-Status zuerkannt. Auf dem Gipfel von Kopenhagen 2002 setzte die EU fest, dass im Dezember 2004 über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen entschieden wird. Dazu muss die Türkei die Kopenhagener Kriterien erfüllen.

Mitte 2004 wurden nach heftigem Druck der EU die seit Februar 1994 unter dem Vorwurf verfassungsfeindlichen Handelns inhaftierten vier kurdischen Parlamentarier der DEP-Partei (darunter Leyla Zana) freigelassen.

Am 17. Dezember 2004 entschieden die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel, dass ab dem 3. Oktober 2005 mit der Türkei Verhandlungen über den EU-Beitritt aufgenommen werden. Voraussetzungen dafür sind jedoch die Fortsetzung der begonnenen Reformen, eine weitere Verbesserung der Menschenrechtssituation und insbesondere die Unterzeichnung eines Abkommens über eine Zollunion mit den 10 neuen EU-Mitgliedstaaten, darunter auch Zypern, noch vor Beginn der Verhandlungen am 3. Oktober 2005.

2004 sind wieder Kämpfe angesichts von Bombenanschlägen auf zivile und staatliche Einrichtungen und Politikermorde, zwischen der türkischen Regierung und der ehemaligen PKK aufgeflammt. Die PKK änderte im April 2000 ihren Namen in KADEK, im November 2003 wiederum in Kongra-Gel.

Am 10. August 2005 traf sich Erdoğan in Ankara mit türkischen und kurdischen Intellektuellen, die ein Ende des Konfliktes von beiden Seiten - Staat und Kurden - forderten. Anschließend verkündete der Ministerpräsident am 12. August 2005 bei einem Besuch in Diyarbakir das die Probleme im Osten ein spezifisch Kurdisches Problem (Kürt Sorunu) sind und das er diesem Problem mit mehr Demokratie begegnen will. Diese Äußerung wird in türkischen Medien bereits jetzt als historisch gewertet. Zum ersten Mal in der türkischen Geschichte wurde der spezifisch kurdische Charakter des Konfliktes im Osten der Türkei anerkannt.

Unterdessen kam es im September 2005 zu Ausschreitungen, als Bewohner der Stadt Bozuyuk kurdische Anhänger Abdullah Öcalans angriffen. Bei den Unruhen wurden mehr als 140 Menschen verletzt. Die Polizei versuchte die Parteien zu trennen.

Seit dem 3. Oktober 2005 laufen die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der Europäischen Union. Zuvor gab Österreich seine Blockade-Haltung in Luxemburg bei einem Krisentreffen der 25 europäischen Außenminister auf. Österreich verzichtete auf seine Forderung, der Türkei als Alternative zur Vollmitgliedschaft auch ein anderes Modell anzubieten, was von der Türkei vehement abgelehnt worden war. Letztendlich blieb es bei dem Satz: „Gemeinsames Ziel der Verhandlungen ist die Mitgliedschaft“. Als Kompromiss wird nun am Ende der Beitrittsverhandlungen, nach 10 bis 15 Jahren, nicht nur geprüft, ob die Türkei die Beitrittskriterien erfüllt, sondern auch ob die Europäische Union wirtschaftlich und politisch die Aufnahme der Türkei verkraften kann. Damit sind die Hürden für die Aufnahme so hoch wie noch nie zuvor für einen Kandidaten. Auch die Türkei stimmte diesen Bedingungen zu.

Am 10. November 2005 ereignete sich in Şemdinli in der Provinz Hakkari ein Sprengstoff-Anschlag auf einen ehemaligen Kader der PKK. Der Anschlag wurde durch einen PKK-Überläufer durchgeführt, der dabei durch Mitglieder des militärischen Nachrichtendienstes unterstützt wurde. Der Anschlag zog teilweise gewaltsame Proteste der kurdischen Minderheit nach sich, bei denen in Yüksekova (Provinz Hakkari) drei und in Mersin ein Demonstrant starb. Die Parteien im türkischen Parlament forderten die Einsetzung einer Untersuchungskommission, um die Vorfälle zu klären. Ministerpräsident Erdogan reiste am 21. November in die Provinz Hakkari, um den Entschluss der Regierung zur Aufklärung zu untermauern.

Nachdem die Kandidatur Abdullah Güls bei den Präsidentenwahlen im April/Mai 2007 eine innenpolitische Krise auslöste, wurden Neuwahlen ausgerufen, Bei den Parlamentswahlen 2007 konnte die AKP ihre Mehrheit im Parlament verteidigen und Gül wurde im August 2007 zum 11. Staatspräsidenten gewählt.

Siehe auch

Literatur

  • Europa und die Türken in der Renaissance. Hrsg. von Bodo Guthmüller und Wilhelm Kühlmann. Niemeyer, Tübingen 2000, ISBN 3-484-36554-4
  • K. Kreiser: Kleines Türkei Lexikon. Beck, München 1992.
  • Klaus-Detlev Grothusen (Hrsg.): Türkei. (= Südosteuropa-Handbuch IV). Vandenhoeck&Ruprecht, Göttingen 1985.
  • E. Schmitt (Hrsg.): Türkei. Politik - Ökonomie - Kultur. Mundo, Rieden 1988.
  • B. Lewis: The Emergence of Modern Turkey. 2nd Edition. Oxford University Press, London, Oxford, New York 1968.
  • U. Steinbach: Geschichte der Türkei. Beck, München 2000.
  • Gazi Çağlar: Die Türkei zwischen Orient und Okzident. Eine politische Analyse ihrer Geschichte und Gegenwart. Unrast, Münster 2004. ISBN 3-89771-016-1
  • Feroz Ahmad: Geschichte der Türkei. MAGNUS, Essen 2005, ISBN 3-88400-433-6
  • Michael E. Meeker: A Nation of Empire. The Ottoman Legacy of Turkish Modernity, University of California Press, Berkeley 2002