1,4-Butandiol

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Strukturformel
Strukturformel von 1,4-Butandiol
Allgemeines
Name 1,4-Butandiol
Andere Namen
  • Butan-1,4-diol (IUPAC)
  • Tetramethylenglycol
  • Tetramethylenglykol
  • 1,4-Butylenglykol
  • 1,4-Dihydroxybutan
  • B1D
  • 1,4-BUTANDIOL (INCI)[1]
Summenformel C4H10O2
Kurzbeschreibung

farb- und geruchlose Flüssigkeit[2]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 110-63-4
EG-Nummer 203-786-5
ECHA-InfoCard 100.003.443
PubChem 8064
ChemSpider 13835209
DrugBank DB01955
Wikidata Q161521
Eigenschaften
Molare Masse 90,12 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

1,02 g·cm−3[2]

Schmelzpunkt

20 °C[2]

Siedepunkt

230 °C[2]

Dampfdruck

<1 hPa (20 °C)[2]

Löslichkeit
Brechungsindex

1,4462 (25 °C)[4]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]
Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 302​‐​336
P: 301+312+330[2]
Toxikologische Daten

1530 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

1,4-Butandiol (nach IUPAC-Nomenklatur: Butan-1,4-diol, abgekürzt oft auch nur BDO) ist eine organisch-chemische Verbindung aus der Stoffgruppe der zweiwertigen Alkohole, genauer gesagt der gesättigten Diole. Es ist ein Zwischenprodukt der chemischen Industrie, welches vielfältige Anwendung findet.

Gewinnung und Darstellung

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Im Rahmen der großtechnischen Synthese von 1,4-Butandiol werden in der chemischen Industrie mehrere Verfahren und Verfahrensvarianten eingesetzt. Das älteste und zugleich auch am häufigsten verwendete ist das zweistufige Reppe-Verfahren (Ethinylierung), das auf den BASF-Chemiker Walter Reppe zurückzuführen ist und bereits in den 1930er Jahren entwickelt und seitdem kontinuierlich verbessert wurde. Zur industriellen Synthese von 1,4-Butandiol setzt man Acetylen mit 10–30%iger Formaldehyd-Lösung an mit Bismut-modifizierten, auf Siliciumdioxid geträgerten, Kupfer(I)-acetylid-Katalysatoren bei Temperaturen von 65–90 °C und Drücken von 0,9–10 bar zu 2-Butin-1,4-diol um. Als Nebenprodukt entsteht dabei Propargylalkohol, welcher destillativ abgetrennt und erneut zur Reaktionsstufe zurückgeführt wird. Die Selektivität zu 2-Butin-1,4-diol beträgt >90 % bezogen auf Formaldehyd und ca. 80 % bezogen auf Acetylen. Die komplette Reaktion verläuft in einer Kaskade aus zwei oder mehr Festbettreaktoren, die in der Sumpf- oder Rieselfahrweise betrieben werden.[5][6]

Industrielle Synthese von 2-Butin-1,4-diol durch Umsetzung von Acetylen mit zwei Äquivalente an Formaldehyd über Kupfer- und Bismutoxid-Katalysator geträgert auf Silica (Reppe-Verfahren)
Industrielle Synthese von 2-Butin-1,4-diol durch Umsetzung von Acetylen mit zwei Äquivalente an Formaldehyd über Kupfer- und Bismutoxid-Katalysator geträgert auf Silica (Reppe-Verfahren)

Im zweiten Reaktionsschritt wird das entstandene 2-Butin-1,4-diol stufenweise zu 1,4-Butandiol hydriert. Die Haupthydrierung erfolgt bei Temperaturen von 70–220 °C und Drücken von 150–300 bar (Festbett- bzw. Rieselphasenhydrierung) oder 10–65 bar (Suspension- bzw. Flüssigphasenhydrierung) an Raney-Nickel-Katalysatoren, die zusätzliche Promotoren wie Kupfer oder Chrom enthalten. Die Selektivität zu 1,4-Butandiol beträgt 95 % bezogen auf 2-Butin-1,4-diol. Die Hydrierung wird in Strahldüsen-, Rührkessel- oder Blasensäulenreaktoren durchgeführt. Die Reinigung und Aufarbeitung des Produkts erfolgt durch mehrstufige Destillation in Rektifikationskolonnen.[5][6]

Hydrierung von 2-Butin-1,4-diol zu 1,4-Butandiol in Gegenwart eines Raney-Nickel-Katalysators
Hydrierung von 2-Butin-1,4-diol zu 1,4-Butandiol in Gegenwart eines Raney-Nickel-Katalysators

Weltweit größter Hersteller von 1,4-Butandiol ist die BASF SE mit Produktionsanlagen in Ludwigshafen (Deutschland), Geismar (Louisiana), Kuantan (Malaysia), Caojing (China) und Chiba (Japan). Damit erreicht das Unternehmen eine Produktionskapazität von 670.000 Jahrestonnen.[7] BASF produziert 1,4-Butandiol neben dem Reppe-Verfahren auch durch biotechnologische Fermentation mit Hilfe von Hochleistungsmikroorganismen auf Basis nachwachsender Rohstoffe.[8] Weitere bedeutende Hersteller sind LyondellBasell und INEOS Solvents[9] (früher Ashland/ISP)[10].

Eine Weiterentwicklung des Reppe-Verfahrens ist der Linde/Yukong-Prozess, bei dem man mit vergleichsweise niedrigen Drücken von ca. 1,4 bar arbeitet.

Ein jüngeres Verfahren basiert auf Propen. Dieses wird zu Propylenoxid oxidiert, welches zu Allylalkohol isomerisiert wird. Dieser wird anschließend zu 4-Hydroxybutyraldehyd hydroformyliert. Der Aldehyd wird schließlich zu 1,4-Butandiol hydriert.[11]

1,4-Butandiol kann auch über Maleinsäureanhydrid gewonnen werden (Davy-Prozess).[12]

Im Jahr 2010 wurden weltweit etwa 1,8 Millionen Tonnen 1,4-Butandiol hergestellt.[13]

Physikalische Eigenschaften

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1,4-Butandiol hat eine relative Gasdichte von 3,11 (Dichteverhältnis zu trockener Luft bei gleicher Temperatur und gleichem Druck) und eine relative Dichte des Dampf-Luft-Gemisches von 1,00 (Dichteverhältnis zu trockener Luft bei 20 °C und Normaldruck). Außerdem weist 1,4-Butandiol einen Dampfdruck von weniger als 1 hPa bei 20 °C auf. Die dynamische Viskosität beträgt 71,5 mPa·s bei 25 °C.[2]

Chemische Eigenschaften

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Butan-1,4-diol ist eine schwer entzündbare, brennbare Flüssigkeit aus der Stoffgruppe der Alkohole. Genauer gesagt handelt es sich um ein terminales Diol. 1,4-Butandiol ist schwer bzw. sehr schwer flüchtig. Mit Wasser ist es vollständig mischbar sowie gut löslich in Ethanol und Dimethylsulfoxid. Gefährliche chemische Reaktionen können bei Kontakt mit starken Oxidationsmitteln, Reduktionsmitteln, Säurechloride und Säureanhydride auftreten. Eine wässrige Lösung von 1,4-Butandiol bei 20 °C und einer Konzentration von 500 g·l−1 weist einen pH-Wert von 7–8 auf.[2][3]

1,4-Butandiol ist ein wichtiges Zwischenprodukt der chemischen Industrie. Es dient als Ausgangsstoff für zahlreiche Folgeprodukte wie Polyester, Polyamide und Polyurethane. Des Weiteren ist es ein Vorprodukt bei der Herstellung von Tetrahydrofuran, einem bedeutenden Lösungsmittel und Ausgangsstoff für den Kunststoff PolyTHF®. Außerdem findet Butan-1,4-diol Anwendung bei der Synthese von Lösungsmittel wie N-Methyl-2-pyrrolidon und γ-Butyrolacton. Ferner entstehen durch Reaktion mit Phosgen Polycarbonate. Darüber hinaus ist es ein Synthesebaustein für Polyester- und Polyetherpolyole. Im medizinischen Bereich findet 1,4-Butandiol Anwendung bei der Synthese von Busulfan.[14][15]

BDO wird auch als Droge konsumiert. Es wird im Magen des menschlichen Körpers innerhalb von Sekunden über zwei Stufen durch die Alkohol-Dehydrogenase und die Aldehyd-Dehydrogenase zu 4-Hydroxybutansäure (GHB) metabolisiert[16][17] und zeigt daher dieselben Wirkungen, die nach circa 5–20 Minuten einsetzen und ca. 2–3 Stunden anhalten. Im Vergleich zu GHB muss BDO jedoch deutlich niedriger dosiert werden.

Sicherheitshinweise

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Hauptsächlich wird 1,4-Butandiol über den Atemtrakt und die Haut aufgenommen. Dabei kommt es nur zu geringen Reizungen auf die Schleimhäute. Des Weiteren kann eine Störung des Zentralnervensystems auftreten. Eine Reproduktionstoxizität, Mutagenität oder Kanzerogenität konnten durch einige Tests und Tierversuche ausgeschlossen werden. 1,4-Butandiol weist eine untere Explosionsgrenze (UEG) von 1,8 Vol.-% (67 g/m3) und eine obere Explosionsgrenze (OEG) von 15,7 Vol.-% (585 g/m3) auf. Die Zündtemperatur beträgt ca. 370 °C. Der Stoff fällt somit in die Temperaturklasse T2. Mit einem Flammpunkt von ca. 130 °C gilt 1,4-Butandiol als schwer entflammbar.[2]

Commons: 1,4-Butandiol – Sammlung von Bildern
Wiktionary: 1,4-Butandiol – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Eintrag zu 1,4-BUTANDIOL in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 25. Februar 2020.
  2. a b c d e f g h i j k l Eintrag zu 1,4-Butandiol in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 24. April 2019. (JavaScript erforderlich)
  3. a b Eintrag zu 1,4-Butanediol in der Hazardous Substances Data Bank (via PubChem), abgerufen am 24. April 2019.
  4. C. T. Handy, H. S. Rothrock: Polymeric Peroxide of 1,3-Butadiene. In: Journal of the American Chemical Society. Band 80, Nr. 19, Oktober 1958, S. 5306–5308, doi:10.1021/ja01552a075.
  5. a b Patent EP2121549A1: Verfahren zur Herstellung von 1,4-Butandiol. Angemeldet am 14. März 2007, veröffentlicht am 25. November 2009, Anmelder: BASF SE, Erfinder: Rolf Pinkos, Rudolf Erich Lorenz, York Alexander Beste.
  6. a b Hans-Jürgen Arpe: Industrielle Organische Chemie - Bedeutende Vor- und Zwischenprodukte. 6. Auflage. WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 2007, ISBN 978-3-527-31540-6, S. 108.
  7. BASF erhöht Produktionskapazität von Butandiol am Standort Geismar. In: www.basf.com. BASF SE, 21. Januar 2015, abgerufen am 24. April 2019.
  8. Erneuerbares 1,4-Butandiol. In: www.basf.com. BASF SE, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. April 2019; abgerufen am 24. April 2019.
  9. BDO & Derivatives. Abgerufen am 10. Januar 2022.
  10. chemiste.de: ISP Marl GmbH (Memento vom 12. April 2016 im Internet Archive)
  11. Nexant’s ChemSystems Process Evaluation/Research Planning: 1,4-Butanediol/Tetrahydrofuran (BDO/THF) (Memento vom 17. Februar 2015 im Internet Archive) (PDF).
  12. J. M. Davy: Licensed Processes: Butanediol & Co-Products
  13. Manfred Baerns, Arno Behr, Axel Brehm, Jürgen Gmehling, Kai-Olaf Hinrichsen, Hanns Hofmann, Regina Palkovits, Ulfert Onken, Albert Renken: Technische Chemie. 2. Auflage. Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim, Germany 2013, ISBN 978-3-527-33072-0, S. 581.
  14. Eintrag zu Butandiole. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 24. April 2019.
  15. 1,4-Butandiol. In: BASF Produktsuche. BASF SE, 2014, abgerufen am 24. April 2019.
  16. D. Thai, J. E. Dyer, P. Jacob, C. A. Haller: Clinical pharmacology of 1,4-butanediol and gamma-hydroxybutyrate after oral 1,4-butanediol administration to healthy volunteers. In: Clinical Pharmacology and Therapeutics. Band 81, Nummer 2, Februar 2007, S. 178–184, doi:10.1038/sj.clpt.6100037, PMID 17192771.
  17. Schweizer Parlament: Motion – 09.3945, Legal highs: Verbot von gefährlichen, aber legalen Betäubungsmitteln. 25. September 2009, abgerufen am 4. Juli 2012.