„Barbiturate“ – Versionsunterschied

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Die Herstellung erfolgt aus [[Harnstoff]], dem von den Restgliedern R<sup>1</sup>, R<sup>2</sup> abhängigen Malonsäureester und in Gegenwart eines Alkali-Alkoholats.
Die Herstellung erfolgt aus [[Harnstoff]], dem von den Restgliedern R<sup>1</sup>, R<sup>2</sup> abhängigen Malonsäureester und in Gegenwart eines Alkali-Alkoholats.


=== besondere Toxikologie bei Wechselwirkungen ===

Neben der direkten Gefahr von [[Atemlähmung]] und [[Suchterzeugung]] bei Überdosierung ist auch bei "bestimmungsgemässen Gebrauch" '''besondere Vorsicht''' geboten wenn neben Barbituraten zusätzlich noch Mittel eingenommen werden welche über die [[Cytochrom P450]]-Schiene metabolisiert werden. Da Barbiturate (ähnlich wie die Johanniskraut-Wirkstoffe [[Hypericin]] und [[Hyperforin]]) mehrere Suptypen des Cytochrom P450-Enzymsystems [[Enzyminduktion|induzieren]]; was dazu führt dass Mittel die von diesen Enzymen metabolisiert werden, vielfach schneller abgebaut werden, wobei die [[Hepatozyten]] jedoch quasi "''an Überarbeitung sterben''" - (weil giftige [[Metabolit]]e garnicht so schnell beseitigt werden können wie sie anfallen, und daher im [[Zytosol]] akkumulieren bis die Biochemie der Zelle "kippt" - wobei sie abstirbt). Diese oft ausgedehnten Nekrosen der Leber aufgrund dieser typischen Wechselwirkung sind ausgiebig erforscht und in der Fachliteratur beschrieben... Am gefährlichsten ist da die gleichzeitige Einahme von [[Paracetamol]] - (nicht zuletzt weil Paracetamol frei verkäuflich ist, und der Barbiturat-verschreibende Arzt oft garnichts von der gleichzeitigen Einnahme wusste. Leider wurden die Patienten i. d. R. auch nicht über diese Gefahr aufgeklärt). Es sind zahlreiche Fälle von akutem [[Leberversagen]] bekannt, bei dem die Patienten nur je ''eine Pille'' von beidem eingenommen hatten. Bei höherer Dosierung von Paracetamol & gleichzeitig eingenommenem Barbiturat ist der Verlust des ganzen Organs fast unausweichlich. Bis Barbiturate gegen Ende des vergangenen Milleniums (Mitte-Ende der 1990er) fast vollständig (bis auf das schwach- aber lang-wirkende [[Phenobarbital]]) durch die wesentlich sichereren [[Benzodiazepine]] ersetzt wurden, waren akutes [[Leberversagen]] und hepatische [[Nekrosen]] keine Seltenheit - was letztenendes neben dem Risiko an Atemlähmung zu sterben und der Suchtgefahr für die Verbannung in die [[BtMVV]] sorgte, zumal fast alle [[Indikation]]en ebensogut mit [[Benzodiazepine]]n therapiert werden können. [[http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2425606/pdf/postmedj00233-0062.pdf]]


=== Substanzen ===
=== Substanzen ===

Version vom 4. März 2011, 21:10 Uhr

Barbiturate sind Derivate der Barbitursäure, allerdings keine Salze oder Ester, wie der Name suggeriert. Die meist aliphatischen Substituenten sind gewöhnlich am C5 der Barbitursäure zu finden. Barbitursäure wurde erstmals 1864 von Adolf von Baeyer hergestellt.[1] Barbitursäurederivate waren für viele Jahrzehnte die Schlafmittel schlechthin; das erste Barbiturat mit schlafanstoßender Wirkung (Barbital) wurde bereits 1903 von Emil Fischer synthetisiert.[2] Seit 1992 sind sie in Deutschland und der Schweiz als solche nicht mehr zugelassen, und unterliegen in Deutschland – bis auf einige Ausnahmen – der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV).

Das Barbitursäurederivat Thiopental wird heutzutage bei der intravenösen Einleitung einer Vollnarkose beim unkomplizierten Patienten als Alternative zu Propofol verwendet.

Ferner werden Barbiturate vereinzelt als Puffer (Barbital-Acetat-Puffer) in der Biochemie verwendet.

Wirkung

Barbiturate wirken als volle Agonisten am GABAA-Rezeptor. Sie können als funktionelle Antagonisten bei konvulsiv wirkenden Substanzen wie DDT, Strychnin, Aminophenazon, Pentetrazol und Bemegrid eingesetzt werden, jedoch nicht bei der Tetanusintoxikation. Die antagonistische Wirkung hängt dabei in hohem Maße von der Lipophilie der Substanzen ab.[3]

Klinisch höchst relevant ist die Tatsache, dass Barbiturate den über CO2-Chemorezeptoren vermittelten Atemantrieb inhibieren und somit die Atemtätigkeit nur noch über die viel geringer wirksamen O2-Chemosensoren stimuliert wird. Daher ist es strikt kontraindiziert bei einer Barbituratvergiftung den Patienten mit zusätzlichem Sauerstoff zu versorgen, da dies den Atemstillstand zur Folge hätte.

Schnell wirksame Barbiturate werden in den USA in Kombination mit anderen Medikamenten auch zur Hinrichtung mittels Injektion verwendet.

Folgende Auflistung bezieht sich nur begrenzt auf die Verwendung von Barbituraten zur Narkoseeinleitung. Siehe dazu Thiopental.

Nachteile

  1. Barbiturate besitzen eine geringe therapeutische Breite, so dass bei Überdosierung die Gefahr einer zentralen Atemlähmung besteht. Des Weiteren ist ein Kreislaufversagen (mit Abnahme der Nierenleistung bis zur Anurie) möglich.
  2. Es steht kein spezifisches Gegenmittel bei einer unbeabsichtigten oder beabsichtigten Überdosierung (siehe Suizid) zur Verfügung.
  3. Barbiturate können schon nach kurzem regelmäßigem Gebrauch eine starke körperliche und psychische Abhängigkeit hervorrufen.
  4. Bei empfänglichen Patienten besteht die Gefahr, dass diese eine Abhängigkeit entwickeln, die der durch Alkohol bedingten ähnlich ist und die schwere körperliche und psychische Folgen entwickeln kann. Bei plötzlichem Entzug kann dabei ein Delirium tremens auftreten.
  5. Der REM-Schlaf wird (ebenso wie das Stadium 4 des Non-REM-Schlafs) deutlich verkürzt.
  6. Die durch Barbiturate in den ersten Nächten der Einnahme verlängerte Gesamtschlafdauer wird durch Toleranzentwicklung binnen kurzer Zeit - meist 8-10 Tagen - wieder auf den Ausgangswert und sogar darunter reduziert.

Vorteile

Die Vorteile der Barbiturate sind demgegenüber verschwindend gering, so dass sie von den neueren schlafanstoßenden Medikamenten verdrängt wurden. Barbiturate wirken gegenüber Benzodiazepinen allerdings nicht nur schlafanstoßend, sondern schlaferzwingend, so dass sie in sehr seltenen Ausnahmesituationen im zulassungsüberschreitenden Einsatz bei ansonsten nicht beherrschbaren Schlafstörungen eingesetzt werden. Auch in der Epilepsiebehandlung sind Barbiturate noch heute unverzichtbar, wenn auch nur als Medikamente meist zweiter oder gar dritter Wahl fungierend. Sie stellen dort eine Therapieoption für solche Patienten dar, die nicht oder nur unzureichend auf die standardmäßigen Therapeutika angesprochen haben. Der Wirkstoff Phenobarbital hat auch in Deutschland weiterhin seinen festen Platz und wird als Fertigarzneimittel von verschiedenen Pharmaherstellern vertrieben.

Übersicht

Der zentrale, sechsgliedrige Barbitursäurering ist bei den verschiedenen Derivaten jeweils am 5. Ringatom zweifach substituiert (R1 und R2). Thiobarbiturate (z. B. Thialbarbital, Thiobarbital oder Thiopental) enthalten statt des Sauerstoff-Atoms am 2. C-Atom ein Schwefelatom.

Barbiturate
Name Struktur R1 R2 (Thio-)Barbiturat (O/S)
Barbitursäure Grundkörper der Barbiturate mit Nummerierung
Barbiturate

Grundkörper der Thiobarbiturate mit Nummerierung
Thiobarbiturate
–H –H O
Allobarbital –CH2–CH=CH2 –CH2–CH=CH2 O
Amobarbital –C2H5 –(CH2)2–CH(CH3)2 O
Barbital –C2H5 –C2H5 O
Butabarbital –C2H5 –CH(CH3)–C2H5 O
Butalbital –CH2–CH=CH2 –CH2–CH(CH3)2 O
Cyclobarbital –C2H5 –C6H9 (Cyclohexenyl-1) O
Heptabarbital –C2H5 –C7H11 (Cycloheptenyl-1) O
Pentobarbital –C2H5 –CH(CH3)–C3H7 O
Phenobarbital –C2H5 –C6H5 (Phenyl) O
Secobarbital –CH2–CH=CH2 –CH(CH3)–C3H7 O
Thialbarbital –CH2–CH=CH2 –C6H9 (Cyclohexenyl-1) S
Thiobarbital –C2H5 –C2H5 S
Thiopental –C2H5 –CH(CH3)–C3H7 S
Vinylbital –CH=CH2 –CH(CH3)–C3H7 O

Durch Veränderungen der chemischen Struktur wird nicht der schlafinduzierende Effekt insgesamt, sondern nur die Geschwindigkeit des Schlafeintritts und die Schlafdauer beeinflusst. Die agonistische Wirkung am GABA-Rezeptor wird dabei vorwiegend von der Lipophilie der Substanzen bestimmt; diese kann durch Einführung aromatischer Substituenten, Verlängerung der Kette oder Austausch eines Carbonyl-Sauerstoffatoms durch Schwefel verstärkt werden.[3]

Die Dialursäure, eine 5-Hydroxybarbitursäure, zersetzt sich an Luft zu Alloxantin, das zum Nachweis von Harnsäure und Xanthin dient (Murexid-Reaktion).

Die Herstellung erfolgt aus Harnstoff, dem von den Restgliedern R1, R2 abhängigen Malonsäureester und in Gegenwart eines Alkali-Alkoholats.


besondere Toxikologie bei Wechselwirkungen

Neben der direkten Gefahr von Atemlähmung und Suchterzeugung bei Überdosierung ist auch bei "bestimmungsgemässen Gebrauch" besondere Vorsicht geboten wenn neben Barbituraten zusätzlich noch Mittel eingenommen werden welche über die Cytochrom P450-Schiene metabolisiert werden. Da Barbiturate (ähnlich wie die Johanniskraut-Wirkstoffe Hypericin und Hyperforin) mehrere Suptypen des Cytochrom P450-Enzymsystems induzieren; was dazu führt dass Mittel die von diesen Enzymen metabolisiert werden, vielfach schneller abgebaut werden, wobei die Hepatozyten jedoch quasi "an Überarbeitung sterben" - (weil giftige Metabolite garnicht so schnell beseitigt werden können wie sie anfallen, und daher im Zytosol akkumulieren bis die Biochemie der Zelle "kippt" - wobei sie abstirbt). Diese oft ausgedehnten Nekrosen der Leber aufgrund dieser typischen Wechselwirkung sind ausgiebig erforscht und in der Fachliteratur beschrieben... Am gefährlichsten ist da die gleichzeitige Einahme von Paracetamol - (nicht zuletzt weil Paracetamol frei verkäuflich ist, und der Barbiturat-verschreibende Arzt oft garnichts von der gleichzeitigen Einnahme wusste. Leider wurden die Patienten i. d. R. auch nicht über diese Gefahr aufgeklärt). Es sind zahlreiche Fälle von akutem Leberversagen bekannt, bei dem die Patienten nur je eine Pille von beidem eingenommen hatten. Bei höherer Dosierung von Paracetamol & gleichzeitig eingenommenem Barbiturat ist der Verlust des ganzen Organs fast unausweichlich. Bis Barbiturate gegen Ende des vergangenen Milleniums (Mitte-Ende der 1990er) fast vollständig (bis auf das schwach- aber lang-wirkende Phenobarbital) durch die wesentlich sichereren Benzodiazepine ersetzt wurden, waren akutes Leberversagen und hepatische Nekrosen keine Seltenheit - was letztenendes neben dem Risiko an Atemlähmung zu sterben und der Suchtgefahr für die Verbannung in die BtMVV sorgte, zumal fast alle Indikationen ebensogut mit Benzodiazepinen therapiert werden können. [[1]]

Substanzen

Pentobarbital

Pentobarbital wird nicht mehr als Arzneistoff genutzt. Im Rahmen der Sterbehilfe in der Schweiz wird es jedoch beispielsweise durch die Sterbehilfeorganisationen EXIT und Dignitas verwendet. In der Tiermedizin wird der Wirkstoff zur Einschläferung von Tieren verwendet.

Phenobarbital

Phenobarbital wird unter den Handelsbezeichnungen Luminal und Luminaletten zur Behandlung von Erregungszuständen, Epilepsie und Spasmen – allerdings jeweils nicht als erste Wahl – eingesetzt.

Thiopental

Thiopental – 1932 erstmals synthetisiert – wird als ultrakurzwirksames Barbiturat zur Narkoseeinleitung verwendet.

Methohexital

Methohexital wird unter dem Handelsnamen Brevimytal als ultrakurzwirksames Barbiturat zur Narkoseeinleitung verwendet.[4]

Andere

Amobarbital, Allobarbital, Aprobarbital, Alphenal, Barbexaclon, Barbital, Brallobarbital, Butabarbital, Butalbital, Butobarbital, Butallylonal, Crotylbarbital, Cyclobarbital, Cyclopal, Ethallobarbital, Hexethal, Heptabarbital, Hexobarbital, Mephobarbital, Metharbital, Methylphenobarbital, Narcobarbital, Primidon, Probarbital, Propallylonal, Proxibarbal, Proxibarbital, Reposal, Secbutabarbital, Secobarbital, Somnifen, Talbutal, Thialbarbital, Thiamylal, Thiobarbital, Thiobutabarbital, Vinbarbital und Vinylbital sind nicht mehr als Medikament erhältlich.

Einzelnachweise

  1. Adolf Baeyer (1864): Untersuchungen über die Harnsäuregruppe. In: Justus Liebigs Annalen der Chemie. Bd. 131, Nr. 3, S. 291-302. doi:10.1002/jlac.18641310306
  2. E. Fischer & J. von Mering (1903): Über eine neue Klasse von Schlafmitteln. In: Therapie der Gegenwart. Bd. 44, S. 97-101.
  3. a b Thomas Geschwinde: Rauschdrogen: Marktformen und Wirkungsweisen. 5. Auflage, Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2007, ISBN 3-540-43542-5, S. 522
  4. http://www.druglib.com/druginfo/brevital/