Galgant-Gewürztraktat

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Galgant-Gewürztraktat ist die Bezeichnung für eine Sammlung von Drogen-Monographien. Ab dem 14. Jh. wurde der Galgant-Gewürztraktat mit Schwerpunkt im mittelniederländisch-mittelniederdeutschen, als auch im oberdeutschen Sprachraum sowohl in landessprachlicher als auch in lateinischer Version in Arzneibücher integriert.

Autor[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Autor ist bis heute nicht zu bestimmen. Für die lateinische Version wurde fälschlich als Autor der dänische Kanoniker Henrik Harpestræng oder ein (möglicherweise niemals real existierender) Klerikerarzt des 13. oder frühen 14. Jahrhunderts namens Magister „Alexander Hispanus“ vermutet.[1][2][3][4][5][6][7]

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abbildungen der Nelkenwurz und der Engelwurz im Kräuterbuch des Vitus Auslasser 1479

Ohne Vor- und Nachwort wurden im Galgant-Gewürztraktat bis zu 50 Drogenmonographien aneinandergereiht. Die einzelnen Monographien wurden meist von einer kurzen Charakterisierung der behandelten Droge nach den Kriterien der Humorallehre (heiß/kalt – feucht/trocken) eingeleitet. Es folgte eine Aufzählung von Indikationen, die sich überwiegend aus den bis zum 14. Jh. bekannten Werken der Kräuterheilkunde speiste. Meist wurde folgende Reihenfolge der Monographien eingehalten, wobei deren Anzahl von Manuskript zu Manuskript schwankte:

GalganumCynäberMuscatum, MuscatCariofilus, NargelCynamo, CymeinumZytberPiper, PfefferLauribaca, LorwerAlleum, ChloblauchSynapis, SanifCepe, ZwivalPorrum, LauchPapaver, MagenEnula, AlantRhaphanus maior, RettichRaphanus minor, ChrenRapula, RubenCaseus siccus et durus, ChasOva dura, AyerMylium, HirschPisa, ArbeisFaba, PonCanapum, HanfRosaFiola, VyolSalviaRuta, RutenYsopus, Ysop … Petrosilinum, PetersilArtemisia, Pesmalten, PuggelAbsinthium, WermutUrtica minor, klain NesselMarrubium, AndorAbrotanum, AbruntenOriganum, WolgemudPulegium, PolayVerbena, EisenchrautWegwartMille folium, WuntchrautPlantago, WegerichBenedicta ruffa … Benedicta alba … Angelica, des hailgen gaistes WurtzPimpinella, PipernellBetonica, PatonigSerpentina, Nater WurczMalva, PapelMentu, DyementeLactuca, LatuchAgrimonia.

Im Galgant-Gewürztraktat erstmals behandelt wurden die Drogen: „Benedicta ruffa“, „Benedicta alba“ und „Angelica, des hailigen gaistes Wurtz“. „Benedicta ruffa“ lässt sich als Echte Nelkenwurz deuten.[8][9] Die Bedeutung von „Benedicta alba“ ist unsicher. „Angelica, des hailigen gaistes Wurtz“ ist Engelwurz. Die Engelwurz wächst nur nördlich der Alpen. In den nordeuropäischen Kräutermanuskripten des Mittelalters, die sich auf Autoritäten aus dem Mittelmeerraum beriefen, fehlte die Droge bis zum Erscheinen des Galgant-Gewürztraktats.

Angelica in einem lateinischen Galgant-Gewürztraktat. (Madrid. Biblioteca nacional, Handschrift 8769, 14. Jh.)[10] Angelica in einem alemannischen Galgant-Gewürztraktat. (Heidelberg. Cpg 620. Südwestdeutschland, 15. Jh. Blatt 92v-93r.)[11]
Angelica est radix optima, que multum valet contra incantationes. Quicumque eam secum portaverit. Item in mane sumpta vino vel cibo, venenum eicit et defendit. Item valet eciam contusa et decocta cum favo contra morsum canis rabidi, si supra vulnus ligata fuerit. Item valet eciam contra lassitudinem et fatigacionem itineris et contra vomitum, si comesta fuerit. Angelica ist ein edle wurtz wann wer sÿ peÿ im trät oder neusset dem mag kain zaubernuß nit geschaden. Sie ist auch güt für alle vergift wenn man si nüsset mit wein. Si rainiget auch die prust von aller stinckenten fäwthikait und hailt der wütenden hunt pis wenn man sy mit hönig stösset und über den pÿß leget. Si macht lustig cze essen und vertreibt die undäung.
Abbildung zum Kapitel „Angelica-Wasser“ im Kleinen Destillierbuch unter Verwendung eines Holzschnittes von Meum aus einem Hortus sanitatis

Erst im 1500 erschienen Kleinen Destillierbuch des Hieronymus Brunschwig fand die Engelwurz ihren Weg auch in die gedruckten Kräuterbücher. Brunschwig übernahm die im Angelica-Kapitel des Galgant-Gewürztraktats angegebenen Indikationen. Er suchte bei den „Alten“ ein Kraut, das in Aussehen und Wirkung der Engelwurz ähnelte. Er fand es in der "meister würtz von den latinschen genant ostrici". Die Meisterwurz wuchs, und wächst noch heute, sowohl südlich als auch nördlich der Alpen. In den Werken der „Alten“ (Dioskurides, Plinius …) wurde sie ausführlich behandelt.[12]

„Angelica wasser vom krut keyn alter philo[so]phus schriben ist / darumb syn latinscher namen von den tütschen in übung ist angelica. Aber in tütscher zungen genant des heiligen geists wurtzlen von vilen brust wurtz / darumb dz es überflüssig d brust bequem ist / vnd ist ein geschlecht der meister würtz von den latinschen genant ostrici. Aber angelica geschlecht ist zweyerley / wild vnd zam / krut vnd stengel in der leng ii. ellenbogen hoch. dz wild von den tütschen bůchalter genant. […]“

Hieronymus Brunschwig: Kleines Destillierbuch, Straßburg 1500, Blatt 20r[13]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Paul Hauberg: Henrik Harpestræng, Liber herbarum. Kopenhagen 1936.
  2. Karl Sudhoff: Alexander Hispanus und das Schriftwerk unter seinem Namen. Ein erstes Wort über ihn und Bekanntgabe seiner medizinischen Schriften. In: Sudhoffs Archiv. Band 29, 1936, S. 289–312, und Band 30, 1937, S. 1–25.
  3. Gundolf Keil: Henrik Harpestræng. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2. Auflage. Band 3, Sp. 476–479.
  4. Ute Mauch: Ein mittelalterliches Kräuterbuch aus dem 14. Jahrhundert, eine neue Version des lateinischen Macer? In: Gesnerus. Band 63, 2006, S. 181–208, hier: S. 190.
  5. Gundolf Keil: Hispanus, Alexanser. In: Verfasserlexikon. 2. Auflage. Band 4, Sp. 53–58.
  6. Ute Mauch: Beschreibung des Kodex Mss/8769 der Bibliotheca National in Madrid und Notizen zum „Melleus liquor physicae artis magistri Alexandri Yspani“. In: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen. Band 2/3, 2006/2007 (2008), S. 59–80.
  7. Bernhard Schnell, William Crossgrove: Der deutsche Macer. Vulgatfassung. Mit einem Abdruck des lateinischen Macer floridus „De viribus herbarum“. Kritisch herausgegeben. Niemeyer, Tübingen 2003, S. 150–153.
  8. Promptuarium medicinae. Lübeck 1483, Blatt 7: „Benedicta wortele nicht dat krud to artzedigē [Benedicta-Wurzel nicht das Kraut zur Arznei]. Negelken krud groffeliatē pes leporinus Salua mundi …“ Staatsbibliothek Berlin
  9. Hermann Fischer. Mittelalterliche Pflanzenkunde. Verlag der Münchner Drucke, München 1929, S. 270: Geum urbanum … benedicta (Hildegard-von-Bingen-Handschriften Physica-Handschrift, Paris Cod. 6952, 15. Jh. (1425–1450); Buch I, Kapitel 163. Charles Victor Daremberg und Friedrich Anton Reuß. S. Hildegardis Abbatissae Subtilitatum Diversarum Naturarum Creaturarum Libri Novem. Migne, Paris 1855. Sp. 1192 Bayerische Staatsbibliothek) … sanamunda, negeleinkraut (… Gart der Gesundheit Cap. 179: Filla benedictenwortz Cap. 205: Gariofillata, negelyn krut oder benedicta) pes leporis, cariofilata gariofilata (Gloss.) … benedicta rubea (Vitus Auslasser Clm 5905, Blatt 153r Bayerische Staatsbibliothek).
  10. Nach: Karl Sudhoff. Alexander Hispanus und das Schriftwerk unter seinem Namen. Ein erstes Wort über ihn und Bekanntgabe seiner medizinischen Schriften. In: Sudhoffs Archiv. 30, Band 1937, S. 4.
  11. Heidelberg. Cpg 620, Blatt 92v
  12. Johannes Gottfried Mayer: Die ersten gedruckten Kräuterbücher und das Angelika-Wasser der Donaueschinger Taulerhandschrift. In: Würzburger Fachprosa-Studien. Königshausen & Neumann, Würzburg 1995, S. 156–177. Aszetische Sammelhandschrift. Zürich 4. Viertel 15. Jh. Karlsruhe, Landesbibliothek Cod. Donaueschingen 293, Blatt 1r
  13. Hieronymus Brunschwig. Kleines Destillierbuch. Straßburg 1500, Blatt 20r-20v Bayerische Staatsbibliothek Digitalisat

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weitere Textzeugen in: Willem F. Daems, Gundolf Keil: Henrik Harpestraengs „Latinske Urtebog“ in den mittelalterlichen Niederlanden. Mit einem Verzeichnis altdeutscher „Urtebog“-Überlieferungen. In: Fachprosa-Studien. Beiträge zur mittelalterlichen Wissenschaftsgeschichte. Erich Schmidt Verlag, Berlin 1982, S. 396–416. Siehe auch Gundolf Keil: Randnotizen zum „Stockholmer Arzneibuch“. In: Studia neophilologica. Band 44, Nr. 2, 1972, S. 238–262, hier: S. 250 f.