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Goethe- und Schiller-Archiv

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Goethe- und Schiller-Archiv
Gesamtansicht
Das Goethe- und Schiller-Archiv am östlichen Ufer der Ilm in der Jenaer Straße 1

Gründung 1885
Bibliothekstyp Literaturarchiv
Ort Weimar Welt-IconKoordinaten: 50° 58′ 59,1″ N, 11° 20′ 1,6″ O
ISIL DE-2060
Betreiber Klassik Stiftung Weimar
Website https://www.klassik-stiftung.de/goethe-und-schiller-archiv
Das Goethe-Schiller-Archiv in Weimar, entstanden auf Initiative der Großherzogin Sophie – Vorder-Ansicht des mittleren und rechten Gebäudeteils (2014)
Innenraum mit Vitrinen
Original-Handschrift von Schillers „Demetrius“ (Erster Akt)
Eingangstor zum Goethe-Schiller-Archiv in Weimar (2014)

Das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar ist das älteste und traditionsreichste Literaturarchiv Deutschlands. Es wurde 1885 von Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach zunächst als Goethe-Archiv gegründet. Nach der Übernahme des Nachlasses von Friedrich Schiller wurde es 1889 zum Goethe- und Schiller-Archiv. Das Archiv befindet sich in einem repräsentativen Gebäude, das die Großherzogin errichten ließ und am 28. Juni 1896 feierlich einweihte.

Bereits in den ersten Jahren erwarb das Archiv zahlreiche Nachlässe aus der Weimarer Klassik und dem 19. Jahrhundert. Heute ist es eine Fachdirektion der Klassik Stiftung Weimar und verfügt über 130 persönliche Archivbestände, 14 Archive von Verlagen und Vereinen und eine Autographensammlung von mehr als 3000 Autoren. Damit gehört es zu den wichtigsten Sammlungen der deutschen Literaturgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts. Der Nachlass Goethes zählt seit 2001 zum Weltdokumentenerbe.[1]

Am 15. April 1885 starb Goethes letzter Enkel, Walther Wolfgang von Goethe. In seinem Testament hatte er das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach als Erben des Weimarer Immobilienbesitzes und der Sammlungen seines Großvaters eingesetzt; das handschriftliche Archiv Goethes hingegen sollte in den Privatbesitz der Großherzogin Sophie übergehen. Die Großherzogin gründete noch im selben Jahr das Goethe-Archiv.[2] Im Jahre 1889 erhielt das Archiv Schillers Nachlass als Stiftung von Schillers Enkel Ludwig von Gleichen-Rußwurm und dessen Sohn Alexander von Gleichen-Rußwurm. Seitdem heißt es „Goethe- und Schiller-Archiv“. Ab 1893 ließ die Großherzogin das stattliche Archivgebäude als Sammlungs- und Forschungsstätte errichten, in dem sich das Archiv noch heute befindet, und weihte es am 28. Juni 1896 ein.[1]

Der Archivbestand wuchs rasch, an der Erwerbung weiterer Nachlässe beteiligte sich neben der großherzoglichen Schatulle auch die 1885 gegründete Goethe-Gesellschaft. Im Jahr 1914 verfügte das Archiv bereits über 35 persönliche Nachlässe, darunter aus der Epoche der Weimarer Klassik die Nachlässe von Johann Gottfried Herder, Christoph Martin Wieland, Karl Ludwig von Knebel, Friedrich Wilhelm Riemer, Kanzler von Müller, Johann Heinrich Meyer, Friedrich Justin Bertuch, aber auch Nachlässe aus dem 19. Jahrhundert von Ferdinand Freiligrath, Karl Immermann, Otto Ludwig, Fritz Reuter und Friedrich Hebbel.[1]

Wichtigste Arbeitsaufgabe des Archivs in den ersten Jahrzehnten war die von der Großherzogin Sophie initiierte und geförderte Sophien-Ausgabe von Goethes Werken, der ersten historisch-kritischen Gesamtausgabe. Sie konnte dafür die bedeutendsten Literaturwissenschaftler ihrer Zeit gewinnen, unter ihnen Gustav von Loeper, Wilhelm Scherer und Erich Schmidt, der erste Direktor des Archivs. Insgesamt arbeiteten etwa 60 Forscher an den 143 Bänden, die zwischen 1887 und 1919 erschienen.

In der Weimarer Republik stagnierte die Arbeit an den Archivbeständen, und das Archiv wurde kaum erweitert. 1924 kam lediglich der Nachlass Georg Büchners als Geschenk Anton Kippenbergs dazu. Von 1925 bis 1947 wurde der Haushalt des Archivs zu 48 % vom Lande Thüringen, zu 32 % von der fürstlichen Schatullverwaltung und zu 20 % von der Goethe-Gesellschaft bestritten; diese Instanzen bildeten die Verwaltungsgemeinschaft für das Archiv. In den 1950er Jahren gelangten die Nachlässe von Franz Liszt und Friedrich Nietzsche in das Archiv. Weitere Nachlässe (vor allem von Wissenschaftlern) wurden in den 1960er Jahren aus den Beständen der ehemaligen Thüringischen Landesbibliothek hinzugewonnen, außerdem wurden die Bestände des Archivs mit dem Thüringischen Hauptstaatsarchiv abgeglichen.[1]

Archivbestände

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Das Goethe- und Schiller-Archiv besitzt und verwaltet heute über 150 persönliche Archivbestände, hauptsächlich Nachlässe und Familienarchive von Schriftstellern, Gelehrten, Philosophen, Komponisten und bildenden Künstlern. Zudem beherbergt das Archiv 14 Bestände institutioneller Herkunft (Vereine, Verlage etc.) sowie eine umfangreiche Autographensammlung, in der ca. 3000 Autoren vertreten sind.[3]

Die Nachlässe stammen unter anderem von Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich von Schiller, Christoph Martin Wieland, Johann Gottfried Herder, Ludwig Achim von Arnim, Bettina von Arnim, Leopold Schefer, Karl Immermann, Ferdinand Freiligrath, Fritz Reuter, Otto Ludwig, Friedrich Hebbel, Georg Büchner, Gustav Freytag, Karl Ludwig von Knebel, Karl Friedrich Zelter, Gerhard von Keußler, Friedrich Wilhelm Riemer, Johann Heinrich Meyer, Friedrich Justin Bertuch, Franz Liszt und Friedrich Nietzsche.

Zu den wertvollsten Archivstücken des Hauses zählen die Original-Handschriften von Goethes „Faust“ und Schillers „Demetrius“. Des Weiteren betreut das Archiv Bestände des Allgemeinen Deutschen Musikvereins, der Deutschen Schiller-Stiftung, der Goethe-Gesellschaft und des Insel Verlags Leipzig (bis 1950).

Aufgrund seines Bestandsprofils hat das Archiv den Charakter eines zentralen Archivs der deutschsprachigen Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts.

Untergebracht ist das Archiv in einem Gebäude, das im Jahre 1892 kurz nach dem Tod des letzten Goethe-Enkels Walther Wolfgang von Goethe von Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach in Auftrag gegeben wurde – dieser hatte in seinem Testament die Großherzogin zur Allein-Erbin des schriftlichen Goethe-Nachlasses bestimmt. Nach dem Vorbild des Petit Trianon, eines frühklassizistischen Lustschlosses im Park von Schloss Versailles, wurde der Archivbau zwischen 1893 und 1896 in einem parkähnlichen Gelände nahe der Ilm nach Entwürfen des Architekten Otto Minckert (1845–1900) errichtet. Bauleiter war der Maurermeister Max Hickethier.[4] Die Großherzogin bestritt die geschätzten Baukosten von 400.000 Mark hauptsächlich aus ihrem Privatvermögen. Als reiner Zweckbau in einer Mischung aus Literaturarchiv und Museum sollte es die unersetzlichen Unikate der großen Dichter und Denker beherbergen. Der Lagerraum war begrenzt, weil im Keller ein Kohlenspeicher vorgesehen war und im Parterre eine Hauswartwohnung eingerichtet wurde. Das Archivgebäude wurde am 28. Juni 1896 feierlich eingeweiht.

Nach fast 120 Jahren ohne wesentliche Eingriffe in die originale Bausubstanz wurde das Archiv im Juli 2012 nach knapp vierjähriger Grundsanierung wiedereröffnet. Durch einen Erweiterungsbau sind neue Magazin- und Büroflächen entstanden, im Obergeschoss wurden Werkstätten für Restaurierung und Digitalisierung eingerichtet. Ein neuer Eingangsbereich, neue Lesesäle und ein Konferenz- und Vortragsraum sind entstanden. Die Hauptnutzfläche wurde um ca. 600 m² erweitert. Nach Ende der Bauarbeiten entsprach dies einer Raumreserve von rund 30 Prozent für künftige Erweiterungen der Bestände.[5] Der Bereich der Beletage ist im Zuge der Sanierung in Farbe, Form und Gestaltung der ursprünglichen Fassung wieder deutlich näher gerückt. Im Mittelsaal der Beletage werden wieder Ausstellungen gezeigt.

  • Von 1890 bis 1897 war Rudolf Steiner Mitarbeiter des Archivs.[7]
  • Anfang 2016 wurde die ehemalige Hans-Wahl-Straße in „Über dem Kegeltor“ umbenannt. Die Straße war 1949 nach dem Literaturhistoriker benannt worden. Neueren Forschungen zufolge war Hans Wahl jedoch ein Antidemokrat und Antisemit, was in der Folge zu Diskussionen geführt hatte.[8]

(chronologisch geordnet)

  • Ludwig Raschdau: In Weimar als preußischer Gesandter 1894–1897. Ein Buch der Erinnerungen an deutsche Fürstenhöfe. Mittler, Berlin 1939, DNB 575719532, S. 37–38, 78–79.
  • Jutta Hecker: Max Hecker oder Ein Leben für das Goethe- und Schiller-Archiv . In: Jutta Hecker: Wunder des Worts – Leben im Banne Goethes. Verlag der Nation, Berlin 1989, ISBN 3-373-00322-9, S. 82–101.
  • Carel ter Haar: Grossherzogin Sophie, eine niederländische Königstochter verwaltet Goethes Erbe. Königlich-Niederländische Botschaft, Bonn 1993, DNB 940038269.
  • Thüringer Archivarverband (Hrsg.): Lebensbilder Thüringer Archivare. Thüringer Archivarverband, Rudolstadt 2001, ISBN 3-00-007914-9.
  • Verena Wißmann (Hrsg.): Schatzhaus der deutschen Literatur. Das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar. Klassik Stiftung Weimar, Weimar 2010, DNB 1052435858 (PDF).
  • Karin Ellermann: Weimar den Vorzug zu sichern ... – Aus der Geschichte des Goethe- und Schiller-Archivs von 1885 bis 1945. Sutton, Erfurt 2011, ISBN 978-3-86680-843-0.
  • Bernhard Fischer und Gabriele Klunkert / Klassik-Stiftung Weimar (Hg.): Goethe- und Schiller-Archiv. Klassik-Stiftung Weimar, Weimar 2012, ISBN 978-3-7443-0153-4.
  • Paul Kahl: Die Weimarer Museen. Ein erinnerungskulturelles Handbuch. Sandstein, Dresden 2022, ISBN 978-3-95498-635-4, S. 83–87.
Commons: Goethe- und Schiller-Archiv – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. a b c d Archivportal Thüring: Geschichte des Goethe- und Schiller-Archivs, abgerufen am 24. Oktober 2025
  2. Dieter Borchmeyer: Goethe im Widerspiel von »Nationalitäts-Wahnsinn« und »ökumenischer Internationalität«. Stationen in der Geschichte der Goethe-Gesellschaft. In: Goethe-Jahrbuch. Band 127, 2010, S. 82--94 hier S. 82--83 (online).
  3. Das Archiv, Klassik Stiftung Weimar, 24. Januar 2025.
  4. Jochen Golz: Das Goethe- und Schiller-Archiv, 1896-1996: Beiträge aus dem ältesten deutschen Literaturarchiv, Böhlau, Weimar 1996, S. 122 und S. 128.
  5. Roman Bucheli: Eine Sommerhose für Fritzchen. In Weimar ist das Goethe- und Schiller-Archiv nach umfangreichen Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten wiedereröffnet worden. In: Neue Zürcher Zeitung. Nr. 163. Zürich 16. Juli 2012, S. 29.
  6. Frankfurter Allgemeine vom 28. Mai 2024: Goethe- und Schiller-Archiv hat wieder offiziellen Direktor (dpa), abgerufen am 29. Mai 2024
  7. Jutta Hecker: Wunder des Worts. Leben im Banne Goethes. Berlin 1989, ISBN 3-373-00322-9.
  8. Susanne Seide: Die Hans-Wahl-Straße heißt künftig Über dem Kegeltore. In: Thueringer-Allgemeine.de. 29. Januar 2016, abgerufen am 24. Dezember 2022.