Präsidentschaftswahl in Indien 2002

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Die Präsidentschaftswahl in Indien 2002 fand am 15. Juli 2002 statt. Es war die zwölfte Wahl des Staatspräsidenten in Indien seit der Unabhängigkeit. Mit großer Mehrheit wurde der parteilose A. P. J. Abdul Kalam gewählt.

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Amtszeit des 1997 gewählten Präsidenten K. R. Narayanan (Kongresspartei) ging am 24. Juli 2002 zu Ende.[1] Im Wahlkollegium (Electoral College), das nach der indischen Verfassung den Präsidenten wählt, bestanden zu dieser Zeit keine klaren Mehrheitsverhältnisse. Die BJP mit der von ihr geführten Parteienkoalition der National Democratic Alliance (NDA) hatte jedoch zusammen mit den der Regierung nahestehenden Parteien Telugu Desam, AIADMK, Nationalist Congress Party und Bahujan Samaj Party geringfügig mehr Stimmen als Kongresspartei, Samajwadi Party, Rashtriya Janata Dal, die Linksparteien und andere kleinere Parteien zusammengenommen.[2]

Der mittlerweile 82-jährige Narayanan ließ durchblicken, dass er auch für eine zweite Amtsperiode bereit stünde. Er fand dafür zunächst auch bei der Kongresspartei, den kommunistischen Parteien und einzelnen Politikern, wie dem ehemaligen Premierminister V. P. Singh Unterstützung.[3][4] Premierminister Vajpayee (BJP) schloss am 30. Mai 2002 öffentlich eine zweite Amtsperiode Narayanans aus.[5] Ein dabei vorgebrachtes Argument war, dass in den letzten 3 Jahrzehnten nie ein Präsident zwei Amtsperioden hintereinander amtiert hatte und Narayan ja schon vor seiner Präsidentschaft von 1992 bis 1997 Vizepräsident gewesen sei. Die Oppositionsparteien und auch Narayanan selbst mutmaßten, dass das BJP-Establishment den wenig geschätzten Dalit-Präsidenten loswerden wollte.[6] Danach brachten sich auf Seiten der NDA verschiedene Politiker als Kandidaten ins Gespräch, so u. a. Farooq Abdullah, der Parteipräsident der National Conference aus Jammu und Kashmir (was auf Widerstand von Shiv Sena stieß), der Gouverneur von Maharashtra P. C. Alexander, als anfänglicher BJP-Kandidat (der von der Kongresspartei abgelehnt wurde),[2] der bisherige Vizepräsident Krishan Kant, der danach zum BJP-Kandidaten wurde,[7] und weitere Personen. Am 10. Juni 2002 teilte Vajpayee der Führerin der Kongresspartei Sonia Gandhi mit, dass die NDA A. P. J. Abdul Kalam zum Kandidaten nominieren wolle. Kalam war parteilos und kein Politiker, sondern Wissenschaftler bzw. Techniker. Er war in der indischen Öffentlichkeit jedoch gut bekannt und populär, da er als Luftfahrt- und Raketentechniker an zentraler Stelle bei der Entwicklung von ballistischen Mittelstreckenraketen, die auch mit Atomsprengköpfen bestückt werden konnten, beigetragen hatte. Er, der „missile man“, galt als Vater des indischen Raketenprogramms.

Der Vorschlag Vajpayees stieß sogleich auf Zustimmung im hindunationalistischen Lager (Sangh Parivar, Shiv Sena, BJP).[8] Am Folgetag nach der Ankündigungs Vajpayees sprachen sich auch Telugu Desam, die Nationalist Congress Party und die Samajwadi Party für Kalam aus.[9][10][11] Nach diesen Entwicklungen ließ Präsident Narayanan verlautbaren, dass er keine zweite Amtsperiode mehr anstreben wolle.[12] Am 13. Juni 2002 erklärten auch die mit der Kongresspartei alliierte Rashtriya Janata Dal und die Kongresspartei selbst ihre Unterstützung Kalams.[13][14]

Die Regierungsparteien forderten die Parteien der Left Front auf, sich hinter den gemeinsamen Konsens-Kandidaten Kalam zu scharen. In einer gemeinsamen Stellungnahme am 12. Juni 2002 erklärten die beiden kommunistischen Parteien CPM und CPI, sowie der Forward Bloc (AIFB) und die RSP, dass sie Abdul Kalam nicht unterstützen wollten.[15] Kalam biete nicht genügend Gewähr, als Hüter der Verfassung aufzutreten; ihm fehle auch die politische Erfahrung. Stattdessen stellten die genannten Parteien am 14. Juni 2002 Lakshmi Sahgal als ihre gemeinsame Kandidatin für die Präsidentschaft der Öffentlichkeit vor.[16] Die schon 87-jährige Sahgal war eine promovierte Ärztin, die zur Zeit Britisch-Indiens an der indischen Befreiungsbewegung teilgenommen hatte und als Frau im militärischen Rang eines Colonel 1943 bis 1945 in der in indischen Befreiungsarmee unter Netaji Subhash Chandra Bose gekämpft hatte bzw. im Sanitätsdienst tätig gewesen war. Nach kurzer Kriegsgefangenschaft hatte sie begonnen, als Ärztin zu praktizieren und hatte sich dabei vor allem für die Minderbemittelten eingesetzt. In ganz Indien genoss sie erhebliches Ansehen. Letztlich wurde Lakshmi Sahgal bei der Wahl durch CPM, CPI, AIFB, RSP sowie durch die Janata Dal (Secular) unterstützt.[17]

Wahlablauf und -ergebnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Stimmgewichte im Wahlkollegium waren auf Basis der Volkszählung von 1971 festgelegt worden. Das Wahlkollegium bestand aus den 543 gewählten Mitgliedern der Lok Sabha und den 233 indirekt gewählten Mitgliedern der Rajya Sabha, die jeweils ein Stimmgewicht von 708 hatten, während sich das Stimmgewicht der 4.120 Abgeordneten aus den 28 Bundesstaaten und zwei Unionsterritorien Delhi und Pondicherry zwischen 7 (Sikkim) und 208 (Uttar Pradesh) bewegte. Insgesamt umfasste das Wahlkollegium 4.896 Abgeordnete.[1]

Die Ankündigung der Wahltermine erfolgte am 11. Juni 2002. Kandidatenvorschläge konnten bis zum 25. Juni 2002 eingereicht werden. Am 26. Juni 2002 wurde über die Zulassung der nominierten Kandidaten entschieden, die ihre Kandidatur noch bis zum 28. Juni 2002 zurückziehen konnten. Nur Kalam und Sahgal wurden zur Wahl zugelassen, da alle anderen Kandidatennominierungen formale Fehler aufwiesen (z. B. Nicht-Bezahlung der Gebühr, Nicht-Beglaubigung, keine ausreichende Zahl von Unterstützern etc.). Die Wahl fand am 15. Juli 2002 statt und am 18. Juli 2002 erfolgte die Stimmenauszählung.[1]

4.785 Abgeordnete gaben ihre Stimme ab, was einer Wahlbeteiligung von 97,7 % entsprach. 174 Stimmen (0,6 %) waren ungültig.[18]

Mehrheiten nach Bundesstaaten:
Abdul Kalam
Lakshmi Sahgal

Die Wahl wurde erwartungsgemäß von Kalam mit weitem Vorsprung gewonnen. Kalam erhielt 922.884 gewichtete Stimmen (89,58 %) von 1.030.250 und Sahgal erhielt 107.366 (10,42 %). Kalam bekam in allen Bundesstaaten und Unionsterritorien außer Westbengalen und Tripura die Stimmenmehrheit. Sahgal erhielt in 6 Staaten – Haryana, Arunachal Pradesh, Chhattisgarh, Mizoram, Nagaland und Sikkim – und dem Unionsterritorium Pondicherry keine einzige Stimme, konnte aber in den 3 Staaten Westbengalen, Kerala und Tripura, den Hochburgen der Kommunisten, praktisch alle Stimmen der Parteien gewinnen, die zugesagt hatten, sie zu unterstützen. Insgesamt erhielt sie etwa 17.000 gewichtete Stimmen mehr, als rein numerisch von den sie unterstützenden Parteien zu erwarten gewesen wären.[18]

Wegen der relativ hohen Zahl der ungültigen Stimmen (alleine 42 aus Lok Sabha und Rajya Sabha) wurde spekuliert, dass dies ein Ausdruck der Unzufriedenheit mit dem Kandidaten innerhalb des NDA-Parteienbündnisses gewesen sei. Abdul Kalam sei der ideologischen Fraktion innerhalb der BJP zu gemäßigt erschienen und diese habe aus Protest ungültig abgestimmt.[17]

Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse nach Bundesstaaten.[19]

Abgeordnete Stimm-
gewicht
Stimmen
(gesamt)
Gewichtete
Stimmen
(gesamt)
Stimmen für
Abdul Kalam
Stimmen für
Lakshmi Sahgal
Ungültige
Stimmen
Gültige
Stimmen
Parlament Zahl Zahl gewichtet Zahl gewichtet Zahl gewichtet Zahl gewichtet
Lok Sabha und
Rajya Sabha
776 708 760 538.080 638 451.704 80 56.640 42 29.736 718 508.344
Andhra Pradesh 294 148 283 41.884 264 39.072 2 296 17 2.516 266 39.368
Arunachal Pradesh 60 8 57 456 57 456 0 0 0 0 57 456
Assam 126 116 119 13.804 113 13.108 1 116 5 580 114 13.224
Bihar 243 173 234 40.482 215 37.195 17 2.941 2 346 232 40.136
Chhattisgarh 90 129 90 11.610 85 10.965 0 0 5 645 85 10.965
Goa 40 20 39 780 34 680 3 60 2 40 37 740
Gujarat 182 147 179 26.313 174 25.578 2 294 3 441 176 25.872
Haryana 90 112 86 9.632 86 9.632 0 0 0 0 86 9.632
Himachal Pradesh 68 51 64 3.264 62 3.162 1 51 1 51 63 3.213
Jammu und Kashmir 87 72 78 5.616 72 5.184 2 144 4 288 74 5.328
Jharkhand 81 176 79 13.904 74 13.024 5 880 0 0 79 13.904
Karnataka 224 131 220 28.820 202 26.462 13 1.703 5 655 215 28.165
Kerala 140 152 138 20.976 97 14.744 39 5.928 2 304 136 20.672
Madhya Pradesh 230 131 229 29.999 216 28.296 2 262 11 1.441 218 28.558
Maharashtra 288 175 280 49.000 264 46.200 9 1.575 7 1.225 273 47.775
Manipur 60 18 58 1.044 50 900 4 72 4 72 54 972
Meghalaya 60 17 56 952 53 901 1 17 2 34 54 918
Mizoram 40 8 40 320 40 320 0 0 0 0 42 320
Nagaland 60 9 60 540 54 486 0 0 6 54 54 486
Orissa 147 149 146 21.754 130 19.370 12 1.788 4 596 142 21.158
Punjab 117 116 110 12.760 87 10.092 9 1.044 14 1.624 96 1.1136
Rajasthan 200 129 197 25.413 189 24.381 2 258 6 774 191 24.639
Sikkim 32 7 32 224 30 210 0 0 2 14 30 210
Tamil Nadu 234 176 233 41.111 217 38.192 10 1.760 6 1.056 227 39.952
Tripura 60 26 60 1.560 17 442 41 1.066 2 52 58 1.508
Uttaranchal 70 64 69 4.416 63 4.032 3 192 3 192 66 4.224
Uttar Pradesh 403 208 397 82.576 386 80.288 2 416 9 1.872 388 80.704
Westbengalen 294 151 292 44.092 90 13.590 197 29.747 5 755 287 43.337
Delhi 70 58 70 4.060 65 3.770 2 116 3 174 67 3.886
Pondicherry 30 16 30 480 28 448 0 0 2 32 28 448
GESAMT 4.896 4.785 1.075.819 4.152 922.884 459 107.366 174 45.569 4.611 1.030.250

Abdul Kalam wurde am 18. Juli 2002 für gewählt erklärt und trat sein Amt als Präsident am 25. Juli 2002 an.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Election to the Office of the President 2012. (PDF) Indische Wahlkommission, 2012, abgerufen am 27. März 2015 (englisch, ausführliche Erläuterung des Wahlverfahrens anhand der Wahl 2012).
  2. a b Monu Nalapat: Sonia to Vajpayee: Anyone but Alexander. rediff.com, 18. Mai 2002, abgerufen am 3. Mai 2015 (englisch).
  3. CPI (M) backs Narayanan's second term as President. zeenews, 14. Mai 2002, abgerufen am 3. Mai 2015 (englisch).
  4. Narayanan has 'open mind' for second term. rediff.com, 28. Mai 2002, abgerufen am 3. Mai 2015 (englisch).
  5. No 2nd term for Narayanan: PM. The Tribune, 31. Mai 2002, abgerufen am 3. Mai 2015 (englisch).
  6. Obituary: KR Narayanan. BBC News, 9. November 2005, abgerufen am 3. Mai 2015 (englisch).
  7. Syed Amin Jafri: Krishan Kant final choice of NDA for President: Report. rediff.com, 8. Juni 2002, abgerufen am 3. Mai 2015 (englisch).
  8. Sangh Parivar, Sena welcome Kalam's candidature. rediff.com, 10. Juni 2002, abgerufen am 3. Mai 2015 (englisch).
  9. Naidu appeals to opposition for consensus. rediff.com, 11. Juni 2002, abgerufen am 3. Mai 2015 (englisch).
  10. NCP supports Kalam's candidature for presidentship. rediff.com, 11. Juni 2002, abgerufen am 3. Mai 2015 (englisch).
  11. SP to support Kalam for President's post. rediff.com, 11. Juni 2002, abgerufen am 3. Mai 2015 (englisch).
  12. Narayanan opts out, field clear for Kalam. rediff.com, 11. Juni 2002, abgerufen am 3. Mai 2015 (englisch).
  13. Anand Mohan Sahay: RJD supports Kalam's candidature. rediff.com, 13. Juni 2002, abgerufen am 3. Mai 2015 (englisch).
  14. Shahid Abbas: Congress extends support to Kalam's candidature for President. rediff.com, 13. Juni 2002, abgerufen am 3. Mai 2015 (englisch).
  15. Left parties to oppose Abdul Kalam. rediff.com, 12. Juni 2002, abgerufen am 3. Mai 2015 (englisch).
  16. Left Front nominates Col Lakshmi Sahgal as presidential candidate. rediff.com, 14. Juni 2002, abgerufen am 3. Mai 2015 (englisch).
  17. a b Abdul Kalam elected President. The Hindu, 19. Juli 2002, abgerufen am 2. Mai 2015 (englisch).
  18. a b A P J Abdul Kalam elected 11th President of India. rediff.com, 18. Juli 2002, abgerufen am 3. Mai 2015 (englisch).
  19. Presidential Election 2002. Election Commission of India, abgerufen am 3. Mai 2012 (die ursprüngliche Seite ist leider nicht mehr abrufbar, die Zahlen stammen aus en:WP).