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Produktregel

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Die Produktregel oder Leibnizregel (nach G. W. Leibniz) ist eine grundlegende Regel der Differentialrechnung. Sie führt die Berechnung der Ableitung eines Produktes von Funktionen auf die Berechnung der Ableitung der einzelnen Funktionen zurück.

Sind die Funktionen und von einem Intervall D in die reellen oder komplexen Zahlen an der Stelle differenzierbar, so ist auch die Funktion

an der Stelle differenzierbar, und es gilt

oder kurz: .

Eine Anwendung der Produktregel in der Integralrechnung ist die Methode der partiellen Integration. Im Falle von konstanten Faktoren geht die Produktregel in die einfachere Faktorregel über.

Anwendungsbeispiele

Im Folgenden sei stets .

  • Ist und , so erhält man aus der Kenntnis von und mit der Produktregel die Aussage
  • Ist und , so ist , also ist
und durch Umformen erhält man die Aussage

Erklärung und Beweis

Produktregel

Das Produkt zweier reeller Funktionen und kann als Flächeninhalt eines Rechtecks mit den Seiten und gedeutet werden. Ändert sich nun um , so ändert sich um und um . Die Änderung des Flächeninhalts (also ) setzt sich dann (siehe Abbildung) zusammen aus:

.

Dividiert man durch so ergibt sich

Für gegen 0 wird der letzte Summand schneller kleiner als die beiden anderen und man erhält

wie behauptet. Dieses ist auch im wesentlichen die Argumentation, wie sie sich in einem ersten Beweis der Produktregel 1677 in einem Manuskript von Leibniz findet. Die Produktregel, die er dort gemeinsam mit der Quotientenregel beweist, war damit eine der ersten Regeln zur Anwendung der Infinitesimalrechnung, die er herleitete. Er benutzte allerdings keinen Grenzwert, sondern noch Differentiale und schloss, dass wegfällt, weil es im Vergleich zu den anderen Faktoren infinitesimal klein sei. Euler benutzte noch dasselbe Argument, erst bei Cauchy findet sich ein Beweis mit Grenzwerten.

Gegeben sei die Funktion durch . Die Ableitung von ist dann durch den Grenzwert des Differenzenquotienten

gegeben. Addition und Subtraktion des Terms liefert

Das Bilden des Grenzwerts liefert dann die Produktregel .

Verallgemeinerungen

Mehr als zwei Faktoren

Die Produktregel kann sukzessive auch auf mehrere Faktoren angewandt werden. So wäre

und
usw.

Allgemein ist für eine Funktion , die sich als Produkt von n Funktionen schreiben lässt, die Ableitung

.

Haben die Funktionen keine Nullstellen, so kann man diese Regel auch in der übersichtlichen Form

schreiben; derartige Brüche bezeichnet man als logarithmische Ableitungen.

Höhere Ableitungen

Auch die Regel für Ableitungen -ter Ordnung für ein Produkt aus zwei Funktionen war schon Leibniz bekannt und wird entsprechend manchmal ebenfalls als Leibnizsche Regel bezeichnet. Sie ergibt sich aus der Produktregel mittels vollständiger Induktion als

Die hier auftretenden Ausdrücke der Form sind Binomialkoeffizienten. Die obige Formel enthält die eigentliche Produktregel als Spezialfall. Sie hat auffallende Ähnlichkeit zum binomischen Lehrsatz

Diese Ähnlichkeit ist kein Zufall, der übliche Induktionsbeweis läuft in beiden Fällen vollkommen analog; man kann die Leibnizregel aber auch mithilfe des binomischen Satzes beweisen.

Höherdimensionaler Definitionsbereich

Verallgemeinert man auf Funktionen mit höherdimensionalem Definitionsbereich, so lässt sich die Produktregel wie folgt formulieren: Es seien eine offene Teilmenge, differenzierbare Funktionen und ein Richtungsvektor. Dann gilt die Produktregel für die Richtungsableitung:

Entsprechend gilt für die Gradienten

In der Sprache der differenzierbaren Mannigfaltigkeiten lauten diese beiden Aussagen:

  • Sind ein Tangentialvektor und lokale differenzierbare Funktionen, dann gilt
  • Sind lokale differenzierbare Funktionen, so gilt die folgende Beziehung zwischen den äußeren Ableitungen:

Holomorphe Funktionen

Die Produktregel gilt analog für komplex differenzierbare Funktionen: Es sei und holomorph. Dann ist holomorph, und es gilt

Allgemeine differenzierbare Abbildungen

Es seien ein offenes Intervall, eine Banachalgebra (z. B. die Algebra der reellen oder komplexen -Matrizen) und differenzierbare Funktionen. Dann gilt

dabei bezeichnet »·« die Multiplikation in der Banachalgebra.

Sind allgemeiner und Banachräume, und differenzierbare Funktionen, so gilt ebenfalls eine Produktregel, wobei die Funktion des Produktes von einer Bilinearform übernommen wird. Von dieser wird verlangt, dass sie stetig ist, also beschränkt:

für alle

mit einer festen Konstante . Dann gilt die Produktregel

Entsprechende Aussagen gelten für höherdimensionale Definitionsbereiche.

Abstraktion: Derivationen

Allgemein nennt man Abbildungen , die die Produktregel

erfüllen, Derivationen. (Die Reihenfolge der Faktoren ist hier für den Fall einer Derivation mit einer Algebra und einem -Linksmodul gewählt.)

Im Zusammenhang mit - oder -graduierten Algebren („Superalgebren“) muss der Begriff der Derivation jedoch durch den der Antiderivation ersetzt werden; die entsprechende Gleichung lautet dann

für homogene Elemente ; dabei bezeichnet den Grad von . Das prominenteste Beispiel einer Antiderivation ist die äußere Ableitung für Differentialformen

Literatur

Die Produktregel für Funktionen wird in jedem Buch erläutert, das Differentialrechnung in allgemeiner Form behandelt.

  • Otto Forster: Analysis 1. Differential- und Integralrechnung einer Veränderlichen. Vieweg, Braunschweig 72004. ISBN 3-528-67224-2
  • Otto Forster: Analysis 2. Differentialrechnung im Rn. Gewöhnliche Differentialgleichungen. Vieweg, Braunschweig 62005. ISBN 3-528-47231-6
  • Konrad Königsberger: Analysis. 2 Bde. Springer, Berlin 2004, ISBN 3-540-41282-4
  • C. H. Edwards Jr.: The Historical Development of the Calculus, 1979, Springer New York

Siehe auch