Ruth Fischer

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Ruth Fischer (* 11. Dezember 1895 in Leipzig; † 13. März 1961 in Paris; eigentlich Elfriede Eisler) war eine deutsch-österreichische Politikerin und Publizistin.

Leben

Ruth Fischer war Tochter des Philosophen und Privatgelehrten Rudolf Eisler und von Ida Maria, geb. Fischer. Sie war die Schwester des Komponisten Hanns Eisler und des Journalisten und Kommunisten Gerhart Eisler. Ruth Fischer war zunächst Kommunistin, später geriet sie als Linksabweichlerin bzw. "Rechtsabweichlerin" in Widerspruch zur KPD und zur Moskauer Politik. Sie war in den USA im Exil.

Bedingt durch die wissenschaftliche Laufbahn des Vaters zog die Familie Eisler im Jahr 1901 von Leipzig nach Wien. Ruth Fischer wuchs in einem bildungsbürgerlich geprägten Umfeld auf, in welchem Musik und Literatur zum Alltäglichen gehörten. In Wien studierte sie Philosophie, Nationalökonomie und Politik.

1915 heiratet sie den Journalisten Paul Friedländer, mit dem sie 1917 den Sohn Friedrich Gerhart bekam.

Politischer Aufstieg

In Wien wurde am 3. November 1918 unter führender Beteiligung von Elfriede Eisler/Ruth Fischer die KPDÖ (Kommunistische Partei Deutsch-Österreichs) gegründet. Ruth Fischer hatte das Mitgliedsbuch mit der Nummer 1. Wegen der Teilnahme an der bewaffneten Besetzung der Redaktion der Wiener "Neuen Freien Presse" verbrachte sie kurze Zeit später drei Wochen im Gefängnis.

Am 9. Februar 1919 hielt sie vor 42 Delegierten das Hauptreferat auf dem ersten Parteitag der KPDÖ, die zu diesem Zeitpunkt bereits 3000 Mitglieder hatte.

Im August 1919 ging die Familie Friedländer auf Einladung von Willi Münzenberg und nach innerparteilichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Kriegsheimkehrern und Arbeitern einerseits und den jungen bürgerlichen Intellektuellen andererseits nach Berlin, und sie nannte sich ab September "Ruth Fischer". Sie lernte den ukrainischen Kommunisten Arkadij Maslow kennen, mit dem sie bis zur Abreise aus dem französischen Exil 1941 zusammenlebte. Die Ehe mit Paul Friedländer wurde 1921 geschieden. Um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten, ging sie 1923 formal eine Ehe mit dem Kommunisten und Kominternmitarbeiter Gustav Golke ein, welche 1929 geschieden wurde.

1921 gelangten Ruth Fischer und Maslow in den Zentralausschuss der KPD, 1924 wurden sie in die oberste Führungsriege der Partei gewählt. Als Vorsitzende des Politischen Büros des Zentralkomitees der KPD stand sie an der Spitze der Partei und bestimmte den ultralinken Kurs dieser Zeit (Hauptstoßrichtung gegen die SPD). Zu diesem Zeitpunkt wurde Ruth Fischer Kandidatin des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI). Ab Mitte 1924 war sie Reichtagsabgeordnete (Listenplatz 3) und Abgeordnete im Preußischen Landtag (Listenplatz 1) für die Kommunistische Partei Deutschlands.

Der Fall

Bereits im August 1924 geriet die "Gruppe Maslow-Fischer" wegen "ultralinker Abweichungen" in die Kritik der Moskauer Parteiführung unter Stalin sowie der KI unter Nikolaj Bucharin. In diesem Zusammenhang traf Ruth Fischer im September 1925 in Moskau mit Stalin zusammen und wurde in den folgenden zehn Monaten an einer Rückkehr nach Deutschland gehindert. Während dieser Zeit war sie in dem berühmt-berüchtigten Moskauer "Hotel Lux" untergebracht. Zeitgleich wurde Arkadij Maslow in Berlin wegen Hochverrats in Untersuchungshaft festgehalten. Am 1. September übernahm Ernst Thälmann die Führung der KPD. Im November 1925 wurden beide in Abwesenheit aus dem Politbüro der KPD ausgeschlossen.

Im Juni 1926 kehrte Ruth Fischer nach Deutschland zurück, im gleichen Jahr wurde Maslow aus der Haft entlassen. Im November 1926 wurden Ruth Fischer und Maslow aus der Partei ausgeschlossen.

Am 9. März 1933 flüchteten Fischer und Maslow aus Deutschland und gingen über Prag nach Frankreich ins Exil. Im August 1936 wurden Fischer und Maslow als "Trotzkisten" beim Moskauer "Prozess der Sechzehn" in Abwesenheit zum Tode verurteilt. In den Wirren des Krieges, gleichzeitig verfolgt von Nazis und Kommunisten, erreichte Ruth Fischer im Frühjahr 1941 New York. Maslow bekam kein amerikanisches Visum und musste im Mai 1941, getrennt von seiner Frau, ins Exil nach Havanna. Am 21. November 1941 wurde Maslow in Havanna bewusstlos auf der Straße nahe seines Hotels gefunden und verstarb kurz darauf.

Ruth Fischer begann nun ihren Feldzug gegen die Kommunisten. Ab 1944 gab sie ein Nachrichtenbulletin heraus, in dem sie über stalinistische Aktivitäten verschiedenster Art berichtete. 1945 erhielt sie an der Cambridge University einen Forschungsauftrag zur Geschichte des Kommunismus. 1948 erschien ihr Buch "Stalin and German Communism". Als auf dem Höhepunkt der FBI-Erforschung Künstler und Politiker der "unamerikanischen Umtriebe" angeklagt wurden und es 1947 zur Anklage der Eisler-Brüder Gerhart und Hanns kam, war Ruth Fischer die Hauptzeugin der Anklage. Gerhart Eisler kam in Haft, Hanns Eisler wurde ausgewiesen.

Nach 1955 lebte sie als politische Publizistin in Paris und veröffentlichte ihre Werke "Stalin and German Communism" und "Die Umformung der Sowjetgesellschaft."

Ruth Fischer starb 1961 in Paris.

Werke

  • Zs. mit Franz Weimann: Deutsche Kinderfibel. Berlin: Rowohlt, 1933.
  • Stalin and the German Communism. 1948 (Analyse zur Geschichte der KPD in den zwanziger und dreißiger Jahren; dt. 1950)
  • Sexualethik des Kommunismus, Wien 1920, erschienen noch unter dem Namen Elfriede Friedländer

Literatur

  • J. Schebera: Eisler. Eine Biographie in Texten, Bildern und Dokumenten. Schott. Mainz 1998. (Hanns Eisler Biographie)
  • Kurt Stimmer: Die Frau, die Stalin verärgerte. Eine Erinnerung an die Kommunistin Ruth Fischer. in: Wiener Zeitung 25. Mai 2001 (detailreiche und übersichtliche Kurzbiographie)
  • Sabine Hering / Kurt Schilde: Kampfname Ruth Fischer. Wandlungen einer deutschen Kommunistin. Frankfurt/M. 1995. (zur Biographie)
  • Ruth Fischer - Arkadij Maslow: Abtrünnig wider Willen. Aus Reden und Manuskripten des Exils. Hg. von Peter Lübbe. Vorw. Hermann Weber. München 1990. (Nachlassausgabe des Exilschaffens, mit Einleitung)