Schlacht um Bautzen
Als Schlacht um Bautzen werden im Zweiten Weltkrieg die umfangreichen Kampfhandlungen zwischen polnischen und sowjetischen Soldaten auf der einen und der Wehrmacht auf der anderen Seite in und um die Stadt Bautzen im April 1945 bezeichnet. Insbesondere die letzte große deutsche Panzeroffensive des Zweiten Weltkrieges am 26. April 1945, sowie der tagelang geführte Häuserkampf innerhalb der Stadt.
Die Schlacht um Bautzen beschränkte sich nicht nur unmittelbar auf die Stadt Bautzen selbst, sondern betraf auch die nordöstlich gelegenen ländlichen Gebiete vor allem auf der Linie Bautzen-Niesky. Die Kämpfe begannen am 21. April und dauerten bis zum 26. April. Vereinzelte Zusammenstöße gab es noch bis zum 30. April. Insbesondere die 2. Polnische Armee verzeichnete dabei hohe Verluste.
Ablauf der Kampfhandlungen
Wie viele deutsche Städte, vor allem an der Ostfront, wurde auch Bautzen in der letzten Phase des Zweiten Weltkrieges zur Festungsstadt erklärt und als „Bollwerk“ gegen alliierte Truppen ausgebaut.
Der Kommandeur der „1. Ukrainischen Front“ der Roten Armee, Marschall Iwan Stepanowitsch Konew, eröffnete am 16. April 1945 mit seinem Großangriff den Vorstoß nach Westen und damit die Schlacht um Berlin. Die 2. Polnische Armee der Polnischen Streitkräfte in der Sowjetunion unter General Karol Świerczewski (auch bekannt als „General Walter“) sollte dabei im Rahmen der Operation Lausitz die linke südliche Flanke des geplanten Vorstoßes etwa auf der Linie Dresden-Bautzen-Niesky sichern.
Die deutschen Einheiten verfügten im Raum Bautzen und Oberlausitz über etwa 50.000 Mann, darunter die 1. Fallschirm-Panzer-Division „Fallschirm-Panzer-Division 1 Hermann Göring“ (Anmerkung: der Schwesterverband „Fallschirm-Panzergrenadier-Division 2 Hermann Göring“ befand sich entgegen den Angaben in Teilen der Literatur zum fraglichen Zeitpunkt noch nicht im Kampfgebiet), die 20. und 21. Panzerdivision sowie die 17. und 72. Infanteriedivision. Teilweise waren diese Einheiten kampferfahren, aber zum Teil auch mit Rekruten aufgefüllt. Sie verfügten über bis zu 300 Panzer (vorwiegend Pz.Kpfw. IV und wenige Pz.Kpfw. V Panther), etwa 450 gepanzerte Kampffahrzeuge (Sd.Kfz. 234, Sturmgeschütze III und IV, Jagdpanzer IV, Jagdpanzer 38(t) und diverse andere) sowie 600 Artilleriegeschütze. Die 2. Polnische Armee bestand aus etwa 90.000 Mann und einer großen Anzahl an von der Sowjetunion gelieferten Panzern (hauptsächlich T-34/85), gepanzerten Fahrzeugen (inklusive Jagdpanzer SU-85, einige Sturmpanzer SU-152) und Geschützen diverser Art. Ein Großteil der Soldaten hatte nur wenig Kampferfahrung.
Zunächst lief die polnische Offensive gegen die deutschen Verteidigungsstellungen in und um Bautzen erfolgreich an. An einigen Stellen konnten die deutschen Verteidigungslinien durchbrochen und die deutschen Truppen voneinander abgeschnitten werden. Bautzen wurde völlig eingekesselt und teilweise besetzt. Besonders auf der Ortenburg verschanzten sich allerdings Angehörige der Wehrmacht, der Hitlerjugend sowie des Volkssturms. Zeitweise waren über 1200 deutsche Soldaten in der Festung Bautzen eingeschlossen.
Ab dem 21. April 1945 begann die letzte größere und erfolgreiche deutsche Panzeroffensive des Zweiten Weltkrieges auf der Linie Bautzen-Weißenberg, zwischen Spree und Schwarzem Schöps in Richtung Nord-Nordwest und erreichte am 26. April ihren Höhepunkt. Das XIV. Panzerkorps, bestehend aus der 20. und 21. Panzerdivision unter Generalmajor Hermann von Oppeln-Bronikowski (seit November 1944 Kommandeur der 20. Pz.Div.), konnte infolgedessen mit der 17. und 72. Infanteriedivision trotz weniger modernerer „Panther“-Panzer und später fehlenden Treibstoff-Nachschubs aus den Hydrierwerken (i.v.F. Benzin) die in Bautzen eingeschlossenen Truppenteile befreien. Die 1. Fallschirm-Panzer-Division „Hermann Göring“ griff das teilweise besetzte Bautzen von Südwesten her an und ging gleichzeitig westlich der Stadt entlang der Spree zum Angriff über. Der deutsche Panzerangriff mit Infanterie-Unterstützung kam vor allem östlich der Stadt rasch voran, spaltete die polnische Armee in zwei Gruppen auf und schnitt deren Versorgungswege teilweise ab. Bei Förstgen wurden die Reste der 16. Polnischen Panzerbrigade aufgerieben. Dabei wurde ein Großteil der polnischen Panzer sowjetischer Bauart (über einhundert) vernichtet. Zahlreiche Fahrzeuge konnten erbeutet werden. Der 1. Fallschirm-Panzer-Division gelang es nördlich von Bautzen, die Reste der 5. Polnischen Infanteriedivision zu zerschlagen und weiter nordöstlich einen Teil der 9. Polnischen Infanteriedivision bei ihrer Absetzbewegung einzukesseln. Der im Kampf verwundete kommandierende General der 5. Polnischen Infanteriedivision, Aleksander Waszkiewicz, wurde von deutschen Panzertruppen gefangengenommen, während des Verhörs gefoltert und anschließend nach dem Standrecht durch Erschießen hingerichtet. Die Führung der 2. Polnischen Armee verlor den Überblick und erteilte mehrmals widersprüchliche Befehle. Den deutschen Einheiten gelang es unterdessen nach mehrtägigem und verlustreichen Häuserkämpfen, ihre Gegner wieder aus Bautzen zu vertreiben. Nur der Tatsache, dass Konew sowjetische Einheiten von seinem Vorstoß nach Westen zurückzog und den polnischen Einheiten zur Unterstützung sandte, verhinderte deren völlige Vernichtung. Aber auch die sowjetischen Truppen, die mit einem entschlossenen Angriff der Wehrmacht durchaus rechneten, erlitten bei den folgenden Kämpfen schwere Verluste. In den folgenden zwei Tagen wurde die 1. polnische Division von der 1. Fallschirm-Panzer-Division „Hermann Göring“ in der Nähe von Königsbrück vernichtet. Verbliebene polnische und sowjetische Soldaten, sofern nicht gefangengenommen oder umgekommen, zogen sich eilig in nordöstlicher Richtung zurück, woraufhin die Kämpfe abebbten und sich die Situation langsam wieder beruhigte.
Nahe Bautzen kam es bis zum 30. April zu vereinzelten Zusammenstößen, in der Zeit bis zum Kriegsende gab es jedoch nur noch wenige einzelne Scharmützel. Ein weiteres Vorstoßen der deutschen Truppen verhinderte nur der fehlende Treibstoffnachschub aus den Hydrierwerken. Im Zuge der Kampfhandlungen, kam es auf beiden Seiten zu einer Reihe von Kriegsverbrechen. Zu den Opfern der polnischen Truppen bei der zu Beginn einige Tage dauernden teilweisen Besetzung Bautzens gehörten, neben einer nicht genau bekannten Zahl von Zivilpersonen, vielfach auch Ostarbeiter aus Polen und der Ukraine, die als hilfswillige Arbeitskräfte für die „faschistische Rüstungsindustrie“ und damit als Volksfeinde gebrandmarkt wurden. Am 22. April 1945 wurde im heutigen Bautzener Ortsteil Niederkaina eine Scheune, in der sich etwa 200 Volkssturmleute befanden, von sowjetischen und/oder polnischen Soldaten niedergebrannt. Am gleichen Tag brachten deutsche Truppen in Guttau, nordöstlich von Bautzen, das gesamte Personal sowie alle Verwundeten und Kranken eines polnischen Feldlazaretts um. Bautzen selbst wurde durch die Panzeroffensive zurückerobert und blieb bis Kriegsende in deutscher Hand. Die Stadt wurde erst nach der Gesamtkapitulation der deutschen Streitkräfte vom 8. Mai 1945 an sowjetische und polnische Soldaten übergeben.
Bilanz
Besonders die 2. Polnische Armee erlitt während den Kämpfen bei der „Operation Lausitz“ um Bautzen sehr schwere Verluste. Insgesamt verzeichnete sie – nach offiziellen Angaben – 4.902 Tote, 2.798 Vermisste und 10.532 Verwundete. In einer relativ kurzen Zeit verlor die polnische Armee damit über 22 Prozent ihrer Soldaten und 57 Prozent ihrer Panzer und gepanzerten Fahrzeuge. 27 Prozent der gesamten polnischen Militärverluste in den 20 Monaten vom Oktober 1943 bis zum Mai 1945 sind nach eigenen Angaben auf die Schlacht um Bautzen zurückzuführen. Außer dem Warschauer Aufstand vom Herbst 1944 soll es keine einzelne Militäroperation gegeben haben, bei der mehr Polen ums Leben kamen. Die Verluste der sowjetischen und der deutschen Armee waren ebenfalls beträchtlich. Direkt in und um die Stadt Bautzen selbst sind auf beiden Seiten jeweils circa 6.500 Soldaten gefallen und – nach teilweise widersprüchlichen Angaben – etwa 350 deutsche Zivilpersonen getötet worden. Bei den Kampfhandlungen wurden etwa 10 Prozent der Wohnhäuser mit circa 33 Prozent des Wohnungsbestandes der Stadt zerstört. 18 Brücken, 46 Kleinbetriebe, 23 größere Betriebe und 35 öffentliche Gebäude wurden völlig zerstört. Trotz der starken Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg zeichnet sich Bautzen auch heute noch durch eine besonders reichhaltige historische Bausubstanz aus.
Trotz des militärischen Debakels wurde General Karol Świerczewski (auch „General Walter“ genannt) nach der Schlacht um Bautzen zum Armeegeneral befördert. Die polnische Propaganda verschwieg auch die unrühmliche Rolle des polnischen Stabes während der Schlacht. Die Kämpfe wurden zwar als äußerst blutig beschrieben, aber niemals als Niederlage für die polnische Armee bezeichnet. Um Świerczewski wurde der Mythos des unbesiegten Feldherrn aufgebaut. Heute sieht man ihn in Polen deutlich kritischer.
Folgen
Die Schlacht um Bautzen war der letzte größere Erfolg der Wehrmacht. Allerdings hatten die Auswirkungen auf den Kriegsverlauf für das Deutsche Reich keine größere Bedeutung mehr.
Literatur
- Eberhard Berndt: Die Kämpfe um Bautzen 18. bis 27. April 1945. In: Kriegsschauplatz Sachsen 1945. Daten, Fakten, Hintergründe, Altenburg/Leipzig 1995, S. 53–67.
- Eberhard Berndt: Die Kämpfe um Weißenberg und Bautzen im April 1945. Wölfersheim-Berstadt 1999.
- Arno Lehnert: Bautzen 1945. 110 Dokumentarbilder von den Zerstörungen in der Stadt Bautzen am Ende des Zweiten Weltkrieges. Bautzen 1995.
- Rolf Hinze: "Hitze, Frost und Pulverdampf". Der Schicksalsweg der 20. Panzer-Division. Meerbusch 6. Aufl. 1996