Schweigen

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Schweigen ist ein kommunikativer Akt, bei dem nicht gesprochen wird und bei dem auch keine Laute erzeugt werden. Schweigen hat mehrere Funktionen. Einmal gibt es Zeit, sich eine Antwort zu überlegen. Zum anderen deutet es das Ende eines eigenen Sprechaktes an. Während man einem anderen zuhört, schweigt man ebenfalls meist. Doch kann das Schweigen auch einen Abbruch der Kommunikation signalisieren.

Im übertragenen Sinne gibt es das Schweigen eines Rundfunksenders oder das Schweigen einer Raumstation. Metaphorisch können auch Waffen schweigen.

Dem Schweigen geht oft Verstummen voraus.

Arten des Schweigens

Schweigen als Aufmerksamkeit

Schweigen kann angespannte Aufmerksamkeit bedeuten.

Oft wird Schweigen situationsbedingt gefordert. Zum Beispiel schweigen heutzutage die Mitarbeiter in Büros, um die für das Nachdenken erforderliche Ruhe zu gewährleisten.

In Theatern und in Kinos schweigen die Zuschauer meist, um sich auf die Handlung zu konzentrieren und die anderen Zuschauer nicht zu stören.

Schweigen als Denkpause des Sprechers gewährt dem Sprecher und dem Publikum Zeit zum Nachdenken. Als Mittel der Rhetorik kann Schweigen als bewusste Pause eingesetzt werden. Es gibt Sprecher und Publikum Zeit zum Nachdenken und hat zugleich Signalaufforderung als Aufforderung zum tieferen Überdenken.

Schweigen als Aussageverweigerung

Angeklagte und deren Angehörige haben vor Gericht ein Zeugnisverweigerungsrecht. Damit soll verhindert werden, dass Angeklagte gegen ihren Willen zu belastenden Aussagen gezwungen werden.

Angehörige bestimmter Berufsgruppen unterliegen einer Schweigepflicht. Sie dürfen keine Einzelheiten aus ihrer beruflichen Tätigkeit veröffentlichen, die ihnen als Berufsgeheimnis anvertraut wurden. Dazu gehören das Arztgeheimnis, Bankgeheimnis, Beichtgeheimnis, Betriebsgeheimnis usw.

Schweigen als Dialogverweigerung

Schweigen kann Verweigerung einer Antwort bedeuten. Man spricht dann in Konfliktsituationen von "eisigem" Schweigen. Langwieriges Schweigen kann in Ehekonflikten auftreten. Nicht-miteinander-Reden kann lange dauern. Einer muss den ersten Schritt tun. Dieser Schritt ist riskant, denn er kann auch auf Ablehnung stoßen und damit die negativen Emotionen verstärken. Bisweilen wird in diesem Fall Schweigen als Strafe eingesetzt.

Auch in der Politik spielt Schweigen eine Rolle. So haben nach dem Irakkrieg die Führungskräfte der USA und der Bundesrepublik Deutschland lange nicht miteinander geredet.

Schweigen als Konsensbildung

Schweigen kann situationsabhängig Zustimmung oder Ablehnung einer Frage signalisieren. Wenn bei einer nichtformellen Abstimmung auf die Frage "Hat jemand etwas dagegen?" niemand antwortet, so wird das als Zustimmung gewertet.
Dazu das bekannte Zitat von Papst Bonifatius VIII. (um 12351303): „Qui tacet, consentire videtur.“ („Wer schweigt, scheint zuzustimmen.“) Er drückte sich vorsichtig aus; denn es könnte ja sein, dass beispielsweise jemand zum Schweigen gezwungen wird.

Andererseits wird ein Schweigen auf eine Aufforderung zur Zustimmung (etwa „Sind Sie damit einverstanden?“) eher als Ablehnung gewertert. Schweigen auf eine Frage wird also meist gleich oder ähnlich einer ablehnenden Antwort auf die Frage verstanden.

Schweigen zum Gedenken

Das bewusste gemeinsame Schweigen zum Gedenken an bestimmte Ereignisse wird als Schweigeminute bezeichnet. Auch während einer Bestattungszeremonie schweigen die Trauergäste, während der Pfarrer spricht oder betet.

Schweigen aus Unsicherheit

Plötzlich auftretendes Schweigen kann eine gespannte Stimmung signalisieren.

Wenn in einer Gruppe alle schweigen, weil niemand zu reden beginnen möchte, entsteht oft eine peinliche Situation. Diese Situation muss von den Gesprächsteilnehmern gemeistert werden. Das kann zum Beispiel geschehen, indem bereits vorher festgelegt wird, wer gegebenenfalls die ersten Fragen stellt. Oft entsteht Schweigen, wenn gefragt wird: "Hat jemand eine Frage?" Viele wollen nicht als erste reden, um nicht aufzufallen. Wenn erst einmal eine Diskussion in Gang gekommen ist, entwickelt sie oft eine Eigendynamik.

Schweigegelübde

Bekannt sind Schweigegelübde aus religiösen Gründen, die zu bestimmten Tageszeiten oder über längere Zeit gelten.

Siehe auch: Schweigerose

Schweigen aus Angst vor Isolation

Der englische Sozialphilosoph Thomas Hobbes schrieb in seinem 1650 veröffentlichten Buch »The Elements of Law«, Schweigen könne man als Zeichen von Zustimmung auslegen, denn es sei ja so leicht, nein zu sagen, wenn man nicht zustimme. Hobbes irrt sich darin, dass es leicht sei, nein zu sagen. Manche Menschen leiden, wenn sie meinen, dass sich andere auf Grund einer Meinungsäußerung von ihnen abkehren. Die Furcht vor Isolation erscheint als die treibende Kraft, die den Prozess der Schweigespirale in Gang setzt. Schweigen ist für Menschen mit schwachem Selbstbewusstsein und geringem Interesse an Politik, d. h. für Mitläufer, eine Möglichkeit, gut gelitten zu bleiben und nicht durch eine Meinungsäußerung isoliert zu werden. Schweigen wirkt für Mitläufer verlockend, weil man es auch als Zustimmung auslegen kann.

Erzwungenes Schweigen

Jemanden durch Gerichtsurteile zum Schweigen verurteilen

Noch heute ist es in der römisch-katholischen Kirche üblich, einen Priester zu einem zeitlich befristeten Bußschweigen zu verurteilen.

Jemanden durch Machtmissbrauch zum Schweigen bringen

In früheren Zeiten gab es den „Brauch“, bestimmten Boten oder Dienern die Zunge herauszuschneiden, um sie zum Schweigen zu bringen, das Reden zu verhindern. Auch die Todesstrafe wurde angewendet, um Gegner "zum Schweigen zu bringen".

In der Gegenwart

Die Menschenrechte garantieren u. a. auch die Presse- und Meinungsfreiheit sowie die Freiheit von Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre, um Zensur zu verhindern. Dennoch werden nicht nur in totalitären Systemen, sondern auch in Demokratien Bürger zum Schweigen gebracht. Ein herausragendes Beispiel ist die Fraktionsdisziplin oder der Fraktionszwang.

Schweigen in den Künsten

Schweigen in der Belletristik

In der Literatur ist das Schweigen als Thema nicht selten, auch als Titel (so Das Schweigen des Meeres von Vercors, Doktor Murkes gesammeltes Schweigen von Böll.

Das Schweigen
Johann Heinrich Füssli
Ölgemälde, 1799-1801

Schweigen in der bildenden Kunst

Zahlreiche Facetten des Schweigens von abweisendem Stolz bis zur Furcht einflößenden Stille sind in den Bildenden Künsten thematisiert worden.

Schweigen in der darstellenden Kunst

Schweigen ist ein wichtiges Element zweier Kunstformen:

  • Bei der Pantomime verzichtet ein Schauspieler bewusst auf die Möglichkeit zu sprechen, und drückt sich lediglich in Gesten und mit Mimik aus.
  • Beim Stummfilm konnte aufgrund technischer Beschränkungen kein gesprochenes Wort verwendet werden. Bei den meisten dieser Filme wurden allerdings als gesprochen zu denkende Texte auf Zwischentafeln eingeblendet, so dass es sich nicht um wirkliches Schweigen handelt. Trotzdem ist auch hier zu beobachten, dass im Vergleich zum Tonfilm ein größeres Gewicht auf Gestik und Mimik gelegt wurde.

Schweigen in Rechtsangelegenheiten

Im Privatrecht gilt der Grundsatz, dass Schweigen nicht als Willenserklärung zur Begründung eines Rechtsverhältnisses ausgelegt wird, so dass man in der Regel durch Schweigen oder Nichtreagieren weder Verträge abschließen noch ändern kann. Verträge kommen durch übereinstimmende Willenserklärungen (Angebot und Annahme) zustande. Ausnahme: Konkludentes Handeln wie z. B.: In einer Bäckerei auf ein Brötchen zeigen ist eine Willenserklärung - nämlich Kaufwille.

Von diesem Prinzip gibt es wichtige Ausnahmen, die vor allem auf der Verhältnismäßigkeit und dem Grundsatz beruhen qui tacet, consentire videtur, ubi loqui debuit atque potuit - Wer schweigt, wo er (wider-)sprechen sollte und konnte, dem wird Zustimmung unterstellt; ein Grundsatz der sich insbesondere im deutschen Handelsrecht unter Kaufleuten erhalten hat (str. dogmatische Konstruktion, ob Rechtscheinhaftung oder Fiktion einer Willenserklärung). So ist zum Beispiel nach dem Erhalt eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens, das ein Kaufmann nicht akzeptieren will, grundsätzlich ein Widerspruch notwendig. Schweigen gilt hier als Zustimmung und führt zum Abschluss eines Vertrages. Auch in § 362 HGB fingiert das Gesetz das Schweigen als Annahme. Ähnliches kann in eingeschränkterem Maße bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwischen einem Kaufmann und seinen Geschäftspartnern, auch Verbrauchern, gegeben sein.

Wenn es zum Beispiel – besonders in Massengeschäftsbeziehungen wie bei Banken oder Telefongesellschaften – für einen Partner sehr aufwendig wäre, die explizite Zustimmung des anderen Partners (insbesondere einer Vielzahl von ihnen) einzuholen, kann eine Änderung einer bestehenden Geschäftsbeziehung rechtswirksam dadurch erreicht werden, dass ein Partner den anderen davon benachrichtigt und der andere sich nicht äußert. In diesem Fall kann unterstellt werden, dass er sie stillschweigend akzeptiert hat. Häufig wird in diesen Fällen jedoch nicht das Schweigen als Zustimmung gewertet, sondern lediglich auf das Zugangserfordernis verzichtet. Mit anderen Worten: Der „schweigende“ Partner muss seine Annahme nur irgendwie zum Ausdruck bringen, z. B. gegenüber Dritten oder indem er so handelt, wie es nach der geänderten Rechtslage geboten wäre; von dieser (konkludent erklärten) Zustimmung muss jedoch der andere Geschäftspartner nichts erfahren.

Ebenso gilt, dass bei Geschäften, die aus Leistung und Gegenleistung bestehen, grundsätzlich eine Leistung als akzeptiert und damit die Verpflichtung des anderen Vertragspartners als erfüllt gilt, wenn kein Einwand vorgebracht wird. Dies gilt auch dann, wenn etwas anderes geleistet wird, als angefordert wurde. Dieses Prinzip der stillschweigenden Akzeptanz gilt allerdings nicht unbegrenzt; insbesondere kann es in individuellen Verträgen ausgeschlossen werden. Dies wird oft bei Projektgeschäften getan, zum Beispiel beim Kauf von Industrieanlagen, im Baugewerbe, und bei der Entwicklung von Individualsoftware, wo meist vereinbart wird, dass der Kunde eine Lieferung oder Teillieferung ausdrücklich als in Ordnung anerkennen muss, bevor die Lieferpflicht als erfüllt gilt.

Auch § 1956 BGB normiert einen Fall des Schweigens als Willenserklärung.

Auch im öffentlichen Recht kann Schweigen als Zustimmung ausgelegt werden. Bescheide von Behörden und Gerichtsurteile werden rechtswirksam, wenn man sie stillschweigend hinnimmt, anstatt Widerspruch einzulegen, Klage zu erheben oder in die Berufung zu gehen. Davon zu unterscheiden ist die Versäumung von Rechtsmittelfristen, durch die ein Nachholen der Äußerung unzulässig wird (Sachvortrag im Prozess, Einlegen von Rechtsmitteln usw.). Auch das Schweigen von Behörden kann in bestimmten Fällen als Zustimmung gelten, so etwa beim fiktiven Verwaltungsakt.

Im Strafrecht gilt der Grundsatz, dass es das Recht jedes Angeklagten ist, zu schweigen, ohne dass ihm das zum Nachteil ausgelegt werden darf, entsprechend dem Prinzip, dass die Staatsanwaltschaft die Schuld zu beweisen hat, nicht der Angeklagte sie zu widerlegen. In der Praxis kann Aussageverweigerung zwar zu einem höheren Strafmaß führen als bei einem Geständnis verhängt worden wäre (bei dessen Vorliegen oft Schuldeinsicht als mildernder Umstand angenommen wird). Allerdings gilt dies auch für Leugnung, so dass das Schweigen an sich nicht ursächlich ist.

Verschweigen

Verschweigen der Identität

Manche Künstler und Schriftsteller legen sich Pseudonyme als Künstlernamen zu. Geheimdienste bzw. Nachrichtendienste legen eine Legende an, d.h. eine ganz oder in Teilen erfundene oder geänderte Biographie, um Absichten und Identitäten zu verbergen.

Verschleierung

Unter Verschleierung versteht man hingegen das Unkenntlichmachen eines Gegenstandes oder in der Informatik auch einer Information, so dass der eigentliche Inhalt nicht auf den ersten Blick erkennbar ist.

Verschlüsselung

Bei einer Verschlüsselung wird ein Text in einen Geheimtext umgewandelt wird, den der Empfänger mit Hilfe eines Schlüssels wieder entschlüsseln kann.

Metaphorische Anwendung

Das Wort "Schweigen" wird oft in übertragenem Sinn gebraucht. "Die Waffen schweigen.", "Die Götter schweigen.", "Das Schweigen der Lämmer".

Ein bekanntes Zitat aus dem Drama Hamlet von William Shakespeare heißt: Der Rest ist Schweigen.

"Reden ist Silber, weises Schweigen Gold"; indes "Sie singen schön, aber Sie sprechen zu wenig" (musikalischer Rat) des Fjodor Schaljapin: ein wortlos tönender Geiger, Pianist etc. sollte mit dem Publikum "reden".

Siehe auch

Literatur

Wiktionary: schweigen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Schweigen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen