St. Pauli Theater

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St. Pauli Theater am Spielbudenplatz

Das St. Pauli Theater ist ein 1841 gegründetes Theater im Hamburger Stadtteil St. Pauli.

Das Theater liegt am Spielbudenplatz (an der Reeperbahn) neben der Davidwache und ist das älteste Privattheater in Hamburg und eines der ältesten Theater in Deutschland. Der Theaterbau mit Zuschauerraum, der um 1898 eine reicher gestaltete Vorderfassade erhielt, entstand ebenfalls 1840/1841 und steht unter Denkmalschutz.[1]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Plakat des ehem. Ernst Drucker Theaters 1896
Ehemalige Leuchtreklame des St. Pauli Theaters

Das Theater wurde am 30. Mai 1841 als „Urania-Theater“ eröffnet und nach finanziellen Schwierigkeiten 1844 durch eine Aktiengesellschaft als „Actien-Theater“ weiterbetrieben. 1863 ersteigerte Carl J. B. Wagner das Theater und nannte es fortan Varieté-Theater. 1884 übernahm Ernst Drucker das Theater (Ernst Drucker Theater) und spielte erfolgreich Hamburger Volksstücke. Der Polizist der benachbarten Davidwache Julius Schölermann[2] schrieb das Stück Familie Eggers oder eine Hamburger Fischfrau (1886), in dem die beliebte Figur Thetje mit de Utsichten auftritt. Allein vom „Hausdichter“ Theodor Francke wurden 1896 bis 1919 zwanzig Theaterstücke erstaufgeführt, darunter Der Kartoffelkönig von Ochsenwärder (1916) und Die Hamster-Rieke aus dem Trampgang (1917) mit jeweils rund 400 Aufführungen.[3] Ein weiterer „Hausautor“ war Theodor Stockmann. Zwischen 1919 und 1951 erlebten 30 niederdeutsche Possen mit Lokalkolorit aus seiner Feder ihre Erstaufführung am Spielbudenplatz.[4] Aber auch ernste Stücke von Ibsen und Hauptmann wurden gespielt. Nach dem Tod von Ernst Drucker kaufte Siegfried Simon 1921 das Theater. Als er 1924 starb, übernahm seine Frau Anna Simon die Leitung. In dieser Zeit bearbeitete Paul Möhring die Biographie des Hamburger Originals Henriette Johanne Marie Müller zu einem Theaterstück, das 1940 unter dem Titel Zitronenjette erstmals aufgeführt und zu einem legendären Erfolg wurde.

Als den Nationalsozialisten 1941 auffiel, dass Ernst Drucker Jude war, wurde das Theater in St. Pauli Theater umbenannt. Das während des Zweiten Weltkriegs nicht beschädigte Theater wurde am 29. August 1945 mit der Zitronenjette wiedereröffnet.

Kurt Collien übernahm das Haus 1970. Freddy Quinns Musical Der Junge von St. Pauli wurde uraufgeführt und auch die Zitronenjette weitergespielt. Bis in die 1980er Jahre ist das Haus am Spielbudenplatz mit niederdeutschem Mundarttheater erfolgreich. Unter den Nachfolgern Michael († 4. Mai 2018)[5] und Thomas Collien wandte sich das Theater mit Stars wie Marika Rökk,[6] Elke Sommer, Gunther Philipp und Willy Millowitsch von den niederdeutschen Stücken ab und mehr der Comedy und internationalen Tanz- und Musikshows zu. Produktionen wie Le Quatuor,[7] Gumboots oder Lady Salsa[8] feierten hier Deutschland-Premiere.

Im Frühjahr 1996 veröffentlichte die Düsseldorfer Punk-Rock-Band Die Toten Hosen zu ihrem Song Paradies, der auf dem damals erschienenen Album Opium fürs Volk enthalten ist, einen von Regisseurin Gabriele Oestreich in Zusammenarbeit mit dem Filmemacher Martin Weisz gedrehten Videoclip, der mit der Band im St. Pauli Theater aufgezeichnet wurde.[9] Außerdem drehte die bayerische Alternative-Rock-Band Emil Bulls ihren 2003 erschienenen Videoclip zu dem Song This Day, der auf dem Album Porcelain zu finden ist, in dem Theater.

2003 kamen Ulrich Waller und Ulrich Tukur zu Thomas Collien an das Haus. Mit bekannten Persönlichkeiten der deutschen Theater- und Kabarettszene erarbeiten sie wieder eigene Produktionen. Darunter waren Schauspieler wie Eva Mattes, Ulrich Tukur, Peter Franke und Christian Redl sowie Kabarettisten wie Mathias Richling, Matthias Deutschmann, Georg Schramm und Horst Schroth.

Seit 2007 vergibt der Förderkreis des St. Pauli Theaters den Ulrich-Wildgruber-Preis. Seit 2011 firmierte das St. Pauli Theater mit dem Zusatz ehemals Ernst Drucker Theater. Das Haus wurde 2016 unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes umfassend restauriert.[10]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kurt Collien, Michael Collien (Direktoren), sowie Angestellte und Schauspieler berichten über das Leben am Theater Mitte der 80er Jahre. Autobiografische Porträts in: Jörg Meier: Ich möchte keine Minute missen. Menschen auf St. Pauli erzählen. 1. Aufl., Greno, Nördlingen 1987, ISBN 3-89190-846-6. S. 103 f, S. 122 ff, S. 105 ff, S. 108 f, S. 115 f, S. 217 ff

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: St.-Pauli-Theater – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Anmerkung: Der am Valentinskamp 40–42 gelegene Theatersaal des 2005 gegründeten Operettentheaters Engelsaal ist noch älteren Datums, wurde jedoch nach kurzer Theaternutzung über Jahrzehnte zu anderen Zwecken genutzt.
  2. Peter Hansen: Julius Schölermann (1846–1895)
  3. Zu Theodor Francke: Biographische Notiz und Werke
  4. Marilen Andrist: Das St. Pauli-Theater – 150 Jahre Volkstheater am Spielbudenplatz, Galgenberg-Verlag, Hamburg 1991, ISBN 3-925387-98-6
  5. St. Pauli Theater: Langjähriger Direktor Michael Collien ist tot.
  6. Marika Rökk: Das Kuckucksei. Boulevardkomödie. Dez. 1986.
  7. Auch die dritte Generation hat das Theater-Blut geerbt. In: WELT. Abgerufen am 16. August 2017.
  8. Armgard Seegers: Kubanische Tanzshow "Lady Salsa" im St. Pauli Theater. (abendblatt.de [abgerufen am 16. August 2017]).
  9. Bildband "Die Toten Hosen, Fotografien von Fryderyk Gabowicz/1986-2006/Live Backstage Studio", mit zwei großformatigen Fotos von den Dreharbeiten zu dem Videoclip Paradies. VÖ: November 2006. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag GmbH, Berlin. Im Kapitel "04.03.1996|Hamburg|Videodreh Paradies"
  10. Stefan Reckziegel: St. Pauli Theater: Ein altes Haus in neuer Pracht. In: abendblatt.de. Hamburger Abendblatt, 5. September 2016, abgerufen am 15. August 2017.

Koordinaten: 53° 32′ 57,1″ N, 9° 57′ 48,4″ O