Tris(trimethylsilyl)amin
Strukturformel | ||||||||||||||||
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Allgemeines | ||||||||||||||||
Name | Tris(trimethylsilyl)amin | |||||||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C9H27NSi3 | |||||||||||||||
Kurzbeschreibung | ||||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | ||||||||||||||||
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Eigenschaften | ||||||||||||||||
Molare Masse | 233,57 g·mol−1 | |||||||||||||||
Aggregatzustand |
fest | |||||||||||||||
Dichte | ||||||||||||||||
Schmelzpunkt | ||||||||||||||||
Siedepunkt | ||||||||||||||||
Löslichkeit |
leicht löslich in unpolaren organischen Lösungsmitteln, wie z. B. Benzol, Tetrachlormethan, Diethylether, 1,4-Dioxan, Petrolether[4] oder Tetrahydrofuran[6] | |||||||||||||||
Brechungsindex |
1,4545 (20 °C)[4] | |||||||||||||||
Sicherheitshinweise | ||||||||||||||||
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Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C |
Tris(trimethylsilyl)amin ist der einfachste Vertreter von Tris(trialkylsilyl)aminen der allgemeinen Formel (R3Si)3N, in dem alle drei Wasserstoffatome des Ammoniaks durch Trimethylsilylgruppen (-Si(CH3)3) ersetzt sind.[4] Tris(trimethylsilyl)amin steht als stabile Zwischenstufe bei der chemischen Stickstofffixierung, d. h. der Einführung von atmosphärischem Stickstoff N2 in organische Substrate unter Normalbedingungen, seit Jahren im Zentrum großen wissenschaftlichen Interesses.[7][8][9]
Vorkommen und Darstellung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Frühe Versuche der Darstellung von Tris(trimethylsilyl)amin aus den Ausgangsverbindungen Ammoniak und Trimethylchlorsilan (TMS-Cl) verliefen auch bei Temperaturen von 500 °C und in Gegenwart der Base Pyridin ergebnislos.[10][11] Die Reaktion von Ammoniak und Trimethylchlorsilan bleibt auf der Stufe des zweifach silylierten Produkts Bis(trimethylsilyl)amin, meist als Hexamethyldisilazan (HMDS) bezeichnet, stehen.
![Synthese von Hexamethyldisilazan (HMDS)](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/a1/HMDS-Synthese.svg/250px-HMDS-Synthese.svg.png)
Nonamethyltrisilazan entsteht bei der Reaktion des Natriumsalzes von Hexamethyldisilazan – aus HMDS und Natriumamid[3] bzw. aus mit HMDS, Natrium und Styrol[4] – mit Trimethylchlorsilan in 80%iger Ausbeute.[12]
![Synthese von Tris(trimethylsilyl)amin aus Na-HMDS](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/a9/Tris%28trimethylsilyl%29amin_aus_Na-HMDS.svg/400px-Tris%28trimethylsilyl%29amin_aus_Na-HMDS.svg.png)
Das Lithiumsalz von HMDS – aus HMDS und n-Butyllithium[5] bzw. aus HMDS und Phenyllithium[12] – reagiert lediglich in Ausbeuten von 50–60 % mit Trimethylchlorsilan zu Tris(trimethylsilyl)amin.
Als Eintopfreaktion mit 72%iger Ausbeute kann die Umsetzung von Lithiumnitrid mit Trimethylchlorsilan in THF ausgeführt werden.[6]
![Synthese von Tris(trimethylsilyl)amin aus Li-nitrid](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/aa/Tris%28trimethylsilyl%29amin_aus_Li-nitrid.svg/300px-Tris%28trimethylsilyl%29amin_aus_Li-nitrid.svg.png)
Eigenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Tris(trimethylsilyl)amin ist ein farbloser, kristalliner[1][2] bzw. wachsartiger[3] Feststoff, der stabil ist gegen Wasser und Alkalien[13], sich aber durch Einwirkung von Alkoholen oder Säuren unter Spaltung der Si-N-Bindung und Bildung von Ammoniak zersetzt.[3]
Anwendungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Tris(trimethylsilyl)amin als Synthesebaustein
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Aus Antimontrichlorid und Tris(trimethylsilyl)amin entsteht bei −60 °C fast quantitativ ein Nitridoantimon-Komplex mit Heterocubanstruktur.[14]
Ketone können in Gegenwart von P4-t-Bu und Nonamethyltrisilazan unter milden Bedingungen in Ausbeuten bis 84 % mit dem sehr reaktionsträgen Fluoroform (HCF3, HFC-23) trifluormethyliert werden.[15]
Aus Tris(trimethylsilyl)amin und Phosphorpentachlorid in Hexan entsteht bei 0 °C das Monomer Trichlor(trimethylsilyl)-phosphoranimin Cl3P=NSiMe3,
![Synthese von Trichlor(trimethylsilyl)phosphoranimin](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/2/2a/Synthese_von_Trichlor%28trimethylsilyl%29phosphoranimin.svg/400px-Synthese_von_Trichlor%28trimethylsilyl%29phosphoranimin.svg.png)
das zu linearen Polydichlorphosphazenen mit definierten Molmassen und Polydispersitäten polymerisiert werden kann.[16]
In siedendem Dichlormethan (ca. 40 °C) wird aus Tris(trimethylsilyl)amin und Phosphorpentachlorid neben anderen Oligomeren vorwiegend (zu 76 %) das cyclische Trimer (NPCl2)3 Hexachlorcyclotriphosphan gebildet, aus dem bei Erhitzen auf über 250 °C hochmolekulare, aber wenig definierte Polydichlorphosphazene erhalten werden.
![Synthese von Hexachlorcyclotriphosphan](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/d/d0/Synthese_von_Hexachlorcyclotriphosphan.svg/400px-Synthese_von_Hexachlorcyclotriphosphan.svg.png)
Stickstofftrifluorid NF3, das u. a. zum Plasmaätzen von Siliciumwafern Verwendung findet, ist aus Tris(trimethylsilyl)amin und Fluorgas bei −40 °C in Acetonitril zugänglich, wobei die Bildung von Stickstoff N2 und Tetrafluorhydrazin N2F4, die bei der Standardsynthese aus Ammoniak oder Ammoniumfluorid als unerwünschte Nebenprodukte anfallen, unterdrückt wird.[17]
![Synthese von NF3](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/e7/Bildung_von_Stickstofftrifluorid.svg/450px-Bildung_von_Stickstofftrifluorid.svg.png)
Tris(trimethylsilyl)amin als Zwischenstufe der chemischen Stickstofffixierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die technische Stickstofffixierung wurde durch das Haber-Bosch-Verfahren realisiert, bei dem Stickstoff in Gegenwart von Eisen-Katalysatoren unter hohen Drücken (>150 bar) und Temperaturen (>400 °C) durch reduktive Protonierung in Ammoniak überführt wird.
Bei der chemischen Stickstofffixierung, d. h. der Umwandlung von atmosphärischem Stickstoff unter Normalbedingungen in reaktive Ausgangsstoffe für chemische Synthesen – meist ebenfalls Ammoniak – spielt Tris(trimethylsilyl)amin bei der so genannten reduktiven Silylierung eine wichtige Rolle, da es mit Wasser glatt zu Ammoniak hydrolysiert wird.
![Schematische chemische Stickstofffixierung](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/41/Chemische_Stickstofffixierung.svg/450px-Chemische_Stickstofffixierung.svg.png)
Bereits 1895 wurde beobachtet, dass metallisches Lithium schon bei Raumtemperatur mit Stickstoff zum Lithiumnitrid reagiert.[18] 1972 beobachtete K. Shiina, dass Lithium (als Elektronendonor) in Gegenwart von Chrom(III)-chlorid als Katalysator bei Raumtemperatur mit dem zur Inertisierung eingesetzten Stickstoff unter Dunkelfärbung mit Trimethylsilylchlorid in geringen Mengen Tris(trimethylsilyl)amin bildet.[7]
![Reduktive Silylierung mit Lithium als Elektronendonor](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/7/75/Reduktive_Silylierung_-_Lithium.svg/350px-Reduktive_Silylierung_-_Lithium.svg.png)
In neuerer Zeit wurde für die reduktive Silylierung von N2 zur Stickstofffixierung unter Normalbedingungen statt Lithium bevorzugt Natrium als Elektronendonor, sowie Molybdän-[19] und Eisenverbindungen[8], wie z. B. Pentacarbonyleisen oder Ferrocene als Katalysatoren eingesetzt,[20] wobei bis zu 34 Äquivalente N(Me3Si)3 pro Eisenatom im Katalysator erhalten wurden.
![Reduktive Silylierung mit Natrium als Elektronendonor](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/a8/Reduktive_Silylierung_-_Natrium.svg/350px-Reduktive_Silylierung_-_Natrium.svg.png)
Mit einem Molybdän-Ferrocen-Komplex als Katalysator konnte eine katalytische Produktivität (engl. turnover number, TON) von bis zu 226 erzielt werden.[21]
![Reduktive Silylierung mit einem Mo-Fe-Katalysator](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/2/20/Reduktive_Silylierung_-_Mo-Fe-Katalysator.svg/400px-Reduktive_Silylierung_-_Mo-Fe-Katalysator.svg.png)
Die katalytische Produktivität der bisher entwickelten Katalysatoren für die chemische Stickstofffixierung ist trotz intensiver Forschungen[22] noch um Größenordnungen geringer als z. B. die moderner Polymerisationskatalysatoren vom Metallocen-Typ oder Enzyme.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d e Datenblatt Tris(trimethylsilyl)amine 98% bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 28. Dezember 2016 (PDF).
- ↑ a b Datenblatt Nonamethyltrisilazane bei Alfa Aesar, abgerufen am 28. Dezember 2016 (Seite nicht mehr abrufbar).
- ↑ a b c d e C.R. Krüger, H. Niederprüm, M. Schmidt, O. Scherer: Sodium Bis(trimethylsilyl)amide and Tris(trimethylsilyl)amine, in Inorganic Syntheses. Hrsg.: H.F. Holtzlow. Band 8. John Wiley & Sons, Inc., Hoboken, NJ, USA 1966, ISBN 978-0-470-13167-1, S. 15–19, doi:10.1002/9780470132395.ch5.
- ↑ a b c d e f J. Goubeau, J. Jiminéz-Barberá: Tris-(trimethylsilyl)-amin. In: ZAAC. Band 303, Nr. 5–6, 1960, S. 217–226, doi:10.1002/zaac.19603030502.
- ↑ a b E.H. Amonoo-Neizer, R.A. Shaw, D.O. Skovlin, B.C. Smith, J.W. Rosenthal, W.L. Jolly: Lithium Bis(trimethylsilyl)amide and Tris(trimethylsilyl)amine, in Inorganic Syntheses. Hrsg.: H.F. Holtzlow. Band 8. John Wiley & Sons, Inc., Hoboken, NJ, USA 1966, ISBN 978-0-470-13167-1, S. 19–22, doi:10.1002/9780470132395.ch5.
- ↑ a b W.L. Lehn: Preparation of tris(trimethylsilyl)- and tris(trimethylstannyl)amines. In: J. Am. Chem. Soc. Band 86, Nr. 2, 1964, S. 305, doi:10.1021/ja01056a057.
- ↑ a b K. Shiina: Reductive silylation of molecular nitrogen via fixation to tris(trimethylsilyl)amine. In: J. Am. Chem. Soc. Band 94, Nr. 26, 1972, S. 9266–9267, doi:10.1021/ja00781a068.
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- ↑ H. Tanaka et al.: Molybdenum-Catalyzed Transformation of Molecular Dinitrogen into Silylamine: Experimental and DFT Study on the Remarkable Role of Ferrocenyldiphosphine Ligands. In: J. Am. Chem. Soc. Band 133, Nr. 10, 2011, S. 3498–3506, doi:10.1021/ja109181n.
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