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Vierter Kreuzzug

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Der Vierte Kreuzzug, der von 1202 bis 1204 unter Beteiligung hauptsächlich französischer Ritter und der Republik Venedig stattfand, hatte ursprünglich die Eroberung Ägyptens zum Ziel. Trotz heftiger Einwände des Papstes und gänzlich zuwider dem Kreuzzugsgedanken, wurde stattdessen das christliche Konstantinopel eingenommen und geplündert. Das Ereignis vertiefte die sich ohnehin bereits abzeichnende Spaltung von griechischem Osten und lateinischem Westen um ein Vielfaches.

Vorgeschichte

Datei:Karte Konstantinopel1.jpg
Konstantinopel im Mittelalter

Mitte des 12. Jahrhunderts war beinahe ein Siebtel der über eine halbe Millionen Einwohner Konstantinopels "lateinischer" (westeuropäischer) Herkunft. Es waren zum größten Teil Händler aus den italienischen Hafenstädten Pisa, Genua, Amalfi und nicht zuletzt Venedig. Diese Händler hatten Privilegien, die die byzantinische Regierung einst in Notzeiten den Italienern hatte zugestehen müssen, im Gegenzug für militärische Unterstützung. Die Bevorteilung der "Lateiner", ihre anmaßende Art und noch dazu ihre fortwährend untereinander ausgetragenen Feindseligkeiten schürten Hass in der byzantinischen Bevölkerung. Anfang des Jahres 1171 kam es zu Ausschreitungen, bei denen das Viertel der genuesischen Kaufleute im Stadtteil Pera, auf der gegenüberliegenden Seite des Goldenen Horns, zerstört wurde. Die Täterschaft wurde nie geklärt, dennoch beschuldigte Kaiser Manuel I. Komnenos die Venezianer. In Folge dessen wurden am 12. März 1171 im gesamten Reich alle Kaufleute Venedigs verhaftet, eingekerkert und ihr Besitz konfisziert. Nur wenige konnten fliehen. Die Serenissima fasste die Verhaftungswelle als Kriegserklärung auf. Noch im Sommer wurde eine Kriegsflotte mit 120 Schiffen ausgerüstet, die unter dem Kommando des Dogen Vital II. Michele im September 1171 in See stach. Die Flotte umrundete den Peloponnes und traf bei Euböa auf byzantinische Diplomaten, die um Verhandlungen baten. Vital Michele ging darauf ein, schickte eine Gesandtschaft nach Konstantinopel und überwinterte mit der Flotte auf Chios. Als die Gesandten im Frühjahr 1172 aus Konstantinopel zurückkehrten war klar, dass Manuel Komnenos gar nicht daran dachte, seine Haltung zu ändern. Die angeblichen Verhandlungen nutzte er als Vorwand, um Zeit für den Ausbau der byzantinischen Verteidigungslinie zu schinden. Die venezianischen Diplomaten hatte er schimpflich behandelt, vermutlich wurde der zur Gesandtschaft gehörende Enrico Dandolo auf dieser Mission geblendet. Einen Angriff auf Byzanz konnte es allerdings nicht mehr geben, denn auf den überfüllten Schiffen war im Winter 1171/72 die Pest ausgebrochen und hatte Tausende dahingerafft. Die wenigen Überlebenden waren nicht mehr zur Kriegsführung im Stande. Die gesamte Expedition endete im Desaster, gedemütigt kehrte Vital Michele nach Venedig zurück, wo er dem Volkszorn zum Opfer fiel. Das Verhältnis zwischen den einstigen Verbündeten Byzanz und Venedig wurde durch diese Ereignisse nachhaltig zum Negativen geprägt, auch ein 1177 geschlossener Frieden zwischen den beiden Parteien änderte daran nichts. Im Jahr 1182 kam es in Folge von Wirren um die Thronfolge zur Machtergreifung des Andronikos I. Komnenos, der bis dahin im Exil an der Schwarzmeer-Küste weilte. Noch vor seiner Ankunft in Konstantinopel kam es zu einem Aufstand, bei dem nahezu die gesamte "lateinische" Bevölkerung (noch immer waren Genuesen und Pisaner in der Stadt) ermordet und ihr Stadtviertel niedergebrannt wurde (dem sog. "Lateinerpogrom").

Im Jahr 1195 wurde Kaiser Isaak II. Angelos durch einen Putsch von seinem eigenen Bruder, Alexios III. gestürzt. Mit seiner Thronbesteigung begann der Niedergang der kaiserlichen Autorität im byzantinischen Reich. Erst löste sich Trapezunt vom Reich, dann errichtete Leon Sgouros eine Herrschaft in Mittelgriechenland mit Zentrum Korinth. Alexios stand den Entwicklungen hilflos gegenüber, Byzanz verlor seine Bedeutung als europäische Macht. Als sich der Fürst Leo II. in Armenien zum König erklärte, forderte er seine Anerkennung nicht etwa vom nahen Kaiser in Byzanz, sondern vom römisch-deutschen Kaiser Heinrich VI. sowie von Papst Coelestin III.. Noch verhängnisvoller als der Verlust an Einfluss wurde für Byzanz die Einbuße seiner Seeherrschaft. Nachdem ein Großteil der kaiserlichen Flotte 1186 von den Normannen vor Zypern vernichtet wurde, besaß das Byzantinische Reich noch 20 Schiffe. Mit dieser Flotte vermochte man nicht einmal das Marmarameer frei von Piraten zu halten. In Folge dessen ging der Seehandel, die Haupteinnahmequelle Konstantinopels, drastisch zurück.

Der Kreuzzug

Die Vorbereitungen

Dandolo wirbt für den Kreuzzug; Grafik von Doré, 19. Jhdt.

Im August 1198 rief Papst Innozenz III. ohne besonderen Anlass (wie etwa der Niederlage bei Hattin als Auslöser für den Dritten Kreuzzug) zum erneuten Kreuzzug auf. Er konzentrierte sich mit seiner Kreuzzugspredigt zunächst auf Nordfrankreich und beabsichtigte, vor allem kleinere Machthaber zu werben (vgl. Erster Kreuzzug, der einzig wirklich erfolgreiche). Zu den ersten, die das Kreuz ergriffen, zählten Theobald von der Champagne, Ludwig von Blois, Balduin von Flandern und Hennegau sowie Hugo von St. Pol. Anscheinend war man sich von Vornherein darüber einig, den Seeweg ins Heilige Land zu nehmen, weshalb Gesandte (unter ihnen Gottfried von Villehardouin, der Chronist des Vierten Kreuzzugs) zu Verhandlungen in die großen italienischen Hafenstädte geschickt wurden. Nach einiger Zeit einigte man sich mit Venedig, das sich bereit erklärte, den Transport von etwa 33.000 Mann zu organisieren, und ebenso eine eigene Flotte mit 50 Galeeren auszurüsten. Als Bezahlung handelte der greise Doge Enrico Dandolo 85.000 Silbermark sowie die Hälfte des zu erobernden Gebiets aus. Am 29. Juni 1202 plante die Flotte in See zu stechen. Offizielles Ziel des Kreuzzugs war wie eh und je Jerusalem, aber in einem geheimen Zusatzprotokoll einigten sich die Kreuzfahrer auf eine Einnahme Ägyptens. Militärisch sicherlich richtig, plante man dadurch, das Rückzugsgebiet der Araber vor dem eigentlichen Angriff auf das Hauptziel zu erobern. Vermutlich hätte sich Palästina ohne Ägypten ohnehin nicht halten können. Nachdem sich noch Bonifatius von Montferrat angeschlossen hatte und zum offiziellen Anführer gewählt wurde, konnte der Kreuzzug beginnen.

Die Eroberung von Zara

Siehe auch: Belagerung von Zara (1202)

Für Venedig war das gesamte Unternehmen ein hochriskantes Wagnis. Die Serenissima stellte über 200 Schiffe zur Verfügung, neugebaute und von der eigenen Handelsschifffahrt abgezogene. Nichts davon konnte im Voraus von den Kreuzfahrern bezahlt werden. Bei einem Fehlschlag der Expedition drohte ein Bankrott der Lagunenstadt. Als schließlich nur ein Drittel der erwarteten 30.000 Kreuzfahrer zum Abfahrtstermin erschienen, ahnten die Venezianer ein Scheitern des Unternehmens. Sie verlangten weiterhin die vertraglich zugesicherte Entlohnung, die die Kreuzfahrer zu diesem Zeitpunkt nicht zahlen konnten, und so einigte man sich darauf, die dalmatinische Stadt Zara einzunehmen. Nach zweiwöchiger Belagerung hatte man die Stadt Ende November 1202 eingenommen. Die Beute der Eroberung wurde mit den Schulden der Kreuzfahrer verrechnet. Aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit überwinterte man in Zara.

Wendung gegen Byzanz

Ende Dezember traf eine Gesandtschaft des deutschen Königs Philipp von Schwaben und mit ihr der byzantinische Prinz Alexios Angelos, Sohn des gestürzten Isaak II., ein. Sie schlugen den Kreuzfahrern vor, gegen Byzanz zu ziehen. Alexios, der sich als rechtmäßiger Erbe des Reiches fühlte, versprach den Rittern die ungeheure Summe von 200.000 Silbermark, die Vorsorgung des Kreuzfahrerheeres für ein Jahr sowie eine Armee von 10.000 Mann als Unterstützung bei der Rückeroberung Jerusalems. Wie schon bei der Eroberung Zaras waren die Meinungen, ob man diese Angebot annehmen sollte, zweigeteilt. Viele weigerten sich und verließen das Kreuzfahrerheer. Die wichtigsten Anführer, darunter Bonifatius von Montferrat, Ludwig von Blois, Balduin von Flandern und Hennegau und Hugo von St. Pol, stimmten jedoch zu.

Als Papst Innozenz III. von dem Vorhaben erfuhr, verbot er den Kreuzfahrern in einem Brief ausdrücklich den Krieg gegen Christen. Im Nachhinein verurteilte er auch den Angriff auf Zara, und strafte die Venezianer, die er als Ideengeber sah, mit der Exkommunikation. Der Brief wurde von den Anführern des Kreuzzuges abgefangen, so dass man im April 1203 von Zara aufbrach. Zunächst segelte man nach Dyrrhachion, wo Alexios als rechtmäßiger Kaiser empfangen wurde. In Korfu zeigte sich erster Widerstand der Bevölkerung, als sie von der Absicht der Kreuzfahrer erfuhren. Am 24. Mai 1203 verließ man die Insel und erreichte über Euböa die Dardanellen, wo die Stadt Abydos eingenommen wurde. Anschließend segelte man nach Konstantinopel, das man am 24. Juni 1203 erreichte. Es begann eine Zeit der Verhandlungen, obwohl schnell klar war, dass Alexios III. nicht ohne weiteres abdanken würde. Alexios' IV. Thronansprüche mussten militärisch erzwungen werden.

Erste Belagerung Konstantinopels

Die ersten kleineren Gefechte zu Land und zu Wasser blieben ohne Wirkung. Die belagerungserprobten Byzantiner sperrten wie üblich die Einfahrt zum Golden Horn mit einer Kette. Den Venezianern gelang es allerdings, die Sperre zu durchbrechen, und die Kreuzfahrer lagerten nun direkt vor der Stadt. Die Venezianer konzentrierten sich in einem ersten Angriff am 17. Juli 1203 auf die Schwachstelle der Festung Konstantinopel, nämlich die vergleichsweise leicht befestigte Seemauer zum Goldenen Horn. Es gelang ihnen, von Aufbauten auf ihren Schiffen aus einen Abschnitt der Mauer zu stürmen. Das Frankenheer, das im Westen die Theodosianische Landmauer angriff, musste sich allerdings zurückziehen und wurde von den Truppen Alexios' III. verfolgt. In Erwartung einer Schlacht zogen sich die Venezianer vom eroberten Mauerabschnitt zurück, nachdem sie in den angrenzenden Stadtvierteln Feuer gelegt hatten. Doch zu einer offenen Schlacht kam es nicht, der byzantinische Kaiser zog sich in seine sichere Hauptstadt zurück.

Obwohl die Lage alles andere als aussichtslos erschien, raffte Alexios III. in Panik einige seiner Schätze zusammen und floh nach Thrakien. Damit brach der Widerstand der Belagerten zusammen. Der blinde, seit seiner Entmachtung eingekerkerte Isaak II. wurde von den Byzantinern wieder auf den Thron gesetzt. Ein geschickter Schachzug, denn nun gab es keinen Grund für weitere Kämpfe. Isaak II. erkannte die durch seinen Sohn Alexios, der darüber hinaus am 1. August zum Mitkaiser ernannt wurde, gegenüber den Kreuzfahrern gemachten Versprechen an. Bis zur Erfüllung eben jener blieben die Franken und Venezianer vor der Stadt und planten den Feldzug gegen das eigentlich Ziel der Unternehmung, Ägypten.

Erneuter Umsturz

Dandolo verhandelt mit Alexios V. Murtzouphlos; Grafik von Doré, 19. Jhdt.

Die Kreuzfahrer warteten nun auf die Erfüllung der ihnen gemachten Versprechungen. Doch Isaak II. sah sich außer Stande, seine Schulden zu begleichen, geschweige denn das versprochene Heer für die Eroberung Palästinas aufzustellen. Und so blieben die "Lateiner" in Konstantinopel, und mit jedem weiteren Tag stieg die Unruhe. Es kam zu wiederholten Übergriffen von Byzantinern auf genuesische und pisanische Kaufleute, die daraufhin ihre Stadtviertel verließen und ins Lager der Kreuzfahrer flüchteten. Es wurden Versuche unternommen, die venezianische Flotte mit Brandern zu attackieren, was allerdings erfolglos blieb. Die Franken zogen ihrerseits marodierend durch die Stadt. Als sie eine Moschee entdeckten, zündeten sie sie an und lösten damit einen Großbrand aus. Die Unbeliebtheit des unfähigen Herrscherduos Isaak II. und Alexios IV. wuchs. Im Januar 1204 erklärte sich der Anführer der lateinerfeindlichen Partei, Alexios V. Murtzouphlos, zum neuen Kaiser. Sein Vorgänger Alexios IV. wurde getötet, und auch Isaak II. starb wenig später durch ungeklärte Umstände. Alexios V. Murtzouphlos verweigerte jegliche Zahlung an die Kreuzfahrer und wies sie an, unverzüglich seine Stadt und sein Reich zu verlassen.

Eroberung und Plünderung Konstantinopels

Datei:Eugène Delacroix - Die Einnahme von Konstantinopel.jpg
Einnahme Konstantinopels. Gemälde von Delacroix, 1840

Die Kreuzfahrer waren ganz und gar nicht bereit, ohne Beute in die Heimat zurückzukehren. Nun hatten sie sogar ein Motiv und Ziel, die christliche Stadt anzugreifen, nämlich die wortbrüchigen Griechen durch eine lateinische Herrschaft zu ersetzen. Der Sturmangriff auf Konstantinopel wurde sorgsam vorbereitet. Ein Brief des Papstes, der wiederum ein Verbot eines solchen Angriffs aussprach, wurde von den venezianischen Oberen abgefangen.

Im März 1204 unterzeichneten die teilnehmenden Mächte einen Vertrag (den sog. Partitio Terrarum Imperii Romaniae) über die Aufteilung von Beute und byzantinischem Gebiet für den Fall des Sieges. Demnach sollten die Venezianer drei Viertel, die Kreuzfahrer ein Viertel der Beute erhalten, bis die Schulden der Franken getilgt waren. Alles weitere an Beute sollte eins zu eins geteilt werden. Ebenso vereinbarte man, dass der zukünftige lateinische Kaiser von je sechs venezianischen und fränkischen Wahlmännern berufen werden sollte. Des Weiteren sollte die Partei, die nicht den Kaiser stellt, im Gegenzug einen der ihren zum Patriarchen ernennen dürfen.

Zu einem ersten ernsthaften Angriff auf die Mauern Konstantinopels kam es am 9. April 1204. Die von Alexios V. verstärkten Seemauern am Goldenen Horn hielten den Attacken der Venezianer diesmal stand. Auch nach mehreren Stunden erzielte man keinen Erfolg, so wurden Mann und Gerät gegen Abend wieder von den Mauern abgezogen und auf die andere Seite des Goldenen Horns gebracht. Am 12. April folgte der nächste Angriff. Diesmal gelang die Erstürmung einiger Türme der Seemauer. Die Angreifer öffneten nach harten Kämpfen von innen eines der Stadttore und konnten sich im Hafenviertel dicht hinter der Mauer festsetzen. Erneut setzten sie einige Häuser in Brand und lösten damit eine Feuersbrunst aus.

Doch der Kampf war keineswegs entschieden, denn nach wie vor kontrollierten die Byzantiner den Großteil der Stadt. In der Nacht zum 13. April jedoch ergriff Alexios V. eilig die Flucht, woraufhin der geordnete Widerstand in der Stadt zusammenbrach. Der flüchtige Kaiser wurde gefasst, anschließend erst geblendet, dann getötet. Die Kreuzfahrer hatten erneut die Kontrolle über die Stadt. Es begann eine drei Tage andauernde Plünderungswelle, bei der viele Einwohner misshandelt, vergewaltigt oder getötet wurden. Jahrhunderte alte Kunstschätze wurden geraubt, wertvolle Ikonen und Mosaike zerstört sowie dutzende Reliquien aller Art entwendet und in Folge dessen über ganz Europa zerstreut. So berichtet der Ritter und Augenzeuge Robert de Clari über die Erstürmung des alten Kaiserpalastes am Bukoleon-Hafen von der Reliquienkapelle der byzantinischen Herrscher: Selbst die Türangel und Riegel "waren hier aus Silber, und dann gab es da keine Säule, die nicht aus Jaspis oder Porphyr oder aus reichen Edelsteinen war. In dieser Kapelle fand man ganz reiche Reliquien, denn man fand da zwei Stücke vom wahren Kreuz Christi, so groß wie das Bein eines Mannes und ungefähr so lang wie ein halber Klafter, ... auch das Eisen der Lanze, mit der unser Herr in die Seite gestochen wurde, zwei Nägel, die durch die Mitte seiner Hände und die Mitte seiner Füße geschlagen wurden, die Tunika, die er trug und die von ihm genommen wurde, als sie ihn auf den Kalvarienberg führten und ... die gesegnete Krone, mit der er gekrönt worden ist"(siehe Dornenkrone und Kreuz Christi). Im Gegensatz zu den Franken, die wahllos Goldschmuck zusammenrafften und einschmolzen, schickten die Venezianer Suchtrupps aus Kunstexperten durch die Stadt, die die wertvollsten Gegenstände sicherstellten. Viele dieser Stücke schmücken noch heute den Dogenpalast in Venedig. Der Gesamtwert der Beute wird auf etwa 900.000 Silbermark geschätzt, was heute wahrscheinlich mehreren hundert Millionen Euro entsprechen würde.

Folgen des Vierten Kreuzzuges

Datei:4.Kreuzzug.JPG
Geopolitische Lage nach dem 4. Kreuzzug

Vertragsgemäß wurden die gewonnenen Gebiete zerstückelt und unter den Siegern aufgeteilt. Ein Rumpfgebiet des einstigen Byzantinischen Reichs wurde zum Lateinischen Kaiserreich. Dessen erster Kaiser, Balduin von Flandern und Hennegau, hatte allerdings nur noch die leere Ruine der einst prächtigsten Metropole der Christenheit zur Hauptstadt. Das Lateinische Königreich Thessalonike im Osten Nord- und Mittelgriechenlands sowie diverse Fürsten- und Herzogtümer auf der Peloponnes und der ägäischen Inselwelt unterstanden formal ebenfalls dem lateinischen Kaiser in Konstantinopel. Kreta, Euböa und ein kleiner Teil der Peloponnes (Modon, Koron und Monembasia) gingen als Kolonie an Venedig.

Einige andere Gebiete wurden jedoch von Nachfolgestaaten des Byzantinischen Reichs in Besitz genommen, so etwa das Despotat Epiros im Nordwesten Griechenlands, das Kaiserreich Trapezunt mit Alexios I. Komnenos an der Spitze, und das Kaiserreich Nikaia mit Theodor I. Laskaris. Dem Lateinischen Kaiserreich mangelte es bereits bei der Gründung an jeglicher militärischer Stärke, schon knapp ein Jahr nach der Einnahme Konstantinopels unterlag Kaiser Balduin I. den Bulgaren unter Kalojan in der Schlacht von Adrianopel. Einem Nachfolger Theodors I. von Nikaia, Michael VIII. Palaiologos, gelang im Jahr 1261 die Rückeroberung Konstantinopels im Handstreich. Das Byzantinische Reich vermochte allerdings nie mehr den alten Glanz, den es vor dem Vierten Kreuzzug hatte, wieder herzustellen. Das "Bollwerk" Byzanz, das Europa über 500 Jahre vor der Expansion der Muslime schützte, hatte nun jede Widerstandskraft verloren. Für die Osmanen war die Einnahme Konstantinopels im Laufe des 15. Jahrhunderts nur eine Frage der Zeit, und die anschließende Eroberungswelle, die erst vor Wien gestoppt wurde, hatte kein Hindernis mehr.

Durch die Gräueltaten bei der Plünderung Konstantinopels blieb das Verhältnis der orthodoxen Christen zu Westeuropa teilweise bis in die heutige Zeit gestört. Obwohl der Papst die Ereignisse des Vierten Kreuzzugs im Nachhinein auf schärfste verurteilte, wurde der Graben zwischen katholischer und orthodoxer Kirche, der seit dem 11. Jahrhundert bestand, nun unüberwindbar, da theologische Einigungsversuche nach solchen Erfahrungen mit den Katholiken, für die orthodoxe Bevölkerung nicht mehr akzeptabel waren. Dies gilt auch für Russland, das sich nach dem Vierten Kreuzzug und durch die im 13. Jahrhundert ebenfalls erfolgte mongolische Eroberung von Europa abwandte.

Literatur

Siehe auch: Kreuzzug/Bibliografie

Quellen

  • Gerhard E. Sollbach [Hrsg.]: Chroniken des Vierten Kreuzzugs (1202-1204) : Die Augenzeugenberichte von Geoffroy de Villehardouin und Robert de Clari, Pfaffenweiler 1998. ISBN 3825501590

Sekundärliteratur

  • Ralph-Johannes Lilie: Byzanz und die Kreuzzüge, Stuttgart 2004, ISBN 3170170333
  • Georg Ostorgorsky: Byzantinische Geschichte 324 bis 1453, München 2001, ISBN 340639759X
  • Kenneth M. Setton (Hrsg.): A History of the Crusades, Bd. 2, Madison 1969, hier online.


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