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Brand-Knabenkraut

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Brandknabenkraut
Brandknabenkraut
Brandknabenkraut
Brandknabenkraut (Orchis ustulata)
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Ordo: Spargelartige (Asparagales)
Vorlage:Familia: Orchideen (Orchidaceae)
Vorlage:Subfamilia: Orchidoideae
Vorlage:Tribus: Orchideae
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Vorlage:Genus: Knabenkräuter (Orchis)
Vorlage:Species: Brandknabenkraut
(Orchis ustulata)

Das Brandknabenkraut (Orchis ustulata) gehört zur Familie der Orchideen (Orchideaceae). Es zählt zu den kleinsten Arten aus der Gattung der Knabenkräuter (Orchis). Nach neueren molekulargenetischen Forschungen wird die Art zur Gattung Neotinea gerechnet; da diese Ergebnisse noch nicht in der Allgemeinbotanik akzeptiert sind, wird hier zunächst die bisherige Bezeichnung verwendet. Das Brandknabenkraut ist die aktuelle Orchidee des Jahres.

Das Brandknabenkraut wurde 1753 von Carl von Linné in der 10. Auflage der Systema naturae als Orchis ustulata beschrieben und somit in die Gattung Orchis eingeordnet. Der Name leitet sich von griechisch όρχις orchis (Hoden) und ustulata, von lateinisch ustulatus (angebrannt, Brand-) ab. Entsprechend lautet der deutsche Name Brandknabenkraut, Brand-Knabenkraut oder Angebranntes Knabenkraut. Er nimmt Bezug auf die schwarze Färbung des aufblühenden Blütenstandes.

Morphologie, Blütezeit

Blüten
Blüten
Blüten(Mg-k)

Das Brandknabenkraut erreicht eine durchschnittliche Wuchshöhe von 10 bis 50 Zentimetern, maximal kann es 80 Zentimeter hoch werden. Die Wuchsform der beiden Unterarten Orchis ustulata subsp. ustulata und Orchis ustulata subsp. aestivalis unterscheiden sich dabei deutlich. Die Nominatform subsp. ustulata weist einen gedrungenen Wuchs mit einer Wuchshöhe von maximal 40 Zentimetern auf und besitzt einen dichten und zylindrischen Blütenstand, während subsp. aestivalis ein gestreckter Wuchs mit lockerblütigem Blütenstand auszeichnet. Die Knollen der Pflanze sind klein und kugelig bis eiförmig. Die fünf bis zehn Laubblätter sind bläulichgrün, ungefleckt und lanzettförmig. Sie sind etwa 3 bis 10 Zentimeter lang und etwa 0,5 bis 2 Zentimeter breit und werden zum Blütenstand hin kleiner. Die Blätter umfassen den Stängel scheidig und am Grunde rosettig. Die Tragblätter sind nur wenig kürzer als der Fruchtknoten.

Der Blütenstand ist reichblütig mit vielen sehr kleinen Blüten in einer walzenförmigen Ähre, die sich im Verlauf der Blüte streckt. Die Kronblätter (Petalen) und Kelchblätter (Sepalen) bilden einen 3 bis 4 Millimeter großen, fast kugelförmigen Helm, der außen dunkelpurpurn bis schwarz gefärbt ist. Die Lippe (Labellum) ist circa 5 bis 8 Millimeter groß, tief dreilappig und weiß bis rosa gepunktet (selten reinweiß). Der Sporn ist etwa ein bis zwei Millimeter lang, nach unten gerichtet und etwa halb so lang wie der Fruchtknoten.

Als Bestäuber für subsp. ustulata wird die Raupenfliege Echinomyia magnicornis Godfery 1933, Vöth 1984 genannt, für subsp. aestivalis der Bockkäfer Leptura levida und verschiedene Hummel-Arten. Der Fruchtansatz ist meist relativ hoch.

Aufgrund der beträchtlichen ökologischen und geographischen Varianz erstreckt sich die Blütezeit der Art in Mitteleuropa insgesamt von April bis August. Dabei ist subsp. ustulata frühblühend, subsp. aestivalis spätblühend. Die einzelne Pflanze blüht etwa drei Wochen lang. An Standorten in milden Gegenden kann die Blüte von subsp. ustulata schon im letzten Aprildrittel beginnen, in den Alpen dagegen blüht sie oft erst im Juni auf. Da subsp. aestivalis offenbar eher in mittleren Lagen auftritt, blüht sie etwas einheitlicher von Juli bis August.

Genetik, Entwicklung

Das Brandknabenkraut hat einen Karyotyp von zwei Chromosomensätzen und jeweils 21 Chromosomen (Zytologie: 2n = 42). Der Same dieser Orchidee enthält keinerlei Nährgewebe für den Keimling. Die Keimung erfolgt daher nur bei Infektion durch einen Wurzelpilz (Mykorrhiza). Die Dauer von der Keimung bis zur Entwicklung der blühfähigen Pflanze konnte noch nicht hinreichend bestimmt werden.

Ökologie

Orchis ustulata im Biotop, einer Bergwiese der Hohen Rhön (Mg-k)

Das Brandknabenkraut wächst auf Trocken- und Halbtrockenrasen, Streuwiesen, Magerwiesen und Bergmatten bis 2000 Meter NN, seltener in lichten Kiefern- oder Laubwäldern sowie in trockeneren Bereichen von Feuchtwiesen. Dabei benötigt die Pflanze wechselfeuchte, basische, selten auch kalkfreie Böden mit einem pH-Wert von 6,0 bis 8,0. Die Art gilt als sehr heliophil und tritt meist auf vollbesonnten Standorten mit Beleuchtungsintensitäten bis über 80.000 Lux auf.

Es findet sich in den Pflanzengesellschaften V Mesobromion, V Cirsio-Brachyopodion und V Geranion sanguinei (Aufschlüsselung siehe: Pflanzensoziologische Einheiten nach Oberdorfer)

Verbreitung

Das Verbreitungsareal des Brandknabenkrautes erstreckt sich von Nordspanien über Mitteleuropa, die Alpenländer, Südskandinavien, Osteuropa bis nach Mittelsibirien und zum Kaukasus. Im Mittelmeerraum einschließlich Nordafrika ist das Brandknabenkraut nur selten vertreten. Es wird hier entsprechend seiner Verbreitung als mediterran, submediterran und atlantisch eingeordnet.

Nach Buttler (vgl. Literaturangabe) ist es ein Florenelement der meridional/montanen, submeridionalen und temperaten Florenzone.

In Deutschland ist das Brandknabenkraut verbreitet am Alpenrand anzutreffen, zerstreut im übrigen Bayern (Altmühltal, Fränkische Alb, Maintal, Spessart). Auch in Baden-Württemberg tritt es zerstreut auf, vor allem am Oberrhein und auf der Schwäbischen Alb. Seltener ist es in Rheinland-Pfalz und im Saarland (Region Mosel - Eifel). Weiter nördlich trifft man es nur selten bis sehr selten an, so im äußersten Südwesten Nordrhein-Westfalens, Hessen, Thüringen und nurmehr vereinzelt in Sachsen-Anhalt und Sachsen. In Brandenburg und inzwischen offenbar auch in Südniedersachsen ist die Pflanze ausgestorben, in den übrigen Ländern kam sie nie vor.

In Österreich kommt die Art zerstreut in allen Bundesländern vor, mit Schwerpunkt in den alpinen Kalkgebieten. Auch in der Schweiz findet sie sich nahezu im gesamten Gebiet. Die Fundpunkte häufen sich aber im Jura, in der Innerschweiz, im Rheintal und in den Südalpen, hingegen ist sie im Mittelland sehr selten geworden.

Naturschutz und Gefährdung

Wie alle in Europa vorkommenden Orchideenarten steht auch das Brandknabenkraut unter strengem Schutz europäischer und nationaler Gesetze.

Es gilt entsprechend als stark gefährdet. Empfindlich reagiert es auf Veränderungen des Biotops und verschwindet schneller als zum Beispiel das Kleine Knabenkraut, mit welchem es sich die Standorte oft teilt.

Der Arbeitskreis Heimischer Orchideen (AHO) in Deutschland, der sich in allen Bundesländern den Schutz, die Pflegemaßnahmen der Biotope, die Kartierung und wissenschaftliche Betreuung der heimischen Orchideenflora zur Aufgabe gemacht hat, wählte das Brandknabenkraut zur Orchidee des Jahres 2005. Mit der Wahl soll auf die starke Gefährdung dieser Orchideenart aufmerksam gemacht werden, die aus der mitteleuropäischen Landschaft zu verschwinden droht. Die Rückgangsursachen sind einerseits der Flächenverbrauch durch Bebauung, die intensive Wiesenbewirtschaftung, Düngung und zu häufige Mahd, andererseits aber auch die gänzliche Aufgabe der Bewirtschaftung und damit das Brachfallen der Wuchsorte.

Unterarten, Varietäten, Hybriden

Orchis ustulata ssp. aestivalis

Blütenstände
Blütenstände

Orchis ustulata ssp. ustulata

Das Brandknabenkraut tritt in zwei Unterarten auf, die sich vor allem hinsichtlich der Blütezeit, aber auch morphologisch unterscheiden:

  • Orchis ustulata subsp. ustulata L. zeichnet sich durch eher niedrigen und gedrungenen Wuchs sowie rundliche Blütenähren aus. Die Unterart blüht hauptsächlich im Mai oder Juni, gelegentlich auch im April.
  • Orchis ustulata subsp. aestivalis Kümpel & Mrkvicka zeigt dagegen eher hohen und gestreckten Wuchs sowie zugespitzte Blütenähren. Sie blüht später als die Nominatform, im Juli oder August. Der wissenschaftliche Name der Unterart leitet sich von dem Lateinischen aestivalis (sommerlich, Sommer-) ab.

Als Varietät treten sehr selten Pflanzen mit reinweißen Blüten auf:

  • Orchis ustulata var. alba'

Auch eine Hybridisierung mit anderen Orchideenarten ist möglich, als Hybriden sind beschrieben:

  • Orchis x doellii Zimmerm. 1916 (Orchis ustulata x Orchis simia)
  • Orchis x dietrichiana Bogenh. 1860 (Orchis ustulata x Orchis tridentata)
  • Anacamptorchis x fallax E. G. Camus 1892 (Anacamptis pyramidalis x Orchis ustulata)
  • Orchidactyla x labbei C. Bernard (Orchis ustulata x Dactylorhiza maculata)


Systematik

In einer Revision der Orchideenarten durch Bateman 1997 auf der Basis von genetischen Merkmalen wird das Brandknabenkraut gemeinsam mit einigen weiteren Arten in die bis dahin monotypische Gattung Keuschorchis (Neotinea) als Neotinea ustulata eingeordnet. Dieser Name wird heute teilweise bereits als gültiger neuer Name benutzt, hat sich jedoch bislang nicht vollständig durchgesetzt und ist auch nicht ganz unumstritten bei Experten.

Neben dem gültigen Erstbeschreibungsnamen, Orchis ustulata L. 1753, dem Basionym gibt es zahlreiche Synonyme, die durch Neubeschreibungen entstanden sind:

  • Orchis amoena Crantz 1769
  • Orchis columnae F.W.Schmidt 1795
  • Orchis parviflora Willd. 1805
  • Orchis hyemalis Raf. 1817
  • Orchis imbricata Vest 1824
  • Orchis ustulata var. leopoliensis Zapal. 1906
  • Orchis ustulata f. leopoliensis (Zapal.) Pauca 1972

Siehe auch: Liste aller Orchideengattungen, Liste der Orchideen Europas

Literatur

Standardliteratur über Orchideen

  • Karl-Peter Buttler: Orchideen, die wildwachsenden Arten Europas. Mosaik Verlag 1986, ISBN 3-570-04403-3
  • H. Baumann, S. Künkele:Die wildwachsenden Orchideen Europas. Frankh, 1982, ISBN 3-440-05068-8
  • Robert L. Dressler: Die Orchideen - Biologie und Systematik der Orchidaceae. (1996) - gutes Werk zum Thema Systematik [deutsch]
  • Hans Sundermann: Europäische und mediterrane Orchideen. Brücke-Verlag, 2. Auflage: 1975, ISBN 3-871-05010-5
  • J. G. Williams: Orchideen Europas mit Nordafrika und Kleinasien. BLV Verlag, ISBN 3-405-11901-4

Spezielle Literatur zum Brandknabenkraut

  • E. Henke (1984): Orchis ustulata auf der Peleponnes. - Ber. Arbeitskrs. Heim. Orchid. 1 (1): 92
  • R.M. Bateman, A.M. Pridgeon, & M.W. Chase (1997): Phylogenetics of subtribe Orchidinae (Orchidoideae, Orchidaceae) based on nuclear ITS sequences. 2. Infrageneric relationships and reclassification to achieve monophyly of Orchis sensu stricto, Lindleyana 12: 113-141
  • R.M. Bateman, P.M. Hollingsworth, J. Preston, Y.-B. Luo, A.M. Pridgeon, & M.W. Chase (2003): Molecular phylogenetics and evolution of Orchidinae and selected Habenariinae (Orchidaceae), Bot. J. Linn. Soc. 142:1-40, 2003.

Weblinks

Verbreitungskarten

Regionale Links

Orchidee des Jahres 2005

Bildgalerie

Commons: Orchis ustulata – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien