„Klitoris“ – Versionsunterschied

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Die Klitoris besitzt bis zu ca.&nbsp;8000 [[Nerv]]en und Sinneszellen, etwa die [[Mechanorezeptor]]en der [[Vater-Pacini-Körperchen]] (auch Corpusculum lamellosum oder Genitalnervenkörperchen) für das Vibrationsempfinden und die [[Meissner-Körperchen]] für die Berührungsempfindung.<ref>Theodor H. Schiebler, Horst-W. Korf: ''Anatomie: Histologie, Entwicklungsgeschichte, makroskopische und mikroskopische Anatomie, Topographie.'' 10. Auflage, Steinkopff, Darmstadt 2007, ISBN 3-7985-1770-3, S. 434.</ref> Die Klitorisvorhaut schützt die empfindliche Klitoriseichel.<ref name="The Journal of Urology, Vol 174, Iss 4, Part 1" />
Die Klitoris besitzt bis zu ca.&nbsp;8000 [[Nerv]]en und Sinneszellen, etwa die [[Mechanorezeptor]]en der [[Vater-Pacini-Körperchen]] (auch Corpusculum lamellosum oder Genitalnervenkörperchen) für das Vibrationsempfinden und die [[Meissner-Körperchen]] für die Berührungsempfindung.<ref>Theodor H. Schiebler, Horst-W. Korf: ''Anatomie: Histologie, Entwicklungsgeschichte, makroskopische und mikroskopische Anatomie, Topographie.'' 10. Auflage, Steinkopff, Darmstadt 2007, ISBN 3-7985-1770-3, S. 434.</ref> Die Klitorisvorhaut schützt die empfindliche Klitoriseichel.<ref name="The Journal of Urology, Vol 174, Iss 4, Part 1" />


Der [[Nervus pudendus]] allgemein gesehen – im Speziellen der ''Nervus dorsalis clitoridis'' – hat eine wichtige Funktion im Bereich der klitoral-vulvären Afferenz wie auch für die Sphinkteren- und die circumvaginal-muskulären Efferenzen.<ref>[http://sexuologie-info.de/pdf/Bd.9_2002_3.pdf Per Olov Lundberg: ''Die periphere Innervation der weiblichen Genitalorgane.'' Urban & Fischer Verlag, Sexuologie 9 (3) 2002 98 – 106, S.&nbsp;98–106]</ref><ref> [http://www.beck-shop.de/fachbuch/leseprobe/9781607619154_Excerpt_001.pdf Van Anh T. Ginger, Claire C. Yang: ''Functional Anatomy of the Female Sex Organs.'' In: J.P. Mulhall et al. (Hrsg.): ''Cancer and Sexual Health.'' Springer Science, Current Clinical Urology, 13, DOI 10.1007/978-1-60761-916-1_2, S.&nbsp;13–23]</ref>
Der [[Nervus pudendus]] allgemein gesehen – im Speziellen der ''Nervus dorsalis clitoridis'' – hat eine wichtige Funktion im Bereich der klitoral-vulvären Afferenz wie auch für die Sphinkteren- und die circumvaginal-muskulären Efferenzen.<ref>Per Olov Lundberg: ''Die periphere Innervation der weiblichen Genitalorgane.'' In: ''Sexuologie.'' Bd. 9, Nr. 3, 2002, S.&nbsp;98–106 ([http://sexuologie-info.de/pdf/Bd.9_2002_3.pdf Volltext als PDF-Datei]).</ref><ref>Van Anh T. Ginger, Claire C. Yang: ''Functional Anatomy of the Female Sex Organs.'' In: J. P. Mulhall et al. (Hrsg.): ''Cancer and Sexual Health.'' In: ''Current Clinical Urology.'' Bd 13, S.&nbsp;13–23, {{DOI|10.1007/978-1-60761-916-1_2}}, ([[http://www.beck-shop.de/fachbuch/leseprobe/9781607619154_Excerpt_001.pdf Volltext als PDF-Datei]).</ref>


=== Physiologie ===
=== Physiologie ===

Version vom 11. Januar 2016, 11:11 Uhr

Position der Klitoris; die (2) Eichel der Klitoris ist bei vielen Frauen ganz oder teilweise von der (1) Klitorisvorhaut bedeckt

Als die Klitoris (Fachterminus Clitoris, latinisiert von altgriechisch κλειτορίς, neugriechisch κλειτορίδα „kleiner Hügel“, Plural: Klitorides) oder den Kitzler bezeichnet man ein vom Schwellkörpergewebe gebildetes Organ der Frau und aller anderen weiblichen Säugetiere. Sie ist Teil der Vulva. Das System der Klitoris hat wesentliche Funktionen in der Sexualität der Frau und beim Orgasmus. Die Klitoris ist ein komplexes erektiles Organ, das sich vom Körperinneren nach außen hin dem Arcus pubis anfügt. Im Querschnitt zeigt sich eine paarige Struktur, die über Bindegewebekonstruktionen am Mons pubis und mit den kleinen Labien verbunden ist.[1][2]

Anatomie und Funktion

Anatomie und Embryologie

Äußere Klitoris
1: Klitorisvorhaut, Präputium clitoridis
2: Klitoriseichel, Glans clitoridis, die in den Klitorisschaft, Corpus clitoridis, übergeht, bevor dieser sich in die beiden Schwellkörper, Corpora cavernosa clitoridis, aufzweigt.
Klitoris mit
1) Eichel, Glans clitoridis, zusammen mit dem Klitorisschaft, Corpus clitoridis, in der Vorhaut, Praeputium clitoridis, liegend
2) Schwellkörper, Corpus cavernosum clitoridis, der paarige Anfangsteil vereinigt zum Corpus clitoridis
3) Kitzlerschenkel, Crus clitoridis
4) Harnröhrenmündung, Ostium urethrae externum
5) Vorhofschwellkörper, Bulbus vestibuli
6) Scheidenöffnung, Vestibulum vaginae
Projektion der Klitoriseichel, Glans clitoridis, des Klitorisschaftes oder -wurzel, Corpus clitoridis, und der beiden Schwellkörper oder Klitorisschenkel, Crura clitoridis, auf die Körperoberfläche.
Die weiblichen Musculi bulbospongiosi, Blick von der Dammseite aus

Lange Zeit war von der Klitoris nur die Klitoriseichel bekannt, ein etwa erbsengroßes Gewebe am oberen Ende der inneren Schamlippen. Die Klitoris umfasst jedoch ein ganzes System von Nerven und Schwellkörpern: die kleine Klitoriseichel, die sichtbar oder hinter einer Falte der kleinen Schamlippen verborgen ist, zwei zwiebelförmige Schwellkörper, die sich teilweise an die Vorderwand der Vagina anschmiegen, sowie zwei etwa sechs bis neun Zentimeter lange Schenkel, die tief ins Innere des Körpers reichen.[3]

Die Klitoris besteht aus zwei am Sitzbeinausschnitt, Arcus ischiadicus, befestigten Schwellkörperschenkeln, Crura clitoridis (Singular: Crus clitoridis), die sich unter dem Arcus pubis zum Schaft, Corpus clitoridis, vereinen. Das freie Ende ist zur Klitoriseichel, Glans clitoridis, erweitert, diese ist von der Klitorisvorhaut (-haube), Praeputium clitoridis, bedeckt. Durch ein Band, das Ligamentum suspensorium clitoridis, ist die Klitoris am Unterrand der Symphyse befestigt. Der Schwellkörper im Schaftbereich, Corpus cavernosum clitoridis, ist ein paarig angelegtes Organ von schwammartiger, kavernöser Beschaffenheit, welches sich in Richtung der Symphyse zum Corpus clitoridis bis hin zur Klitoriseichel vereinigt. Die zwei parallelen Schwellkörper des Schaftes sind durch eine faserige kollagene Hülle, die Tunica albuginea, umgeben; diese Hülle vereinigt sich in Richtung zur Glans clitoridis mit der Klitorisvorhaut.

Die Klitorisschwellkörper, Corpora cavernosa, sind erektiles Gewebe, welches aus glatten Muskelzellen und Bindegewebe besteht. Die beiden Klitorisschenkel enthalten jeweils einen Schwellkörper, das Corpus cavernosum clitoridis dextrum (rechte Seite) bzw. sinistrum (links). Diese Schwellkörper füllen sich mit Blut während der Klitoriserektion.[4][5] Ferner befinden sich unter der Schleimhaut des Scheidenvorhofes, Vestibulum vaginae, die Vorhofschwellkörper, Bulbi vestibuli; dieses dichte Venengeflecht steht mit dem kavernösen Gewebe der Klitoris in Verbindung. Bei der Kohabitation und der damit verbundenen sexuellen Erregung verengen die Bulbi vestibuli durch ihre Schwellung den Scheidenvorhof. Infolgedessen nähern sich die kleinen Schamlippen, Labia minora, dem eingeführten Penis an. Unterstützt wird dies durch die Wirkung der Musculi bulbospongiosi. Bei Füllung des Corpus cavernosum clitoridis mit Blut bleibt aber die Abknickung zwischen den Crura clitoridis und dem Corpus clitoridis bestehen.[6] Erst bei der Penetration überträgt sich der Zug an den kleinen Schamlippen auf die von ihnen zur Klitoris ziehenden Frenula clitoridis. Die unter der Klitoriseichel verlaufenden paarigen Frenula clitoridis verbinden diese mit den kleinen Labien, im Frenulum befinden sich Drüsen. Dadurch wird die Klitoriseichel dem Penis angenähert und durch die reibenden Bewegungen die sexuelle Erregung verstärkt.

Äußerlich sichtbar sind nur der Klitorisschaft und die hochempfindliche Klitoriseichel, die als Teil der Vulva an der vorderen Umschlagfalte der kleinen Schamlippen liegen und von der Klitorisvorhaut teilweise oder gänzlich bedeckt sind. Zusammen umfassen sie nur ein Zehntel des Gesamtvolumens der Klitoris.

Entwicklungsgeschichtlich gehen Klitoris und Penis aus dem Genitalhöcker[7] hervor.[8][9]

Innervation

Die Klitoris besitzt bis zu ca. 8000 Nerven und Sinneszellen, etwa die Mechanorezeptoren der Vater-Pacini-Körperchen (auch Corpusculum lamellosum oder Genitalnervenkörperchen) für das Vibrationsempfinden und die Meissner-Körperchen für die Berührungsempfindung.[10] Die Klitorisvorhaut schützt die empfindliche Klitoriseichel.[5]

Der Nervus pudendus allgemein gesehen – im Speziellen der Nervus dorsalis clitoridis – hat eine wichtige Funktion im Bereich der klitoral-vulvären Afferenz wie auch für die Sphinkteren- und die circumvaginal-muskulären Efferenzen.[11][12]

Physiologie

Die gesamte Klitoris ist stark mit Nervenendungen ausgestattet. Das ganze System ist besonders berührungsempfindlich und empfänglich für sexuelle Reize. Durch Stimulation der Klitoris gelangen die meisten Frauen zum Orgasmus. Insbesondere die Klitoriseichel, in der sich die Nervenstränge der zwei Schenkel treffen, ist hochempfindlich.

Lokalisation wichtiger Mechanorezeptoren und ihre Verteilung in der Klitoris. Schnitt in der Sagittalebene mit Darstellung der Vater-Pacini-Körperchen (Ruffini-Körperchen, Meissner-Körperchen und Merkel-Zelle) und die engl. Encapsulated nerve endings.

Bei der Erektion der Klitoris spielt neben entsprechenden sinnlichen Wahrnehmungen, das heißt einer Aktivierung entsprechender Nervenareale (Afferenzen zu Gebieten im Großhirn, im Hypothalamus und im sakralen Rückenmark (Parasympathikus)) durch Sinnesreize, in der Folge die Aktivierung der Endothelzellen in den Blutgefäßen der Klitoris eine wichtige Rolle. Über die Aktivierung der endothelialen Stickstoffmonoxid-Synthase wird der Botenstoff Stickstoffmonoxid (NO), ein Gasotransmitter, im entsprechenden Gefäßabschnitt freigesetzt. Dieses Stickstoffmonoxid (NO) führt dann über die Aktivierung der Guanylylzyklase zur vermehrten Bildung von cyclischem Guanosinmonophosphat (cGMP). Durch die dann erfolgende Blutgefäßerweiterung füllen sich die klitoralen Schwellkörper mit Blut (Vasokongestion).[13]

Talgdrüsen, Smegma und Pheromone

Die Klitoris ist mit verschiedenen Drüsen ausgestattet, vor allem im Bereich der Frenulae clitoridis am unteren Teil der Klitoriseichel.[14] Es sind dies Talgdrüsen und apokrine Schweißdrüsen (siehe auch Vomeronasales Organ (VNO) und Wirbeltierpheromone), welche das Smegma clitoridis bilden. Das Smegma clitoridis ist ein Talgdrüsensekretgemisch, genauer aus den Tyson-Drüsen (ektopische Talgdrüsen, also Talgdrüsen die nicht an Haarfollikel oder einem Haarbalg münden) einer Form der freien Talgdrüsen die sich in den Hautfalten zwischen äußeren und inneren Schamlippen sowie um das Präputium clitoridis herum befinden. Gerade durch diese Hautfalten, die eng aufeinander liegen werden Wärmeabgabe, Verdunstung von Flüssigkeit und Abtransport des abgeschlifferten Epithels behindert, so kann ein feuchtwarmes, vorwiegend anaerobes Milieu mit einem neutralen bis leicht alkalischen pH-Wert entstehen.

Es setzt sich aus Zelldetritus des abgestorbenen und abgeschlifferten Oberflächenepithels, Fettsäuren,Steroidderivaten (z. B. Cholesterinestern), Proteinen und Bakterien zusammen. Wie überall im und am menschlichen Organismus gibt es eine spezifische und typische mikrobielle Standortflora. So z. B. den Hefen der Gattung Malassezia, den Mykobakterien zählenden Mycobacterium smegmatis, auch „Smegmabakterium“ genannt.

Die Rolle der Klitoris für die sexuelle Erregung

Bei Frauen äußert sich die komplexe sexuelle Reaktion in den Beckenorganen letztlich mit einer Vasokongestion, die dann in der Folge zu einer Lubrikation in der Vagina als Vorbereitung auf die Einführung, die Penetration des Penis führt. Diese Lubrikation beruht auf der Absonderung eines Exsudats, welches zusammen mit einer allgemeinen genitalen Kongestion zur Plateauphase führt, die dem eigentlichen Orgasmus vorausgeht. Die vaginale Vasokongestion und in deren Folge die Lubrikation wie auch die Klitoriserektion hängen von einem erhöhten Blutfluss in den weiblichen Beckenorganen ab. Hier spielen u. a. auch die α1-Adrenozeptorsubtypen, wie sie in fast allen kavernösen Geweben von Wirbeltieren zu finden sind, eine große Rolle.[15]

„Klitoraler“ und „vaginaler“ Orgasmus

Früher unterschied man bei der Frau zwischen dem „vaginalen“ Orgasmus, der ausschließlich durch vaginale Stimulation, also durch Eindringen mit dem Penis in die Scheide, mit eingeführtem Finger oder mit einem Vibrator (oder anderen Gegenständen), erreicht werde, und dem „klitoralen“ Orgasmus, der ausschließlich durch Stimulation der Klitoriseichel erreicht werde. Viele Untersuchungen, beispielsweise die von Kinsey, weisen darauf hin, dass ein beachtlicher Anteil der Frauen nur dann zum Orgasmus kommen kann, wenn die Klitoris (mit-)stimuliert wird. (Siehe hierzu auch den aktuellen Stand der Forschung)

Empfindlichkeit

Die Empfindlichkeit der Klitoriseichel für direkte Stimulierung ist individuell sehr unterschiedlich. Manche Frauen sind so empfindlich, dass sie eine direkte Stimulierung erst nach längerem Vorspiel, und auch dann ein nur ganz zartes Streicheln, oder auch gar nicht ertragen. Bei anderen Frauen hingegen wird die sexuelle Begegnung erst durch die intensive reibende Berührung der Klitoris zum vollständigen Genuss. Was gerade „gut“ ist, kann auch von Situation zu Situation unterschiedlich sein und sich auch während einer sexuellen Begegnung mehrfach ändern. Da die Klitoris, wie oben beschrieben, mit dem umgebenden Gewebe eng verbunden ist, sind verschiedene indirekte Stimulationsformen gängige Praxis.

In sehr seltenen Fällen kann eine als zu gering erlebte Empfindlichkeit der Klitoris auf eine zu große Klitorisvorhaut zurückgeführt werden. Demgegenüber lässt sich ein vergleichbares Phänomen weit häufiger auf Unkenntnis über die Anatomie oder die Existenz von Schamgrenzen zurückführen, die eine selbstbestimmte Sexualität verhindern.[16] Bei einer Penetration überträgt sich der Zug auf die kleinen Schamlippen und über diese auf die Kitzlerbändchen (Frenulae clitoridis) und auf die Klitoris. Hierdurch kommt die Klitoriseichel dem eindringenden Penis näher. Durch reibende Bewegungen wird über spezielle Sinneszellen, die Mechanorezeptoren, die sexuelle Erregung verstärkt.

Bedeutung in der Wissenschaftsgeschichte

Dissektion (Obduktion) der Schambeinregion mit Klitoris von Georg Ludwig Kobelt (1844)

Die wissenschaftliche Erstbeschreibung der Klitoris durch den Anatomen Realdo Colombo aus Padua im Jahre 1559 ist ein häufig untersuchtes Beispiel der Medizin- und Sexualforschungsgeschichte. In seinem anatomischen Werk de re anatomica beanspruchte Colombo für sich, die Klitoris als „Platz der weiblichen Lust“ entdeckt zu haben. Man wird, „wenn man sie berührt, bemerken, dass sie ein bisschen härter und länglich wird, so sehr, dass sie sich als eine Art männliches Glied erweist“.[17] Später entwickelte sich aus Colombos Beschreibung ein Prioritätsstreit, da Gabriele Falloppio – Colombos Nachfolger in Padua – beanspruchte, der wirkliche Entdecker der Klitoris zu sein.

Die „Entdeckung“ der Klitoris in der Renaissance ist aus wissenschaftshistorischer Perspektive in vielfacher Hinsicht ein interessantes Phänomen. Selbstverständlich hatten Frauen auch schon vor Colombo die Klitoris entdeckt, und natürlich wurden auch vor Colombo Männer auf die Klitoris und ihre sexuelle Funktion hingewiesen. Dass die Klitoris in der anatomischen Beschreibung des Menschen vor Colombo dennoch nicht vorkam, ist eine Illustration für die Tatsache, dass die anatomische Beschreibung des Menschen in der Regel eine anatomische Beschreibung des männlichen Körpers war.

Ende des 18. Jahrhunderts widmeten sich die männlichen Anatomen der physiologischen Funktion der Klitoris vorwiegend mündlich.[18] Zuweilen wurde unterstellt, erst Denis Diderot habe in Die indiskreten Kleinode 1748 oder im Artikel Jouissance der Enzyklopädie 1765 die lustspendende Funktion der Klitoris offen und schriftlich dargestellt.[18] Die Rolle der Klitoris für das weibliche Begehren wurde bereits 1724 in populären Schriften unter anderem des Arztes und Sozialreformers Bernard de Mandeville beschrieben.[18]

Der Wissenschaftshistoriker Thomas Laqueur weist jedoch darauf hin, dass die Klitoris der gängigen antiken anatomischen Theorie über Sexualorgane widersprach.[19] Unter dem Einfluss von Galenos wurden Vagina und Penis nicht als zwei grundsätzlich verschiedene Organe wahrgenommen. Vielmehr ging man davon aus, dass die Vagina ein nach innen gestülpter Penis sei und die weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane in ihrer Struktur analog seien. In diese Theorie passte die Klitoris nicht, die von Colombo ebenso als eine Art Penis beschrieben wurde.

Erst 1998 entdeckte Helen O’Connell die weitverzweigte tieferliegende Struktur der Klitoris[20] und veröffentlichte ihre Untersuchungsergebnisse.[21][22] 2004 erschien im Fernsehprogramm Arte ein vielbeachteter Bericht „Klitoris, die schöne Unbekannte“ über diese Forschungen.[23] Diese Entdeckung hat weitreichende Folgen für das Verständnis der weiblichen Sexualität. Für die Chirurgie bei der Behandlung von Gebärmutterhalskrebs sind ganz neue Schnitttechniken erforderlich, um die sexuelle Empfindungsfähigkeit zu erhalten.

Fehlbildungen der Klitoris (Klitorishypertrophie)

Klassifikation nach ICD-10
Q52.6 Fehlbildungen der Klitoris
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)
Vulva mit vergrößerter Glans clitoridis (Klitorishypertrophie)

Ob sich ein Penis mit Eichel oder ein Kitzler bildet, wird über die Ausschüttung von Testosteron geregelt. Wenn diese gestört ist, können Frauen trotz des Gensatzes XX eine penisartige Ausstülpung entwickeln (eine Klitorishypertrophie), wo sich bei normaler Entwicklung die Klitoris befinden würde. Auch im Zusammenhang mit dem Fraser-Syndrom kann die Klitoris abnorm vergrößert sein. Diese Störung kommt allerdings äußerst selten vor.

Es kann auch später im Leben zu einer Vergrößerung der Klitoris kommen. Die Hauptursache dafür sind hormonelle Störungen wie das polyzystische Ovarialsyndrom.

Eine genaue Diagnose von ärztlicher Seite auf Basis objektiver Kriterien wird oft nicht getroffen. Stattdessen entscheidet oftmals eher der subjektive Eindruck einer als zu groß empfundenen Klitoris.[24] Sollte eine deutlich vergrößerte Klitoris für die Betroffene ein körperliches und/oder vornehmlich ästhetisches Problem darstellen, so kann bei nachweislich eigenständig empfundenem und geäußertem Leidensdruck heute auch eine chirurgische Verkleinerung durchgeführt werden, vergleichbar zur Labioplastik. Für diesen Eingriff liegt in der Regel jedoch keine medizinische Notwendigkeit vor.

Auch in Fällen von Intersexualität kann unter den gleichen Voraussetzungen eine chirurgische Korrektur angebracht sein. Intersexuelle Aktivisten fordern daher, eine derartige Operation erst dann durchzuführen, wenn der intersexuelle Mensch die Operation aus eigenem Willen möchte und ihr zustimmen kann.

Klitoridektomie

Mit Klitoridektomie wird die teilweise oder vollständige operative Entfernung der Klitoris bezeichnet. Aus kulturellen Gründen[25] durchgeführt, wird dieser Eingriff außerhalb der praktizierenden Gemeinschaften heute häufig unter dem Begriff „Weibliche Genitalverstümmelung“ (engl. Female genital mutilation, FGM) zusammengefasst.[26] Daneben existiert die medizinische Indikation bei einem Klitoriskarzinom.[27][28][29]

Siehe auch

Literatur

  • Milou D. Bekker, Cornelis R. C. Hogewoning, Chris Wallner, Henk W. Elzevier, Marco C. De Ruiter: The somatic and autonomic innervation of the clitoris; preliminary evidence of sexual dysfunction after minimal invasive slings. Leiden University Medical Center, S. 23–41 (Volltext als PDF-Datei)
  • Vincent Di Marino, Hubert Lepidi: Anatomic study of the clitoris and the bulbo-clitoral organ. Springer, Heidelberg 2014, ISBN 978-3-319-04893-2 (eingeschränkte Sicht bei Google-books).
  • Vincenzo Puppo: Anatomy of the Clitoris: Revision and Clarifications about the Anatomical Terms for the Clitoris Proposed (without Scientific Bases) by Helen O’Connell, Emmanuele Jannini, and Odile Buisson. In: ISRN Obstetrics and Gynecology. Band 2011, 2011, S. 1–5, doi:10.5402/2011/261464.
  • Kim Wallen, Elisabeth A. Lloyd: Clitoral variability compared with penile variability supports nonadaptation of female orgasm. In: EVOLUTION & DEVELOPMENT. 2008, Band 10, Nr. 1, S. 1–2 (Volltext als PDF-Datei).

Filme

  • Klitoris – Die schöne Unbekannte. Komplett-Media (September 2007), ISBN 978-3-8312-9488-6, © ARTE Frankreich 2002. Ein Film von Stefan Firmin und Michele Dominici im Auftrag von ARTE.
  • Klitoris – Die schöne Unbekannte. Arte-Dokumentation auf youtube: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6, Teil 7, abgerufen am 28. Dezember 2011
Wiktionary: Klitoris – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Klitoris – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. J. Sobotta: Atlas der deskriptiven Anatomie des Menschen. Urban & Schwarzenberg, Berlin 1948, Abbildung 5: Female Genital Anatomy.
  2. Helen E. O’Connell, Kalavampara V. Sanjeevan, John M. Hutson: Anatomy of the clitoris. In: The Journal of Urology. Oktober 2005, Band 174, Nr 4, Teil 1, S. 1189–1195, doi: 10.1097/01.ju.0000173639.38898.cd (Volltext als PDF-Datei).
  3. Sabine zur Nieden: Die potente Frau. In: EMMA. Oktober 1987, SEXUALITÄT & IDENTITÄT.
  4. Helen E. O’Connell, John O. L. DeLanceyo: Clitoral Anatomy in Nullipardous, Healthy, Premenopausal Volunteers using unenhanced Magnetic Resonance Imaging. In: The Journal of Urology. Juni 2005, Band 173, Nr. 6, S. 2060–2063.
  5. a b Helen E. O’Connell, A. Kalavampara, V. Sanjeevan, John M. Hutson: Anatomy of the clitoris. In: The Journal of Urology. 2005, 174, S. 1189–1195, doi:10.1097/01.ju.0000173639.38898.cd, PMID 16145367, (PDF-Datei; 973 kB).
  6. Bruno Kriss: Cavernitis clitoridis acuta. In: Archives of Gynacology and Obstetrics. Band 157, Nr. 1, 1934, S. 39–43, doi:10.1007/BF01720842, PDF-Datei.
  7. Entwicklung des Genitalhöckers
  8. Skizze der Homologe Strukturen eines adulten Klitoris und Penis
  9. Vergleich der analogen anatomischen Strukturen zwischen Klitoris und Penis.
  10. Theodor H. Schiebler, Horst-W. Korf: Anatomie: Histologie, Entwicklungsgeschichte, makroskopische und mikroskopische Anatomie, Topographie. 10. Auflage, Steinkopff, Darmstadt 2007, ISBN 3-7985-1770-3, S. 434.
  11. Per Olov Lundberg: Die periphere Innervation der weiblichen Genitalorgane. In: Sexuologie. Bd. 9, Nr. 3, 2002, S. 98–106 (Volltext als PDF-Datei).
  12. Van Anh T. Ginger, Claire C. Yang: Functional Anatomy of the Female Sex Organs. In: J. P. Mulhall et al. (Hrsg.): Cancer and Sexual Health. In: Current Clinical Urology. Bd 13, S. 13–23, doi:10.1007/978-1-60761-916-1_2, ([Volltext als PDF-Datei).
  13. A. Hermann et al.: Gase als zelluläre Signalstoffe. Gasotransmitter. In: Biologie in unserer Zeit. 2010, Nr. 40, S. 185–193, doi:10.1002/biuz.201010422, PDF-Datei; 1,3 MB.
  14. Th. Boyd: Ueber Klitoris-und Präputialdrüsen, besonders beim Menschen und bei Einigen Thieren. In: Archiv für Gynäkologie. 1909, Bd. 89, Nr. 3, S. 581–595, PDF-Datei.
  15. Europäisches Patentamt: EP 1 177 190 B1 - European Patent Spezification – Verwendung von selektiven alpa-adrenergischen Rezeptorantagonisten zur Behandlung sexueller Störungen. (Volltext als PDF-Datei).
  16. Claudia Haarmann: „Unten 'rum …“ – Die Scham ist nicht vorbei. 1. Auflage. Innenwelt-Verlag, Köln 2005, ISBN 3-936360-15-4.
  17. Realdo Colombo: de re anatomica. Zitiert nach Thomas Laqueur: Auf den Leib geschrieben. Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud. Campus-Verlag, Frankfurt am Main / New York 1992, ISBN 3-593-34623-0, S. 81.
  18. a b c Bernard de Mandeville, Ursula Pia Jauch: Eine Bescheidene Streitschrift für Öffentliche Freudenhäuser Oder ein Versuch über die Hurerei wie sie jetzt im Vereinigten Königreich praktiziert wird. Hanser, München 2001, ISBN 978-3-446-19989-7, S. 60, Anmerkung 55, ebenso S. 140.
  19. Thomas Laqueur: Auf den Leib geschrieben: Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud. Frankfurt am Main/New York 1992, S. 82.
  20. Susan Williamson, Rachel Nowak: The truth about women. In: New Scientist. 1. August 1998, S. 34–35, Volltext online.
  21. Helen E. O’Connell, John M. Hutson, Colin R. Anderson, Robert J. Plenter: Anatomical relationship between urethra and clitoris. In: Journal of Urology. (J Urol) Juni 1998, Bd. 159, Nr. 6, S. 1892–7.
  22. Empfindsame Zwiebel. In: Der Spiegel. Nr. 33, 1998.
  23. Klitoris, die schöne Unbekannte. – Themenabend: Die Lust der Frauen. Auf: Arte am 1. Januar 2004, 22.15 Uhr.
  24. K. Karkazis (2010): Looking at and talking about genitalia: understanding where physicians and patients get their ideas about what’s normal and what isn’t. In: Medical Humanities. Bd. 36, Nr. 2, S. 68–69, doi:10.1136/jmh.2010.006288.
  25. Nancy Scheper-Hughes: Virgin territory. The male discovery of the clitoris. In: Medical Anthropology Quarterly. 1991, Nr. 5, S. 25–28.
  26. Thomas Gohla: Chirurgische Rekonstruktion der Klitoris nach genitaler Mutilation (FGM). In: MÄC Magazin für ästhetische Chirurgie. Band 3, Nr. 12, 6. Jahrgang 2012 (Volltext als PDF-Datei).
  27. Kommission Vulva Vagina in der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO): Interdisziplinäre S2k Leitlinie für die Diagnostik und Therapie des Vulvakarzinoms und seiner Vorstufen. Zuckschwert Verlag, München / Wien / New York 2009, ISBN 978-3-88603-947-0 (Volltext als PDF-Datei).
  28. Willibald Pschyrembel: Pschyrembel, medizinisches Wörterbuch. 259., neu bearbeitete Auflage, de Gruyter, Berlin/ New York 2002, ISBN 978-3-11-016523-4, S. 863: Klitoridektomie.
  29. G. Bastert, S. D. Costapp: Vulvakarzinom. In: Siegfried Seeber: Therapiekonzepte Onkologie. Springer, Berlin (u. a.) 1993, ISBN 978-3-540-56872-8, S. 501–508.