„Chorea Huntington“ – Versionsunterschied

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== Epidemiologie ==
== Epidemiologie ==
Chorea Huntington ist eine der häufigsten erblich bedingten Hirnstörungen. Eine im Jahr 2012 veröffentlichte [[Metaanalyse]] gibt Hinweise auf eine durchschnittliche [[Prävalenz]] von 2,71:100.000. Die ausgewerteten Studien ergaben eine Prävalenz von 5,7:100.000 für Europa, Nordamerika und Australien, während sie in Asien bei nur 0,40:100.000 liegt.<ref>T. Pringheim, K. Wiltshire, L. Day,J. Dykeman, T. Steeves, N. Jette: ''The incidence and prevalence of Huntington's disease: a systematic review and meta-analysis.'' In: ''Mov. Disord.'' Band 27, Nr. 9, 2012, S. 1083–1091. PMID 22692795</ref> Die Prävalenz schwankt jedoch von Land zu Land erheblich. So liegt sie in Finnland mit 2,12:100.000 niedriger als im Rest Europas.<ref>J. O.Sipilä, M. Hietala, A. Siitonen, M. Päivärinta, K. Majamaa: ''Epidemiology of Huntington's disease in Finland.'' In: ''Parkinsonism Relat. Disord.'' Band 21, Nr. 1, 2015, S. 6–49. PMID 25466405</ref> In Deutschland gibt es offiziell rund 10.000 Betroffene (Stand 2014).<ref>[https://www.merkur.de/lokales/erding/veitstanz-soll-oeffentliche-bewusstsein-3568407.html ''Veitstanz soll ins öffentliche Bewusstsein.''] In: ''[[Münchner Merkur]].'' 20. Mai 2014.</ref> In einzelnen Populationen, beispielsweise auf [[Tasmanien]] und in der Region [[Zulia]] in Venezuela gibt es noch weitaus höhere Prävalenzen, was sich zum Teil auf einzelne aus Europa eingewanderte Personen, die das Gen weitervererbt haben ([[Gründereffekt]]), zurückführen lässt. Sehr niedrige Prävalenzen findet man dagegen in Schwarzafrika und auch bei Afroamerikanern sowie beispielsweise in Japan, dort liegt die Prävalenz niedriger als 1:100.000. Die Neuerkrankungsrate ([[Inzidenz (Epidemiologie)|Inzidenz]]) liegt im Mittel bei 4:1.000.000. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen.
Chorea Huntington ist eine der häufigsten erblich bedingten Hirnstörungen. Eine im Jahr 2012 veröffentlichte [[Metaanalyse]] gibt Hinweise auf eine durchschnittliche [[Prävalenz]] von 2,71:100.000. Die ausgewerteten Studien ergaben eine Prävalenz von 5,7:100.000 für Europa, Nordamerika und Australien, während sie in Asien bei nur 0,40:100.000 liegt.<ref>T. Pringheim, K. Wiltshire, L. Day, J. Dykeman, T. Steeves, N. Jette: ''The incidence and prevalence of Huntington's disease: a systematic review and meta-analysis.'' In: ''Mov. Disord.'' Band 27, Nr. 9, 2012, S. 1083–1091. PMID 22692795</ref> Die Prävalenz schwankt jedoch von Land zu Land erheblich. So liegt sie in Finnland mit 2,12:100.000 niedriger als im Rest Europas.<ref>J. O.Sipilä, M. Hietala, A. Siitonen, M. Päivärinta, K. Majamaa: ''Epidemiology of Huntington's disease in Finland.'' In: ''Parkinsonism Relat. Disord.'' Band 21, Nr. 1, 2015, S. 6–49. PMID 25466405</ref> In Deutschland gibt es offiziell rund 10.000 Betroffene (Stand 2014).<ref>[https://www.merkur.de/lokales/erding/veitstanz-soll-oeffentliche-bewusstsein-3568407.html ''Veitstanz soll ins öffentliche Bewusstsein.''] In: ''[[Münchner Merkur]].'' 20. Mai 2014.</ref> In einzelnen Populationen, beispielsweise auf [[Tasmanien]] und in der Region [[Zulia]] in Venezuela gibt es noch weitaus höhere Prävalenzen, was sich zum Teil auf einzelne aus Europa eingewanderte Personen, die das Gen weitervererbt haben ([[Gründereffekt]]), zurückführen lässt. Sehr niedrige Prävalenzen findet man dagegen in Schwarzafrika und auch bei Afroamerikanern sowie beispielsweise in Japan, dort liegt die Prävalenz niedriger als 1:100.000. Die Neuerkrankungsrate ([[Inzidenz (Epidemiologie)|Inzidenz]]) liegt im Mittel bei 4:1.000.000. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen.


== Pathophysiologie ==
== Pathophysiologie ==
=== Genetik ===
=== Genetik ===
Chorea Huntington ist eine [[Erbgang (Biologie)|autosomal-dominant]] vererbte Krankheit. Dies bedeutet, dass die Nachkommen eines Betroffenen mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 50 % ebenfalls betroffen sind – je nachdem, ob der phänotypisch erkrankte Elternteil ein oder zwei mutierte Allele besitzt (zwei mutierte Allele (Homozygotie) = 100 % Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung bei den Nachkommen). Sind beide Elternteile erkrankt und heterozygot, so beträgt die Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung der Nachkommen 75 %. Generationensprünge kommen nicht vor, Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Davon abweichend liegt bei ca. 5 bis 10 Prozent der Patienten eine Neumutation vor. Das Protein, das die Krankheit verursacht, heißt '''Huntingtin''', das dafür codierende Gen liegt auf dem kurzen Arm von Chromosom 4 (Genlocus p16.3). Chorea Huntington ist eine [[Trinukleotiderkrankungen|Trinukleotiderkrankung]]: In der repräsentativen Normalbevölkerung wiederholt sich das [[Basentriplett]] CAG circa 16 bis 20 mal, bei Kranken 36 bis zu 250 mal. Bei einer Wiederholung von 27 bis 35 liegt eine geringe [[Amplifikation (Genetik)|Erhöhung]] vor, ohne dass sich die Krankheit entwickelt. Bei Menschen mit einer Anzahl von 36 bis 39 CAG-Wiederholungen (Triplett-Repeats)<ref>DocCheck Flexikon: ''[http://flexikon.doccheck.com/de/Chorea_Huntington Chorea Huntington]''</ref> gilt eine Ausnahme zur vollständigen Penetranz der Krankheit, das heißt, nicht alle Menschen dieses Genotyps entwickeln die Krankheit, und auch nach einem Gentest sind keine definitiven Vorhersagen möglich.<ref>E. B. Clabough: ''Huntington's disease: the past, present, and future search for disease modifiers.'' In: ''Yale J. Biol. Med.'' Band 86, Nr. 2, 2013, S. 217–233. PMID 23766742</ref><ref name="Walker">F. O. Walker: ''Huntington's disease.'' In: ''[[The Lancet]].'' Band 369, Nummer 9557, Januar 2007, S.&nbsp;218–228, {{ISSN|1474-547X}}. [[doi:10.1016/S0140-6736(07)60111-1]]. PMID 17240289. (Review).</ref> Die juvenile Chorea Huntington manifestiert sich bei über 60 CAG-Tripletts. Es wurde ein Ausbruch im vierten Lebensjahr beschrieben. Bei Vererbung durch den Vater erhöht sich die Zahl der CAG-Tripletts häufiger als bei Vererbung durch die Mutter ([[Imprinting|Imprinting-Phänomen]]). Dies wird vor allem durch sogenannte ''„[[slippage]]“'' (ein Verrutschen der [[DNA-Polymerase]] bei der [[Replikation]]) oder (unwahrscheinlicher, aber immerhin möglich) durch ein nichtreziprokes (asymmetrisches) [[Crossing-over]] verursacht. Je häufiger sich diese Wiederholung ereignet, desto früher tritt die Erkrankung (im Durchschnitt) auf ([[Antizipation (Genetik)|Antizipationseffekt]]). Meist findet sich bei einem Elternteil eines Betroffenen mit Neumutation schon eine Anzahl von 30 bis 35 Wiederholungen (Prämutation).
Chorea Huntington ist eine [[Erbgang (Biologie)|autosomal-dominant]] vererbte Krankheit. Dies bedeutet, dass die Nachkommen eines Betroffenen mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 50 % ebenfalls betroffen sind – je nachdem, ob der phänotypisch erkrankte Elternteil ein oder zwei mutierte Allele besitzt (zwei mutierte Allele (Homozygotie) = 100 % Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung bei den Nachkommen). Sind beide Elternteile erkrankt und heterozygot, so beträgt die Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung der Nachkommen 75 %. Generationensprünge kommen nicht vor, Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Davon abweichend liegt bei ca. 5 bis 10 Prozent der Patienten eine Neumutation vor. Das Protein, das die Krankheit verursacht, heißt '''Huntingtin''', das dafür codierende Gen liegt auf dem kurzen Arm von Chromosom 4 (Genlocus p16.3). Chorea Huntington ist eine [[Trinukleotiderkrankungen|Trinukleotiderkrankung]]: In der repräsentativen Normalbevölkerung wiederholt sich das [[Basentriplett]] CAG circa 16 bis 20 mal, bei Kranken 36 bis zu 250 mal. Bei einer Wiederholung von 27 bis 35 liegt eine geringe [[Amplifikation (Genetik)|Erhöhung]] vor, ohne dass sich die Krankheit entwickelt. Bei Menschen mit einer Anzahl von 36 bis 39 CAG-Wiederholungen (Triplett-Repeats)<ref>{{Flexikon |Name=Chorea Huntington|Abrufdatum=7. Juli 2019 }}</ref> gilt eine Ausnahme zur vollständigen Penetranz der Krankheit, das heißt, nicht alle Menschen dieses Genotyps entwickeln die Krankheit, und auch nach einem Gentest sind keine definitiven Vorhersagen möglich.<ref>E. B. Clabough: ''Huntington's disease: the past, present, and future search for disease modifiers.'' In: ''Yale J. Biol. Med.'' Band 86, Nr. 2, 2013, S. 217–233. PMID 23766742</ref><ref name="Walker">F. O. Walker: ''Huntington's disease.'' In: ''[[The Lancet]].'' Band 369, Nummer 9557, Januar 2007, S.&nbsp;218–228. [[doi:10.1016/S0140-6736(07)60111-1]]. PMID 17240289. (Review).</ref> Die juvenile Chorea Huntington manifestiert sich bei über 60 CAG-Tripletts. Es wurde ein Ausbruch im vierten Lebensjahr beschrieben. Bei Vererbung durch den Vater erhöht sich die Zahl der CAG-Tripletts häufiger als bei Vererbung durch die Mutter ([[Imprinting|Imprinting-Phänomen]]). Dies wird vor allem durch sogenannte ''„[[slippage]]“'' (ein Verrutschen der [[DNA-Polymerase]] bei der [[Replikation]]) oder (unwahrscheinlicher, aber immerhin möglich) durch ein nichtreziprokes (asymmetrisches) [[Crossing-over]] verursacht. Je häufiger sich diese Wiederholung ereignet, desto früher tritt die Erkrankung (im Durchschnitt) auf ([[Antizipation (Genetik)|Antizipationseffekt]]). Meist findet sich bei einem Elternteil eines Betroffenen mit Neumutation schon eine Anzahl von 30 bis 35 Wiederholungen (Prämutation).


=== Molekularbiologie ===
=== Molekularbiologie ===
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Die betroffenen Zellen haben einen gestörten Glukosestoffwechsel. Dies führt zu einer gesteigerten Empfindlichkeit gegenüber [[Oxidativer Stress|oxidativem Stress]] und dem erregenden Neurotransmitter [[Glutaminsäure|Glutamat]]. Diese Zellen besitzen besonders viele Glutamatrezeptoren und haben viele eingehende glutamaterge Verbindungen. Trotzdem ist derzeit nur unbefriedigend erklärbar, warum die Toxizität nur in den beschriebenen Arealen nachweisbar ist, obwohl Huntingtin in allen kernhaltigen Zellen gebildet wird.
Die betroffenen Zellen haben einen gestörten Glukosestoffwechsel. Dies führt zu einer gesteigerten Empfindlichkeit gegenüber [[Oxidativer Stress|oxidativem Stress]] und dem erregenden Neurotransmitter [[Glutaminsäure|Glutamat]]. Diese Zellen besitzen besonders viele Glutamatrezeptoren und haben viele eingehende glutamaterge Verbindungen. Trotzdem ist derzeit nur unbefriedigend erklärbar, warum die Toxizität nur in den beschriebenen Arealen nachweisbar ist, obwohl Huntingtin in allen kernhaltigen Zellen gebildet wird.


Die physiologische Funktion von Huntingtin ist nicht vollständig geklärt. Es gibt eine Reihe von Hinweisen dafür, dass es eine wichtige Rolle beim intrazellulären Transport von [[Vesikel (Biologie)|Vesikeln]] und [[Organell]]en spielt.<ref name="PMID19269181">J. P. Caviston, E. L. Holzbaur: ''Huntingtin as an essential integrator of intracellular vesicular trafficking.'' In: ''[[Trends in cell biology]].'' Band 19, Nummer 4, April 2009, S.&nbsp;147–155, {{ISSN|1879-3088}}. [[doi:10.1016/j.tcb.2009.01.005]]. PMID 19269181. {{PMC|2930405}}. (Review).</ref>
Die physiologische Funktion von Huntingtin ist nicht vollständig geklärt. Es gibt eine Reihe von Hinweisen dafür, dass es eine wichtige Rolle beim intrazellulären Transport von [[Vesikel (Biologie)|Vesikeln]] und [[Organell]]en spielt.<ref name="PMID19269181">J. P. Caviston, E. L. Holzbaur: ''Huntingtin as an essential integrator of intracellular vesicular trafficking.'' In: ''[[Trends in cell biology]].'' Band 19, Nummer 4, April 2009, S.&nbsp;147–155. [[doi:10.1016/j.tcb.2009.01.005]]. PMID 19269181. {{PMC|2930405}}. (Review).</ref>


=== Neuroanatomie und Physiologie ===
=== Neuroanatomie und Physiologie ===
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=== Psychische Beschwerden und psychiatrische Symptome ===
=== Psychische Beschwerden und psychiatrische Symptome ===
Zu den ersten Erscheinungen der psychischen Veränderung gehören meist [[Affektstörung|Störungen des Affektes]] und des Antriebes. Diese können auch den Bewegungsstörungen vorangehen. Später können ein unbedachtes und impulsives Verhalten sowie eine Enthemmung in zwischenmenschlichen Beziehungen auftreten. Aufgrund der mangelhaften Kontrolle über die [[Muskulatur]] (z.&nbsp;B. des Gesichtes mit Grimassieren) kann der falsche Eindruck eines bereits fortgeschrittenen Persönlichkeitsverlustes entstehen, was bei den Patienten Resignation und [[Depression]]en hervorrufen kann. Besonders in der Frühphase der Erkrankung kann dies zu suizidalem Verhalten führen. Früh treten auch Störungen der visuellen Informationsverarbeitung auf, was z.&nbsp;B. dazu führt, dass die Kranken insbesondere kritische Gesichtsausdrücke ihrer Mitmenschen – wie z.&nbsp;B. Verärgerung – nicht richtig wahrnehmen und so darauf nicht angemessen reagieren können. Im Frühstadium werden leichte Beeinträchtigungen der [[Intelligenz|intellektuellen Fähigkeiten]] sowie [[Gedächtnis]]störungen oft übersehen. Im Spätstadium der Erkrankung entwickeln die Patienten eine [[Subkortikale Demenzen|subkortikale Demenz]], d.&nbsp;h. es kommt zum Verlust ihrer [[Kognitive Behinderung|kognitiven Fähigkeiten]].<ref name="PMID9892059">K. K. Zakzanis: ''The subcortical dementia of Huntington's disease.'' In: ''Journal of clinical and experimental neuropsychology.'' Band 20, Nummer 4, August 1998, S.&nbsp;565–578, {{ISSN|1380-3395}}. [[doi:10.1076/jcen.20.4.565.1468]]. PMID 9892059.</ref> So finden sich Störungen der Merkfähigkeit, damit im Zusammenhang stehend eine Desorientierung und eine [[Sprache|Sprachverarmung]]. Einige Patienten entwickeln [[Wahnvorstellung]]en, die dazu führen, dass sie in psychiatrischen Kliniken behandelt werden (psychisch betonter Verlauf).
Zu den ersten Erscheinungen der psychischen Veränderung gehören meist [[Affektstörung|Störungen des Affektes]] und des Antriebes. Diese können auch den Bewegungsstörungen vorangehen. Später können ein unbedachtes und impulsives Verhalten sowie eine Enthemmung in zwischenmenschlichen Beziehungen auftreten. Aufgrund der mangelhaften Kontrolle über die [[Muskulatur]] (z.&nbsp;B. des Gesichtes mit Grimassieren) kann der falsche Eindruck eines bereits fortgeschrittenen Persönlichkeitsverlustes entstehen, was bei den Patienten Resignation und [[Depression]]en hervorrufen kann. Besonders in der Frühphase der Erkrankung kann dies zu suizidalem Verhalten führen. Früh treten auch Störungen der visuellen Informationsverarbeitung auf, was z.&nbsp;B. dazu führt, dass die Kranken insbesondere kritische Gesichtsausdrücke ihrer Mitmenschen – wie z.&nbsp;B. Verärgerung – nicht richtig wahrnehmen und so darauf nicht angemessen reagieren können. Im Frühstadium werden leichte Beeinträchtigungen der [[Intelligenz|intellektuellen Fähigkeiten]] sowie [[Gedächtnis]]störungen oft übersehen. Im Spätstadium der Erkrankung entwickeln die Patienten eine [[Subkortikale Demenzen|subkortikale Demenz]], d.&nbsp;h. es kommt zum Verlust ihrer [[Kognitive Behinderung|kognitiven Fähigkeiten]].<ref name="PMID9892059">K. K. Zakzanis: ''The subcortical dementia of Huntington's disease.'' In: ''Journal of clinical and experimental neuropsychology.'' Band 20, Nummer 4, August 1998, S.&nbsp;565–578. [[doi:10.1076/jcen.20.4.565.1468]]. PMID 9892059.</ref> So finden sich Störungen der Merkfähigkeit, damit im Zusammenhang stehend eine Desorientierung und eine [[Sprache|Sprachverarmung]]. Einige Patienten entwickeln [[Wahnvorstellung]]en, die dazu führen, dass sie in psychiatrischen Kliniken behandelt werden (psychisch betonter Verlauf).


=== Bewegungsstörungen ===
=== Bewegungsstörungen ===
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== Therapie ==
== Therapie ==
Eine Therapie, welche die Krankheit an sich heilt oder dauerhaft aufhält, ist nicht bekannt. Verschiedene [[Vitamine]] und Nahrungsergänzungsmittel werden mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt, um die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen und so den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Das Medikament [[Riluzol]] vermindert die Glutamatausschüttung und soll den Verlauf verlangsamen. Studien weisen darauf hin, dass die pallidale Tiefe Hirnstimulation (THS) ebenfalls positive Effekte insbesondere auf die motorischen Symptome zu haben scheint. Der Krankheitsverlauf kann durch die Stimulation nicht aufgehalten werden, dennoch berichten Betroffene von einer Steigerung der Lebensqualität, da sie weniger auf fremde Hilfe angewiesen sind und weiter aktiv am Sozialleben teilnehmen können.<ref>E. Moro, A. E. Lang, A. P. Strafella u. a.: ''Bilateral globus pallidus stimulation for Huntington's disease.'' In: ''Ann Neurol.'' 56(2), Aug 2004, S. 290–294. {{ISSN|1531-8249}}. [[doi:10.1002/ana.20183]]. PMID 15293283.</ref><ref>B. Biolsi, L. Cif, H. E. Fertit, S. G. Robles, P. Coubes: ''Long-term follow-up of Huntington disease treated by bilateral deep brain stimulation of the internal globus pallidus.'' In: ''J Neurosurg.'' 109(1), Jul 2008, S. 130–132. {{ISSN|1933-0693}}. [[doi:10.3171/JNS/2008/109/7/0130]]. PMID 18590443.</ref><ref>M. O. Hebb, R. Garcia, P. Gaudet, I. M. Mendez: ''Bilateral stimulation of the globus pallidus internus to treat choreathetosis in Huntington's disease: technical case report.'' In: ''Neurosurgery.'' 58(2), Feb 2006, S. E383; discussion E383. {{ISSN|1528-1159}}. [[doi:10.1227/01.NEU.0000195068.19801.18]]. PMID 16462466</ref><ref>L. Wojtecki, S. Groiss, S. Ferrea, S. Elben, C. J. Hartmann, S. Dunnett, A. Rosser, C. Saft, M. Südmeyer, C. Ohmann, A. Schnitzler, J. Vesper: ''A prospective pilot trial for pallidal deep brain stimulation in Huntington´s disease.'' In: ''Front. Neurol.'' 6, S. 177. [[doi:10.3389/fneur.2015.00177]]</ref><ref>L. Wojtecki, S. J. Groiss, C. J. Hartmann, S. Elben, S. Omlor, A. Schnitzler, J. Vesper: ''Deep Brain Stimulation in Huntington's Disease-Preliminary Evidence on Pathophysiology, Efficacy and Safety.'' In: ''Brain Sci.'' 6(3).pii, 30. Aug 2016, S. E38. [[doi:10.3390/brainsci6030038]]</ref> Vorklinische Studien lassen auch auf eine Verbesserung weiterer nicht-motorischer Symptome, wie Kognition und Stimmung schließen.<ref>Y. Temel, C. Cao, R. Vlamings u. a.: ''Motor and cognitive improvement by deep brain stimulation in a transgenic rat model of Huntington's disease.'' In: ''Neurosci Lett.'' 406(1-2), 2. Okt 2006, S. 138–141.{{ISSN|1529-2401}}. [[doi:10.1016/j.neulet.2006.07.036]]. PMID 16905252.</ref> Weitere Studien werden derzeit durchgeführt, um die positiven Ergebnisse, die bisher an einzelnen Patienten beobachtet wurden, weiter zu untersuchen.<ref name="nct02535884">{{Clinicaltrials|ID=NCT02535884|Name=Deep Brain Stimulation (DBS) of the Globus Pallidus (GP) in Huntington's Disease (HD) (HD-DBS)|Phase=II}}</ref> Sämtliche Therapien werden flankiert von physiotherapeutischer, ergotherapeutischer und logopädischer Behandlung zur Besserung der Bewegungsfähigkeit beziehungsweise der Sprache und Schluckfähigkeit. Gleichzeitig sollten der Patient und auch seine Angehörigen psychologisch bzw. bei psychiatrischen Störungen auch psychiatrisch behandelt werden. Die Ernährung sollte den erhöhten Energiebedarf, die Schluckbeschwerden und den erhöhten Zuckerbedarf der Patienten berücksichtigen. Einzelne Symptome können ebenfalls je nach Bedarf behandelt werden.
Eine Therapie, welche die Krankheit an sich heilt oder dauerhaft aufhält, ist nicht bekannt. Verschiedene [[Vitamine]] und Nahrungsergänzungsmittel werden mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt, um die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen und so den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Das Medikament [[Riluzol]] vermindert die Glutamatausschüttung und soll den Verlauf verlangsamen. Studien weisen darauf hin, dass die pallidale Tiefe Hirnstimulation (THS) ebenfalls positive Effekte insbesondere auf die motorischen Symptome zu haben scheint. Der Krankheitsverlauf kann durch die Stimulation nicht aufgehalten werden, dennoch berichten Betroffene von einer Steigerung der Lebensqualität, da sie weniger auf fremde Hilfe angewiesen sind und weiter aktiv am Sozialleben teilnehmen können.<ref>E. Moro, A. E. Lang, A. P. Strafella u. a.: ''Bilateral globus pallidus stimulation for Huntington's disease.'' In: ''Ann Neurol.'' 56(2), Aug 2004, S. 290–294. [[doi:10.1002/ana.20183]]. PMID 15293283.</ref><ref>B. Biolsi, L. Cif, H. E. Fertit, S. G. Robles, P. Coubes: ''Long-term follow-up of Huntington disease treated by bilateral deep brain stimulation of the internal globus pallidus.'' In: ''J Neurosurg.'' 109(1), Jul 2008, S. 130–132. [[doi:10.3171/JNS/2008/109/7/0130]]. PMID 18590443.</ref><ref>M. O. Hebb, R. Garcia, P. Gaudet, I. M. Mendez: ''Bilateral stimulation of the globus pallidus internus to treat choreathetosis in Huntington's disease: technical case report.'' In: ''Neurosurgery.'' 58(2), Feb 2006, S. E383; discussion E383. [[doi:10.1227/01.NEU.0000195068.19801.18]]. PMID 16462466</ref><ref>L. Wojtecki, S. Groiss, S. Ferrea, S. Elben, C. J. Hartmann, S. Dunnett, A. Rosser, C. Saft, M. Südmeyer, C. Ohmann, A. Schnitzler, J. Vesper: ''A prospective pilot trial for pallidal deep brain stimulation in Huntington´s disease.'' In: ''Front. Neurol.'' 6, S. 177. [[doi:10.3389/fneur.2015.00177]]</ref><ref>L. Wojtecki, S. J. Groiss, C. J. Hartmann, S. Elben, S. Omlor, A. Schnitzler, J. Vesper: ''Deep Brain Stimulation in Huntington's Disease-Preliminary Evidence on Pathophysiology, Efficacy and Safety.'' In: ''Brain Sci.'' 6(3).pii, 30. Aug 2016, S. E38. [[doi:10.3390/brainsci6030038]]</ref> Vorklinische Studien lassen auch auf eine Verbesserung weiterer nicht-motorischer Symptome, wie Kognition und Stimmung schließen.<ref>Y. Temel, C. Cao, R. Vlamings u. a.: ''Motor and cognitive improvement by deep brain stimulation in a transgenic rat model of Huntington's disease.'' In: ''Neurosci Lett.'' 406(1-2), 2. Okt 2006, S. 138–141. [[doi:10.1016/j.neulet.2006.07.036]]. PMID 16905252.</ref> Weitere Studien werden derzeit durchgeführt, um die positiven Ergebnisse, die bisher an einzelnen Patienten beobachtet wurden, weiter zu untersuchen.<ref name="nct02535884">{{Clinicaltrials|ID=NCT02535884|Name=Deep Brain Stimulation (DBS) of the Globus Pallidus (GP) in Huntington's Disease (HD) (HD-DBS)|Phase=II}}</ref> Sämtliche Therapien werden flankiert von physiotherapeutischer, ergotherapeutischer und logopädischer Behandlung zur Besserung der Bewegungsfähigkeit beziehungsweise der Sprache und Schluckfähigkeit. Gleichzeitig sollten der Patient und auch seine Angehörigen psychologisch bzw. bei psychiatrischen Störungen auch psychiatrisch behandelt werden. Die Ernährung sollte den erhöhten Energiebedarf, die Schluckbeschwerden und den erhöhten Zuckerbedarf der Patienten berücksichtigen. Einzelne Symptome können ebenfalls je nach Bedarf behandelt werden.


=== Behandlung der Bewegungsstörungen ===
=== Behandlung der Bewegungsstörungen ===
Gegen Hyperkinesien werden neben [[Tetrabenazin]] auch [[Dopamin]]-[[Antagonist (Pharmakologie)|Antagonisten]] eingesetzt, meist [[Tiaprid]] oder auch [[Sulpirid]]. Jedoch zeigen klinische Studien, dass die Einnahme von Tetrabenazin zu einer Verschlimmerung von [[Depressionen]] und suizidalen Tendenzen führen könnte.<ref>Wyant, K. J., Ridder, A. J. and Dayalu, P. (2017) ‘Huntington’s Disease—Update on Treatments’, Current Neurology and Neuroscience Reports, 17(4), p. 33. doi: 10.1007/s11910-017-0739-9.</ref> Darüber hinaus verstärkte Tetrabenazin bei manchen Betroffenen die [[Extrapyramidales Syndrom|Extrapyramidalen Syndrome]].<ref>Wyant, K. J., Ridder, A. J. and Dayalu, P. (2017) ‘Huntington’s Disease—Update on Treatments’, Current Neurology and Neuroscience Reports, 17(4), p. 33. doi: 10.1007/s11910-017-0739-9.</ref><ref>de Tommaso, M., Serpino, C. and Sciruicchio, V. (2011) ‘Management of Huntington’s disease: role of tetrabenazine.’, Therapeutics and clinical risk management, 7, pp. 123–9. doi: 10.2147/TCRM.S17152.</ref>
Gegen Hyperkinesien werden neben [[Tetrabenazin]] auch [[Dopamin]]-[[Antagonist (Pharmakologie)|Antagonisten]] eingesetzt, meist [[Tiaprid]] oder auch [[Sulpirid]]. Jedoch zeigen klinische Studien, dass die Einnahme von Tetrabenazin zu einer Verschlimmerung von [[Depressionen]] und suizidalen Tendenzen führen könnte.<ref name="Wyant" /> Darüber hinaus verstärkte Tetrabenazin bei manchen Betroffenen die [[Extrapyramidales Syndrom|Extrapyramidalen Syndrome]].<ref name="Wyant">Kara J. Wyant, Andrew J. Ridder, Praveen Dayalu: ''Huntington’s Disease—Update on Treatments.'' In: ''Current Neurology and Neuroscience Reports.'' 17, 2017, {{DOI|10.1007/s11910-017-0739-9}}.</ref><ref>M. de Tommaso: ''Management of Huntington’s disease: role of tetrabenazine.'' In: ''Therapeutics and Clinical Risk Management.'' 7, 2011. S.&nbsp;123–129, {{DOI|10.2147/TCRM.S17152}}.</ref>


Bei einsetzendem [[Rigor]] werden Dopamin-Agonisten oder [[L-Dopa]] eingesetzt, können jedoch die Hyperkinesien verstärken. Daher wird die medikamentöse Therapie erst eingeleitet, wenn die Bewegungsstörungen den Patienten im Alltag stark beeinträchtigen. Die tiefe Hirnstimulation (THS) hat einen positiven Effekt auf die mit Medikamenten schwer behandelbaren choreatischen Symptome, bei guter Verträglichkeit. Der Einfluss auf Dystonien und anderen Bewegungsstörungen wird derzeit in einer klinischen internationalen Studie getestet.<ref name="nct02535884" />
Bei einsetzendem [[Rigor]] werden Dopamin-Agonisten oder [[L-Dopa]] eingesetzt, können jedoch die Hyperkinesien verstärken. Daher wird die medikamentöse Therapie erst eingeleitet, wenn die Bewegungsstörungen den Patienten im Alltag stark beeinträchtigen. Die tiefe Hirnstimulation (THS) hat einen positiven Effekt auf die mit Medikamenten schwer behandelbaren choreatischen Symptome, bei guter Verträglichkeit. Der Einfluss auf Dystonien und anderen Bewegungsstörungen wird derzeit in einer klinischen internationalen Studie getestet.<ref name="nct02535884" />
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=== Neuroprotektive Behandlung ===
=== Neuroprotektive Behandlung ===
Es gibt Studien, die eine neuroprotektive Wirkung von [[Gabapentin]] auf Patienten mit Chorea Huntington implizieren. Durch dieses Medikament soll die Excitotoxizität des [[Glutamate|Glutamats]] auf die Nervenzelle reduziert werden.<ref>D. Bonekamp: [http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000001465 ''1H-Magnetresonanzspektroskopie bei Chorea Huntington unter neuroprotektiver Therapie mit Gabapentin.''] Dissertation, Medizinische Fakultät Charité – Universitätsmedizin Berlin, 2004.</ref><ref>C. Cosentino, L. Torres, J. M. Cuba: ''Gabapentin for Huntington's disease.'' In: ''J Neurology.'' Band 243, 1996, S:&nbsp;S75-S76.</ref>
Es gibt Studien, die eine neuroprotektive Wirkung von [[Gabapentin]] auf Patienten mit Chorea Huntington implizieren. Durch dieses Medikament soll die Excitotoxizität des [[Glutamate|Glutamats]] auf die Nervenzelle reduziert werden.<ref>D. Bonekamp: [http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000001465 ''1H-Magnetresonanzspektroskopie bei Chorea Huntington unter neuroprotektiver Therapie mit Gabapentin.''] Dissertation, Medizinische Fakultät Charité – Universitätsmedizin Berlin, 2004.</ref><ref>C. Cosentino, L. Torres, J. M. Cuba: ''Gabapentin for Huntington's disease.'' In: ''J Neurology.'' Band 243, 1996, S:&nbsp;S75-S76.</ref>

== Einzelnachweise ==
<references />


== Weiterführende Literatur ==
== Weiterführende Literatur ==
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* D. Eidelberg, D. J. Surmeier: ''Brain networks in Huntington disease.'' In: ''The Journal of clinical investigation.'' Band 121, Nummer 2, Februar 2011, S.&nbsp;484–492, {{ISSN|1558-8238}}. [[doi:10.1172/JCI45646]]. PMID 21285521. {{PMC|3026742}}. (Review).
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* J. Rutishauser: [http://medicalforum.ch/docs/smf/archiv/de/2002/2002-24/2002-24-142.PDF ''Morbus Huntington: disrupt the fatal attraction.''] (PDF; 163&nbsp;kB). In: ''Schweiz Med Forum.'' 24, 2002, S.&nbsp;586–587.
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* E. Cattaneo u. a: [http://www.wissenschaft-online.de/artikel/835663&_wis=1 ''Das Rätsel der Chorea Huntington.''] In: ''Spektrum der Wissenschaft.'' 2004, S.&nbsp;60–66.
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* [http://ghr.nlm.nih.gov/condition=huntingtondisease Genetics Home Reference: Huntingtondisease]
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== Einzelnachweise ==
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Version vom 7. Juli 2019, 22:03 Uhr

Klassifikation nach ICD-10
G10 Chorea Huntington
Chorea chronica progressiva hereditaria
F02.2* Demenz bei Chorea Huntington
ICD-10 online (WHO-Version 2019)
Der autosomal-dominante Erbgang

Die Chorea Huntington, auch als Huntingtonsche Chorea oder Huntington-Krankheit bezeichnet (ältere Namen: Veitstanz, großer Veitstanz, Chorea major), ist eine bis heute unheilbare erbliche Erkrankung des Gehirns, die „typischerweise durch unwillkürliche, unkoordinierte Bewegungen bei gleichzeitig schlaffem Muskeltonus gekennzeichnet ist“.[1] Oft wird sie mit HD abgekürzt, was für englisch Huntington’s disease steht.

Betroffene leiden an der fortschreitenden Zerstörung eines Bereichs des Gehirns, der für Muskelsteuerung und grundlegende mentale Funktionen wichtig ist, des Striatums. Dort werden Gehirnzellen durch ein fehlerhaftes Eiweiß zerstört, das infolge eines Defekts des sogenannten Huntington-Gens gebildet wird. Die äußeren Krankheitserscheinungen umfassen Störungen des Gefühlslebens, der Muskelsteuerung einschließlich der Mimik (wodurch der Betroffene den Eindruck machen kann, als sei die Erkrankung viel weiter fortgeschritten, als dies tatsächlich der Fall ist) und schließlich der Hirnfunktion insgesamt (im Endstadium Demenz).

Chorea Huntington ist eine autosomal-dominant vererbte, neurodegenerative Erkrankung, die meist um das 40. Lebensjahr zu ersten Krankheitssymptomen – Bewegungsstörungen und psychischen Symptomen – führt. Die Krankheit nimmt immer einen schweren Verlauf und führt im Durchschnitt 15 Jahre nach den ersten Symptomen zum Tod. Mit wenigen Ausnahmen erkranken alle Merkmalsträger früher oder später (vollständige Penetranz). Seit 1993 lässt sich das die Krankheit verursachende Allel auf dem kurzen Arm des vierten Chromosoms (Genlocus p16.3)[2] nachweisen, auch beim Ungeborenen durch Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie.

Herkunft des Namens

Die erste Seite der Publikation von George Huntington

Die Chorea Huntington (chorea, griechisch χορεία ‚Tanz‘) wurde 1872 von dem New Yorker Arzt George Huntington ausführlich beschrieben. Er beschrieb eine klinische Trias, die lange Zeit Gültigkeit hatte:

  • erblich (hereditary nature)
  • psychiatrische Auffälligkeiten und Suizidneigung (insanity and suicide)
  • schwere Symptome nur im Erwachsenenalter (only in adult life)

Das letzte Kriterium stellte sich später als falsch heraus. Huntington nahm zunächst an, dass die Ausbreitung von Chorea Huntington auf Long Island (Vereinigte Staaten) beschränkt sei. Tatsächlich war die Krankheit aber bereits damals weltweit anzutreffen. Der deutsche Name ist erblicher Veitstanz. Die Bezeichnung Veitstanz (speziell auch Großer Veitstanz[3]), die seit dem 16. Jahrhundert bezeugt ist, hat ihren Ursprung darin, dass als Helfer der heilige Veit (Vitus) angerufen wurde. Wieso gerade dieser Heilige angerufen wurde, ist nicht bekannt. Möglicherweise entstand die Bezeichnung Veitstanz im 15. oder 16. Jahrhundert, als am St.-Veitstag (15. Juni) in Straßburg und anderswo Menschen in großer Zahl von der „Tanzwut“ ergriffen wurden.[4]

Mittlerweile ist in allen ärztlichen und sonstigen Fachkreisen die Bezeichnung Chorea Huntington üblich.

Epidemiologie

Chorea Huntington ist eine der häufigsten erblich bedingten Hirnstörungen. Eine im Jahr 2012 veröffentlichte Metaanalyse gibt Hinweise auf eine durchschnittliche Prävalenz von 2,71:100.000. Die ausgewerteten Studien ergaben eine Prävalenz von 5,7:100.000 für Europa, Nordamerika und Australien, während sie in Asien bei nur 0,40:100.000 liegt.[5] Die Prävalenz schwankt jedoch von Land zu Land erheblich. So liegt sie in Finnland mit 2,12:100.000 niedriger als im Rest Europas.[6] In Deutschland gibt es offiziell rund 10.000 Betroffene (Stand 2014).[7] In einzelnen Populationen, beispielsweise auf Tasmanien und in der Region Zulia in Venezuela gibt es noch weitaus höhere Prävalenzen, was sich zum Teil auf einzelne aus Europa eingewanderte Personen, die das Gen weitervererbt haben (Gründereffekt), zurückführen lässt. Sehr niedrige Prävalenzen findet man dagegen in Schwarzafrika und auch bei Afroamerikanern sowie beispielsweise in Japan, dort liegt die Prävalenz niedriger als 1:100.000. Die Neuerkrankungsrate (Inzidenz) liegt im Mittel bei 4:1.000.000. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen.

Pathophysiologie

Genetik

Chorea Huntington ist eine autosomal-dominant vererbte Krankheit. Dies bedeutet, dass die Nachkommen eines Betroffenen mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 50 % ebenfalls betroffen sind – je nachdem, ob der phänotypisch erkrankte Elternteil ein oder zwei mutierte Allele besitzt (zwei mutierte Allele (Homozygotie) = 100 % Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung bei den Nachkommen). Sind beide Elternteile erkrankt und heterozygot, so beträgt die Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung der Nachkommen 75 %. Generationensprünge kommen nicht vor, Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Davon abweichend liegt bei ca. 5 bis 10 Prozent der Patienten eine Neumutation vor. Das Protein, das die Krankheit verursacht, heißt Huntingtin, das dafür codierende Gen liegt auf dem kurzen Arm von Chromosom 4 (Genlocus p16.3). Chorea Huntington ist eine Trinukleotiderkrankung: In der repräsentativen Normalbevölkerung wiederholt sich das Basentriplett CAG circa 16 bis 20 mal, bei Kranken 36 bis zu 250 mal. Bei einer Wiederholung von 27 bis 35 liegt eine geringe Erhöhung vor, ohne dass sich die Krankheit entwickelt. Bei Menschen mit einer Anzahl von 36 bis 39 CAG-Wiederholungen (Triplett-Repeats)[8] gilt eine Ausnahme zur vollständigen Penetranz der Krankheit, das heißt, nicht alle Menschen dieses Genotyps entwickeln die Krankheit, und auch nach einem Gentest sind keine definitiven Vorhersagen möglich.[9][10] Die juvenile Chorea Huntington manifestiert sich bei über 60 CAG-Tripletts. Es wurde ein Ausbruch im vierten Lebensjahr beschrieben. Bei Vererbung durch den Vater erhöht sich die Zahl der CAG-Tripletts häufiger als bei Vererbung durch die Mutter (Imprinting-Phänomen). Dies wird vor allem durch sogenannte slippage (ein Verrutschen der DNA-Polymerase bei der Replikation) oder (unwahrscheinlicher, aber immerhin möglich) durch ein nichtreziprokes (asymmetrisches) Crossing-over verursacht. Je häufiger sich diese Wiederholung ereignet, desto früher tritt die Erkrankung (im Durchschnitt) auf (Antizipationseffekt). Meist findet sich bei einem Elternteil eines Betroffenen mit Neumutation schon eine Anzahl von 30 bis 35 Wiederholungen (Prämutation).

Molekularbiologie

Die aus dem Triplett CAG resultierende mRNA codiert für die Aminosäure Glutamin. Das mutierte Huntingtin besitzt also mehr als die übliche Anzahl an aneinandergereihten Glutamin-Resten. Möglicherweise handelt es sich dabei um eine „Gain-of-Function-Mutation“, das heißt, die normale Funktion des Huntington-Proteins könnte erhalten bleiben, zusätzlich jedoch erhält es weitere – toxische – Eigenschaften. Eine hohe Expression von Huntingtin führt zu amyloidähnlichen intrazellulären Ablagerungen (inclusions) von mutiertem Huntingtin, die vom ARF GTPase-aktivierenden Protein1 gefördert werden,[11] wahrscheinlich auch deshalb, weil der Abbau des mutierten Proteins durch das Proteasom nicht mehr richtig funktioniert. Andererseits wurde von einigen Arbeitsgruppen auch eine Toxizität des freien mutierten Huntingtins nachgewiesen, so dass die Huntington-Aggregate als Schutz angesehen werden können. Die betroffenen Zellen haben einen gestörten Glukosestoffwechsel. Dies führt zu einer gesteigerten Empfindlichkeit gegenüber oxidativem Stress und dem erregenden Neurotransmitter Glutamat. Diese Zellen besitzen besonders viele Glutamatrezeptoren und haben viele eingehende glutamaterge Verbindungen. Trotzdem ist derzeit nur unbefriedigend erklärbar, warum die Toxizität nur in den beschriebenen Arealen nachweisbar ist, obwohl Huntingtin in allen kernhaltigen Zellen gebildet wird.

Die physiologische Funktion von Huntingtin ist nicht vollständig geklärt. Es gibt eine Reihe von Hinweisen dafür, dass es eine wichtige Rolle beim intrazellulären Transport von Vesikeln und Organellen spielt.[12]

Neuroanatomie und Physiologie

Bei Chorea Huntington degenerieren v. a. die Neuronen des indirekten Pfades von Striatum auf Globus pallidus.

Betroffen ist vor allem das Putamen, welches ein Teil des Corpus striatum in den Basalganglien ist und über einen direkten und über einen indirekten Pfad Einfluss auf den Globus pallidus medialis (interna) nehmen kann.

Der indirekte wirkt dem direkten Pfad entgegen. Der insgesamt hemmende Effekt des indirekten Pfades wird im Gesunden über folgende Stationen erreicht: Die bewegungshemmenden Anteile des Striatums hemmen ihrerseits den Globus pallidus lateralis (externa). Dieser verringert nun seinen hemmenden Effekt auf den Nucleus subthalamicus, wodurch dessen Aktivität verstärkt wird. Da der Nucleus subthalamicus glutamaterge Efferenzen zum Globus pallidus medialis besitzt, fördert er dessen hemmende Wirkung auf den Thalamus.

Bei Menschen mit Chorea Huntington degenerieren in erster Linie GABA/Enkephalin-erge Neurone, d. h. der Anfang des indirekten Pfades ist zerstört. Dies hat zur Folge, dass der Globus pallidus medialis über den direkten Weg schwächer gehemmt wird als bei gesunden Menschen. Da der Globus pallidus medialis seinerseits normalerweise den Thalamus inhibiert, wird dieser nun weniger gehemmt, also aktiviert (= Disinhibition). Die Konsequenz ist eine Übererregung des Thalamus und des Cortex.[13]

Da die indirekten Verbindungen im Verlauf meist zuerst zerstört werden, steht am Anfang der Erkrankung eine Überaktivierung mit überschießenden Bewegungen im Vordergrund. Im weiteren Verlauf gehen auch die direkten Verbindungen verloren, und es dominieren Bewegungsarmut (Akinese) und Steifheit (Rigor).

Krankheitsbild

Verlauf

Erste Symptome der Krankheit zeigen sich meist zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Das Auftreten von Symptomen ist zwischen dem dritten und dem 75. Lebensjahr beschrieben worden. Patienten mit einem frühen Krankheitsbeginn leiden häufig unter einem schwereren Krankheitsverlauf. Psychische Beschwerden gehen den Bewegungsstörungen oft mehrere Jahre voraus. Die Bewegungsstörungen beginnen meist mit Hyperkinesien (ungewollten Bewegungen) bei verringertem Muskeltonus. Später zeigen sich eher Hypokinesie (Bewegungsarmut) und Erhöhung des Muskeltonus. Eine Verlaufsform, bei der die Bewegungsarmut von Anfang an im Vordergrund steht, wird nach Carl Westphal Westphal-Variante genannt und tritt häufiger bei frühem Krankheitseintritt auf. Die Chorea Huntington schreitet meist mit zunehmender Pflegebedürftigkeit der Betroffenen bis zu 30 Jahre fort. Es kommt durch erschwerte Essensaufnahme (Schluckstörungen) und ständig erhöhten Energieverbrauch häufig zu einer Kachexie. Die meisten Patienten versterben innerhalb von 15 Jahren nach Manifestation der Erkrankung.[14] Das Voranschreiten der Krankheit kann durch Stress beschleunigt werden, umgekehrt haben günstige Lebensumstände mit einer leidensgerechten Aktivierung einen günstigen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung.

Psychische Beschwerden und psychiatrische Symptome

Zu den ersten Erscheinungen der psychischen Veränderung gehören meist Störungen des Affektes und des Antriebes. Diese können auch den Bewegungsstörungen vorangehen. Später können ein unbedachtes und impulsives Verhalten sowie eine Enthemmung in zwischenmenschlichen Beziehungen auftreten. Aufgrund der mangelhaften Kontrolle über die Muskulatur (z. B. des Gesichtes mit Grimassieren) kann der falsche Eindruck eines bereits fortgeschrittenen Persönlichkeitsverlustes entstehen, was bei den Patienten Resignation und Depressionen hervorrufen kann. Besonders in der Frühphase der Erkrankung kann dies zu suizidalem Verhalten führen. Früh treten auch Störungen der visuellen Informationsverarbeitung auf, was z. B. dazu führt, dass die Kranken insbesondere kritische Gesichtsausdrücke ihrer Mitmenschen – wie z. B. Verärgerung – nicht richtig wahrnehmen und so darauf nicht angemessen reagieren können. Im Frühstadium werden leichte Beeinträchtigungen der intellektuellen Fähigkeiten sowie Gedächtnisstörungen oft übersehen. Im Spätstadium der Erkrankung entwickeln die Patienten eine subkortikale Demenz, d. h. es kommt zum Verlust ihrer kognitiven Fähigkeiten.[15] So finden sich Störungen der Merkfähigkeit, damit im Zusammenhang stehend eine Desorientierung und eine Sprachverarmung. Einige Patienten entwickeln Wahnvorstellungen, die dazu führen, dass sie in psychiatrischen Kliniken behandelt werden (psychisch betonter Verlauf).

Bewegungsstörungen

Chorea beginnt meist mit einer zunächst kaum bemerkbaren Bewegungsunruhe der Arme und Beine, des Gesichtes, später des Kopfes sowie des Rumpfes. Diese Unruhe kann sich zu heftigen choreatischen Hyperkinesien steigern. Das sind plötzlich einsetzende, unwillkürliche Bewegungen verschiedener Muskeln, wodurch die Willkürbewegungen unterbrochen werden. Betroffene versuchen zunächst, die choreatischen Bewegungen zu verbergen, indem sie diese in willkürliche Bewegungsabläufe einbauen, z. B. streichen sich nach einer einschießenden Beugebewegung des Armes über das Haar. Zunehmend geraten die Muskelbewegungen aber außer Kontrolle. Beim Vollbild der Erkrankung kommt es zum plötzlichen Grimassieren und zu schleudernden Bewegungen (Chorea) von Armen und Beinen. Sprechen und Schlucken fallen zunehmend schwer (Dysarthrie und Dysphagie). Typischerweise beginnen diese Hyperkinesien in den rumpffernen Teilen der Extremitäten (in den Händen und im Gesicht), so wird der Mund weit geöffnet, die Zunge weit herausgestreckt und sofort wieder zurückgezogen („Chamäleonzunge“). Im weiteren Verlauf sind auch die rumpfnahen Extremitätenanteile betroffen. Bei Auslösen des Kniesehnenreflexes bleibt das Knie gestreckt (Gordon-Phänomen). Die Bewegungsunruhe verstärkt sich unter seelischer und körperlicher Belastung. Obwohl die unkontrollierten Bewegungen im Schlaf aufhören, nehmen sie bei Ermüdung eher zu. Die anfangs choreatischen Hyperkinesien wandeln sich mit zunehmendem Krankheitsverlauf in Choreoathetose oder Dystonien, wobei durch Erhöhung der Muskelspannung (Muskeltonus) die Gliedmaßen minuten- bis stundenlang in einer manchmal schmerzhaften Fehlstellung verharren. An Stelle des Grimassierens tritt dann eventuell eine Anarthrie auf, d. h. es kann eine völlige Unfähigkeit bestehen, Sprechbewegungen auszuführen, und der Patient ist nicht mehr in der Lage, durch Mimik, Gestik und Sprache zu reagieren. Das Schlucken fällt den Patienten immer schwerer und kann zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen, zumal die Patienten durch die Hyperkinesien einen erhöhten Energieverbrauch haben. Dieser kann sich im Endstadium der Erkrankung auf mehr als das Fünffache des normalen Grundumsatzes erhöhen, so dass eine adäquate Versorgung nur noch mit ergänzender parenteraler Nahrungszufuhr möglich ist.

Unabhängig von der Chorea zeigen Menschen mit Chorea Huntington einen Mangel an motorischer Persistenz, also einen unstetigen Muskeltonus. Dieser wird im Englischen auch treffend als milkmaid’s grip umschrieben. Diese Unstetigkeit des Muskeltonus eignet sich besser zur Diagnose des Krankheitsfortschrittes als die Chorea, denn im Gegensatz zur Chorea nimmt sie im Verlauf der Krankheit stetig zu.[10]

Diagnostik

Die Diagnose kann meist klinisch anhand der Symptome gestellt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Diagnose durch genetische Analyse zu sichern, auch schon bevor sich die ersten Symptome zeigen, sogar vor der Geburt. Weitere Möglichkeiten sind eine Kernspintomographie oder Computertomographie. Sie zeigen eine Atrophie des Corpus striatum und hier vor allem des Nucleus caudatus. Diese Atrophie führt zu einer Erweiterung der Seitenventrikel. In der 18FDG-PET zeigt sich eine Störung des Glukosestoffwechsels im Corpus striatum. Eine mögliche Differenzialdiagnose ist CJD (Creutzfeldt-Jakob-Krankheit) sowie vCJD (variant CJD).

Ethische Probleme der humangenetischen Diagnostik

Es ist heute möglich, weit vor dem Auftreten jeglicher Symptome bei Menschen aus betroffenen Familien eindeutig festzustellen, ob sie den zur Chorea Huntington führenden Gendefekt haben oder nicht. Während für Kinder eines betroffenen Elternteils ohne weitere Informationen die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der Erkrankung bei 50 % liegt, ist nach einer solchen Diagnostik bis auf einige Ausnahmen geklärt, ob der betreffende Mensch entweder niemals oder aber mit Sicherheit die Erkrankung bekommen wird. Die Entscheidung darüber, ob eine solche Diagnostik gewünscht wird, ist höchstpersönlich und kann nur nach einer umfassenden Aufklärung getroffen werden. Zugleich muss berücksichtigt werden, dass mit einer solchen Diagnostik auch Informationen über andere Blutsverwandte bekannt werden. So würde mit einer positiven Diagnostik bei einem Enkel eines Betroffenen auch klar, dass der entsprechende Elternteil betroffen ist.

Therapie

Eine Therapie, welche die Krankheit an sich heilt oder dauerhaft aufhält, ist nicht bekannt. Verschiedene Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel werden mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt, um die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen und so den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Das Medikament Riluzol vermindert die Glutamatausschüttung und soll den Verlauf verlangsamen. Studien weisen darauf hin, dass die pallidale Tiefe Hirnstimulation (THS) ebenfalls positive Effekte insbesondere auf die motorischen Symptome zu haben scheint. Der Krankheitsverlauf kann durch die Stimulation nicht aufgehalten werden, dennoch berichten Betroffene von einer Steigerung der Lebensqualität, da sie weniger auf fremde Hilfe angewiesen sind und weiter aktiv am Sozialleben teilnehmen können.[16][17][18][19][20] Vorklinische Studien lassen auch auf eine Verbesserung weiterer nicht-motorischer Symptome, wie Kognition und Stimmung schließen.[21] Weitere Studien werden derzeit durchgeführt, um die positiven Ergebnisse, die bisher an einzelnen Patienten beobachtet wurden, weiter zu untersuchen.[22] Sämtliche Therapien werden flankiert von physiotherapeutischer, ergotherapeutischer und logopädischer Behandlung zur Besserung der Bewegungsfähigkeit beziehungsweise der Sprache und Schluckfähigkeit. Gleichzeitig sollten der Patient und auch seine Angehörigen psychologisch bzw. bei psychiatrischen Störungen auch psychiatrisch behandelt werden. Die Ernährung sollte den erhöhten Energiebedarf, die Schluckbeschwerden und den erhöhten Zuckerbedarf der Patienten berücksichtigen. Einzelne Symptome können ebenfalls je nach Bedarf behandelt werden.

Behandlung der Bewegungsstörungen

Gegen Hyperkinesien werden neben Tetrabenazin auch Dopamin-Antagonisten eingesetzt, meist Tiaprid oder auch Sulpirid. Jedoch zeigen klinische Studien, dass die Einnahme von Tetrabenazin zu einer Verschlimmerung von Depressionen und suizidalen Tendenzen führen könnte.[23] Darüber hinaus verstärkte Tetrabenazin bei manchen Betroffenen die Extrapyramidalen Syndrome.[23][24]

Bei einsetzendem Rigor werden Dopamin-Agonisten oder L-Dopa eingesetzt, können jedoch die Hyperkinesien verstärken. Daher wird die medikamentöse Therapie erst eingeleitet, wenn die Bewegungsstörungen den Patienten im Alltag stark beeinträchtigen. Die tiefe Hirnstimulation (THS) hat einen positiven Effekt auf die mit Medikamenten schwer behandelbaren choreatischen Symptome, bei guter Verträglichkeit. Der Einfluss auf Dystonien und anderen Bewegungsstörungen wird derzeit in einer klinischen internationalen Studie getestet.[22]

Behandlung psychischer Symptome

Bei psychotischen Symptomen wird auf atypische Neuroleptika zurückgegriffen, gegen depressive Symptome vor allem Antidepressiva aus der Gruppe der SSRIs. Bei Schlafstörungen und Angstzuständen können Benzodiazepine zum Einsatz kommen.

Neuroprotektive Behandlung

Es gibt Studien, die eine neuroprotektive Wirkung von Gabapentin auf Patienten mit Chorea Huntington implizieren. Durch dieses Medikament soll die Excitotoxizität des Glutamats auf die Nervenzelle reduziert werden.[25][26]

Weiterführende Literatur

Einzelnachweise

  1. Nikola Biller-Andorno: Veitstanz, Chorea major (Neuzeit). In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1438 f.; hier: S. 1438.
  2. Darstellung des Gens im NCBI Map Viewer
  3. E. C. Wicke: Versuch einer Monographie des großen Veitstanzes und der unwillkürlichen Muskelbewegung, nbest Bemerkungen über den Taranteltanz und die Berberi. Leipzig 1844.
  4. Nikola Biller-Andorno: Veitstanz, Chorea major (Neuzeit). In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1438 f.; hier: S. 1438.
  5. T. Pringheim, K. Wiltshire, L. Day, J. Dykeman, T. Steeves, N. Jette: The incidence and prevalence of Huntington's disease: a systematic review and meta-analysis. In: Mov. Disord. Band 27, Nr. 9, 2012, S. 1083–1091. PMID 22692795
  6. J. O.Sipilä, M. Hietala, A. Siitonen, M. Päivärinta, K. Majamaa: Epidemiology of Huntington's disease in Finland. In: Parkinsonism Relat. Disord. Band 21, Nr. 1, 2015, S. 6–49. PMID 25466405
  7. Veitstanz soll ins öffentliche Bewusstsein. In: Münchner Merkur. 20. Mai 2014.
  8. Eintrag zu Chorea Huntington im Flexikon, einem Wiki der Firma DocCheck
  9. E. B. Clabough: Huntington's disease: the past, present, and future search for disease modifiers. In: Yale J. Biol. Med. Band 86, Nr. 2, 2013, S. 217–233. PMID 23766742
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  11. Ein Protein fördert krankhafte Ablagerungen bei Chorea Huntington Protein-Interaktionsnetzwerk führte auf die Spur. Pressemitteilung des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz Gemeinschaft, 24. September 2004, abgerufen am 8. Oktober 2015.
  12. J. P. Caviston, E. L. Holzbaur: Huntingtin as an essential integrator of intracellular vesicular trafficking. In: Trends in cell biology. Band 19, Nummer 4, April 2009, S. 147–155. doi:10.1016/j.tcb.2009.01.005. PMID 19269181. PMC 2930405 (freier Volltext). (Review).
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  14. DochCheck: Chorea Huntington.
  15. K. K. Zakzanis: The subcortical dementia of Huntington's disease. In: Journal of clinical and experimental neuropsychology. Band 20, Nummer 4, August 1998, S. 565–578. doi:10.1076/jcen.20.4.565.1468. PMID 9892059.
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