„Riboflavin“ – Versionsunterschied

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Es kommt insbesondere in Lebensmitteln tierischen Ursprungs vor (Milch und [[Milchprodukt]]e), aber auch in [[Vollkorn]]produkten sowie Gemüse wie [[Broccoli]], [[Spargel]] oder [[Spinat]]. Die [[Bioverfügbarkeit]] wird bei über 60 % für Milch und Spinat angegeben.
Es kommt insbesondere in Lebensmitteln tierischen Ursprungs vor (Milch und [[Milchprodukt]]e), aber auch in [[Vollkorn]]produkten sowie Gemüse wie [[Broccoli]], [[Spargel]] oder [[Spinat]]. Die [[Bioverfügbarkeit]] wird bei über 60 % für Milch und Spinat angegeben.

Es wird seit 1990 biotechnologisch mit Hilfe des filamentösen Pilzes ''[[Ashbya gossypii]]'' hergestellt. Der Wildtyp produziert bis zu 100 mg Riboflavin pro g Biomasse, die Produktionsstämme liefern mehr als 20 g/l. Alternativ wird Riboflavin auch durch gentechnisch veränderte Stämme von ''[[Bacillus subtilis]]'' produziert.<ref>{{Literatur |Autor=H. Sahm, G. Antanikian, K-P. Stahmann, R. Takors |Titel=Industrielle Mikrobiologie |Auflage=1 |Verlag=Springer Spektrum |Ort=Berlin/Heidelberg |Datum=2013 |ISBN=978-3-8274-3039-7}}</ref>


== Eigenschaften ==
== Eigenschaften ==
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Riboflavin zählt – obwohl wenig in Wasser löslich – zu den [[Vitamin#Wasserlösliche Vitamine|wasserlöslichen Vitaminen]]; es ist lichtempfindlich,<ref name=":2" /> aber so stabil gegen Hitze und [[Sauerstoff]]<ref name="roempp" />, dass es beim Kochen nicht zerstört wird.
Riboflavin zählt – obwohl wenig in Wasser löslich – zu den [[Vitamin#Wasserlösliche Vitamine|wasserlöslichen Vitaminen]]; es ist lichtempfindlich,<ref name=":2" /> aber so stabil gegen Hitze und [[Sauerstoff]]<ref name="roempp" />, dass es beim Kochen nicht zerstört wird.


== Organische Synthese ==
== Herstellung ==
=== Organische Synthese ===
Die organische Synthese wird ausgehend von <small>D</small>-Ribose gestartet. Alternativ kann auch <small>D</small>-Glucose verwendet werden. Dabei wird die <small>D</small>-Glucose über Oxidation, Epimerisierung der Hydroxygruppen und anschließender Reduzierungen zu <small>D</small>-Ribose umgewandelt.
Die organische Synthese wird ausgehend von [[Ribose|<small>D</small>-Ribose]] gestartet. Alternativ kann auch [[Glucose|<small>D</small>-Glucose]] verwendet werden. Dabei wird die <small>D</small>-Glucose über Oxidation, Epimerisierung der Hydroxygruppen und anschließender Reduzierungen zu <small>D</small>-Ribose umgewandelt.


Die <small>D</small>-Ribose wird mit 3,4-Xylidin bei 50–80&nbsp;°C in Methanol gelöst. Dabei wird Wasserstoff unter einem Druck von 3&nbsp;bar an einen Palladium-Kohle-Katalysator zugeströmt, wodurch der doppelt gebundene Sauerstoff zwei Wasserstoffatome aufnehmen kann und sich somit Wasser aus der Verbindung abspalten kann. Diese Abspaltung ist die Triebkraft für die Bildung des Zwischenprodukts ''N''-<small>D</small>-Ribityl-3,4-xylidin.
Die <small>D</small>-Ribose wird mit [[Xylidine|3,4-Xylidin]] bei 50–80&nbsp;°C in Methanol gelöst. Dabei wird Wasserstoff unter einem Druck von 3&nbsp;bar an einen Palladium-Kohle-Katalysator zugeströmt, wodurch der doppelt gebundene Sauerstoff zwei Wasserstoffatome aufnehmen kann und sich somit Wasser aus der Verbindung abspalten kann. Diese Abspaltung ist die Triebkraft für die Bildung des Zwischenprodukts ''N''-<small>D</small>-Ribityl-3,4-xylidin.


Dieses Zwischenprodukt wird im Folgenden mit einem Anilinderivat, zum Beispiel Phenyldiazoniumchlorid, in Essigsäure gegeben, wobei sich 1-<small>D</small>-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol bildet. Diese elektrophile aromatische Substitutionsreaktion, bei der das Diazoniumsalz mit dem aktivierten Aromaten reagiert, wird Azokupplung genannt. Dabei wird das positiv geladene Stickstoffatom des Diazoniumsalzes von der ''ortho''-Position des ''N''-<small>D</small>-Ribityl-3,4-xylidins angegriffen, wobei unter Abspaltung von Chlorwasserstoffsäure 1-<small>D</small>-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol entsteht.
Dieses Zwischenprodukt wird im Folgenden mit einem Anilinderivat, zum Beispiel Phenyldiazoniumchlorid, in Essigsäure gegeben, wobei sich 1-<small>D</small>-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol bildet. Diese elektrophile aromatische Substitutionsreaktion, bei der das Diazoniumsalz mit dem aktivierten Aromaten reagiert, wird Azokupplung genannt. Dabei wird das positiv geladene Stickstoffatom des Diazoniumsalzes von der ''ortho''-Position des ''N''-<small>D</small>-Ribityl-3,4-xylidins angegriffen, wobei unter Abspaltung von Chlorwasserstoffsäure 1-<small>D</small>-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol entsteht.
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Zuletzt wird das 1-<small>D</small>-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol in Eisessigsäure und Dioxan gelöst und Barbitursäure zugegeben. Ein doppelt gebundener Sauerstoff der Barbitursäure wird dabei Protonen aufnehmen und unter der Abspaltung von Wasser (Kondensationsreaktion) das Ringsystem öffnen. Das Intermediat bindet dann an das 1-<small>D</small>-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol, wobei es unter Abspaltung von Anilin einen intramolekularen Ringschluss vollzieht.
Zuletzt wird das 1-<small>D</small>-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol in Eisessigsäure und Dioxan gelöst und Barbitursäure zugegeben. Ein doppelt gebundener Sauerstoff der Barbitursäure wird dabei Protonen aufnehmen und unter der Abspaltung von Wasser (Kondensationsreaktion) das Ringsystem öffnen. Das Intermediat bindet dann an das 1-<small>D</small>-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol, wobei es unter Abspaltung von Anilin einen intramolekularen Ringschluss vollzieht.


Das entstandene Produkt wird Riboflavin genannt und kann anschließend aufgereinigt werden.<ref>{{Literatur |Autor=K. -P. Stahmann, J. L. Revuelta, H. Seulberger |Titel=Three biotechnical processes using Ashbya gossypii, Candida famata, or Bacillus subtilis compete with chemical riboflavin production |Sammelwerk=Applied Microbiology and Biotechnology |Band=53 |Nummer=5 |Datum=2000-05-15 |ISSN=0175-7598 |Seiten=509–516 |DOI=10.1007/s002530051649}}</ref>
Das entstandene Produkt wird Riboflavin genannt und kann anschließend aufgereinigt werden.<ref>{{Literatur |Autor=Klaus-Peter Stahmann et al. |Titel=Three biotechnical processes using Ashbya gossypii, Candida famata, or Bacillus subtilis compete with chemical riboflavin production |Sammelwerk=Applied Microbiology and Biotechnology |Band=53 |Nummer=5 |Datum=2000-05-15 |Sprache=en |DOI=10.1007/s002530051649 |Seiten=509–516}}</ref>

=== Mikrobielle Produktion ===
Die Herstellung mittels [[Mikroorganismus|Mikroorganismen]] begann in der 1940er-Jahren, war der damaligen chemischen Synthese aber unterlegen. Dies änderte sich erst 1990, als Vitamin B<sub>2</sub> [[Biotechnologie|biotechnologisch]] mit Hilfe des filamentösen Pilzes ''[[Ashbya gossypii]]'' hergestellt werden konnte.<ref name=":3">{{Literatur |Autor=Klaus-Peter Stahmann, Hans-Peter Hohmann |Titel=Vitamine, Nukleotide und Carotinoide |Hrsg=Hermann Sahm et al. |Sammelwerk=Industrielle Mikrobiologie |Auflage=1. |Verlag=Springer |Ort=Berlin, Heidelberg |Datum=2013 |Sprache=de |ISBN=978-3-8274-3040-3 |DOI=10.1007/978-3-8274-3040-3_7 |Seiten=127–148}}</ref> Der Wildtyp produziert bis zu 100 mg Riboflavin pro g Biomasse, die Produktionsstämme liefern mehr als 20 g/l. Alternativ wird Riboflavin auch durch gentechnisch veränderte Stämme von ''[[Bacillus subtilis]]'' produziert.<ref name=":3" /> Die einstufige mikrobielle Produktion übertrifft mittlerweile die mehrstufigen chemischen Verfahren.


== Funktion ==
== Funktion ==
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Durch die begrenzte Löslichkeit, Absorption und der raschen Eliminierung wird die (akute oder chronische) Toxizität einer Überdosierung als gering betrachtet.<ref name=":1">{{Internetquelle |autor=Helmut Heseker, Anna Stahl |url=https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2008/10_08/EU10_618_623.qxd.pdf |titel=Vitamin B<sub>2</sub> (Riboflavin) |werk=Ernährungs-Umschau |datum=2008-10 |format=PDF |sprache=de |abruf=2022-11-26}}</ref> Aus physiologischen Gründen ist die Einnahme hoher Dosen jedoch wenig sinnvoll.
Durch die begrenzte Löslichkeit, Absorption und der raschen Eliminierung wird die (akute oder chronische) Toxizität einer Überdosierung als gering betrachtet.<ref name=":1">{{Internetquelle |autor=Helmut Heseker, Anna Stahl |url=https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2008/10_08/EU10_618_623.qxd.pdf |titel=Vitamin B<sub>2</sub> (Riboflavin) |werk=Ernährungs-Umschau |datum=2008-10 |format=PDF |sprache=de |abruf=2022-11-26}}</ref> Aus physiologischen Gründen ist die Einnahme hoher Dosen jedoch wenig sinnvoll.


== Sonstige Nutzung ==
== Nutzung ==
Das wasserlösliche, hitzestabile und lichtempfindliche Riboflavin wurde 1962 als einer der ersten [[Lebensmittelzusatzstoff]]e durch die ''[[Richtlinie des Rats zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für färbende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen]]'' in der [[Europäische Wirtschaftsgemeinschaft|EWG]] zugelassen und erhielt die [[E-Nummer]] E&nbsp;101. Auch in der aktuellen [[Verordnung (EG) Nr. 1333/2008]] wird es aufgeführt und ist dadurch in der [[Europäische Union|EU]] und den anderen Ländern des [[Europäischer Wirtschaftsraum|EWR]] als [[Lebensmittelfarbstoff]] zugelassen. In der Verordnung wird auch geregelt, dass eine Verwendung nur in bestimmten Lebensmitteln zulässig ist. Riboflavin darf dabei ohne Mengebegrenzung (''[[quantum satis]]'') verwendet werden. In der [[Schweiz]] ist die Verwendung sinngemäß durch die [[Zusatzstoffverordnung]] geregelt.<ref name="sr_817_022_31" />
Das wasserlösliche, hitzestabile und lichtempfindliche Riboflavin wurde 1962 als einer der ersten [[Lebensmittelzusatzstoff]]e durch die ''[[Richtlinie des Rats zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für färbende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen]]'' in der [[Europäische Wirtschaftsgemeinschaft|EWG]] zugelassen und erhielt die [[E-Nummer]] E&nbsp;101. Auch in der aktuellen [[Verordnung (EG) Nr. 1333/2008]] wird es aufgeführt und ist dadurch in der [[Europäische Union|EU]] und den anderen Ländern des [[Europäischer Wirtschaftsraum|EWR]] als [[Lebensmittelfarbstoff]] zugelassen. In der Verordnung wird auch geregelt, dass eine Verwendung nur in bestimmten Lebensmitteln zulässig ist. Riboflavin darf dabei ohne Mengebegrenzung (''[[quantum satis]]'') verwendet werden. In der [[Schweiz]] ist die Verwendung sinngemäß durch die [[Zusatzstoffverordnung]] geregelt.<ref name="sr_817_022_31" />


Neben der Verwendung als Lebensmittelfarbstoff wird industriell hergestelltes Vitamin B<sub>2</sub> wird für Vitaminpräparate genutzt. Zudem fließen etwa 66 % als Futtermittelergänzung in die [[Tierhaltung]], wodurch die [[Tiermast]] gesteigert wird.<ref name=":3" />
Es wird auch gerne zur Kontrolle von Reinigungsprozessen (Flächen, Hände etc.) in der Pharmaindustrie eingesetzt, da es auch in geringer Konzentration bei [[UV]]-Licht leuchtet und damit gut sichtbar ist.

Riboflavin wird ferner zur Kontrolle von Reinigungsprozessen (Flächen, Hände etc.) in der Pharmaindustrie eingesetzt, da es auch in geringer Konzentration bei [[UV]]-Licht leuchtet und damit gut sichtbar ist.


In der Medizin kann Riboflavin auch als [[Photosensibilisator (Chemie)|Photosensibilisator]] eingesetzt werden. So wird es beispielsweise zur [[Vernetzung (Chemie)|Quervernetzung]] von [[Kollagene|Kollagen]] in der menschlichen Hornhaut verwendet, was als Behandlung von [[Keratokonus]] dienen kann.<ref>{{Literatur |Autor=Frederik Raiskup, Eberhard Spoerl |Titel=Corneal Crosslinking with Riboflavin and Ultraviolet A. I. Principles |Sammelwerk=The Ocular Surface |Band=11 |Nummer=2 |Datum=2013-04 |Seiten=65–74 |Online=https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S1542012413000098 |Abruf=2021-02-26 |DOI=10.1016/j.jtos.2013.01.002}}</ref>
In der Medizin kann es auch als [[Photosensibilisator (Chemie)|Photosensibilisator]] eingesetzt werden. So wird es beispielsweise zur [[Vernetzung (Chemie)|Quervernetzung]] von [[Kollagene|Kollagen]] in der menschlichen Hornhaut verwendet, was als Behandlung von [[Keratokonus]] dienen kann.<ref>{{Literatur |Autor=Frederik Raiskup, Eberhard Spoerl |Titel=Corneal Crosslinking with Riboflavin and Ultraviolet A. I. Principles |Sammelwerk=The Ocular Surface |Band=11 |Nummer=2 |Datum=2013-04 |Seiten=65–74 |Online=https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S1542012413000098 |Abruf=2021-02-26 |DOI=10.1016/j.jtos.2013.01.002}}</ref>


Gemäß S1-[[Medizinische Leitlinie|Leitlinie]] für Diagnostik und Therapie in der Neurologie der [[Deutsche Gesellschaft für Neurologie|DGN]] kann eine Kombinationstherapie von hochdosiertem Vitamin B<sub>2</sub> (Tagesdosis von 2 × 200 mg), [[Magnesium]] und [[Ubichinon-10]] die Schwere der [[Migräne]]attacken, allerdings nicht die Häufigkeit reduzieren.<ref>{{Internetquelle |autor=Hans-Christoph Diener et al. |url=https://register.awmf.org/assets/guidelines/030-057l_S1_Migraene-Therapie_2020-12.pdf#page=33 |titel=Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne |titelerg=Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie |werk=[[Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften|AWMF]] |hrsg=Deutsche Gesellschaft für Neurologie |datum=2018 |seiten=33 |format=PDF |sprache=de |abruf=2022-11-27}}</ref> Aussagen zu einer [[Krankheitsprävention|Migräneprophylaxe]] sind nur mit geringerer wissenschaftlicher Evidenz behaftet.
Gemäß S1-[[Medizinische Leitlinie|Leitlinie]] für Diagnostik und Therapie in der Neurologie der [[Deutsche Gesellschaft für Neurologie|DGN]] kann eine Kombinationstherapie von hochdosiertem Vitamin B<sub>2</sub> (Tagesdosis von 2 × 200 mg), [[Magnesium]] und [[Ubichinon-10]] die Schwere der [[Migräne]]attacken, allerdings nicht die Häufigkeit reduzieren.<ref>{{Internetquelle |autor=[[Hans-Christoph Diener]] et al. |url=https://register.awmf.org/assets/guidelines/030-057l_S1_Migraene-Therapie_2020-12.pdf#page=33 |titel=Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne |titelerg=Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie |werk=[[Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften|AWMF]] |hrsg=Deutsche Gesellschaft für Neurologie |datum=2018 |seiten=33 |format=PDF |sprache=de |abruf=2022-11-27}}</ref> Aussagen zu einer [[Krankheitsprävention|Migräneprophylaxe]] sind nur mit geringerer wissenschaftlicher Evidenz behaftet.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 28. November 2022, 10:18 Uhr

Strukturformel
Struktur von Riboflavin
Allgemeines
Trivialname Vitamin B2
Andere Namen
  • Riboflavin
  • Lactoflavin
  • 7,8-Dimethyl-10-(D-ribo-2,3,4,5-tetrahydroxypentyl)-3H,10H-benzo[g]pteridin-2,4-dion (IUPAC)
  • 7,8-Dimethyl-10-(D-ribit-1-yl)-isoalloxazin (WHO)
  • E 101[1]
  • RIBOFLAVIN[2], LACTOFLAVIN (INCI)[3]
Summenformel C17H20N4O6
CAS-Nummer 83-88-5
PubChem 1072
ATC-Code

A11HA04

DrugBank DB00140
Kurzbeschreibung bitter schmeckender, gelb bis orangefarbener Feststoff[4]
Vorkommen Leber, Hefe, Weizenkeime
Physiologie
Funktion Vorstufe für Flavin-Coenzyme (FAD, FMN)
Täglicher Bedarf 1,5–1,7 mg
Folgen bei Mangel Entzündungen der Haut (Exantheme, Hautrisse), Störungen des Wachstums, der Blutbildung und neurologischer Art
Überdosis nicht bekannt
Eigenschaften
Molare Masse 376,37 g·mol−1
Aggregatzustand fest
Schmelzpunkt

278–282 °C (Zersetzung)[5]

Löslichkeit
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[5]
keine GHS-Piktogramme
H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[5]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Riboflavin, auch Lactoflavin oder Vitamin B2, frühere Bezeichnung Vitamin G, ist ein Vitamin aus dem B-Komplex. Riboflavin ist Bestandteil bei Flavin-Adenin-Dinukleotid (FAD) sowie Flavinmononukleotid (FMN), die wiederum Cofaktoren zahlreicher Dehydrogenasen und Oxidoreduktasen sind.

Geschichte

Vitamin B2 wurde 1920 erstmals aus Milch (lacto) isoliert, enthält ein gelbes Chromophor (flavin) und einen Ribityl-Rest (ribo).[6]

Vorkommen

Vitamin-B2-Gehalte in Lebensmittel[7]
Lebensmittel mg / 100 g
Schweineleber 3,17
Camembertkäse 0,6
Quark 0,3
Hühnerei 0,28
Cashewnuss 0,26
Rindfleisch, mager 0,26
Spinat 0,23
Brokkoli 0,18
Erbsen 0,16
Kuhmilch, 3,5 % Fett 0,18
Jogurt 0,15
Kartoffel 0,05
Weizenmehl (Type 405) 0,03
Apfel 0,03

Vitamin B2 liegt in der Nahrung meistens als FMN oder FAD gebunden an Eiweißen vor (in Form von Flavoproteinen).[7] Frei oder glykosyliert (Riboflavinyl-Glycosid) ist es seltener verbreitet.

Es kommt insbesondere in Lebensmitteln tierischen Ursprungs vor (Milch und Milchprodukte), aber auch in Vollkornprodukten sowie Gemüse wie Broccoli, Spargel oder Spinat. Die Bioverfügbarkeit wird bei über 60 % für Milch und Spinat angegeben.

Eigenschaften

Riboflavin ist ein Derivat des Heterozyklus Isoalloxazins und des Zuckeralkohols Ribitol.

Riboflavin zählt – obwohl wenig in Wasser löslich – zu den wasserlöslichen Vitaminen; es ist lichtempfindlich,[8] aber so stabil gegen Hitze und Sauerstoff[4], dass es beim Kochen nicht zerstört wird.

Herstellung

Organische Synthese

Die organische Synthese wird ausgehend von D-Ribose gestartet. Alternativ kann auch D-Glucose verwendet werden. Dabei wird die D-Glucose über Oxidation, Epimerisierung der Hydroxygruppen und anschließender Reduzierungen zu D-Ribose umgewandelt.

Die D-Ribose wird mit 3,4-Xylidin bei 50–80 °C in Methanol gelöst. Dabei wird Wasserstoff unter einem Druck von 3 bar an einen Palladium-Kohle-Katalysator zugeströmt, wodurch der doppelt gebundene Sauerstoff zwei Wasserstoffatome aufnehmen kann und sich somit Wasser aus der Verbindung abspalten kann. Diese Abspaltung ist die Triebkraft für die Bildung des Zwischenprodukts N-D-Ribityl-3,4-xylidin.

Dieses Zwischenprodukt wird im Folgenden mit einem Anilinderivat, zum Beispiel Phenyldiazoniumchlorid, in Essigsäure gegeben, wobei sich 1-D-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol bildet. Diese elektrophile aromatische Substitutionsreaktion, bei der das Diazoniumsalz mit dem aktivierten Aromaten reagiert, wird Azokupplung genannt. Dabei wird das positiv geladene Stickstoffatom des Diazoniumsalzes von der ortho-Position des N-D-Ribityl-3,4-xylidins angegriffen, wobei unter Abspaltung von Chlorwasserstoffsäure 1-D-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol entsteht.

Zuletzt wird das 1-D-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol in Eisessigsäure und Dioxan gelöst und Barbitursäure zugegeben. Ein doppelt gebundener Sauerstoff der Barbitursäure wird dabei Protonen aufnehmen und unter der Abspaltung von Wasser (Kondensationsreaktion) das Ringsystem öffnen. Das Intermediat bindet dann an das 1-D-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol, wobei es unter Abspaltung von Anilin einen intramolekularen Ringschluss vollzieht.

Das entstandene Produkt wird Riboflavin genannt und kann anschließend aufgereinigt werden.[9]

Mikrobielle Produktion

Die Herstellung mittels Mikroorganismen begann in der 1940er-Jahren, war der damaligen chemischen Synthese aber unterlegen. Dies änderte sich erst 1990, als Vitamin B2 biotechnologisch mit Hilfe des filamentösen Pilzes Ashbya gossypii hergestellt werden konnte.[10] Der Wildtyp produziert bis zu 100 mg Riboflavin pro g Biomasse, die Produktionsstämme liefern mehr als 20 g/l. Alternativ wird Riboflavin auch durch gentechnisch veränderte Stämme von Bacillus subtilis produziert.[10] Die einstufige mikrobielle Produktion übertrifft mittlerweile die mehrstufigen chemischen Verfahren.

Funktion

Riboflavin dient als Vorstufe für Flavin-Koenzyme (FAD, FMN), die insbesondere in Oxidoreduktasen, z. B. NADH-Dehydrogenase, eine große Rolle spielen. Dadurch nimmt es im Stoffwechsel eine zentrale Rolle ein.

Tagesbedarf

Empfohlene Zufuhr von Vitamin B2[11]
Altersgruppe D-A-CH (2019)

mg / Tag

EFSA (2017)

(Population Reference Intake)

mg / Tag

Kleinkinder (4–7 Jahre) 0,8 0,7
Kinder (7–10 Jahre) 1,0 (♂); 0,9 (♀) 1,0 (< 11 Jahre)
Jugendliche (10–13 Jahre) 1,1 (♂); 1,0 (♀) 1,4 (≥ 11 Jahre)
Jugendliche (13–15 Jahre) 1,4 (♂); 1,1 (♀)
Adoleszente (15–19 Jahre) 1,6 (♂); 1,2 (♀) 1,6 (< 18 Jahre)
Erwachsene 1,3–1,4 (♂)

1,0–1,1 (♀)

1,6 (≥ 18 Jahre)
Schwangere

2. Trimester

3. Trimester

1,3

1,4

1,9
Stillende 1,4 2,0

Von den D-A-CH-Gesellschaften wurden Zufuhrempfehlungen für Vitamin B2 abgeleitet, abhängig vom Alter und Geschlecht (vgl. Tabelle). Die von der EFSA abgeleiteten Zufuhrreferenzwerte ähneln denen der D-A-CH-Gesellschaften.

Aus Basis vorhandener Daten legt das BfR keine Höchstmenge für Nahrungsergänzungsmittel oder zur Anreicherung von Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs fest.[11]

Der tägliche Bedarf wird üblicherweise durch die normale Nahrungsaufnahme mit etwa 1,5 mg / Tag (Frauen) bzw. 1,9 mg / Tag (Männer) gedeckt bzw. überschritten.[7]

Mangelerscheinungen

Ausgrätschen infolge Riboflavinmangels bei einem Küken

Bei normaler Ernährung treten keine Mangelerscheinungen auf. Allerdings kann es bei Schwangeren und Alkoholkranken zu Mangelerscheinungen kommen, die sich in Exanthemen, Hautrissen (insbesondere an den Lippen bzw. im Mundwinkel, Cheilosis) und Lichtüberempfindlichkeit äußern. Diese Hypovitaminose heißt Ariboflavinose oder B2-Avitaminose.[12] Zur Früherkennung eines Riboflavin-Mangels kann der EGRAC bestimmt werden.

Akuter Riboflavin-Mangel betrifft auch Menschen, die unter dem Brown-Vialetto-van-Laere-Syndrom leiden, da der Riboflavin-Transport bei ihnen durch einen Gendefekt gestört ist.[13]

Überdosierung

Wegen der unzureichenden Datenlage ist eine verlässliche Risikobewertung bei einer Überdosierung nicht möglich; ein Tolerable Upper Intake Level (UL) wurde daher nicht abgeleitet.[11] Vitamin B2-abhängige unerwünschte Wirkungen wurden durch eine Überdosierung nicht nachgewiesen.[8]

Durch die begrenzte Löslichkeit, Absorption und der raschen Eliminierung wird die (akute oder chronische) Toxizität einer Überdosierung als gering betrachtet.[7] Aus physiologischen Gründen ist die Einnahme hoher Dosen jedoch wenig sinnvoll.

Nutzung

Das wasserlösliche, hitzestabile und lichtempfindliche Riboflavin wurde 1962 als einer der ersten Lebensmittelzusatzstoffe durch die Richtlinie des Rats zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für färbende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen in der EWG zugelassen und erhielt die E-Nummer E 101. Auch in der aktuellen Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 wird es aufgeführt und ist dadurch in der EU und den anderen Ländern des EWR als Lebensmittelfarbstoff zugelassen. In der Verordnung wird auch geregelt, dass eine Verwendung nur in bestimmten Lebensmitteln zulässig ist. Riboflavin darf dabei ohne Mengebegrenzung (quantum satis) verwendet werden. In der Schweiz ist die Verwendung sinngemäß durch die Zusatzstoffverordnung geregelt.[14]

Neben der Verwendung als Lebensmittelfarbstoff wird industriell hergestelltes Vitamin B2 wird für Vitaminpräparate genutzt. Zudem fließen etwa 66 % als Futtermittelergänzung in die Tierhaltung, wodurch die Tiermast gesteigert wird.[10]

Riboflavin wird ferner zur Kontrolle von Reinigungsprozessen (Flächen, Hände etc.) in der Pharmaindustrie eingesetzt, da es auch in geringer Konzentration bei UV-Licht leuchtet und damit gut sichtbar ist.

In der Medizin kann es auch als Photosensibilisator eingesetzt werden. So wird es beispielsweise zur Quervernetzung von Kollagen in der menschlichen Hornhaut verwendet, was als Behandlung von Keratokonus dienen kann.[15]

Gemäß S1-Leitlinie für Diagnostik und Therapie in der Neurologie der DGN kann eine Kombinationstherapie von hochdosiertem Vitamin B2 (Tagesdosis von 2 × 200 mg), Magnesium und Ubichinon-10 die Schwere der Migräneattacken, allerdings nicht die Häufigkeit reduzieren.[16] Aussagen zu einer Migräneprophylaxe sind nur mit geringerer wissenschaftlicher Evidenz behaftet.

Einzelnachweise

  1. Eintrag zu E 101: Riboflavins in der Europäischen Datenbank für Lebensmittelzusatzstoffe, abgerufen am 16. Juni 2020.
  2. Eintrag zu RIBOFLAVIN in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 18. September 2021
  3. Eintrag zu LACTOFLAVIN in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 28. Dezember 2020.
  4. a b c d Eintrag zu Riboflavin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 9. Dezember 2014.
  5. a b c d Eintrag zu Riboflavin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 25. Juni 2017. (JavaScript erforderlich)
  6. D. Steinhilber, M. Schubert-Zsilavecz, H. J. Roth: Medizinische Chemie – Targets und Arzneistoffe. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-7692-3483-9.
  7. a b c d Helmut Heseker, Anna Stahl: Vitamin B2 (Riboflavin). (PDF) In: Ernährungs-Umschau. Oktober 2008, abgerufen am 26. November 2022.
  8. a b Vitamin B2 zur Nahrungsergänzung – ist es das Geld wert? In: Klartext Nahrungsergänzung. Verbraucherzentrale, 23. Februar 2022, abgerufen am 26. November 2022.
  9. Klaus-Peter Stahmann et al.: Three biotechnical processes using Ashbya gossypii, Candida famata, or Bacillus subtilis compete with chemical riboflavin production. In: Applied Microbiology and Biotechnology. Band 53, Nr. 5, 15. Mai 2000, S. 509–516, doi:10.1007/s002530051649 (englisch).
  10. a b c Klaus-Peter Stahmann, Hans-Peter Hohmann: Vitamine, Nukleotide und Carotinoide. In: Hermann Sahm et al. (Hrsg.): Industrielle Mikrobiologie. 1. Auflage. Springer, Berlin, Heidelberg 2013, ISBN 978-3-8274-3040-3, S. 127–148, doi:10.1007/978-3-8274-3040-3_7.
  11. a b c Höchstmengen für Vitamin B1, Vitamin B2 und Pantothensäure in Lebensmitteln inklusive Nahrungsergänzungsmitteln. (PDF) In: Bundesinstitut für Risikobewertung. 2021, abgerufen am 26. November 2022.
  12. Ludwig Weissbecker: B2-Avitaminose (Ariboflavinose). In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 1092 f.
  13. Annet M Bosch, Kevin Stroek, Nico G Abeling, Hans R Waterham, Lodewijk IJlst: The Brown-Vialetto-Van Laere and Fazio Londe syndrome revisited: natural history, genetics, treatment and future perspectives. In: Orphanet Journal of Rare Diseases. Band 7, Nr. 1, 2012, ISSN 1750-1172, S. 83, doi:10.1186/1750-1172-7-83.
  14. Verordnung des EDI über die zulässigen Zusatzstoffe in Lebensmitteln. (PDF) Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI), 1. Juli 2020, abgerufen am 23. Januar 2022.
  15. Frederik Raiskup, Eberhard Spoerl: Corneal Crosslinking with Riboflavin and Ultraviolet A. I. Principles. In: The Ocular Surface. Band 11, Nr. 2, April 2013, S. 65–74, doi:10.1016/j.jtos.2013.01.002 (elsevier.com [abgerufen am 26. Februar 2021]).
  16. Hans-Christoph Diener et al.: Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne. (PDF) Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. In: AWMF. Deutsche Gesellschaft für Neurologie, 2018, S. 33, abgerufen am 27. November 2022.