Amon Göth

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Göth während seiner Zeit in polnischer Haft, 1946

Amon Leopold Göth (* 11. Dezember 1908 in Wien; † 13. September 1946 in Krakau)[1] war ein österreichischer SS-Hauptsturmführer und von März 1943 bis September 1944 Kommandant des Konzentrationslagers Plaszow bei Krakau. Amon Göth wurde 1946 wegen Massenmordes zum Tode verurteilt und wenige Tage nach dem Urteil gehängt.

Leben

Kindheit, Jugend und Kirche

Die Pfarrkirche von Waidhofen. Im benachbarten katholischen Internat ging Göth zur Schule.

Amon Göth entstammte einer wohlhabend gewordenen Verlegerfamilie.

Sein Vater Amon Franz Göth war für den Verlag häufig in Österreich und dem Deutschen Reich unterwegs und deshalb selten zu Hause. Amon Göths geschäftstüchtige Mutter führte den Verlag, der überwiegend religiöse Schriften und militärische Bücher vertrieb. Aus diesen Gründen wuchs Göth größtenteils bei einer kinderlos gebliebenen Tante auf. Als Kind wurde er Mony gerufen – diesen Spitznamen verwendeten auch spätere Lebensgefährtinnen. Amon Göth galt als schlechter Schüler und wurde wegen seiner schulischen Leistungen unmittelbar nach der Grundschule in die Obhut eines streng geführten katholischen Internats in Waidhofen an der Thaya gegeben. Gegen den Willen seiner Eltern brach Göth seine schulische Ausbildung nach der zehnten Klasse ab.

Bereits als Siebzehnjähriger interessierte sich der sportbegeisterte Jugendliche für rechtsnationale Ideen und wurde noch als Schüler Mitglied bei verschiedenen Jugendorganisationen, alle mit faschistischem Hintergrund.

Seine am 7. Januar 1934 geschlossene Ehe mit Olga Janauschek war von seinen Eltern arrangiert worden. Mangels gegenseitiger Zuneigung hielt diese Ehe nicht lange und wurde im Sommer 1936 geschieden. Göth beantragte auch bei der Kirche die Annullierung der Ehe mit dem Argument, keinen ausreichenden eigenen Ehewillen besessen zu haben. Im Herbst 1939 trat Göth der SS-Doktrin folgend aus der Kirche aus, trotz seines Austrittes annullierte die katholische Kirche am 12. September 1941 seine erste Ehe.[2][3]

Nationalsozialistische Karriere

Einfahrt in das Krakauer Ghetto, links ein Detail der neu errichteten Ghettomauer, deren Form sich an jüdischen Grabsteinen orientiert hat. Göth veranlasste die Räumung des Ghettos, bei der etwa 2000 Menschen ermordet wurden.
März 1943: Die Bevölkerung des Krakauer Ghettos wurde in das Lager Płaszów deportiert.
Nach steilem Aufstieg in der Waffen-SS wurde Göth 1943 Kommandant des Lagers Płaszów, das auf einem Judenfriedhof errichtet wurde. Die Zufahrtsstraße wurde mit den jüdischen Grabsteinen gepflastert.

Am 13. Mai 1931 trat Göth in die NSDAP (Mitgliedsnr. 510.764) ein und wurde Mitglied der SS. Hitlers Machtergreifung am 30. Januar 1933 motivierte Göth zu verstärkten NS-Aktivitäten in Österreich. Daraufhin wurde Göth im Mai 1933 zum SS-Scharführer befördert. Während eines Einsatzes mit der SS-Standarte 11 wurde Göth in einen Autounfall verwickelt und dabei schwer verletzt. Sich auf diese Verletzung berufend, stellte er vergeblich einen Antrag zum Erwerb des Blutordens. Nach den Sprengstoffanschlägen der Nationalsozialisten in Krems wurde auch nach Göth gefahndet, und er entzog sich der Verhaftung durch die Flucht in das Deutsche Reich.[4]

Innerhalb kürzester Zeit erwarb er sich dort durch fanatischen Gehorsam und Skrupellosigkeit den Ruf eines Vorzeigeoffiziers der SS. Er heiratete ein zweites Mal, diesmal nach SS-Ritus, und zeugte mit der Tiroler Motorradrennfahrerin Anna Geiger drei Kinder. Sein Erstgeborener starb 1940 wenige Wochen nach der Geburt. Kurz darauf meldete Göth sich bei der Waffen-SS zum Dienst und verließ seine österreichische Heimat Richtung Polen. Ab Oktober 1942 baute er das Kriegsgefangenenlager in Poniatowa zu einem Arbeitslager für jüdische Zwangsarbeiter auf. 1943 lernte er die Sekretärin des Fabrikanten Oskar Schindler, Ruth Irene Kalder, kennen, und die beiden verliebten sich. Kalder zog in seine Villa im Lager Płaszów und gebar 1945 in Bad Tölz die Tochter Monika.[5]

Göth beteiligte sich im besetzten Polen zunächst im Zwangsarbeitslager Budsin und später auch in den Vernichtungslagern Belzec, Sobibor und Treblinka am Holocaust, bevor er im März 1943 die Liquidierung des Krakauer Ghettos verantwortete und etwa zur gleichen Zeit auch die Kommandantur über das Arbeitslager Plaszow (später KZ Plaszow) übernahm. Etwa zu diesem Zeitpunkt wurde Göths Alkoholismus auffällig.

Durch seine sadistische Obsession, morgens vom Balkon seiner Villa mit einem Präzisionsgewehr auf KZ-Häftlinge zu schießen oder Häftlinge von seinen beiden Hunden – einer Dogge und einem Schäferhundmischling – zerfleischen zu lassen, erhielt er den Beinamen „Schlächter von Plaszow“. Mindestens 500 Menschen brachte er eigenhändig um. Nachdem er einen Menschen ermordet hatte, forderte er dessen Karteikarte an, um Verwandte ebenfalls töten zu lassen, da er keine „unzufriedenen Leute“ im Lager haben wolle. Sein Schreiber – der jüdische Häftling Mieczysław Pemper – berichtet davon, dass Göth nahezu täglich wahllos tötete.[6]

Andere Zeugen berichteten davon, dass Göths Mordlust schon an seiner Kleidung abgelesen werden konnte. Trug er ein einfaches Käppi, bestand diesbezüglich keine Gefahr, hatte er jedoch seine Offiziersmütze aufgesetzt, signalisierte dies unmittelbare Gefahr, trug er aber seinen Tirolerhut und dazu noch weiße Handschuhe oder einen weißen Schal, wusste jeder, der ihn kannte, dass er sich jetzt ein Opfer suchen würde.[7]

Göth führte das Lager mit harter Hand und bestrafte Vergehen mit drakonischer Härte. Die meisten Bestrafungen wurden öffentlich vollzogen. Auf den Schmuggel von Lebensmitteln standen beispielsweise einhundert Peitschenhiebe.[8]

Göth hatte eine Vorliebe für klassische Musik, die er nicht nur nahezu durchgehend in seiner Villa hörte, sondern gelegentlich auch dazu nutzte, Hinrichtungen musikalisch zu untermalen oder auch die Schreie verzweifelter Eltern zu übertönen, wenn deren Kinder in dem Lager auf LKW getrieben und zur Ermordung nach Auschwitz abtransportiert wurden.[9]

Er behandelte auch SS-Untergebene hart und brachte sie wegen kleinster Vergehen vor ein SS- und Polizeigericht. Zudem betrieb er Schwarzmarktgeschäfte. Dies führte dazu, dass er von SS-Untergebenen wegen Unterschlagung von Reichseigentum (nach NS-Recht fiel das konfiszierte Eigentum der jüdischen KZ-Gefangenen dem Deutschen Reich zu) angezeigt wurde. Hingegen wurde die Ermordung von KZ-Häftlingen durch die NS-Justiz nicht geahndet, sondern forciert (vgl. sogenannte Postenpflicht).

Zuständig für die Bearbeitung der Anzeige war der SS-Richter Konrad Morgen, dessen Vernehmungsprotokolle nach dem Krieg unter anderem vom Nürnberger Militärtribunal ausgewertet wurden. Göth wurde am 13. September 1944 in Wien von der Gestapo verhaftet, kam aber nach kurzer Untersuchungshaft wieder auf freien Fuß. Das Ende des Zweiten Weltkrieges verhinderte einen Prozess gegen ihn. Karl Koch, Kommandant von Buchenwald, war wegen ähnlicher Delikte zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Das Kriegsende erlebte Göth leicht verwundet in einem Lazarett in Bad Tölz.

Verhaftung, Prozess und Hinrichtung

Göth in alliierter Internierung, August 1945
Göths jüdischer Schreiber Mieczysław Pemper wurde von diesem als Entlastungszeuge benannt und erwies sich zu dessen Verwunderung dann als Hauptbelastungszeuge seiner Verbrechen.

Göth wurde 1945 in Bad Tölz verhaftet und anfänglich in München-Stadelheim inhaftiert. Später verlegte man ihn in das Internierungslager Dachau. In Briefen, die er aus Dachau an seine Geliebte Kalder senden durfte, beklagte er sich über die angeblich unzureichende Verpflegung. Den US-Streitkräften gegenüber hatte er sich unter falschem Namen als Kriegsheimkehrer ausgegeben. Diese identifizierten ihn aber trotz seiner einfachen Wehrmachtsuniform als SS-Angehörigen und lieferten ihn nach Feststellung seiner wahren Identität gemeinsam mit Rudolf Höß, dem ehemaligen Kommandanten des KZ Auschwitz, nach Polen aus.

Am 30. Juli 1946 kamen die beiden Massenmörder am Krakauer Hauptbahnhof an und wurden dort von einer aufgebrachten Menschenmenge empfangen. Deren Lynchabsicht galt aber nicht Rudolf Höß, sondern dem Schlächter von Płaszów, der von Sicherheitspersonal geschützt werden musste.[10]

Der Prozess fand vom 27. August bis zum 5. September 1946 vor dem Obersten Nationalen Tribunal in Krakau im größten Schwurgerichtssaal des polnischen Woiwodschaftsgerichtes statt. Gerichtsvorsitzender war Alfred Eimer, der bereits vor dem Krieg als Richter tätig gewesen war. Angeklagt wurde Göth unter anderem wegen der Verantwortung für die Ermordung von mehr als 8000 Menschen allein im Lager Płaszów, der Mitschuld am Tod weiterer 2000 Menschen bei der Liquidierung des Ghettos in Krakau-Podgórze am 13. und 14. März 1943 sowie Hunderten von Morden bei der Auflösung der Ghettos in Tarnów und Szebnie.

Göth wurde vom Gericht zum Tode durch Hängen verurteilt. Er verfasste ein handschriftliches Gnadengesuch, das aber abgelehnt wurde. In seinem Gnadengesuch beschrieb er sein Anliegen in der dritten Person und berief sich auf soldatischen Befehlsgehorsam und verwies auch auf die damalige deutsche Gesetzeslage, der er sich nicht habe entziehen können.[11]

Acht Tage nach der Urteilsfindung wurde der Verurteilte am 13. September 1946 seinen Henkern überstellt. Zu seiner Exekution sind in den Gefängnisunterlagen lediglich die Worte „er starb“ verzeichnet. Ein Video, in welchem man angeblich seine Hinrichtung sehen kann, zeigt laut der National-Geographic-Dokumentation „Europas blutige Geschichte“ stattdessen die Hinrichtung Ludwig Fischers. Die Historikerin Suzannah Lipscomb und der Journalist Joe Crowley kommen aufgrund fehlender Beweise sowie aufgrund von Gesichtserkennung und der am Hinrichtungstag Göths aufgezeichneten Wetterlage zu der Annahme, das Video zeige nicht Amon Göth.[12][13]

Familie

Göths Villa im KZ Plaszow (→Lage)

Im Februar 2002 veröffentlichte der Autor Matthias Kessler das Buch Ich muss doch meinen Vater lieben, oder? Es entstand durch ein zweitägiges Interview mit Monika Hertwig, der 1945 geborenen Tochter Göths. Hertwig bekam 1970 eine uneheliche Tochter, die sie zur Adoption freigab. Sie heiratete zweimal, aus einer dieser Ehen ging eine weitere Tochter hervor. Als diese einen Sohn bekam, gab sie ihm in Bezugnahme zu ihrem Großvater den Namen Amon.[14]

Jennifer Teege (* 1970), Tochter Monika Hertwigs und eines Nigerianers, wurde mit vier Wochen in ein Säuglingsheim gegeben und mit sieben Jahren adoptiert. Sie studierte später in Israel. Durch das Buch Ich muss doch meinen Vater lieben, oder? erfuhr sie als Erwachsene von ihrer Herkunft. Gemeinsam mit der Journalistin Nikola Sellmair recherchierte sie zur Geschichte ihrer Familie und veröffentlichte 2013 beim Rowohlt Verlag die Ergebnisse in Amon. Mein Großvater hätte mich erschossen.[15][16]

Literatur

Filme

  • In Steven Spielbergs Holocaust-Drama Schindlers Liste (1993), basierend auf einem Roman des Australiers Thomas Keneally nach historischen Zeugnissen, wurde Göth von Ralph Fiennes dargestellt.
  • Im Jahr 2006 erschien der Dokumentarfilm Der Mördervater (Originaltitel: Inheritance)[17] des Filmemachers James Moll. Der Film dokumentiert die Begegnung von Monika Hertwig, Amon Göths Tochter, mit Helen Jonas-Rosenzweig. Das Treffen fand auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Płaszów und in Göths dortigem Wohnhaus statt. Amon Göth hatte Rosenzweig als jüdisches Dienstmädchen verpflichtet. Nach Göths Verhaftung wurde Rosenzweig von Oskar Schindler gerettet. In dem Film wird unter anderem beschrieben, wie Hertwig mit der Vergangenheit ihres Vaters, dem sie äußerlich auffallend ähnelt, aufwuchs und lebt. Ihre Mutter Ruth Irene Kalder, so gab Hertwig an, äußerte sich nie kritisch über die Nazi-Vergangenheit. Ruth Irene Kalder litt zunehmend unter Depressionen und nahm sich 1983 das Leben.[18][19] Hertwig beteiligt sich aktiv an der Aufklärungsarbeit über die Gefahren des Nationalsozialismus.
  • Monika Hertwig ist eine Protagonistin des Dokumentarfilms Meine Familie, die Nazis und Ich[20] des israelischen Regisseurs Chanoch Ze'evi über die Nachfahren der NS-Täter.

Weblinks

Commons: Amon Göth – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Amon Göth, auf www.deathcamps.org, abgerufen am 16. Januar 2011.
  2. Jennifer Teege, Nikola Sellmair: Amon – Mein Großvater hätte mich erschossen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2013, ISBN 978-3-498-06493-8, S. 41–42.
  3. Artikel zu Amon Göth, Kapitel 2 und 3, auf mietek-pemper.de.
  4. Artikel zu Amon Göth, Kapitel 2, auf mietek-pemper.de.
  5. Jennifer Teege, Nikola Sellmair: Amon – Mein Großvater hätte mich erschossen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2013, ISBN 978-3-498-06493-8, S. 42 und S. 82–83.
  6. Jennifer Teege, Nikola Sellmair: Amon – Mein Großvater hätte mich erschossen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2013, ISBN 978-3-498-06493-8, S. 50.
  7. Johannes Sachslehner: Der Henker. Styria, Wien 2013, ISBN 978-3-222-13416-6 (eine Wiederauflage des Buchs Der Tod ist ein Meister aus Wien, Styria 2008, S. 86).
  8. Mietek Pemper: Der rettende Weg. Schindlers Liste – Die wahre Geschichte. Aufgezeichnet von Viktoria Hertling und Marie Elisabeth Müller. Hoffmann und Campe, Hamburg 2010, ISBN 978-3-455-50183-4, S. 74.
  9. Jennifer Teege, Nikola Sellmair: Amon – Mein Großvater hätte mich erschossen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2013, ISBN 978-3-498-06493-8, S. 52.
  10. Jennifer Teege, Nikola Sellmair: Amon – Mein Großvater hätte mich erschossen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2013, ISBN 978-3-498-06493-8, S. 72.
  11. Artikel zu Amon Göth, Kapitel 27, auf mietek-pemper.de.
  12. „Bloody Tales“ – Executions auf IMDb.
  13. Becky Evans: Did 'executed' Nazi criminal in Schindler’s List escape justice? Historians claim video of camp commander being hanged is NOT him. Daily Mail, 21. März 2013, archiviert vom Original am 24. Januar 2014; abgerufen am 1. Juli 2014 (englisch).
  14. Die Kommandantentochter, Merkur online, 22. August 2002.
  15. Julia Schaaf: Jennifer Teege – Ich bin mehr, FAZ, 14. September 2013, abgerufen am 18. September 2013.
  16. Jennifer Teege, grandaughter of a Nazi concentration camp commander, Deutsche Welle, 22. November 2013, abgerufen am 30. November 2013.
  17. Der Mördervater, arte, 28. August 2011.
  18. Monika Kaiser: Den charmanten Sadisten entlarven, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. März 2005, abgerufen am 15. Februar 2012.
  19. Livia Bitton Jackson: Monika Goeth. In the Shadow of the Evil, The Jewish Press, 8. Juli 2009, abgerufen am 15. Februar 2012 (englisch).
  20. Meine Familie, die Nazis und Ich (Memento vom 28. Juli 2012 im Internet Archive) (siehe Website Das Erste vom 13. Juni 2012).