Biafra-Krieg

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 7. Juli 2016 um 17:01 Uhr durch JamesP (Diskussion | Beiträge) (fixed typo). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Biafra-Krieg
Datum 6. Juli 1967 – 15. Januar 1970
Ort Nigeria
Ausgang Nigerianischer Sieg
Konfliktparteien

Nigeria Nigeria
Agypten 1972 Ägypten Unterstützt von:
Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich
Sowjetunion 1955 Sowjetunion
Syrien 1963 Syrien
Sudan 1956 Sudan
Tschad Tschad
Niger Niger

Biafra Biafra
Republik Benin (Teil Nigerias) Unterstützt von:
Frankreich Frankreich
Sudafrika 1961 Südafrika
Rhodesien Rhodesien
Sambia 1964 Sambia
Portugal Portugal
Tansania Tansania
Elfenbeinküste Elfenbeinküste
Gabun Gabun
Vatikanstadt Vatikanstadt[1]
Israel Israel[2]

Befehlshaber

Yakubu Gowon
Murtala Mohammed
Benjamin Adekunle
Olusegun Obasanjo
Gamal Abdel Nasser
Harold Wilson
Leonid Iljitsch Breschnew
Nureddin Mustafa al-Atassi
Ismail al-Azhari
François Tombalbaye
Hamani Diori

Chukwuemeka Odumegwu Ojukwu
Philip Effiong
Albert Okonkwo
Jean Zumbach

Verluste

200.000 Opfer

1.000.000 Opfer

Der Biafra-Krieg war ein nigerianischer Bürgerkrieg von 1967 bis 1970 mit dem Ziel einer Sezession des nigerianischen Gebietes Biafra mit der Hauptstadt Enugu im Süd-Osten des Staates von der Bundesrepublik Nigeria.

Ursachen

Karte Biafras

Nigeria ist ein Vielvölkerstaat mit zwei Hauptreligionen, dem Christentum im Süden Nigerias und dem Islam im Norden. Seit der Unabhängigkeit Nigerias von Großbritannien im Jahr 1960 rangen einige Völker Nigerias um die Vormachtstellung im Staat. Dabei fühlten sich vor allem die in der Biafra-Provinz beheimateten christlichen Igbo gegenüber den muslimischen Hausa und Fulani des Nordens benachteiligt.

Verschärft wurde der Konflikt dadurch, dass in der Nähe des Igbo-Siedlungsgebietes im Nigerdelta Erdöl entdeckt wurde, das bald zu einer wichtigen wirtschaftlichen Stütze Nigerias heranwuchs.

Am 15. Januar 1966 putschten Igbo-Offiziere um Major Chukwuma Kaduna Nzeogwu, um die Macht zu erringen. Dabei wurde der nigerianische Premierminister Abubakar Tafawa Balewa getötet. Von den Igbo-Offizieren übernahm General Johnson Aguiyi-Ironsi die Staatsgewalt. Teile der Bevölkerung Nigerias befürchteten, zukünftig von den Igbos unterdrückt zu werden.

Im Juli 1966 stellte ein Gegenputsch die Vorherrschaft des Nordens wieder her. Nach dem Putsch vom 15. Januar und dem Gegenputsch kam es zu einem Pogrom an den Igbo, bei dem mehrere Zehntausend Igbo starben.

Krieg und Folgen

Haupt-Sprachgruppen in Nigeria

Ende Mai 1967 verabschiedete die nigerianische Zentralregierung eine Gebietsreform, in deren Folge Nigeria in zwölf Bundesstaaten aufgeteilt wurde. Dabei legte man die administrativen Grenzen so, dass die Erdölgebiete außerhalb des Igbo-Zugriffes lagen. Der Militärgouverneur der Süd-Ostregion Chukwuemeka Odumegwu Ojukwu vom Volk der Igbo rief am 30. Mai 1967 die Unabhängigkeit der Region Biafra aus. Zuvor waren zehntausende innernigerianische Migranten (zehntausende Süd-Ost-Nigerianern, die im Nord-Westen des Landes lebten, darunter viele Igbo) ermordet oder zur Flucht in ihre Ursprungsregion Biafra genötigt worden.

Trotz erbitterten Widerstands zeigte sich im darauf folgenden Krieg bald die militärische Unterlegenheit Biafras. Vor allem die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien unterstützte die Zentralregierung; weitere Waffenlieferanten an Nigeria waren die USA, die Sowjetunion, Spanien, Polen, die Tschechoslowakei, Belgien und die Niederlande, wobei die drei zuletzt genannten Staaten im Laufe des Jahres 1968 ihre Lieferungen einstellten. Die der Republik Biafra zur Verfügung stehenden Waffen stammten etwa je zur Hälfte aus eigener Produktion und von der Volksrepublik China; weitere Lieferanten waren Portugal, Frankreich sowie die Schweiz (20-mm-Oerlikon-Kanone).[3] Diplomatisch anerkannt wurde Biafra jedoch von keinem dieser Staaten. Biafra heuerte zudem etliche Söldner an; die bekanntesten unter ihnen waren der Deutsche Rolf Steiner und die Piloten Carl Gustaf von Rosen und Jean Zumbach. Die Söldner bei den Landstreitkräften erfüllten die in sie gesetzten Erwartungen nicht. Anders als zuvor im Kongo zeigten sie sich den afrikanischen Truppen keineswegs überlegen.[4]

Vor allem Bombardierungen durch die nigerianische Luftwaffe mit von der Sowjetunion und Ägypten bezogenen Iljuschin Il-28, bei denen auch Napalm verwendet wurde, hatte das Biafra-Militär nichts entgegenzusetzen. Auch gegen die zum Teil von südafrikanischen und britischen Söldnern gesteuerten MiG-17 waren sie wehrlos; alle Hilfsflüge mussten bei Nacht erfolgen. Auch die Blockade des Hafens von Port Harcourt durch einen nigerianischen Zerstörer konnte Biafra wegen des Mangels an geeigneten Flugzeugen nicht verhindern. Die Luftstreitkräfte Biafras bestanden zu Beginn des Krieges hauptsächlich aus zwei alten Bombern der Typen B-25 und B-26, die rasch abstürzten beziehungsweise flugunfähig wurden. Der schwedische humanitäre Aktivist und Söldner Carl Gustaf von Rosen organisierte zunächst Hilfslieferungen und griff gegen Ende des Krieges in die Kampfhandlungen ein, indem er zwei Staffeln aus leichten Erdkampfflugzeugen vom Typ MFI-9B bildete, die unter dem Namen Biafra Babies waghalsige Kampfeinsätze gegen nigerianische Flugplätze, Truppen und Ölförderanlagen flogen.[5] Am 5. Juni 1969[6] schoss eine nigerianische MiG-17 eine vom Roten Kreuz gecharterte[7] Douglas DC-7 ab.[8] Vermittlungsversuche Dritter, wie etwa der Generalsekretäre des Commonwealth und der UNO, scheiterten an der harten Haltung des nigerianischen Militärdiktators Yakubu Gowon.

Kind im Biafra-Krieg, das infolge von Unterernährung an Kwashiorkor leidet

Am 18. Mai 1968 eroberten die nigerianischen Truppen die wichtige Hafenstadt Port Harcourt. Biafra verlor damit den Zugang zum Meer und die freie Versorgung von außen. Zirka zwei Drittel Biafras waren besetzt; das verbliebene Territorium konnte mit Nachschub im Wesentlichen nur noch auf dem Luftweg versorgt werden. Eine zunehmend wichtige Rolle kam dabei den im Jahr 1968 einsetzenden humanitären Hilfsflügen zu, die im Wesentlichen von den Inseln Sao Tomé und Fernando Póo aus während der Dunkelheit Biafra ansteuerten. Da dieses nach dem Verlust der wichtigsten Städte keinen Flughafen mehr besaß, wurde ein improvisiertes Rollfeld bei Uli-Ihiala im heutigen Bundesstaat Anambra zum Hauptumschlagplatz der Hilfsgüter und Waffenlieferungen. Als das IKRK im Juni 1969 nach dem Abschuss eines seiner Flugzeuge die Hilfsflüge einstellte, verschlechterte sich die Versorgungslage weiter.

Harald Steiner schrieb in einem Artikel in der Wiener Zeitung vom 28. Februar 1992 („Völkermord mit Beihilfe“), dass Nigeria dann durch die Verhängung einer Hungerblockade „zum Mittel des Völkermordes“ gegriffen habe, um Rest-Biafra zu bezwingen. Nach seinen Angaben seien dabei 2 Millionen Menschen, unter ihnen größtenteils Kinder, umgekommen; weitere 750.000 Menschen, die meisten von ihnen Igbo, sollen im Kampf oder durch Massaker der nigerianischen Truppen gestorben sein. Steiner meint dazu: „Genozid ist der dafür passendste Ausdruck“. Andere Autoren halten allerdings Opferzahlen in Millionenhöhe für unwahrscheinlich und gehen eher von einigen Hunderttausend Toten aus.[9] Zudem wird unterstellt, dass Biafra die Themen „Völkermord“ und „Hunger“ bewusst zu Propagandazwecken eingesetzt und vor allem über die Agentur Markpress Einfluss auf die öffentliche Meinung in Westeuropa genommen habe.[10]

Nachdem es vom Herbst 1968 an etwa ein Jahr lang nach einer militärischen Patt-Situation aussah, da die nigerianische Armee das verbliebene Igbo-Kerngebiet nicht endgültig unterwerfen konnte, während ihr die Sezessionisten durch Erfolge bei kleineren Gegenoffensiven und durch Guerilla-Aktivitäten hinter der Front immer wieder Nadelstiche versetzten, war das zunehmend geschwächte Biafra der im Dezember 1969 einsetzenden Schlussoffensive von Gowons Truppen nicht mehr gewachsen und musste am 15. Januar 1970 schließlich kapitulieren. Biafra wurde wieder dem nigerianischen Staat eingegliedert, während die Igbo auf Jahrzehnte keine bedeutenden Posten in Militär oder Verwaltung mehr erhielten.

Biafras Wirtschaft war zerstört und brauchte mehrere Jahre, um sich wieder zu normalisieren. Ojukwu, der Anführer der Republik Biafra, war wenige Tage vor Kriegsende in die Elfenbeinküste geflohen und kehrte erst 1982 im Zuge einer Generalamnestie zurück. Er kandidierte bei der Präsidentschaftswahl am 19. April 2003 und erhielt 3,29 Prozent der Stimmen.[11]

Am 28. Oktober 2005 wurde der Separatistenführer Ralph Uwazuruike verhaftet, der wieder öffentlich einen Staat Biafra gefordert hatte.

Die innenpolitischen Unruhen um das zur Biafra-Region zählende Nigerdelta bestehen fort. Weiterhin gibt es Vorwürfe, dass die Einnahmen an der Erdölförderung nur den Erdölkonzernen und korrupten zentralen Machthabern zugutekämen, während die ortsansässige Bevölkerung im Nigerdelta mit den Folgen der Umweltverschmutzung aus der Ölförderung allein gelassen bleibe und ihre lokale Infrastruktur nicht verbessert werde. Oftmals kommt es daher lokal zu Gewalttaten, angefangen vom illegalen Anzapfen der Ölleitungen und dadurch ausgelösten Bränden bis hin zu Entführungen von und Morden an Mitarbeitern der Erdöl-Firmen, um so die Emanzipation des Nigerdeltas zu erreichen.

Rezeption in Populärkultur und Literatur

Wole Soyinka (Literaturnobelpreisträger 1986) schrieb 1973 Season of anomy, einen Roman der im Chaos der Verhältnisse vor Ausbruch des Biafra-Kriegs situiert ist, deutsch: Zeit der Gesetzlosigkeit, Verlag Volk und Welt, Berlin 1977, Neuauflage Ullstein Verlag, Berlin 1986, ISBN 3-548-20811-8 und als Die Plage der tollwütigen Hunde Walter-Verlag, Olten 1979, ISBN 3-548-20811-8

Im Roman Die Hunde des Krieges verarbeitete Frederick Forsyth eigene Eindrücke aus dem Biafra-Krieg. Einige der Romanfiguren sind nach dort kämpfenden Söldnern gezeichnet. Andere wie Rolf Steiner, sind in die fiktive Handlung integriert.[12]

Chimamanda Ngozi Adichies Roman Die Hälfte der Sonne[13] schildert den Lebensweg von Zwillingsschwestern aus der besseren Gesellschaft von Lagos von der Euphorie der Unabhängigkeit bis zu ihrer Verelendung während des Krieges.[14]

Der Musiker Jello Biafra, ehemaliger Leadsänger der Dead Kennedys, will mit seinem Künstlernamen den für ihn bestehenden Zusammenhang zwischen konsumorientiertem Kapitalismus und der Gewalt in den Dritte-Welt-Ländern verdeutlichen.[15]

Sonstiges

Aus spontan gegründeten Hilfsgruppen für die in Biafra hungernde Bevölkerung ging die heute international tätige Menschenrechtsorganisation Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hervor.

Siehe auch

Literatur

  • Michael I. Draper: Shadows. Airlift and airwar in Biafra and Nigeria, 1967–1970. Hikoki Publications, Aldershot 1999, ISBN 1-902109-63-5.
  • Frederick Forsyth: Biafra Story, Bericht über eine afrikanische Tragödie. Verlag Piper, München 1976, ISBN 3-492-02244-8.
  • Rolf Hanisch: Bürgerkrieg in Afrika? Biafra und die inneren Konflikte eines Kontinents. Colloquium-Verlag, Berlin 1970 (Zur Politik und Zeitgeschichte, Bd. 41).
  • Axel Harneit-Sievers: Nigeria: der Sezessionskrieg um Biafra. Keine Sieger, keine Besiegten – eine afrikanische Erfolgsgeschichte?. In: Rolf Hofmeier / Volker Matthies (Hg.) Vergessene Kriege in Afrika, Lamuv, Göttingen 1992, ISBN 3-88977-286-2, S. 277–317.
  • Lasse Heerten: A wie Auschwitz, B wie Biafra. Der Bürgerkrieg in Nigeria (1967–1970) und die Universalisierung des Holocaust. In: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 8 (2011), S. 394–413.
  • Marion Pape: Frauen schreiben Krieg. Die literarische Verarbeitung des nigerianischen Bürgerkrieges. Diss. Humboldt-Universität, Berlin 2006. (Als pdf-Dokument)
  • Gustav Seeburg: Die Wahrheit über Nigeria/Biafra. Vorgeschichte und Hintergründe des Konfliktes. Verlag Paul Haupt, Bern 1969.
  • John J. Stremlau: The international politics of the Nigerian civil war, 1967–1970. Princeton University Press 1977, ISBN 0-691-07587-5.
  • Gernot Zieser: Die Propagandastrategie Biafras im nigerianischen Bürgerkrieg (1967–1970). In: Publizistik 16 (1971), S. 181–193.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Europa Publications: Africa South of the Sahara 1977-78. 7. Auflage. Europa Publications, London 1977, ISBN 978-0-905118-10-9, S. 651
  2. Nowa Omoigui. "Federal Nigerian Army Blunders of the Nigerian Civil War
  3. Jean Ziegler "Die Schweiz, das Gold und die Toten", C. Bertelmann Verlag, München, 1977, S. 150
  4. Anthony Mockler: The new mercenaries. Corgi Books, London 1986, ISBN 0-552-12558-X, S. 181 ff
  5. Biafra-Krieg: Der Graf und die Raketen-Babys. In: Spiegel Online. 12. Januar 2010, abgerufen am 16. Dezember 2014.
  6. John J. Stremlau (1977): The International Politics of the Nigerian Civil War, 1967-1970, S. 334 (online)
  7. Der Spiegel 27/1969: Viel genauer
  8. Michael I. Draper: Shadows. Airlift and Airwar in Biafra and Nigeria, 1967-1970, Hikoki Publications 1999, UK ISBN 1-902109-63-5, S. 174ff
  9. Vgl. Harneit-Sievers: Nigeria: der Sezessionskrieg um Biafra, S. 284f.
  10. Zeise: Die Propagandastrategie Biafras im nigerianischen Bürgerkrieg (1967–1970).
  11. http://africanelections.tripod.com/ng.html#2003_Presidential_Election
  12. Anthony Mockler: The new mercenaries. Corgi Books, London 1986, ISBN 0-552-12558-X, S. 192–199
  13. Chimamanda Ngozi Adichie: Die Hälfte der Sonne, Luchterhand, München 2007. ISBN 978-3-630-87247-6
  14. So starb Biafra. In: FAZ.net. 14. Dezember 2007, abgerufen am 16. Dezember 2014.
  15. dyingscene.com