Bodensee-Wasserversorgung

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Bodensee-Wasserversorgung

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Rechtsform Zweckverband
Gründung 25. Oktober 1954
Sitz Stuttgart, Deutschland
Leitung Michael Stäbler
Marcel Meggeneder
Mitarbeiterzahl 320
Umsatz 57,8 Mio. Euro (2011)[1]
Branche Wasserversorgung
Website www.zvbwv.de

Die Bodensee-Wasserversorgung (BWV) ist ein Zweckverband mit Sitz in Stuttgart, der am 25. Oktober 1954 von 13 Gemeinden zur Deckung des Wasserbedarfs in vielen Gemeinden der wasserarmen Schwäbischen Alb und im Großraum Stuttgart gegründet wurde. Heute versorgt sie als eine der größten deutschen Fernwasserversorgungen etwa vier Millionen Menschen in rund 320 Städten und Gemeinden mit Trinkwasser aus dem Bodensee.[2]

Versorgung

Luftbild der Aufbereitungsanlagen der Bodensee-Wasserversorgung auf dem Sipplinger Berg

Wasserentnahme

Dem Bodensee werden jährlich zwischen 125 und 130 Millionen Kubikmeter Wasser durch die Bodensee-Wasserversorgung entnommen. Das ist etwas mehr als ein Prozent des Gesamtdurchflusses und weniger als der Bodensee durch Verdunstung verliert. Die Wasserabgabe im Jahr 2011 lag bei 126,1 Millionen Kubikmeter. Die höchste Jahresabgabe wurde im Jahr 2003 mit 139,8 Millionen Kubikmetern erreicht. Am 8. August 2003 wurde mit 531.000 Kubikmetern die höchste Tagesabgabe gemessen. Die Bodensee-Wasserversorgung hat ein Entnahmerecht von 670.000 Kubikmetern Rohwasser pro Tag; das sind im Mittel 7.750 Liter in der Sekunde. Dies wurde bereits 1966 in einem internationalen Übereinkommen zwischen den Anrainerstaaten Österreich, der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland geregelt. Das von der Bodensee-Wasserversorgung gelieferte Trinkwasser hat einen Härtegrad von 1,6 Millimol Calciumcarbonat pro Liter (ehemals 9,0 Grad deutsche Härte), der pH-Wert liegt bei 7,9 und der Nitratgehalt bei 4,5 mg/l.

Der Bodensee wird zu zwei Dritteln mit Wasser aus den Alpen gespeist. Insgesamt sorgen die Zuflüsse für circa 11,5 Milliarden Kubikmeter frisches Wasser pro Jahr. Die jährliche Wasserentnahme der Bodensee-Wasserversorgung von etwa 125 Millionen Kubikmetern Wasser ist, verglichen mit dem Zufluss, also eine vernachlässigbare Menge. Das Wasser aus den Alpen fließt zum überwiegenden Teil aus mehr als 1.500 Meter Höhe in den See und ist in seiner Qualität praktisch nicht durch Besiedlung, Industrie und Landwirtschaft beeinträchtigt. Es reicht daher für die Verwendung zu Trinkwasser eine einfache, naturnahe Aufbereitung. Dank des ständigen Zuflusses aus den Alpen steht immer genügend Wasser zur Verfügung.

Durch das große Wasservolumen von fast 50 Kubikkilometern (50 Milliarden Kubikmeter = 50 Billionen Liter) ist das Wasser bei einem Unfall mit wassergefährdenden Stoffen gut geschützt, da Schadstoffe so stark verdünnt werden, dass sie die Trinkwasserversorgung nicht beeinträchtigen könnten. Die niedrigen Konzentrationen würden das Wasser nicht nennenswert belasten und blieben selbst im Rohwasser weit unterhalb der strengen Grenzwerte der Trinkwasserverordnung. Zudem würde die Aufbereitung verhindern, dass solche Stoffe ins Trinkwasser gelangen.

Die unteren Wasserschichten im Bodensee (bis 254 Meter tief) und auch im Überlinger See (bis 147 Meter tief) sind durch die natürliche Schichtung des Wassers vor Verunreinigungen geschützt. Auf dem vier bis fünf Grad Celsius kühlen Tiefenwasser schwimmt von März bis Dezember eine wärmere Schicht, die sich wegen ihrer geringeren Dichte kaum mit dem Tiefenwasser vermischt. Gelangen Schadstoffe in die obere Schicht, können sie deshalb nicht in die Tiefe absinken, aus der die Bodensee-Wasserversorgung ihr Wasser entnimmt. Das kühle Tiefenwasser bedeutet zudem einen Schutz vor bakterieller Verkeimung. Lediglich am Ende des Winters ist die Schichtung aufgehoben, und das Wasser wird umgewälzt. Dies ist für den See sehr wichtig, weil dabei der Tiefenbereich mit Sauerstoff versorgt wird.

Versorgung

Der Zweckverband hat 181 Mitglieder, davon 320 Städte und Gemeinden sowie 34 Wasserversorgungs-Zweckverbände.[2] Das Versorgungsgebiet erstreckt sich vom Bodenseegebiet im Süden bis nach Bad Mergentheim im Nordosten des Landes Baden-Württemberg. Es umfasst den Mittleren Neckarraum sowie Gebiete der Baar, der Schwäbischen Alb, des Schwarzwalds, des Strombergs, des Heilbronner Unterlandes und des Odenwalds bis nahe der hessischen und bayerischen Landesgrenze im Norden.

Technik

Streckenvortriebsmaschine Krupp-Tunnel-Fräser KTF 280 von 1967, heute im Deutschen Bergbau-Museum Bochum

Seit 1958 wird das Wasser dem Bodensee bei Sipplingen in 60 m Tiefe durch zwei (seit 1978 drei) Rohre entnommen, und im Seepumpwerk Süßenmühle auf den 310 m höher liegenden Sipplinger Berg gepumpt, dort aufbereitet (Mikrosiebe, Ozon- und Sandfilteranlagen) und dann durch zwei Haupt- und zahlreiche Neben- und Anschlussleitungen mit Innendurchmessern von bis zu 2,25 m zu den angeschlossenen Städten und Gemeinden geleitet.

Das Wasser fließt größtenteils im freien Gefälle bis in den Raum Heilbronn; zusätzlich sorgen 17 Pumpwerke für ausreichend Druck im Netz und befördern das Wasser zu höher gelegenen Gemeinden. Unterstützend können 20 Drucksteigerungsanlagen den in Spitzenzeiten höheren Wasserbedarf abdecken.

Die 1. Hauptleitung von 1958 führt das Wasser bis auf eine Höhe von 753 Meter bei Liptingen. Von dort fließt es bis in den Neckarraum und Ludwigsburg.

Die 2. Hauptleitung von 1971 durchquert die Schwäbischen Alb durch den rund 24 Kilometer langen unterirdischen „Albstollen“. Mit ihr werden Stuttgart und der nördliche Teil Baden-Württembergs versorgt.[3] Die damals für den Stollenvortrieb eingesetzte Maschine ist heute im Deutschen Bergbau-Museum Bochum ausgestellt. Der Bau der Pipeline (1968–1970) war seinerzeit eine herausragende technische Leistung - unter der Leitung von Prof. Dr. Ing. Fritz Schmidt.

Durch die Inbetriebnahme der Fernleitung West von Schönaich bis nach Sternenfels im Jahr 2003 konnten die letzten Engpässe beseitigt werden.

Das Rohrnetz hat eine Länge von etwa 1.700 km. In das Rohrnetz sind 29 Wasserbehälter mit zusammen 470.600 m³ Inhalt integriert. Der größte unter diesen ist der Hochbehälter im Stuttgarter Stadtteil Rohr (48° 43′ 4,4″ N, 9° 5′ 4,6″ O) mit einem Inhalt von 100.000 m³.

Wasserpreis

Die Bodensee-Wasserversorgung ist ein Zweckverband. Sie erzielt keinen Gewinn. Die Verbandsmitglieder, die gleichermaßen Eigentümer und Kunden der Bodensee-Wasserversorgung sind, gleichen die tatsächlich anfallenden Kosten über eine so genannte Umlage (Festkosten und Betriebskosten) aus. Die Kosten werden berechnet für die Lieferung bis zum Hochbehälter der Gemeinde. Sie bestehen aus Festkosten für die bestellte Wassermenge und aus Kosten für die tatsächlich bezogene Wassermenge.[4]

Die durchschnittliche Umlage im Jahr 2012 lag bei 49,1 Cent je 1000 Liter. In dieser Umlage sind auch 5,3 Cent Wasserentnahmeentgelt enthalten. Das Anlagevermögen der Bodensee-Wasserversorgung beträgt 709,3 Millionen Euro, der Jahresumsatz liegt bei 57,8 Millionen Euro (2011).

Notstromaggregat gegen Stromausfälle

Bei Stromausfall ist die Wasserversorgung durch ein Notstromaggregat mehrere Tage lang weiter möglich. Für den autarken Betrieb der Turbine werden 180.000 Liter Heizöl gelagert.[5]

Geschichte

Gebäude der BWV in Sentenhart
Gebäude der BWV in Ringgenbach

Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte in vielen Gemeinden Baden-Württembergs Wassernot. Besonders schlimm waren die Jahre 1947 und 1949, in denen es nur wenig regnete. Hinzu kam das in den 50er Jahren beginnende Wirtschaftswunder, das den Wasserbedarf sehr schnell anwachsen ließen. Bereits 1950 wurde eine Studienkommission für Wasserversorgung des Württembergisch-Badischen Städteverbands ins Leben gerufen. Im Februar 1953 schlug sie vor, den Bodensee zur Trinkwasserversorgung zu nutzen; im Juli 1953 wurde der Planungs-Zweckverband gegründet. Neben Stuttgart gehörten ihm noch zwölf weitere Städte und Gemeinden (Böblingen, Ebingen, Hechingen, Kornwestheim, Leonberg, Reutlingen, Rottweil, Schwenningen, Sindelfingen, Tailfingen, Tübingen und Villingen) an. Nachdem die Baukosten und deren Bezahlung durch die Städte und Gemeinden geklärt war, wurde am 25. Oktober 1954 der Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung gegründet.

Am 11. Februar 1956 begannen die Bauarbeiten für die Förder- und Aufbereitungsanlagen am Bodensee sowie die erste Hauptleitung vom Bodensee nach Bietigheim. Auf der damals größten Baustelle Europas waren insgesamt 3000 Arbeiter beschäftigt. Nach nur zwei Jahren und acht Monaten konnte der Betrieb am 16. Oktober 1958 aufgenommen werden. Damit begann eine rasante Entwicklung. Das Netz wurde ständig erweitert und ausgebaut, um den Wasserbedarf auch anderer Regionen zu decken.

Eine Besonderheit des Rohrnetzes ist die rund 24 Kilometer lange unterirdische Durchquerung der Schwäbischen Alb, der so genannte „Albstollen“.

1981 fusionierte die Bodensee-Wasserversorgung mit der Fernwasserversorgung Rheintal (FWR), die die Räume nördlich von Heilbronn sowie viele Städte und Gemeinden bei Mosbach, Buchen, Walldürn und Bad Mergentheim versorgte. Die Bodensee-Wasserversorgung gewann dadurch 54 Städte und Gemeinden sowie zehn Wasserversorgungsverbände neu hinzu. Insgesamt stieg die Zahl der Mitglieder auf 150.

Heute beliefert die Bodensee-Wasserversorgung über ihre 181 Mitglieder insgesamt 320 Städte und Gemeinden mit etwa vier Millionen Einwohnern mit Trinkwasser.[2]

Cross-Border-Leasing-Vertrag

Mit einem Cross-Border-Leasing-Vertrag hatte der Zweckverband 2002 seine gesamten Betriebsanlagen und die Infrastruktur für 841 Millionen US-Dollar an eine US-Treuhandgesellschaft verkauft und von dieser zugleich zurück gemietet. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von 30 Jahren. Das Geld wurde bei verschiedenen Finanzinstituten hinterlegt, mit der Verpflichtung, den Mietpreis der Bodensee-Wasserversorgung in mehreren Raten zurückzuzahlen. Eines der beteiligten Finanzinstitute, die AIG, musste im Herbst 2008 ausgewechselt werden, weil es eine im Vertrag festgehaltene Bonitätsschwelle unterschritten hatte. Ende März 2009 wurden die Vertragsbeziehungen vorzeitig beendet. Der Verlust aus dem Geschäft beläuft sich auf 4,7 Millionen Euro.[6]

Giftanschlag

Am 18. Oktober 2005 wurde in einem Brief an die Bodensee-Wasserversorgung mit einem Giftanschlag auf den Bodensee gedroht. Bei der Suche nach möglichen Schadstoffen wurden am 7. November zwei Fünf-Liter-Kanister gefunden, einer gefüllt mit Atrazin, der andere mit einem Gemisch anderer Pflanzenschutzmittel. Am 9. November konnten die Kanister unweit der Trinkwasser-Entnahmestelle in circa 75 Meter Tiefe und rund 300 Meter vom Ufer entfernt geborgen werden. Nach weiteren Suchaktionen am Seegrund wurden am 10. Dezember zwei weitere Behältnisse lokalisiert, die am 12. Dezember geborgen wurden. Es handelte sich dabei um einen weiteren Fünf-Liter-Kanister mit flüssigem Pflanzenschutzmittel und eine geöffnete Plastiktüte mit Granulat – laut Analyse des Landeskriminalamtes ebenfalls ein Pflanzenschutzmittel. Die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung wurden im Trinkwasser aber zu keinem Zeitpunkt überschritten, was entsprechende Kontrolluntersuchungen ergaben. Mitte Januar 2006 wurden die Suchaktionen am Seegrund ohne weitere Funde eingestellt. Da allein durch die Größe des Bodensees die Schadstoffe sehr stark verdünnt würden, bestand keine ernsthafte Gefahr für die Trinkwassergewinnung. Dennoch wurden die Sicherheitsmaßnahmen bei der Bodensee-Wasserversorgung durch eine noch bessere Überwachung der Trinkwasserfassung und der eigenen Anlagen erhöht.[7] Darüber hinaus wurde mit Wirkung zum 26. Januar 2012 über der Entnahmestelle eine dem Ufer ca. 100 m vorgelagerte Sperrzone von ca. 400×1800 m eingerichtet, innerhalb derer Befahren, Schwimmen und Tauchen verboten sind.[8]

Kooperationen

Der Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke Bodensee-Rhein (AWBR) und arbeitet in der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) mit.

Siehe auch

Literatur

  • Gemeinsam stark. In: Kristallklar. Das Magazin der Bodensee-Wasserversorgung, Juni 2009, S. 4 - 7.
  • Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung (Hrsg.): Trinkwasser für Baden-Württemberg. Prospekt vom September 2008.
  • Gerhard Naber: 30 Jahre Bodensee-Wasserversorgung, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, 107. Jg. 1989, S. 251–272 (Digitalisat)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zahlen und Fakten. Bodensee-Wasserversorgung, abgerufen am 14. Mai 2013.
  2. a b c Luisa Rische, Katy Cuko: Wasserversorgung. Laborboot nicht seetauglich. In: Südkurier vom 11. April 2015
  3. Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung (Hrsg.): Trinkwasser für Baden-Württemberg. Prospekt vom September 2008. Abschnitt Wasserverteilung
  4. Gemeinsam stark. In: Kristallklar. Das Magazin der Bodensee-Wasserversorgung, Juni 2009, S. 6.
  5. Stef Manzini: Monster-Turbine für Wasserversorgung. In: Südkurier vom 18. März 2015.
  6. BWV: Cross-Border-Leasing ist Geschichte. Meldung vom 9. April 2009 (PDF; 86 kB) Abgerufen am 8. November 2012
  7. Bei Bodensee-Giftanschlag keine Hinweise auf Täter. In: Salzburger Nachrichten vom 15. November 2005
  8. Neue Sperrzone um Wasserentnahmestelle am Bodensee. In: Schwäbische Zeitung vom 25. Januar 2012

Koordinaten: 47° 48′ 26″ N, 9° 6′ 12″ O