Boykott

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Ein Boykott ist ein organisiertes wirtschaftliches, soziales oder politisches Zwangs- oder Druckmittel, durch das eine Person, eine Personenvereinigung, ein Unternehmen oder ein Staat vom regelmäßigen Geschäftsverkehr ausgeschlossen wird. Streik und Embargo sind weitere Druckmittel, die zum Boykott weitgehend wesensgleich sind.

Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Boykott steht allgemein für eine Verrufserklärung oder Ächtung durch Ausdruck einer kollektiven Verweigerungshaltung. Der wirtschaftliche Boykott dient insbesondere der Ausschaltung von Konkurrenz; der soziale Boykott als Druckmittel von Interessensgruppen (etwa im Arbeitskampf). Der politische Boykott ist überwiegend ein staatliches Sanktionsmittel gegenüber anderen Staaten. Nach Gene Sharp bilden Boykotte eine Untergruppe innerhalb der 198 Aktionsformen der Gewaltfreien Aktion.[1]

Etymologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Wort Boykott geht auf Charles Cunningham Boycott zurück, einen in Irland lebenden englischen Grundstücksverwalter. Während des Land Wars nach 1870 rief der irische Nationalistenführer Charles Stewart Parnell seine Landsleute zum gewaltlosen Widerstand auf. Infolge der 1880 von Parnell und der Irischen Landliga organisierten Aktion fand Boycott keine Pächter mehr, er wurde „boykottiert“ und bedroht, seine Diener dazu gezwungen, ihn zu verlassen, seine Zäune eingerissen, seine Briefe abgefangen und seine Lieferungen behindert.[2] Dieser erste erfolgreiche Boykott gab allen anderen den Namen.[3]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einige Beispiele historischer Boykottaktionen in chronologischer Reihenfolge:

Boykottformen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei einem Handelsboykott verweigert eine oder mehrere Nationen den Handel mit einem geächteten Staat oder dessen Wirtschaftsorganen. Konsumentenboykotte sind auf eine langfristige Änderung des Kaufverhaltens seitens der Verbraucher ausgerichtet. Ein Wahlboykott ist die Weigerung einer Gruppe oder Partei, an einer Wahl teilzunehmen, sie ist eine Form informeller Missbilligung. Olympiaboykott bezeichnet die Entscheidung einzelner Länder oder Ländergruppen, nicht an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Das Divestment ist der Abzug von Kapital aus einem Unternehmen oder Staat und ist eine Form des Boykotts, die sich gegen die Finanzierung des Wirtschaftssubjektes richtet.[18]

Arbeitskampfrechtlich werden folgende Boykottformen unterschieden:

  • Entzug von Arbeitskräften durch Arbeitnehmer
  • Einstellungssperre durch Arbeitgeber
  • Absatzsperre
  • Kundensperre[19] Während die ersten beiden das Binnenverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern betreffen und sich mit den Arbeitskampfmitteln Streik und Aussperrung überschneiden, beziehen sich die letzten beiden auf das Außenverhältnis und ziehen Dritte mit ein. Die Einstellungsperre kann sich auf bestimmte Personengruppen wie Gewerkschaftsaktivisten richten, die auf sogenannten „Schwarzen Listen“ namentlich festgehalten werden.

Rechtliche Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellte in seinem Lüth-Urteil fest, dass der Aufruf zu einem Boykott eine zulässige Ausübung der Meinungsfreiheit ist.[20] Dies gilt jedoch im Kartell- und Lauterkeitsrecht nur beschränkt. In Deutschland untersagt es § 21 GWB „Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen“, andere „Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen in der Absicht, bestimmte Unternehmen unbillig zu beeinträchtigen, zu Liefersperren oder Bezugssperren auffordern“. Alle Akteure (Verrufer, Verrufener und Adressat) müssen hier jedoch Unternehmen sein. Im Lauterkeitsrecht ist der Boykottaufruf von § 4 Nr. 10 UWG erfasst. Ein solcher kann nämlich eine gezielte Behinderung darstellen, wobei im Rahmen einer Interessenabwägung die o. g. Maßstäbe des Lüth-Urteils zu berücksichtigen sind. Nach § 7 AWV sind Boykotterklärungen, also Erklärungen eines Gebietsansässigen im Außenwirtschaftsverkehr (nicht im inländischen Geschäftsverkehr) sich an einem Boykott gegen einen anderen Staat zu beteiligen, verboten. Im Außenhandel ist der Boykott eine Art der höheren Gewalt, weshalb die von einem Boykott betroffenen Exporteure und Importeure ihren Vertrag nicht mehr zu erfüllen brauchen.

Abgrenzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff Embargo (spanisch „Beschlagnahme“) wird ausschließlich für Staaten benutzt und auf staatlich angeordneten und durchgesetzten Ausschluss vom Geschäftsverkehr angewendet, der Begriff Boykott umfasst dagegen – über staatliche Anordnungen hinaus – freiwillige, privatwirtschaftliche Maßnahmen und betont diese.[21]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • David Feldman (Hrsg.): Boycotts Past and Present: From the American Revolution to the Campaign to Boycott Israel. Springer International Publishing, Cham 2019, ISBN 978-3-319-94871-3.
  • Gerhard Blinkert: Gewerkschaftliche Boykottmaßnahmen im System des Arbeitskampfrechts. Duncker & Humblot, Berlin 1981.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Boycotts – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Boykott – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gene Sharp: "198 Methods of Nonviolent Action", Arbeitsblatt der Albert Einstein Institution, Boston Digital Library of Nonviolant Resistance
  2. Marcel van der Linden, Workers of the World, 2017, S. 241 FN 4
  3. Christoph Tiemann, Tiemanns Wortgeflecht: Boykott auf wdr5.de, 9. September 2013; abgerufen am 28. Dezember 2016.
  4. Marcus Rediker: You’ll Never Be as Radical as This 18th-Century Quaker Dwarf, New York Times, 12. August 2017, abgerufen am 3. Januar 2018.
  5. Jewish Daily Bulletin: Boycott Against Ford Rapidly Spreading in Michigan and Missouri, Detroit, 29. März 1927, abgerufen am 3. Januar 2018.
  6. Neil Baldwin: Henry Ford and the Jews - the mass production of hate, PublicAffairs, New York 2002, S. 213–218
  7. 50 Jahre Aktion Roter Punkt auf hannover.de
  8. Dietmar Kesten: Der Rote Punkt in Gelsenkirchen 1971.
  9. Michael Schroeren: z. B. Kaiseraugst. Der gewaltfreie Widerstand gegen das Atomkraftwerk: Vom legalen Protest zum zivilen Ungehorsam, Verlag Schweizerischer Friedensrat, Zürich 1977, S. 60–63
  10. Theo Hengesbach, Michael Schweitzer (Hrsg.): Kein Atomkraftwerk mit unserem Geld! Stromgeldverweigerung als gewaltfreier Widerstand gegen Atomenergie. Dortmund 1977 asb.nadir.org
  11. Aktion Früchteboykott Südafrika auf museum.evang.at
  12. Förderprojekt "Atomausstieg selber machen" auf Bewegungsstiftung.de (Memento des Originals vom 12. April 2021 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bewegungsstiftung.de
  13. Archivseite der Kampagne Atomausstieg selber machen
  14. Spiegel.de, 26. Januar 2012: Iran will Europa den Ölhahn zudrehen.
  15. Banken radioaktiv verseucht. Verbraucherbroschüre vorgestellt auf neues-deutschland.de
  16. "Grünes Geld durch Bankenwechsel", in: Publik Forum 14/2011 publik-forum.de
  17. Maurin Jost: Biohändler listen AfD-Hirse aus: „Kein enkeltaugliches Wirtschaften“. In: taz.de. 7. Oktober 2019, abgerufen am 27. Oktober 2019.
  18. Brian Burch: Boycotts und Divestment. In: Gary L. Anderson und Kathryn G. Herr (Hrsg.): Encyclopedia of Activism and Social Justice. SAGE Publications, 2007.
  19. Gerhard Blinkert: Gewerkschaftliche Boykottmaßnahmen im System des Arbeitskampfrechts. Duncker & Humblot, Berlin 1981, S. 24 ff. Eine Sonderstellung nimmt der Boykott der westdeutschen Leichtathleten der Leichtathletik-Europameisterschaften 1969 in Athen ein, der nicht ein Boykott der Militärjunta darstellte, sondern eine Kampfmaßnahme von Amateur-Sportlern gegen die eigene Mannschaftsleitung analog zum gewerkschaftlichen Arbeitskampf, vgl. Arnd Krüger: A Cultural Revolution? The Boycott of the European Athletics Championships by the West German Team in Athens 1969, in: European Committee for Sports History (Hrsg.): Proceedings Fourth Annual Conference. Band 1. Florenz 1999, 162 – 166.
  20. BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958, Az.1 BvR 400/51 = BVerfGE 7, 198 - Lüth.
  21. Carsten Weerth: Stichwort: Embargo. In: Gabler Wirtschaftslexikon. Springer Gabler Verlag, abgerufen am 28. Dezember 2016.