Dünndarm

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 16. Oktober 2016 um 22:16 Uhr durch HRoestTypo (Diskussion | Beiträge) (Tippfehler entfernt: findt => findet). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Dünndarm mit seinen drei Anteilen: Zwölffingerdarm gelb, Leerdarm blau und Krummdarm violett.

Der Dünndarm (lat. Intestinum tenue) ist ein Teil des Verdauungstraktes und dient der Aufnahme von Nährstoffen aus der Nahrung. Zu diesem Zweck ist er mit zahlreichen Zotten (Erhebungen) und Krypten (Einsenkungen) ausgekleidet, so dass die Oberfläche stark vergrößert wird und letztendlich ein Vielfaches der Körperoberfläche erreicht. Mit einer Länge von drei bis fünf Metern ist der Dünndarm außerdem der längste Teil des Verdauungstrakts. Er reicht vom Pförtner des Magens bis zur Ileozäkalklappe am Übergang zum Dickdarm und wird in den Zwölffingerdarm, den Leerdarm und den Krummdarm gegliedert. Neben seiner Funktion zur Nährstoffaufnahme ist der Dünndarm auch der Hauptort der Wasserresorption des Menschen. Durchfallerkrankungen führen daher rasch zu Austrocknung.

Anatomie

Lage und Struktur

Darstellung des C-förmigen Zwölffingerdarms und seiner benachbarten Strukturen. Dargestellt sind unter anderem rechter und linker Leberlappen (10 und 11), Gallenblase (9), Magen (14), Bauchspeicheldrüse (15), rechte und linke Niere (21 und 22) und Papilla duodeni major (8).

Lage und Struktur des Dünndarms unterscheiden sich je nach seinen Abschnitten: Er beginnt als Zwölffingerdarm (lat. Duodenum) mit einem erweiterten Abschnitt (Ampulla duodeni oder auch Bulbus doudeni) am Magenpförtner. Dieser ist ein Schließmuskel, der Musculus sphincter pylori, der die Aufgabe hat, den Speisefluss in den Zwölffingerdarm zu kontrollieren. Ist der Muskel in angespanntem Zustand, ist die Öffnung zwischen Magen und Zwölffingerdarm, das Ostium pyloricum geschlossen und es kann kein Mageninhalt in den Zwölffingerdarm gelangen. Erst durch kurzzeites Entspannen und damit Öffnen des Ostium pyloricum kann Mageninhalt (Chymus) übertreten.[1]

Der Zwölffingerdarm ist in etwa C-förmig und zwölf Fingerbreiten lang (daher der Name), was etwa 25 bis 30 cm entspricht. Der Chymus gelangt daher zuerst in einen oberen horizontalen Teil (Pars superior) in Höhe des ersten Lendenwirbelkörpers. Dieser Teil wird vom rechten Lappen der Leber überlagert, mit der er über ein Ligamentum hepatoduodenale verbunden ist. Außerdem berührt die Pars superior den Lobus quadratus der Leber und die Gallenblase.[2]

Folgt man dem Chymus nun weiter im Zwölffingerdarm, kommt man in seinen absteigenden Anteil (Pars descendes), der bis zum dritten Lendenwirbelkörper hinabreicht. Dort münden beide Gänge der Bauchspeicheldrüse (Ductus pancreaticus und Ductus pancreaticus accessorius) und der Gallengang in den Zwölffingerdarm. Durch diese Gänge gelangen Gallenflüssigkeit und die Verdauungsenzyme der Bauchspeicheldrüse in den Darm, die nötig sind um die Nahrung zu verdauen und aufzunehmen. Bei ihrer Mündung in den Darm werfen die Gänge Papillen auf, die Papilla duodeni minor und die Papilla duodeni major. Neben der besonderen Nähe zur Bauchspeicheldrüse, tritt die Pars descendes in topographische Beziehung zur Niere und Nebenniere.[2]

Dem Zwölffingerdarm weiter folgend, kommt man zu dessen zweiten horizontal verlaufenden Teil (Pars horizontalis) und einem letzten aufsteigenden Anteil (Pars ascendens). An einer Krümmung (der Flexura duodenojejunalis) tritt er schließlich in den Leerdarm (Jejunum) über. Dies markiert gleichzeitig das Ende des oberen Magen-Darm-Trakts. Hier bilden sich außderm zwei Bauchfellnischen (Recessus duodenalis superior und inferior) in denen Teile des Dünndarms eingeklemmt werden können. Bei dieser, als Treitz-Hernie bezeichneten, Einklemmung kommt es zu einem lebensgefährlichen Darmverschluss.[3]

Zeichnung der Bauchhöhle. Dargestellt ist der Dickdarm und die zur rechten Körperseite verlagerten Dünndarmschlingen mit denen ihnen anhaftenden Mesenterien.

Mit dem Jejunum beginnt der untere Magen-Darm-Trakt. Es geht ohne scharfe Grenze in den Krummdarm (Ileum) über. Beide liegen in Schlingen zwischen den Abschnitten des Dickdarms – Jejunum und Ileum werden sozusagen vom Dickdarm umrahmt. Zusammen machen sie mit 3 bis 5 Meter den größten Abschnitt des Dünndarms aus, wobei ca. 2/5 der Länge auf das Jejunum und 3/5 auf das Ileum entfallen. Ihre Länge schwankt, wie auch die Länge des gesamten Darms, von Mensch zu Mensch und hängt auch von der Spannung der Darmmuskulatur ab.[4] In der Chirurgie rechnet man meist nur diese beiden Abschnitte zum Dünndarm. Das Ileum mündet schließlich End-zu-Seit mit dem Ostium ileale, auch genannt Bauhin-Klappe, in den Dickdarm.[5][6]

Für die Lagebeziehungen des Dünndarms sind neben der Nachbarschaft zu anderen Organen vor allem die Peritonealverhältnisse entscheidend. So liegt der Zwölffingerdarm bis auf einen kleinen Abschnitt am Anfang sekundär retroperitoneal. Retroperitoneal heißt der Zwölffingerdarm ist nicht von Bauchfell (Peritoneum) umgeben; sekundär meint, dass dieser Zustand nicht von Anfang an so war, sondern das es im Laufe der Entwicklung dazu kam. Jejunum und Ileum sind dagegen auf ganzer Länge intraperitoneal, also von Bauchfell umgeben. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Mesenterien zu: Dies sind Verdopplungen von Bauchfell, die von der hinteren Bauchwand zu den jeweiligen Organabschnitten ziehen. Im Bereich des Dünndarms entspringen die Mesenterien in Höhe der Lendenwirbelkörper drei bis fünf. Damit sind sie darmseitig deutlich länger als an ihrem Ursprung, weswegen die einzelnen Dünndarmschlingen gegeneinander verschieblich sind. In den Mesenterien befinden sich zudem die Leitungsbahnen (Blut-, Nerven- und Lymphgefäße) für Jejunum und Ileum.[3]

Feinbau

Histologischer Schnitt durch Dünndarmschleimhaut in HE-Färbung. Angeschnitten sind vor allem die Zotten des Dünndarms.

Der Dünndarm weist grundsätzlich den typischen Wandbau des Magen-Darm-Trakts auf. Die innerste Schicht ist Schleimhaut (Mukosa) mit drei Unterabteilungen: Eine Schicht aus einschichtigem Zylinderepithel (Lamina epithelialis) stellt die innerste Barriere dar und liegt einer Schicht aus zellreichem Bindegewebe (Lamina propia) auf. Diese Schicht beherbergt zahlreiche Blutgefäße, Nerven, Lymphgefäße und Immunzellen. Die letzte Unterschicht der Schleimhaut setzt sich aus glatten Muskelzellen zusammen (Lamina muscularis mucosae), die der Schleimhaut Beweglichkeit verleihen. Der Schleimhaut schließt sich schließlich eine Schicht aus lockerem Bindegewebe (Tela submocosa) an, in dem sich die größeren Blut- und Lymphgefäße für die Schleimhaut und ein Nervengeflecht (Plexus submucosus) befinden. Außerdem ermöglicht sie der Schleimhaut Verschieblichkeit gegenüber der nachfolgenden Muskelschicht (Tunica muscularis). Diese besteht aus glatten Muskelzellen, die als innere Ringmuskel- (Stratum cingulare) und als äußere Längsmuskelschicht (Stratum longitudinale) angeordnet sind. Diese Anordnung ermöglicht es den Organen des Magen-Darm-Trakts Pendel- und Segmentierungsbewegungen zur Durchmischung des Nahrungsbreis, sowie peristaltische Bewegungen zum Weitertransport durchzuführen. Zwischen der Ring- und der Längsmuskelschicht befindet sich der Plexus myentericus (auch Auerbach-Plexus genannt), der ebenso wie der Plexus submucosus zum enterischen Nervensystem zählt. Die äußerste Schicht des Dünndarms ist das Bauchfell, das hier Serosa genannt wird. An den Abschnitten des Zwölffingerdarms, wo ein Überzug mit Bauchfell fehlt, gibt es stattdessen eine Schicht aus lockerem Bindewegebe, die Tunica adventitia.[7]

Über diesen allgemeinen Aufbau des Magen-Darm-Trakts weist der Dünndarm einige wichtige Besonderheiten auf: Halbkreisförmige Falten, die Kerckring-Falten, oder Plicae circulares, sind quer zum Verlauf des Dünndarms angeordnet und springen in sein Inneres (Lumen) vor. Diese Falten werden von der Schleimhaut und der darunter liegenden Schicht, der Tunica submucosa gebildet.[8]

Von größerer Bedeutung ist das System aus Zotten und Krypten. Zotten sind fingerförmige Erhebungen der Dünndarmschleimhaut, die vor allem der Aufnahme von Bestandteilen der Nahrung dienen. Dazu besteht das Epithel der Zotten hauptsächlich aus Enterozyten – spezialisierte Zellen, die auf der zum Lumen gerichteten Seite zahlreiche Mikrovilli und spezielle Transporter tragen. Die Mikrovilli vergrößern die Darmoberfläche extrem zur besseren Resorption; die Transporter transportieren direkt Nahrungsbestandteile in die Zelle. Zum Abtransport der aufgenommen Stoffe (außer Fette) durchziehen die Zotte in Längsrichtung (also nach innen, zum Lumen hin) mehrere Arteriolen. An der Spitze gehen sie in ein flächiges System aus Kapillaren unter dem Epithel über. Durch dieses Kapillarsystem können die Stoffe abtransportiert werden. Dazu gelangen sie zunächst in die Kapillaren, die dann in eine zentrale Venole gelangen. Die Venole leitet das Blut und die Stoffe aus der Nahrung weiter in Gefäßsysteme unter der Schleimhaut und weiter über die Venen des Dünndarms zur Pfortader (siehe auch Abschnitt Blutversorgung und Lymphabfluss). Die Fette aus der Nahrung werden hingegen über die Lymphe abtransportiert, so dass in den Zotten auch eine oder mehrere Lymphekapillaren verlaufen. Diese transportieren die Lymphe zu größeren Lymphgefäßen an der Darmwand.[9]

Krypten sind im Gegensatz zu Zotten Einsekungen des Epithels in der Schleimhaut. An der Basis dieser Krypten sitzen multipotente Stammzellen, die sich fortlaufend teilen. Ihre Abkömmlinge steigen an der Kryptenwand bis zur Spitze der Zotten empor, differenzieren sich während ihrer Wanderung und nehmen ihre spezifischen Aufgaben wahr. An der Zottenspitze schließlich sterben die Zellen entweder durch Zelltod oder werden abgestoßen. So werden die Epithelzellen der Zotten etwa alle fünf Tage komplett ausgetauscht, wobei die Zellerneuerung von den Krypten her beginnt. Außerdem beinhalten die Krypten Paneth-Zellen. Diese Zellen sind für die Immunabwehr verantwortlich, wofür sie antibakterielle Eiweiße ausscheiden.[10] Die Zotten und Krypten vergrößern die Oberfläche des Dünndarms auf das etwa 7 bis 14-fache (ca. 4m²). Rechnet man den Bürstensaum (Gesamtheit der Mikrovilli) hinzu, kommt man auf eine Darmoberfläche von ca. 60m², die damit wesentlich größer ist als die Körperoberfläche.[11]

Eine weitere Besonderheit des Dünndarms, die aber nur im Zwölffingerdarm zu finden ist, sind die Brunner-Drüsen (Glandulae duodenales). Diese Drüsen liegen in großen Paketen (die im Verlauf des Dünndarms immer kleiner werden) in der Submukosa unter der Schleimhaut. Sie sind am Aufbau der Schleimschicht beteiligt, die das Epithel gegen den sauren Mageninhalt schützt und scheiden Hydrogencarbonat aus, das der Neutralisation des Mageninhalts dient.[12]

Blutversorgung und Lymphabfluss

Arterielle Versorgung des Zwölffingerdarms

Im Verlauf des Magen-Darm-Trakts ändert sich die Versorgung der einzelnen Organe. Dem Zwölffingerdarm als Übergangsstruktur zwischen oberem und unterm Magen-Darm-Trakt kommt daher eine besondere Rolle zu: Äste aus dem Bauchhöhlenstamm (Truncus coeliacus) der Aorta gehen mit Ästen aus der oberen Eingeweidearterie (Arteria mesenterica superior) eine Verbindung (Anastomose) ein. Der Truncus coeliacus entsendet eine gemeinsame Leberarterie (Arteria hepatica communis), der eine Arterie für Magen und Zwölffingerdarm entspringt (Arteria gastroduodenalis). Aus der Arteria gastroduodenalis wiederum gehen die obere Bauchspeicheldrüsen-Zwölffingerdarm-Arterie (Arteria pancreaticoduodenalis superior) und die hintere Bauchspeicheldrüsen-Zwölffingerdarm-Arterie (Arteria pancreaticoduodenalis posterior) ab, die mit direkten Ästen (Rami duodenales) den oberen und den absteigenden Teil des Zwölffingerdarms versorgen. Die obere Bauchspeicheldrüsen-Zwölffingerdarm-Arterie verbindet sich (anastomosiert) mit der unteren Bauchspeicheldrüsen-Zwölffingerdarm-Arterie, die aus der oberen Eingeweide-Arterie (Arteria mesenterica superior) stammt, und die ihrerseits mit Ästen die weiteren Abschnitte des Zwölffingerdarms vorsorgt. Die Venen verlaufen wie die Arterien und sind wie diese benannt, das heißt es gibt auch hier eine untere und eine obere Bauchspeicheldrüsen-Zwölffingerdarm-Vene, die miteinander anastomosieren. Sie münden entweder direkt in die Pfortader (Vena portis hepatis) oder über die obere Eingeweidevene (Vena mesenterica superior). Varianten sind jedoch häufig.[13][14]

Arterielle Versorgung von Jejunum und Ileum. Zur besseren Darstellung der Gefäßarkaden wurden beide herausgeklappt.

Leer- und Krummdarm werden dagegen nur durch Äste der oberen Eineweide-Arterie (Arteria mesenterica superior) versorgt. Leerdarm- und Krummdarm-Arterien (Arteriae jejunales und Arteriae ileales) gehen aus ihr ab und bilden drei übereinander liegende Gefäßarkaden (bogenförmig verlaufende Gefäßabschnitte) aus. Von den Arkaden gehen schließlich die Endarterien, die Arteriae rectae ab, die mit geradem Verlauf zur Darmwand ziehen. Die Venen sind gleich wie die Arterien angeordnet und münden alle in die obere Eingeweidevene (Vena mesenterica superior), die in die Pfortader der Leber mündet.[15]

Die Lymphe des Dünndarms hat die besondere Aufgabe Fette (Lipide), die von den Darmzotten aufgenommen wurden, abzutransportieren. Der Lymphablfluss von Zwölffingerdarm und Jejunum und Ileum ist dabei unterschiedlich. Die Lymphe des Zwölffingerdarms gelangt zunächst in die oberen und unteren Bauchspeicheldrüsen-Zwölffingerdarms-Lymphknoten (Nodi lymphoidei pancreaticoduodenales superiores und inferiores) und von dort weiter in Lymphknoten rund um den Bauchhöhlenstamm, die Nodi lymphoidei coeliaci. Anschließend fließt sie weiter ab in den Darmstamm (Truncus intestinalis), in die Lendenzisterne (Cisterna chyli) und schließlich in den Milchbrustgang (Ductus thoracicus), der schlussendlich im linken Venenwinkel endet.[13] Die zahlreichen Lymphkapillare aus den Zotten von Jejunum und Ileum (siehe Abschnitt Feinbau) vereinigen sich zu größeren Lymphkapillaren. Diese ziehen mit den Blutgefäßen in den Gefäßarkaden und gelangen zu 100 bis 200 Lymphknoten, den Nodi lymphiodei juxtaintestinales. Von dort fließt die Lymphe in die oberen Eingeweide-Lymphkonten (Nodi mesenterici superiores), weiter in den Darmstamm und dann weiter wie die Lymphe des Zwölffingerdarms bis zum linken Venenwinkel.[16] Von dort aus gelangt sie über die rechte Herzhälfte zuerst in die Lunge, was sich dort zur Synthese der Surfactants als sinnvoll erweist.

Innervation

Der gesamte Dünndarm wird parasympathisch vom hinteren Stamm des Vagusnervs (Truncus vagalis posterior) innerviert. Sympathische Nervenfasern für den Zwölffingerdarm stammen aus dem großen Eingeweidenerv (Nervus splanchnicus major) aus den Rückenmarkssegmenten Th5 bis Th9 und laufen zur Aorta, wo sie zusammen mit anderen Nervenfasern ein Nervengeflecht, den Plexus aorticus abdominalis bilden. In dieses Nervengeflecht eingelagert liegt das Ganglion coeliacum, wo die Nervenfasern für das Duodenum umgeschaltet werden und von dort weiter zum Zwölffingerdarm ziehen. Leer- und Krummdarm werden durch sympathische Fasern versorgt, die als kleiner Eingeweidenerv (Nervus splanchnicus minor) aus den Rückenmarkssegmenten Th10 und 11 laufen, ebenfalls zum Plexus aorticus abdominalis ziehen und dort im Ganglion mesentericum superius umgeschalftet werden. Von dort erreichen sie ihre Erfolgsorgane, Jejunum und Ileum.[17]

Entwicklung und Entwicklungsstörungen

Die einzelnen Anteile des Dünndarms entwickeln sich im Embryo aus unterschiedlichen Teilen des primitiven Darmrohrs: Der obere horizontale Teil des Zwölffingerdarms, die Pars superior entwickelt sich noch aus dem Vorderdarm, während alle übrigen Teile des Zwölffingerdarm wie auch Jejunum und Ileum aus dem Mitteldarm stammen. Anfangs verfügen noch alle Teile des Darms über einen Überzug mit Bauchfell, also über ein Mesenterium, das von der Rückwand der Bauchhöhle an die jeweiligen Organe herantritt. Zusätzlich verfügt die Pars superior des Zwölffingerdarms, wie der Magen auch, noch über ein weiteres Mesenterium, das von der Vorderseite der Bauchhöhle kommt. Die Pars superior des Zwölffingerdarms wird also von einem vorderen und einem hinteren Mesenterium, die übrigen Abschnitte des Darms nur von einem hinteren Mesenterium bedeckt. Die Mesenterien der jeweiligen Organe in der Entwicklung heißen wie folgt:[18]

vorderes (ventrales) Mesenterium Organ(abschnitt) hinteres (dorsales) Mesenterium
Mesogastricum ventrale Magen Mesogastricum dorsale
Mesoduodenum ventrale Zwölffingderdarm, Pars superior Mesoduodenum dorsale
Zwölffingderdarm, Pars descendes, horizontalis und ascendes
Jejunum und Ileum Mesenterium
Bildddarm Mesocaecum

Außerdem entwickeln sich aus dem Epithel des Zwölffingerdarms verschiedene Organe in die Mesenterien hinein: Leber und Gallenwege entwickeln sich in das Mesogastricum ventrale und Mesoduodenum ventrale, vordere Bauchspeicheldrüsenanlage ins Mesoduodenum ventrale und hintere Bauchspeicheldrüsenanlage ins Mesoduodenum dorsale.[19]

Für die weitere Entwicklung des Zwölffingerdarms ist die Drehung des Magens von entscheidender Bedeutung, die etwa ab der fünften Entwicklungswoche stattfindet. Dabei dreht sich der Magen von oben betrachtet im Uhrzeigersinn um etwa 90° und kippt schließlich um eine sagittale Achse (Achse von vorn nach hinten). Dadurch gelangt der Zwölffingdarm erst nach rechts und dann etwas nach oben und entwickelt bis zum Abschluss der Magendrehung seine typische C-Form. Der Zwölffingerdarm dreht sich außerdem nach hinten zur Bauchwand und sein Überzug mit Bauchfell (Peritoneum viscerale) verschmilzt mit dem Bauchfell der hinteren Bauchhöhle (Peritoneum parietale), so dass er letztendlich (bis auf einen kleinen Teil der Pars superior) nicht mehr von Bauchfell überzogen ist, er wird sekundär retroperitonealisiert.[20]

Gleichzeitig mit der Drehung des Magens im Bereich des Vorderdarms findet im Bereich des Mittel- und Hinterdarms eine andere Drehung statt: Die der Nabelschleife. Dabei dreht sich das gesamte, schleifenförmige Darmrohr zwischen der sechsten und elften Entwicklungswoche in diesem Bereich um eine Achse, die von der oberen Eingeweidearterie (Arteria mesenterica superior) und dem Dottergang (Ductus omphaloentericus) gebildet wird. Von vorne betrachtet dreht sich das Darmrohr um insgesamt 270° gegen den Uhrzeigersinn. Damit gelangt der ehemals obere Teil der Nabelschleife, der mundzugewandte (orale) Teil, nach unten, und der ehemals untere Teil, mundabgewandte (aborale) Teil nach oben. Da sich aus mundzugewandtem Teil Jejunum und Ileum bilden, und aus dem mundabgewandten Teil der Blind- und Dickdarm entsteht, führt dies zur typischen Lage von Jejunum und Ileum zum Dickdarm (der Dickdarm bildet einen Rahmen um Ileum und Jejunum). Das Darmrohr wächst während dieser Drehung stark in die Länge und zwar der mundwärtige Teil der Nabelschleife deutlich stärker als der mundabgewandte. Wegen des unterschiedlichen Längenwachstums des mundwärtigen und mundabgewandten Teils der Nabenschleife ist der Dünndarm wesentlich länger als der Dickdarm. Daraus resultiert ein Platzmangel, so dass sich Jejunum und Ileum in zahlreiche Schlingen zwischen dem Rahmen des Dickdarms legen muss. Der erste Abschnitt der Nabeldrehung (die ersten 90°) findet im Dottersack, also außerhalb des Embryos, statt (physiologischer Nabelbruch). Diese ausgelagerten Darmschlingen werden erst in der zehnten Entwicklungswoche in den Embryo zurückverlagert.[21] Findet diese Rückverlagerung nicht statt, kommt es zur Omphalozele.[22][23]

Eine weitere Entwicklungsstörung ist eine Malrotation, bei der die Drehung der Nabelschleife nicht oder unvollständig abläuft mit der Folge, dass Darmteile in völlig untypischer Lage zum Liegen kommen können. Eine Malrotation kann völlig unbemerkt bleiben, sie kann aber auch zu einem Volvulus oder anderen Formen der Strangulation von Darmabschnitten (Duodenalstenose, Arteria-mesenterica-superior-Syndrom) führen. Daneben kann das Dünndarmlumen nicht durchgängig sein (Dünndarmatresie), wenn es zum Beispiel durch eine Membran verschlossen oder nicht auf ganzer Länge ausgebildet ist. Zudem kann der Dottergang nicht richtig veröden und ein Meckel-Divertikel bilden.[22][23]

Funktion

Vatersche Papille im Duodenum. Darstellung aus dem Dünndarm heraus, endoskopischer Blick

Insbesondere der Zwölffingerdarm dient der Neutralisierung des durch den Magen angesäuerten Chymus (Speisebrei; pH-Wert im Zwölffingerdarm: 5 bis 8,3).

Der gesamte Dünndarm ist der Hauptort der Verdauung und der Aufnahme der Nahrungsbestandteile (Kohlenhydrate, Eiweiße, Fette, Vitamine, Salze und Wasser), für das Ileum kommt noch die Aufgabe der Immunabwehr (durch die Peyer-Plaques) hinzu.

Am Anfang des Dünndarms wird die Nahrung enzymatisch verdaut. Die Verdauung wurde durch Verdauungsenzyme im Mund – z. B. Amylase – und Magen – die Pepsine – bereits begonnen. Durch die Sekrete der Bauchspeicheldrüse werden die Kohlenhydrate, Proteine und Fette in ihre Bestandteile aufgespalten, Proteine jedoch bevorzugt nicht in einzelne Aminosäuren, sondern in Di- und Tripeptide (Moleküle aus zwei oder drei Aminosäuren). Im Dünndarm wirkt die Maltase-Glucoamylase, die die Spaltung von α-1,4-Glucoseketten bewirkt.

Die Pankreasenzyme gelangen durch den Ductus pancreaticus – meist nach der Vereinigung mit dem zentralen Gallengang, dem Ductus choledochus – über die Papilla duodeni major (auch: Vatersche Papille, siehe Bild) in das Duodenum. Die Galle dient der Emulgierung der Fette. Zusätzlich wird der Galle das Bilirubin (ein Abbauprodukt des Häms) beigemischt und damit ausgeschieden. Die Gallensäure hingegen wird zu rund 95 % resorbiert und wieder der Leber zur Verfügung gestellt.

Die Nahrungsbestandteile werden von der Darmwand resorbiert und – mit der erwähnten Ausnahme der Lipide – in der Leber weiterverarbeitet (gespeichert, umgewandelt etc.).

Im terminalen (Endabschnitt) Ileum wird mithilfe des aus dem Magen stammenden intrinsischen Faktors Vitamin B12 (Cobalamin) resorbiert und weiter verdaut.

Wasser und Elektrolyte

Histologisches Präparat der Dünndarmmukosa; dargestellt sind die intestinalen Villi mit den Lieberkühnschen Krypten.

Täglich werden im Dünndarm zirka neun Liter Flüssigkeit resorbiert, wobei davon rund 1,5 Liter aus der Nahrung bzw. der getrunkenen Flüssigkeit stammen oder stammen sollten. Der Rest gelangt mit den Sekreten aus Verdauungsdrüsen und Drüsenzellen in den Verdauungstrakt. Dabei liefern die Speicheldrüsen einen Anteil von zirka 1 Liter, der Magen mit seinen Sekreten ca. 1,5 Liter, der Dünndarm selbst zirka 3 Liter und die Gallenblase etwa 0,6 Liter.

Die Aufnahme von Wasser erfolgt entlang eines osmotischen Druckgradienten, was vom Dünndarm verlangt, diesen Druckgradienten aufrechterhalten zu können. Dabei stellen zwei Mechanismen diese Funktion sicher:

  • Die Fähigkeit zur Aufnahme von Natriumchlorid: Im Jejunum ist diese an die Aufnahme von Glukose und Aminosäuren gekoppelt, ein Mechanismus, der als Symport bezeichnet wird. Im Ileum ist ein Na+/H+-Austauschcarrier dafür verantwortlich.
  • Die Sekretion von Cl und HCO3: Diese stellt den zweiten Mechanismus zur Aufrechterhaltung des Ungleichgewichts der Konzentration von Elektrolyten zwischen Darmzellen und Darmlumen dar.

Es findet sich auch ein dritter Transportmechanismus im Dünndarm. Durch die basale (dem Darminneren nicht zugewandte) Na-K-ATPase wird ein Natriumgradient geschaffen: Natrium strömt nun im Austausch gegen H+ von der luminalen (dem Darminneren zugewandten) Seite in die Dünndarmzelle. Der Protonengradient, der daraufhin entsteht, wird für die Rückresorption (Cotransport) von Tri- und Dipeptiden genutzt, und zwar mittels des H+-Symportcarriers.

Die Absorption von Ca2+-Ionen wird dagegen nicht durch eine aktive Aufnahme, sondern die aktive Entfernung mittels des Ca2+-Bindungsproteins aus den Schleimhautzellen des Duodenums in das Interstitium gewährleistet.

Untersuchungsmöglichkeiten des Dünndarmes

Krankheiten des Dünndarms

Krankheitsanzeichen

Es gibt verschiedene Symptome, die bei Erkrankungen des Dünndarms auftreten können. Verschiedene Erkrankungen können über unterschiedliche Mechanismen Durchfall verursachen. Auch Verstopfung kann verschiedene Ursachen haben. Hinter einem Ileus, im Deutschen als Darmverschluss bezeichnet, kann sich entweder ein tatsächliches mechanisches Hindernis (mechanischer Ileus) oder eine Lähmung des Darmes (funktioneller Ileus) verbergen. Blutungen des Dünndarms entstehen meistens auf dem Boden entzündlicher Prozesse und aus Geschwüren. Weitere unspezifische Krankheitsanzeichen sind Bauchschmerzen, die in der Regel nicht auf einen bestimmten Darmabschnitt zu lokalisieren sind, sowie ungewollter Gewichtsverlust und Mangelernährung.

Tumorerkrankungen

Tumoren des Dünndarms sind beim Menschen selten, sie machen nur etwa 3 % aller Tumoren der Verdauungsorgane aus. Es gibt keine charakteristischen Symptome: die Tumoren können krampfartige Bauchschmerzen hervorrufen, Blut absondern oder durch ihr Wachstum das Lumen des Dünndarms verengen. Die meisten dieser Tumoren sind gutartig. Sie gehen meistens vom Drüsenepithel aus, sie sind damit Adenome, die auch Polyen bilden können. Daneben finden sich Leiomyome (Tumoren der glatten Muskelzellen), Lipome (Tumoren der Fettzellen) und Angiome. Bösartiger Krebs ist sehr selten, findet sich aber gehäuft bei Patienten mit Morbus Crohn, Zöliakie oder AIDS. Auch die bösartigen Tumoren gehen meistens von den Drüsenzellen aus (Adenokarzinome), diese Gruppe macht etwa die Hälfte der bösartigen Dünndarmtumoren aus. Etwa jeder fünfte bösartige Tumor ist die Manifestation eines Lymphoms. Daneben gibt es Karzinoidtumoren, die am häufigsten im distalen Ileum zu finden sind, sowie Gastrointestinale Stromatumoren und Leiomyosarkome. Papillentumoren betreffen zwar den Dünndarm, sind aber keine eigentlichen Dünndarmtumoren, da sie vom Gallen- bzw. Pancreasgang ausgehen.[24]

Behandlungsmethoden des Dünndarmes

Literatur

  • Franz-Viktor Salomon: Darm, Intestinum (Enteron). In: Salomon u. a. (Hrsg.): Anatomie für die Tiermedizin. Enke-Verlag Stuttgart, 2. erw. Aufl. 2008, S. 293–311, ISBN 978-3-8304-1075-1
  • Gerhard Aumüller et al.: Duale Reihe Anatomie, 2. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-13-152862-9
  • Giulia Enders; Jill Enders (Illustrationen): Darm mit Charme. Alles über ein unterschätztes Organ. Ullstein, Berlin 2014, ISBN 978-3-550-08041-8 (Taschenbuch) / ISBN 978-3-550-08108-8 (gebunden).
  • Michael Schünke et al.: Prometheus – Lernatlas der Anatomie. Innere Organe, 4. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart · New York, 2015, ISBN 978-3-13-139534-4
  • Renate Lüllmann-Rauch: Taschenlehrbuch Histologie. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-13-129245-2

Weblinks

Commons: Dünndarm – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gerhard Aumüller et al.: Duale Reihe Anatomie, 2. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-13-152862-9, S. 628
  2. a b Gerhard Aumüller et al.: Duale Reihe Anatomie, 2. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-13-152862-9, S. 628 f.
  3. a b Gerhard Aumüller et al.: Duale Reihe Anatomie, 2. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-13-152862-9, S. 628–631
  4. Renate Lüllmann-Rauch: Taschenlehrbuch Histologie. Georg Thieme Verlag, 2. Aufl. 2006, ISBN 978-3-13-129242-1, S. 375.
  5. Gerhard Aumüller et al.: Duale Reihe Anatomie, 2. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-13-152862-9, S. 631
  6. Kuno Weise (Hrsg.): Chirurgie: Schnitt für Schnitt. Georg Thieme Verlag 2004, ISBN 978-3-13-130841-2, S. 582.
  7. Renate Lüllmann-Rauch: Taschenlehrbuch Histologie. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-13-129245-2, S. 411–413
  8. Renate Lüllmann-Rauch: Taschenlehrbuch Histologie. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-13-129245-2, S. 424
  9. Renate Lüllmann-Rauch: Taschenlehrbuch Histologie. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-13-129245-2, S. 425–428
  10. Renate Lüllmann-Rauch: Taschenlehrbuch Histologie. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-13-129245-2, S. 429f
  11. Gerhard Aumüller et al.: Duale Reihe Anatomie, 2. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-13-152862-9, S. 626
  12. Renate Lüllmann-Rauch: Taschenlehrbuch Histologie. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-13-129245-2, S. 431
  13. a b Gerhard Aumüller et al.: Duale Reihe Anatomie, 2. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-13-152862-9, S. 630
  14. Michael Schünke et al.: Prometheus – Lernatlas der Anatomie. Innere Organe, 4. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart · New York, 2015, ISBN 978-3-13-139534-4, S. 217 und 276
  15. Gerhard Aumüller et al.: Duale Reihe Anatomie, 2. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-13-152862-9, S. 632 f.
  16. Gerhard Aumüller et al.: Duale Reihe Anatomie, 2. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-13-152862-9, S. 633
  17. Gerhard Aumüller et al.: Duale Reihe Anatomie, 2. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-13-152862-9, S. 631, 633 und 786, 787
  18. Michael Schünke et al.: Prometheus – Lernatlas der Anatomie. Innere Organe, 4. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart · New York, 2015, ISBN 978-3-13-139534-4, S. 40–42
  19. Michael Schünke et al.: Prometheus – Lernatlas der Anatomie. Innere Organe, 4. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart · New York, 2015, ISBN 978-3-13-139534-4, S. 42
  20. Michael Schünke et al.: Prometheus – Lernatlas der Anatomie. Innere Organe, 4. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart · New York, 2015, ISBN 978-3-13-139534-4, S. 43f
  21. Michael Schünke et al.: Prometheus – Lernatlas der Anatomie. Innere Organe, 4. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart · New York, 2015, ISBN 978-3-13-139534-4, S. 46
  22. a b Pathologie des Mitteldarms. In: embryologie.ch (abgerufen am 19. Mai 2016)
  23. a b Michael Schünke et al.: Prometheus – Lernatlas der Anatomie. Innere Organe, 4. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart · New York, 2015, ISBN 978-3-13-139534-4, S. 49
  24. Robert J. Mayer: Maligne Tumoren des Gastrointestinaltrakts. In: M. Dietel, N. Suttorp, M. Zeitz (Hrsg): Harrisons Innere Medizin, Band 1, ABW-Wissenschaftsverlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-940615-20-6, S. 818-831, hier S. 329 f.