Fußballländerspiel Deutsche Demokratische Republik – Bundesrepublik Deutschland 1974

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Eintrittskarte zum Spiel

Das Fußballländerspiel Deutsche Demokratische Republik gegen die Bundesrepublik Deutschland fand im Rahmen der Vorrunde der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 am 22. Juni 1974 im Hamburger Volksparkstadion statt. Die Mannschaft der DDR gewann die Partie überraschend mit 1:0 durch ein Tor von Jürgen Sparwasser. Es war das einzige Aufeinandertreffen beider deutscher A-Nationalmannschaften,[1] schon zuvor hatte es aber mehrere Aufeinandertreffen der ostdeutschen Olympiaauswahl und der westdeutschen Amateur-Nationalmannschaft gegeben.

Vorgeschichte

Rang Land Sp. S U N Tore Diff. Punkte
1 Deutschland Bundesrepublik BR Deutschland 2 2 0 0 4:0 +4 4:0
2 Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 2 1 1 0 3:1 +2 3:1
3 Chile Chile 3 0 2 1 1:2 -1 2:4
4 AustralienAustralien Australien 3 0 1 2 0:5 -5 1:5

Die Auswahl der DDR qualifizierte sich 1974 zum ersten und einzigen Mal für eine Fußball-Weltmeisterschaftsfinalrunde. Bei der Auslosung der WM-Endrunde am 5. Januar 1974 wurde die DDR dem Gastgeber Bundesrepublik Deutschland in Gruppe I zugelost, wodurch es in der Vorrunde zur ersten Länderspielbegegnung der beiden deutschen A-Nationalmannschaften kam. Nach dem Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen von 1972 durch die mit der A-Nationalmannschaft der DDR identische Olympiaauswahl gab Georg Buschner als erster DDR-Nationaltrainer öffentlich die Qualifikation für die WM als neues höchstes Ziel aus. Damit widersprach Buschner wieder einmal den Vorstellungen vieler Funktionäre, denen Erfolge gegen Amateurnationalmannschaften aus dem Westen wichtiger als Erfahrungen gegen die besten Nationalmannschaften der Welt waren. Solche Erfahrungen waren jedoch nach Buschners Meinung das Einzige, was die Mannschaft wirklich weiterbringen konnte.[2]

DDR-Auswahl, Training, Hamburg

Die von Buschner betreute DDR-Auswahl startete mit einem 2:0 gegen Australien und dem 1:1 gegen Chile in das Turnier. Die bundesdeutsche Nationalmannschaft hatte einen schwachen WM-Auftakt. Das Eröffnungsspiel gegen Chile, das sich als unerwartet starker Gegner mit einer kompakten Abwehr präsentierte, wurde mit 1:0 gewonnen, erfüllte die hochgesteckten Erwartungen der Gastgeber jedoch nicht. Auch gegen Außenseiter Australien kam die westdeutsche Auswahl lediglich zu einem mühevollen 3:0. Dadurch hatte die Mannschaft von Bundestrainer Helmut Schön aber vorzeitig die Qualifikation für die zweite Finalrunde geschafft.

Durch das torlose Unentschieden zwischen Australien und Chile in Berlin - am letzten Spieltag, etwa eineinhalb Stunden vor Spielbeginn - war auch die Mannschaft der DDR vorzeitig für die nächste Runde qualifiziert. Somit ging es im deutsch-deutschen Duell im Hamburger Volksparkstadion sportlich nur noch um den Gruppensieg, wobei die Mannschaft der DDR gewinnen musste, um Gruppensieger zu werden, während der Mannschaft der Bundesrepublik Deutschland schon ein Unentschieden gereicht hätte (s. Tabelle mit dem Stand vor dem Spiel).

Das Spiel

Paarung Deutschland Bundesrepublik BR DeutschlandDeutschland Demokratische Republik 1949 DDR
Ergebnis 0:1 (0:0)
Datum 22. Juni 1974
Stadion Volksparkstadion, Hamburg
60.200 Zuschauer
Schiedsrichter Ramón Bareto Ruiz (Uruguay)
Tore 0:1 Sparwasser (77.)
BR Deutschland Sepp MaierBerti Vogts, Paul Breitner, Franz Beckenbauer, Georg Schwarzenbeck (68. Horst-Dieter Höttges), Bernhard Cullmann, Uli Hoeneß, Wolfgang Overath (69. Günter Netzer), Jürgen Grabowski, Gerd Müller, Heinz Flohe
Trainer: Helmut Schön
DDR Jürgen CroyGerd Kische, Bernd Bransch, Konrad Weise, Siegmar Wätzlich, Reinhard Lauck, Harald Irmscher (68. Erich Hamann), Lothar Kurbjuweit, Hans-Jürgen Kreische, Jürgen Sparwasser Tor, Martin Hoffmann
Trainer: Georg Buschner


Berti Vogts im Laufduell mit Martin Hoffmann

Im Spiel am Abend des 22. Juni 1974 neutralisierten beide Mannschaften bereits früh die Angriffsbemühungen des Gegners. In der 39. Spielminute hatte die Mannschaft der Bundesrepublik ihre größte Chance, als Gerd Müller den Ball aus der Drehung gegen den Pfosten schoss. Als alle bereits mit einem torlosen Remis rechneten, nutzte Jürgen Sparwasser einen der vielen Konter. Er ließ Höttges und Vogts stehen und traf zum 1:0 für die Ostdeutschen.

Abschluss-Tabelle der Gruppe

Rang Land Sp. S U N Tore Diff. Punkte
1 Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 3 2 1 0 4:1 +3 5:1
2 Deutschland Bundesrepublik BR Deutschland 3 2 0 1 4:1 +3 4:2
3 Chile Chile 3 0 2 1 1:2 -1 2:4
4 AustralienAustralien Australien 3 0 1 2 0:5 -5 1:5

Nachspiel

Wimpel, Spiele der DDR-Auswahl bei der WM 74, DDR-Museum Berlin

Die Mannschaft der DDR betrachtete den Sieg über die Bundesrepublik relativ nüchtern. Trainer Georg Buschner kommentierte in maßvollem Jubel: „Wir haben ein wichtiges Spiel gewonnen, mehr nicht“. Auch von offizieller Seite wurde das Spiel wenig kommentiert. Der Trikottausch musste nach dem Spiel in den Kabinen stattfinden, da DDR-Funktionäre ihn laut Aussage von Harald Irmscher „nicht so gerne“ sahen. Die Pressestimmen zum Spiel waren vor allem in den britischen Zeitungen teils politisch gefärbt. Der Sunday Telegraph kommentierte „Der Osten hält seine Mauer intakt“, The Observer sprach von einem „politischen Doppelsieg der DDR“. In der Bundesrepublik erschien die Bild am Sonntag mit der Schlagzeile „So nicht, Herr Schön!“[3] und sah ein „Schauspiel deutscher Teilung“.[4]

Der überraschende Platz eins in der Vorrundengruppe erwies sich für die Mannschaft der DDR als Pyrrhussieg. In der zur WM 1974 neu eingeführten Zwischenrunde hatte sie mit Brasilien (0:1), Argentinien (1:1) und dem späteren Vizeweltmeister Niederlande (0:2) die ungleich schwereren Gegner. Für die bundesdeutsche Elf erwies sich die Niederlage gegen die DDR als heilsam. Nach einer klärenden Aussprache in der Nacht von Malente setzte sie sich mit 2:0 gegen Jugoslawien, 4:2 gegen Schweden und 1:0 in der Wasserschlacht von Frankfurt gegen Polen durch und zog ins Finale gegen die Niederlande ein, das sie mit 2:1 gewann und somit zum zweiten Mal nach 1954 Weltmeister wurde.

Trivia

Das Spiel in Hamburg sahen auch rund 1.500 Zuschauer aus der DDR. Sie waren ausnahmslos von der SED vorgeschlagen und von der Staatssicherheit monatelang überprüft worden.[5] Unter ihnen befanden sich nach Berichten des MDR[6] mehrere Hundert Inoffizielle Mitarbeiter des MfS. „Normale“ Fußballfans aus der DDR, die sich eigenständig um ein WM-Ticket bewarben, bekamen grundsätzlich keine Genehmigung für eine Reise in die Bundesrepublik.

Das Fußballspiel und das Ergebnis spielt eine wichtige Rolle in vielen Dokumentationen und Spielfilmen, die das Verhältnis der beiden deutschen Staaten thematisieren, z. B. im Spielfilm Küss mich, Genosse!, in dem das Spiel in eine fiktive Handlung auf der Meta-Ebene eingebunden ist.

2003 ersteigerte ein Krefelder Unternehmer Sparwassers Trikot mit der Nr. 14, das dieser 1974 im Spiel gegen die DFB-Auswahl getragen hatte und überließ es dem Bonner Haus der Geschichte, wo es seither ausgestellt ist.

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Für die Qualifikation zur Europameisterschaft 1992 waren die DDR und die Bundesrepublik in eine Qualifikationsgruppe gelost worden. Im Zuge der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten zum 3. Oktober 1990 nahm die DDR-Auswahl aber nicht mehr teil. Das für den 21. November 1990 terminierte deutsch-deutsche Derby wurde zunächst als freundschaftliches „Wiedervereinigungsspiel“ geplant, fand dann aber aus Sicherheitsgründen nicht statt, da es bei einigen Spielen in ostdeutschen Städten zu Zuschauerausschreitungen gekommen war.
  2. Hardy Grüne: Buschner kommt aus Die Geschichte der Fußball-Nationalmannschaft S. 401
  3. Harry Valérien: Fußball 74 - Weltmeisterschaft, S. 101. Südwest Verlag München, 1974.
  4. Jetzt muß ich Dich leider mal festhalten, sagte Beckenbauer zu Irmscher. Aus Franz Beckenbauer: WM 74
  5. Rainer Erices, WM-Ticket nur von und mit der Stasi. MDR Online, 2014.
  6. MDR 2014.

Literatur

  • Thomas Blees: „90 Minuten Klassenkampf“. Das Fußball-Länderspiel BRD-DDR am 22. Juni 1974, Frankfurt/M. 1999. ISBN 3-596-14286-5.

Weblinks