Heparin

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Strukturformel
Strukturformelausschnitt von Heparin
Darstellung eines Ausschnitts aus der Struktur von Heparin[1]
Allgemeines
Name Heparin
Andere Namen

Glucuronsäure-O-sulfatmucopolysaccharid

CAS-Nummer
  • 9005-49-6
  • 9045-22-1 (Lithiumsalz)
  • 9041-08-1 (Natriumsalz)
  • 60800-63-7 (Ammoniumsalz)
  • 123228-39-7 (Disaccharid)
Monomere/Teilstrukturen abwechselnd D-Glucosamin und D-Glucuronsäure oder L-Iduronsäure
PubChem 772
ATC-Code
DrugBank DB01109
Kurzbeschreibung

weißes bis graues, amorphes und hygroskopisches Pulver (Heparin-Natrium)[2]

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Antikoagulanzien

Wirkmechanismus

Antithrombin

Eigenschaften
Löslichkeit

leicht löslich in Wasser und Salzlösung, praktisch unlöslich in Ethanol, Aceton, Benzol und Diethylether (Heparin-Natrium)[2]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]
keine GHS-Piktogramme
Natriumsalz
H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[3]
Toxikologische Daten
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Heparine (altgr. ἧπαρ HeparLeber‘) sind körpereigene Vielfachzucker (Polysaccharide), die hemmend auf die Gerinnungskaskade wirken und daher auch therapeutisch zur Blutgerinnungshemmung verwendet werden.[6] Chemisch gesehen handelt es sich um Glykosaminoglykane, bestehend aus einer variablen Anzahl von Aminozuckern mit einer molaren Masse zwischen 4.000 und 40.000 (Häufigkeitsgipfel etwa 15.000). Natürliche Heparine werden am ergiebigsten aus Dünndarmmukosa vom Schwein extrahiert.[7] Die Gewinnung aus Rinderlungen wird seit der BSE-Epidemie nicht mehr praktiziert. Heparin wird nicht aus dem Magen-Darm-Trakt aufgenommen und muss deshalb parenteral verabreicht werden, das heißt, je nach Anwendungsbereich gespritzt oder als Salbe angewandt werden.

Die gerinnungshemmende Wirkung beruht darauf, dass im Blut Antithrombin III zirkuliert, ein Proteaseinhibitor, der aktivierte Gerinnungsfaktoren wie Thrombin und Faktor Xa hemmt. Heparin bindet an Antithrombin III, wodurch die Bindung an die Gerinnungsfaktoren etwa tausendfach schneller abläuft.

Heparin wird angewandt zur Prophylaxe und Therapie von Thrombosen. Seine Dosis wird nicht in Gramm angegeben, sondern in Internationalen Einheiten (IE): Eine Einheit verhindert die Gerinnung von 1 ml citrathaltigem Plasma nach Zugabe von CaCl2 bei 37 °C über eine Stunde.

Heparin kann auch eingesetzt werden, um das Gerinnen von Blutproben zu vermeiden.

Heparin-Salbe wird zur unterstützenden Behandlung bei akuten Schwellungszuständen nach stumpfen Verletzungen (Blutergüssen) angewandt[8], obwohl Heparin aufgrund seiner physikochemischen Eigenschaften die Haut nicht durchdringen kann und somit in Salbenform wirkungslos ist.[9]

Struktur

Heparine sind variabel veresterte Glycosaminoglycane, bestehend aus jeweils abwechselnden Folgen von D-Glucosamin und einer Uronsäure (D-Glucuronsäure oder L-Iduronsäure).[10] Viele Monomereinheiten enthalten an Sauerstoff- und Stickstoffatome gebundene Sulfat-Gruppen.

Ab einer Kettenlänge von fünf Monosacchariden (drei D-Glucosamine und zwei Uronsäuren) wirken Heparine gerinnungshemmend. Den Kettenbausteinen entsprechend besitzen sie viele negative Ladungen, über welche sie auch an Antithrombin III koppeln. Heparine mit Kettenlängen von 5 bis 17 werden als niedermolekulare Heparine (NMH), englisch Low Molecular Weight Heparine (LMWH), mit Kettenlängen ab 18 als unfraktionierte Heparine (UFH) bezeichnet.[10]

Das arzneilich verwendete, unfraktionierte Heparin (auch Standardheparin genannt) weist eine Molmasse von 6000 bis 30000 Dalton (Da) auf. Durch chemische oder enzymatische Spaltung und Fraktionierung werden niedermolekulare, therapeutisch verwendbare Heparine mit mittleren Molmassen um die 5000 Dalton gewonnen: Certoparin (5400 Da), Dalteparin (6100 Da), Enoxaparin (4500 Da), Parnaparin (5000 Da), Nadroparin (4300 Da), Reviparin (4400 Da) und Tinzaparin (6500 Da).[11]

Biosynthese

Heparin wird primär nicht im Bindegewebe gebildet, sondern fast nur in Mastzellen.

Wirkungsmechanismus

Sowohl NMH als auch UFH binden Antithrombine, vor allem Antithrombin III (AT III). Der daraus resultierende Komplex wird Sofortinhibitor genannt und beschleunigt die Inaktivierung von aktivierten Gerinnungsfaktoren um das Tausendfache. NMH inaktiviert vornehmlich den Prothrombinasekomplex, bestehend aus aktiviertem Faktor X (Stuart Prower Faktor), aktiviertem Faktor V (Proakzelerin), Calciumionen und Phospholipiden. UFH inaktiviert neben dem Prothrombinasekomplex auch den aktivierten Faktor II = Thrombin. Insofern erklärt sich die schneller gerinnungshemmende Wirkung von UFH gegenüber NMH.

Des Weiteren werden die Faktoren IX (Antihämophilie Faktor B bzw. Christmas Faktor), XI (Rosenthal Faktor) und XII (Hagemann Faktor) inaktiviert. Die fibrinolytisch aktive Serinprotease Kallikrein wird außerdem aktiviert. Ein weiterer Wirkmechanismus besteht darin, dass das Polyanion Heparin Ca-Ionen bindet, die Verminderung von Ca-Ionen ist gerinnungshemmend.

Pharmakokinetik

Heparin wird intravenös, subkutan oder perkutan verabreicht, wobei die Wirksamkeit der perkutanen Verabreichung umstritten ist.[9] Bei subkutaner Gabe von UFH resultiert eine 30-%-ige Bioverfügbarkeit. Bei intravenöser Applikation kommt es initial zu einer schnellen Elimination von 40 % des injizierten UFH (schnell ablaufender Sättigungsprozess aufgrund der vielen negativen Ladungen bindet UFH am Endothel und an Makrophagen sowie an Plasmaproteine) mit einer Halbwertszeit von 5–15 Minuten, welche dann in eine langsamere Elimination mit einer HWZ von 60–90 Minuten mündet (renale Elimination über glomeruläre Filtration und tubuläre Sekretion). Erst wenn alle Bindungsstellen abgesättigt sind, wird die Dosis-Wirkungs-Beziehung linear und der therapeutisch wirksame Spiegel erreicht. UFH ist nicht plazentagängig und tritt nicht in die Muttermilch ein, es kann somit in der Schwangerschaft und Stillzeit eingesetzt werden.

NMH weisen eine geringere Affinität zu Plasmaproteinen, vaskulären Matrixproteinen, Makrophagen, Thrombozyten und Endothelzellen auf. Daraus erklärt sich eine bessere Bioverfügbarkeit, die längere Eliminationshalbwertszeit und die ausschließlich renale Clearance der NMH. Nach subkutaner Injektion ergibt sich eine 90 % + Bioverfügbarkeit. Bei eingeschränkter Nierenfunktion muss ggf. eine Dosisreduktion erfolgen. NMH ist nicht plazentagängig, ein Übertritt in die Muttermilch ist nicht bekannt.

Indikationen

Certoparin-Natrium (Mono-Embolex, 8000 IE), ein niedermolekulares Heparin; 0,8 ml in einer Sicherheitsspritze

UFH ist unter anderem indiziert:

NMH ist unter anderem angezeigt:

Ferner wird Heparin in Form eines sogenannten Heparinblocks zum Offenhalten von Gefäßkathetern verwendet. Die Zuleitung wird dazu mit heparinisierter NaCl-Lösung gespült, so dass darin keine Koagulation stattfinden kann.

Anmerkung: In Deutschland besteht für viele NMH noch keine Zulassung für jede dieser Indikationen.

Kontraindikationen

Eine kritische Nutzen-Risiko-Analyse und sorgfältige laboranalytische Überwachung des Patienten sind notwendig. Der Begriff Kontraindikation ist in diesem Rahmen relativ zu sehen:

hochdosiert:

Bei rückenmarksnahen Regionalanästhesie-Verfahren (Spinalanästhesie bzw. Periduralanästhesie) sollte unfraktioniertes Heparin (UFH) vier bis sechs Stunden vorher abgesetzt werden und frühestens eine Stunde nach dem Eingriff wieder gegeben werden. Bei NMH-Prophylaxe sollte der Wirkstoff 12 Stunden vorher, bei NMH-Therapie 24 Stunden vorher abgesetzt werden und erst vier Stunden nach dem Eingriff wieder gegeben werden.[12][13]

Unerwünschte Wirkungen

Die Hauptnebenwirkung von Heparin sind Blutungen. Das Risiko ist dosisabhängig und steigt mit gleichzeitiger Anwendung anderer die Blutgerinnung hemmender Medikamente. Als Gegenmittel kann Protamin intravenös verabreicht werden. Heparin kann als Nebenwirkung eine Heparin-induzierte Thrombozytopenie auslösen. Dabei kann es durch Antikörper gegen Heparin sowohl zu lebensgefährlichen Blutungen als auch Blutgerinnselbildungen kommen. Eine Behandlung länger als vier Wochen kann eine messbare Verminderung der Knochendichte auslösen. Bis zu 2-3 % der Patienten unter Langzeitbehandlung mit Heparin erleiden osteoporotische Wirbelkörperfrakturen. Ebenso sind reversible Erhöhungen der Transaminasen häufig. Niedermolekulare Heparine weisen eine geringere Häufigkeit dieser Nebenwirkungen auf. Sie haben jedoch gegenüber dem längerkettigen Heparin aufgrund ihrer geringeren Wirkung auf die Deaktivierung von Thrombin einen geringeren therapeutischen Effekt.[14]

Kontrolle

Damit weder zu viel (Gefahr der Blutung) noch zu wenig (Gefahr der Thrombose) Heparin gegeben wird, sollte bei Patienten mit UFH die PTT (Partial Thromboplastin Time, partielle Thromboplastinzeit) bestimmt werden.

Niedermolekulares Heparin muss normalerweise nicht kontrolliert werden - ein wichtiger Vorteil für den Patienten. Bei Bedarf kann aber die richtige Dosierung durch Messung der Anti-Xa-Aktivität bestimmt werden. Dabei muss die Messung vier Stunden nach der subkutanen Injektion erfolgen, um standardisierte Bedingungen zu schaffen.[15]

Siehe auch

Fertigarzneimittel

Monopräparate (Standardheparin)

Calciparine (CH), Gelparin (CH), Lioton (A, CH), Liquemin (CH), Lovenox (A), Lyman (CH), Sportino (D), Thrombareduct (D), Thrombophob (D), Vetren (D), zahlreiche Generika (D, A, CH)

Einzelnachweise

  1. Albert Gossauer: Struktur und Reaktivität der Biomoleküle, Verlag Helvetica Chimica Acta, Zürich 2006, ISBN 978-3-906390-29-1, S. 345.
  2. a b Eintrag zu Heparin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag
  3. a b c Datenblatt Heparin-Natrium (PDF) bei Carl Roth
  4. a b Eintrag in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  5. a b c d e f g h Eintrag in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  6. AOK.de: Therapien: Heparinisierung.
  7. Aktories, Förstermann, Hofmann, Starke: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 9.Auflage, Urban&Fischer, S. 531.
  8. ALIUD® PHARMA GmbH & Co. KG: Gebrauchsinformation Heparin AL Gel 30.000 (PDF; 43 kB), April 2010.
  9. a b Heinz Lüllmann, Klaus Mohr: Pharmakologie und Toxikologie: Arzneimittelwirkungen verstehen - Medikamente gezielt einsetzen. 16. Auflage. Georg Thieme Verlag, 2006, S.181 ISBN 978-3133685160.
  10. a b Wissenschaft-Online-Lexika: Eintrag zu Heparin im Lexikon der Biochemie, abgerufen am 30. März 2009.
  11. E. Mutschler, G. Geisslinger, H. K. Kroemer, S. Menzel, P. Ruth: Mutschler Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie − Klinische Pharmakologie − Toxikologie. 10. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2012, S.478 f. ISBN 3-80-472898-7.
  12. Gogarten, Wiebke; Van Aken, Hugo K.: Perioperative Thromboseprophylaxe - Thrombozytenaggregationshemmer - Bedeutung für die Anästhesie. AINS - Anästhesiologie · Intensivmedizin · Notfallmedizin · Schmerztherapie, Ausgabe 04, April 2012, S. 242-254, doi:10.1055/s-002-23167.
  13. S. A. Kozek-Langenecker, D. Fries, M. Gütl, N. Hofmann, P. Innerhofer, W. Kneifl, L. Neuner, P. Perger,T. Pernerstorfer, G. Pfanner, et al.: Lokoregionalanästhesien unter gerinnungshemmender Medikation. Empfehlungen der Arbeitsgruppe Perioperative Gerinnung (AGPG) der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (ÖGARI). DER ANAESTHESIST Volume 54, Number 5 (2005), 476-484, doi:10.1007/s00101-005-0827-0.
  14. Jeffrey I. Weitz : Antiplatelet, Anticoagulant and Fibrinolytic Drugs in Anthony S. Fauci et al. (Hrsg.) : Harrison's Principles of Internal Medicine, 18. Auflage, New York, 2012, S. 994-996.
  15. med4you.at: Anti-Xa-Aktivität ("Heparinspiegel") - Übersicht, 6. Februar 2009.