Jolly Roger

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Schwarze Flagge: ein Totenkopf, darunter zwei gekreuzte Knochen; die bekannte Flagge des Piraten Edward England

Der Jolly Roger oder „die Piratenflagge“, häufig auch Totenkopfflagge, ist die schwarze Flagge von Piratenschiffen. Sie wird, in Anlehnung an den britischen Union Jack, auch Black Jack genannt.

Herkunft des Namens

Der Ursprung des Namens Jolly Roger ist unbekannt. Einige sind der Ansicht, er sei eine Verballhornung des indischen Piraten Ali Rajah, dessen Namen die Briten Olly Roger aussprachen; möglicherweise stammt er aber auch vom französischen joli rouge (hübsches Rot) ab, da die ersten Piraten eine blutrote Flagge hissten als Zeichen, dass sie alle töten würden, falls sich die Besatzung des Beuteschiffes nicht sofort ergeben sollte. In den Geschichten mit Peter Pan des Autors J. M. Barrie (1860–1937) trägt das Piratenschiff von Captain Hook den Namen „Jolly Roger“.

Geschichte

Angeblich soll Calico Jack Rackham erstmals eine Schwarze Flagge mit Totenschädel benutzt haben (Variante mit gekreuzten Entermessern), doch dies ist nicht gesichert. Das klassische Motiv des Jolly Roger, ein Totenschädel mit zwei gekreuzten Knochen, wurde erstmals von dem bretonischen Piraten Emanuel Wynne um 1700 verwendet.

Die Flagge Henry Everys, der 1696 zum letzten Mal segelte, wird mit einem Totenkopf im Profil, mit Bandana und Ohrring, über gekreuzten Knochen dargestellt. Allerdings sind weder ein Totenkopf im Profil noch Bandana oder Ohrring sonst auf Flaggen oder sonstigen heraldischen Symbolen der damaligen Zeit zu finden. Und obwohl Ohrringe, insbesondere aus Gold, bei Seeleuten nicht unüblich waren (der Träger hoffte, dass man ihm von dem Erlös des Ohrrings ein christliches Begräbnis bezahlen würde), so wurden Bandana und Ohrring doch wohl erst im späten 19. Jahrhundert zu beliebten Details von künstlerischen Piratendarstellungen, angefangen mit den illustrierten Erzählungen Howard Pyles (1853–1911).[1][2]

Auf „Blackbeard“ Edward Teachs Flagge ist ein Skelett, das eine Sanduhr und einen Speer in den Händen hält, und daneben ein blutendes Herz abgebildet. Dies soll bedeuten, dass die Seele nun dem Tod (Skelett) gehört. Die Sanduhr soll den Opfern zeigen, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Der Speer verspricht ein schnelles Ende, das blutende Herz einen besonders grausamen/schmerzhaften Tod.

Der Schädel mit den gekreuzten Knochen und die Sanduhr waren – aus älteren Vanitas- und Memento Mori-Darstellungen übernommene – weit verbreitete Motive auf Friedhöfen. Ein Beleg findet sich in dem Graphikzyklus „The four stages of cruelty“ von William Hogarth, erschienen im Jahre 1751: Auf dem dritten Bild findet sich das Totenkopfmotiv mit den gekreuzten Knochen, das ein Grab schmückt.

1724 wurde Jolly Roger erstmals in Captain Charles Johnsons biografische Sammlung A General History of the Pyrates erwähnt.[3][4]

Andere, als Piratensymbol genutzte Flaggen

Die blutrote Flagge (Vermutung)

Die blutrote Flagge

Es gibt die Annahme, dass vor dem Jolly Roger eine blutrote Flagge als Piratensymbol benutzt wurde. Dafür spricht der Umstand, dass bis zum Entstehen des Piratentums im 16. und 17. Jahrhundert die rote Flagge als Quarantäneflagge galt und die Bedeutung hatte „Achtung, wir haben möglicherweise eine Krankheit an Bord, die jeden töten wird, der sich uns nähert.“ Und tödlich bei Annäherung wollten die Piraten sein. Außerdem erhielt die Quarantäneflagge in fast jeder Seefahrernation im 17. Jahrhundert einen Schwalbenschwanz, der These nach also um Verwechslungen mit Piraten auszuschließen. Die britische Marine verbot jedenfalls das Führen ausschließlich roter Fahnen im Arabischen Meer, Schiffe mit solchen Fahnen wurden als Piraten behandelt; deswegen haben die Flaggen von Bahrain und Katar noch heute ihre gezackte Form. 1694 hatte die Admiralität angeordnet, dass britische Freibeuter die rote Flagge zu führen hatten. Als 1714 der Krieg gegen Spanien endete, machten sich etliche der dann überflüssigen Freibeuter selbstständig und kaperten auf eigene Rechnung auch britische Schiffe unter Beibehaltung ihrer roten Flagge.

Eine rote und eine schwarze Flagge (Vermutung)

Anderen Quellen zufolge führten die frühen Piraten zwei Flaggen, von denen sie je nach Bedarf eine hissten: Die rote Flagge war das Zeichen, keine Gefangenen zu machen (d. h. alle zu töten) und die schwarze Flagge, Gefangene zu nehmen zwecks Lösegeld. Deswegen war die rote Flagge noch gefürchteter als die normale schwarze Flagge, joli rouge demnach ein Euphemismus.

Asiatische Piratenflaggen

Bei den ostasiatischen Piraten war der Jolly Roger dagegen unbekannt. So gab es um 1810 im Südchinesischen Meer sechs große Gruppen von Piraten, die ihre Schiffe mit roten und schwarzen, aber auch weißen, grünen, blauen und gelben Fahnen kennzeichneten.

Die heute aktiven Seeräuber, insbesondere in den Gewässern um Indonesien, der Straße von Malakka und im Arabischen Meer, verzichten meistens auf das Führen von Flaggen, die sie als Piraten zu erkennen geben.

Nutzung und Gebrauch auf See

Historisch

Solange ein Piratenschiff auf der Suche nach Beute war, lief es oft unter falscher Flagge (Flagge des Opfers/eines Verbündeten des Opfers), um sich seinem Opfer ungestört nähern zu können. Der „Jolly Roger“ wurde erst kurz vor dem Angriff gehisst, um unter den Besatzungen potenzieller Beuteschiffe schon vor dem eigentlichen Entern Schrecken zu verbreiten. Daneben signalisierte es die Todesverachtung der Piraten und ihre Verachtung vor hoheitlichen Insignien anderer Länder auf hoher See.

Später wurde die Taktik, unter falscher Flagge zu segeln, auch von regulären Kriegsschiffen angewendet. Beispielsweise sollen US-amerikanische Schiffe 1815 im Zweiten Barbareskenkrieg den Union Jack gehisst haben, um sich dem Flaggschiff des algerischen Korsaren Hamidu Reis annähern zu können, welches anschließend niedergekämpft wurde. Diese ungehinderte Annäherung war möglich, da sich die Korsaren zwar mit den Vereinigten Staaten von Amerika im Kriegszustand befanden, nicht jedoch mit Großbritannien, dessen Fahne der Union Jack ist.

Bei modernen Marinen

Eine F-14 des Luftkampfgeschwaders Jolly Rogers (VF-84, heute VFA-103) der US Navy im bunten Kleid der 1970er Jahre

Der Jolly Roger wird bis heute von der britischen Marine verwendet. Kehrt ein U-Boot nach der Versenkung eines feindlichen Schiffes in seinen Heimathafen zurück, wird der Jolly Roger am Turm geflaggt; Sterne und Balken darauf geben die Anzahl der durch Geschütz und Torpedo versenkten Feindschiffe an. Dies geschah zuletzt bei der Rückkehr der HMS Conqueror aus dem Falklandkrieg 1982. Die Tradition wurde im Ersten Weltkrieg von dem U-Boot-Kommandanten und späteren Admiral Max Horton begründet, als er am 13. September 1914 nach der Versenkung des deutschen Kleinen Kreuzers SMS Hela in Harwich einlief und triumphierend die Piratenflagge hisste.[5][6] Heute wird der Jolly Roger auch von den britischen Booten gezeigt, die unter Kampfbedingungen Cruise Missiles abgefeuert haben: zuerst von der HMS Splendid 1999 nach dem Kosovo-Krieg, später von verschiedenen Booten, die an der Operation Veritas beteiligt waren und danach von der HMS Turbulent am 16. April 2003 nach der Rückkehr aus dem Irak-Krieg.

Bei der US Navy ist zumindest der Gebrauch an Bord der USS Kidd (DD 661) überliefert.[7] Außerdem nutzten im Laufe der Zeit mehrere Geschwader der US-Marineflieger den Jolly Roger, die sogenannten „Jolly Rogers“; der Name ergab sich, als 1943 das Geschwader VF-17 mit Flugzeugen vom Typ F4U Corsair – zu deutsch Korsar – ausgerüstet wurde.

Sonstige heutige Verwendung

Gösch der Umweltschutzorganisation Sea Shepherd

Die Umweltschutzorganisation Sea Shepherd Conservation Society führt seit den 1970er Jahren eine ähnliche Flagge – mit Dreizack und Hirtenstab anstelle der Knochen sowie ein Delfin und einen Wal auf der Stirn des Schädels – als Gösch auf ihren Schiffen.

Adaptionen

  • In den 1980er Jahren orientierte sich das Logo der Kampagne Home Taping Is Killing Music an der Piratenflagge.
  • Die Fanszene des Hamburger Fußballvereins FC St. Pauli verwendete ab Mitte der 1980er Jahre den Jolly Roger zunächst als inoffizielles Vereinslogo. 1989 entwirft Steph Braun den St.-Pauli-Totenkopf mit der Kombination aus Totenkopf, gekreuzten Knochen und St. Pauli Schriftzug.[8] Das 1996 als Marke eingetragene St.-Pauli-Totenkopf-Logo wurde im September 1999 von der Texmen Textildruck GmbH an die FC. St. Pauli Marketing GmbH verkauft. Seit 2004 ist die Upsolut Merchandising GmbH Inhaber der Markenrechte am St.-Pauli-Jolly-Roger. Zudem existiert eine gleichnamige Kneipe, die einen wichtigen Treffpunkt der Szene bildet.[9]
  • Die von dem Fernsehkoch Stefan Marquard gegründete Jolly Roger Cooking Gang trägt einen Jolly Roger als Firmenlogo.
  • Dem Logo der Punkrock-Band Die Toten Hosen liegt ebenfalls der Jolly Roger zugrunde.
  • Das 1990 von Reinhard Schrutzki ursprünglich für FoeBuD entworfene „Pesthörnchen“- bzw. „Datenpirat“-Logo stellt ein zum Totenkopf mutiertes altes Bundespost-Logo (noch mit Telekommunikationsblitzen) dar, das auch vom Chaos Computer Club verwendet wurde.[10]
  • 1967 brachte die amerikanische Firma Williams Electronics Inc. einen Flipperautomaten namens Jolly Roger mit Piratenmotiven auf den Markt, insgesamt wurden 3502 Geräte hergestellt.
  • Die 1832 gegründete amerikanische Studentenverbindung Skull & Bones verwendet in ihrem Logo Schädel und gekreuzte Knochen.

Ein Zusammenhang zwischen dem Jolly Roger und einigen saudi-arabischen Flaggen, die je nachdem eine goldene oder silberne Palme oder einen ebenso gefärbten Anker jeweils über zwei gekreuzten Schwertern auf grünem Grund zeigen, besteht nicht.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Als Sammlung „Howard Pyle's Book of Pirates“ im Jahre 1903 erschienen.
  2. http://www.bonaventure.org.uk/ed/flags.htm
  3. In der Sammlung „HA General History of the Pyrates“ von Charles Johnson.
  4. http://www.treasurebook.net/jollyrogert.html
  5. Richard Compton-Hall, Submarines at War 1939–45, S. 62.
  6. Richards & Smith, Onslow's Jolly Roge, S. 11.
  7. Foto der Hissung des Jolly Roger auf der USS Kidd und Informationen zum Hintergrund der Verwendung dieser Flagge. Gefunden in „Geschichte der USS Kidd“, Website des USS Kidd- und Veteranendenkmals in Baton Rouge.
  8. Entstehung St. Pauli Totenkopf
  9. Geschichte des Jolly Roger beim FC St. Pauli
  10. Pesthörnchen: Die Pesthörnchen-Entstehung auf den Webseiten von Reinhard Schrutzki