Nieder-Roden
Nieder-Roden Stadt Rodgau
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Koordinaten: | 50° 0′ N, 8° 52′ O |
Höhe: | 130 m ü. NHN |
Fläche: | 15,3 km²[1] |
Einwohner: | 15.119 (31. Dez. 2015)[2] |
Bevölkerungsdichte: | 988 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 1. Januar 1977 |
Postleitzahl: | 63110 |
Vorwahl: | 06106 |
Nieder-Roden ist mit über 15.400 Einwohnern der größte Stadtteil von Rodgau im Landkreis Offenbach in Hessen.
Lage
Nieder-Roden liegt an der Rodau in der Rhein-Main-Ebene, ca. 8,5 Kilometer südwestlich von Seligenstadt.
Geschichte
Frühgeschichte
Befunde belegen, dass Nieder-Roden bereits in urgeschichtlicher Zeit Siedlungsraum war.
Mittelalter
Im Mittelalter gehörten die umliegenden Wälder zum Wildbann Dreieich, der 30 Wildhuben hatte, eine davon war in Nieder-Roden. Die älteste erhaltene Erwähnung einer Rotaha Marca, also eine Gemarkung oder eine Markgenossenschaft Roden, stammt aus dem Jahr 786, als das Kloster Rotaha dem Kloster Lorsch geschenkt wurde.[3] Wo genau das Kloster Rotaha lag, ist bis heute nicht bekannt. 791 wurde Nieder-Roden als Rotaha inferior ausdrücklich in einer Urkunde erwähnt.[4] Damals schenkte der fränkische Adlige Erlulf seinen dortigen Besitz, den in Ober-Roden (rotahen superiore) und den in Bieber dem Kloster Lorsch. 1210/1220 schenkte Gerlind dem Kloster Patershausen zwei Malter Acker in Nieder-Roden.
Der Ort war als Mittelpunkt einer Zent und Sitz eines Zentgerichts von großer Bedeutung. Das Dorf hatte deshalb eine Befestigung. Das Zentgericht umfasste Nieder- und Ober-Roden, Dudenhofen, Jügesheim, Messel, Urberach, Dietzenbach, Hainhausen, Messenhausen, Patershausen, Richolfshausen, Ippingshausen, Hartcheshofen und Neuhof.
Nieder-Roden lag im Amt Steinheim, das zunächst den Herren von Hagen-Münzenberg gehörte. Durch die Münzenberger Erbschaft kam es an die Herren von Eppstein. Diese verpfändeten das Amt ab 1371 als Pfand je zur Hälfte den Grafen von Katzenelnbogen und den Herren von Hanau. 1393 gelangte das Pfand insgesamt an die Herren von Kronberg. 1425 verkaufte Gottfried von Eppstein das Amt an das Kurfürstentum Mainz.
Neuzeit
Zehntherr in Nieder-Roden war der Erzbischof von Mainz, der diese Einnahmequelle zeitweise als Lehen vergab. 1567 hatten die Herren von Wallbrunn und Johann Oiger Brendel von Homburg, ein Verwandter des damals regierenden Mainzer Kur-Erzbischofs, Daniel Brendel von Homburg, je die Hälfte des Zehnten zu Lehen inne. Auch die Herren von Wasen hatten in Nieder-Roden Besitz.
In den Jahren 1631–1634, während des Dreißigjährigen Kriegs, beschlagnahmte König Gustav II. Adolf das Amt als Kriegsbeute und stattete die nachgeborenen Hanauer Grafen Heinrich Ludwig von Hanau-Münzenberg (1609–1632) und Jakob Johann von Hanau-Münzenberg (1612–1636), die mit ihm verbündet waren, damit aus.[5] Da beide Grafen schon bald starben und der Westfälische Friede auf das Normaljahr 1624 abstellte, kam Nieder-Roden wieder an Kurmainz. Hier gehörte es zur Mainzer Amtsvogtei Dieburg. Im Zuge der Säkularisation kam das Amt Steinheim 1803 an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, das spätere Großherzogtum Hessen. Hier gehörte Nieder-Roden zu folgenden Verwaltungseinheiten:[1]
- 1820: Amt Dieburg
- 1821: Landratsbezirk Langen
- 1832: Kreis Offenbach
- 1848: Regierungsbezirk Dieburg
- 1852: Kreis Dieburg
- 1977: Landkreis Offenbach
Die Pforten der Befestigung wurden 1812 niedergelegt. Bei der Aufteilung der Rödermark 1818 erhielt der Ort, wie die übrigen der Mark angehörenden Dörfer, einen Anteil am Wald.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Aus dem Ort entwickelten sich durch die Suburbanisierung in den 1960er und 1970er Jahren verschiedene Neubauten. Das markanteste Gebäude ist ein weithin sichtbarer 300 Meter langer Gebäuderiegel, der ironischerweise als "Chinamauer" bezeichnet wird. Eine ursprünglich geplante Erweiterung des Komplexes auf über 700 Meter Länge einschließlich einer Überbauung der Wiesbadener Straße kam nicht zur Ausführung.[6]
Im Zuge der Gebietsreform in Hessen ging Nieder-Roden am 1. Januar 1977 mit den Nachbargemeinden Dudenhofen, Hainhausen, Jügesheim und Weiskirchen in der neu geschaffenen Großgemeinde Rodgau auf, die 1979 Stadt wurde.[7] Für jeden der fünf Stadtteile wurde ein Ortsbezirk eingerichtet mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher.
Namensformen
Der Name Rotaha Marca/Mark Roden könnte „Siedlung auf einer gerodeten Aue“ bedeuten, ebenso aber auch darauf Bezug nehmen, dass die den Ort durchfließende Rodau, die bei Urberach im Rotliegenden entspringt, sich früher bei Hochwasser rot färbte. In erhaltenen Urkunden wurde Nieder-Roden unter den folgenden Namen erwähnt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[1]
- Rotahen superiore et inferiore (791)
- Rotaha (10. Jahrhundert)
- Inferior Rotaha (1210–1220)
- Nidirn Rota (1303)
- Nidern Rodauw (1371)
- Niddern Rode (1435)
- Niddern Rodauwe (1480)
- Niddern Rodawe (1500)
- Nidern Roda (1523)
- Nidder Roden (1550)
Kirchengeschichte
1289 tritt ein Pfarrer (plebanus) Mengotus von Rotaha auf [8] 1298 wird urkundlich erwähnt, dass in der bestehenden Kirche die Feier des Kirchenpatrons auf einen anderen Tag verlegt wird.[9] Der Turm dieses Gebäudes ist bis heute erhalten. 1346 bildete das Dorf gegenüber der früheren Mutterpfarrei Ober-Roden eigene Pfarrei, verblieb die nachfolgenden Jahre allerdings immer noch in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis. Kirchliche Mittelbehörde war das Archidiakonat St. Peter und Alexander in Aschaffenburg, Landkapitel Rodgau. 1542 wurde die Kirche vergrößert und die Umfassungsmauern erhöht. 1576 hatte das Dorf einen eigenen Pfarrer mit Pfarrhof. 1681 wurde die Pfarrei vom Pfarrer aus Ober-Roden betreut, was vermutlich eine Folge des Dreißigjährigen Krieges war.
Das Kirchenpatronat lag im 16. Jahrhundert bei den Grafen von Hanau-Lichtenberg, wobei dem Grafen das ius praesentandi, dem Kurfürsten von Mainz das ius confirmandi zustand. Weiter war der Graf von Hanau-Lichtenberg Kollator der Pfarrei. Nach 1540 versuchte deshalb Graf Philipp IV. das lutherische Bekenntnis einzuführen. Das ließ sich gegen das römisch-katholische Mainz aber auf Dauer nicht durchsetzen.
1896 wurde der Neubau des heutigen Kirchengebäudes in neugotischem Stil abgeschlossen. Architekt ist Josef Röder. Das Patrozinium liegt beim Heiligen Matthias.
Einwohnerentwicklung
Belegte Einwohnerzahlen sind:[1]
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Wissenswert
Der 50. Breitengrad führt mitten durch Nieder-Rodens Puiseauxplatz.[12]
Im Zweiten Weltkrieg entstand während des nationalsozialistischen Regimes auf dem Gelände der heutigen Siedlung Rollwald das Straf- und Gefangenenlager Rollwald.[13]
Wappen
Das Wappen wurde 1949 verliehen. Es zeigt in Schwarz einen silbernen Kirchturm, der von zwei nach den Schildrändern zu gelehnten Schildchen begleitet ist, darin rechts in Silber drei rote Sparren, links in Rot ein sechsspeichiges silbernes Rad. Die Schildchen beziehen sich auf die Herren von Eppstein (Sparren) und Kurmainz (Rad), als frühere Herren des Ortes. Dazwischen steht der kunsthistorisch interessante Turm der Kirche St. Matthias.
Verkehr
1896 erhielt Nieder-Roden mit der Rodgaubahn Anschluss an die Eisenbahn und einen Bahnhof. Nachdem während des Umbaus der Bahnstrecke zur S-Bahn ab März 2001 der Schienenverkehr durch einen Busersatzverkehr ersetzt worden war, wurde Nieder-Roden im Dezember 2003 mit der S-Bahn-Linie S1 (Wiesbaden Hauptbahnhof–Ober-Roden) an das Netz der S-Bahn Rhein-Main angeschlossen.
Persönlichkeiten
- Adam Groh (1916 in Nieder-Roden geboren; † 1996), Apostol. Protonotar, Offizial u. Domkapitular im Bistum Mainz
- Albert Keller (* 30. April 1932 in Nieder-Roden; † 5. Juli 2010 in München), Theologe und Philosoph
- Helmut Ritter, 1948 in Nieder-Roden geboren, ist Lehrstuhlinhaber für das Fach Organische Chemie/Makromolekulare Chemie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.[14]
- Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen nahm von 1634 bis 1636 zeitweise Quartier in Nieder-Roden während des Dreißigjährigen Krieges und der Belagerung Hanaus.
- Rio Reiser, Frontmann der Band Ton Steine Scherben, wohnte von 1965 bis 1968 in Rodgau Nieder-Roden.
- R.P.S. Lanrue, Gitarrist der deutschen Band Ton Steine Scherben wohnte in den 1960er Jahren in Rodgau Nieder-Roden. Zu dieser Zeit absolvierte er eine Dekorateur-Lehre und spielte zusammen mit Rio Reiser bei den Beatkings, aus denen schließlich nach dem Umzug nach Berlin dann Ton Steine Scherben wurde.
- Britta Neander, Schlagzeugerin und Percussionistin der deutschen Band Ton Steine Scherben, Carambolage und Britta wohnte in Rodgau Nieder-Roden. Schwester von Ali Neander (Rodgau Monotones).
- Hans-Joachim Rauschenbach, Sportreporter beim Hessischen Rundfunk, Moderator der ARD-Sportschau, wohnte von 1965 bis 1995 in Rodgau Nieder-Roden.
- Herbert Feuerstein, Ex-„MAD“-Chefredakteur, Harald Schmidts „Lieblingsopfer“, wohnte 1989–1993 in Rodgau Nieder-Roden.
- Nicole Brown Simpson, lebte als Kind in Nieder-Roden-Rollwald. Nach ihrer Ermordung 1994 wurde O. J. Simpson wegen Mordes an ihr angeklagt.
- Steffen Wink, deutscher Schauspieler lebte von 1969 bis 1993 in Rodgau Nieder-Roden.
- Gerhard Zwerenz, deutscher Schriftsteller, wohnte Anfang der 1970er Jahre in Rodgau Nieder-Roden
- Walter Picard, Deutscher Pädagoge und CDU-Politiker, arbeitete ab 1949 als Volksschullehrer in Nieder-Roden und hatte die dortige Rektorenstelle von 1965 bis 1988 inne.
Literatur
- Arbeitskreis für Heimatkunde Nieder-Roden: Nieder-Röder Gedenkbuch, Gefallene und Vermißte 1554–1946. Nieder-Roden 2005.
- Barbara Demandt: Die mittelalterliche Kirchenorganisation in Hessen südlich des Mains = Schriften des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde 29, S. 138f.
- Max Herchenröder: Die Kunstdenkmäler des Landkreises Dieburg. 1940, S. 263ff.
- Wilhelm Müller: Hessisches Ortsnamenbuch. Band 1: Starkenburg. 1937, S. 514ff.
- Karl Pohl: Hier!? lag das karolingische Kloster Rotaha. Nieder-Roden 2008, ISBN 978-3-638-94679-7.
- Karl Pohl: Das Ende des karolingischen Klosters Rotaha. Nieder-Roden 2008, ISBN 978-3-640-21187-6.
- Karl Pohl: Die Flurnamen in der Gemarkung Nieder-Roden. Hrsg.: Arbeitskreis für Heimatkunde Nieder-Roden e. V., 2009.
- Karl Pohl: Nieder-Roden im Jahr 1622 (30-jähriger Krieg). Nieder-Roden 2009, ISBN 978-3-640-47656-5.
- Karl Pohl: Vom Vogtshof zum Landgericht Nieder-Roden -Der „Niwenhof“ beim ehemaligen karolingischen Kloster Rotaha, Nieder-Roden 2010, ISBN 978-3-640-68562-2.
- Karl Pohl: Die Äbtissinnen Aba und Hiltisnot und ihr karolingisches Rotaha, Nieder-Roden 2011, ISBN 978-3-640-83469-3.
- Karl Pohl: Das karolingische Kloster Rotaha im Lichte der Flurnamen Nieder-Rodens, 2012, ISBN 978-3-656-28157-3
- Gisela Rathert u. a.: Nieder-Roden – 786–1986. Nieder-Roden 1986.
- Hans Georg Ruppel (Bearb.): Historisches Ortsverzeichnis für das Gebiet des ehem. Großherzogtums und Volksstaats Hessen mit Nachweis der Kreis- und Gerichtszugehörigkeit von 1820 bis zu den Veränderungen im Zuge der kommunalen Gebietsreform = Darmstädter Archivschriften 2. 1976, S. 156.
- Regina Schäfer, Die Herren von Eppstein. Herrschaftsausübung, Verwaltung und Besitz eines Hochadelsgeschlechts im Spätmittelalter = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 68. Wiesbaden 2000, S. 69, 367, 374f.
- Helmut Simon: Chronik der Pfarrgemeinde St. Matthias Nieder-Roden. Nieder Roden 1996.
- Helmut Simon: Die kranke Kuh und andere Geschichten aus den früheren Zeiten Nieder-Rodens, Nieder-Roden 2009.
- Philipp Rupp: Geschichten aus Alt-Nieder-Roden. Nieder-Roden 1985.
- Dagmar Söder: Kulturdenkmäler in Hessen, Kreis Offenbach. Braunschweig/Wiesbaden 1987, S. 263–267.
- Johann Wilhelm Christian Steiner: Geschichte und Alterthümer des Rodgaus im alten Maingau. Heyer, Darmstadt 1833.
- Werner Stolzenburg: Rollwald – vom Wald zur Siedlung. Frankfurt 1992.
- Werner Stolzenburg u. a.: 100 Jahre Rodgau-Bahn 1896–1996. Rodgau 1996.
Weblinks
- Der Stadtteil im Internetauftritt der Stadt Rodgau
- „Nieder-Roden, Landkreis Offenbach“. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Literatur über Nieder-Roden In: Hessische Bibliographie[15]
Einzelnachweise
- ↑ a b c d „Nieder-Roden, Landkreis Offenbach“. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 29. Juni 2015). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ Stadt Rodgau: Wohnbevölkerung Haupt- und Nebenwohnung, abgerufen im Juni 2016.
- ↑ Minst, Karl Josef [Übers.]: Lorscher Codex (Band 1), Urkunde 12, 25. Februar 786 – Reg. 1952. In: Heidelberger historische Bestände – digital. Universitätsbibliothek Heidelberg, S. 67, abgerufen am 29. Februar 2016.
- ↑ Minst, Karl Josef [Übers.]: Lorscher Codex (Band 3), Urkunde 1965, 22. April 791 – Reg. 2311. In: Heidelberger historische Bestände – digital. Universitätsbibliothek Heidelberg, S. 353, abgerufen am 29. Februar 2016.
- ↑ Richard Wille: Hanau im Dreißigjährigen Krieg. Hanau 1886, S. 91, 593f.
- ↑ Bericht vom 1. August 2012 Frankfurter Rundschau
- ↑ Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27. Mai 1970 bis 31. Dezember 1982. W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart und Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 375.
- ↑ Hist. Ortslexikon „Nieder-Roden“ und STA München Abt 1 Mainzer Urkunden Nr.276
- ↑ Quelle: 1. Kirchenbuch, Diözesanarchiv Mainz und Helomut Simon: "Chronik der Pfarrgemeinde St. Matthias Bieder-Roden, 1996, S.18
- ↑ Einwohnermeldeamt Stadt Rodgau
- ↑ www.rodgau.de Bevölkerungsstatistik
- ↑ Stadt Rodgau: Geografische Lage
- ↑ Informationen zur Vergangenheit des Stadtteils Rollwald
- ↑ Magazin der HHU Düsseldorf Ausgabe 3-2001
- ↑ Vorlage:HessBib umstellen, um auch nach 2015 erfasste Literatur zu selektieren! Info: Bitte auf