Nordic (Schiff, 2011)

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Nordic
Schiffsdaten
Flagge Deutschland Deutschland
Schiffstyp Hochsee-Bergungsschlepper
Klasse SK7103
Rufzeichen DIBL
Heimathafen Hamburg
Eigner NORTUG Bereederungsgesellschaft
Reederei Bugsier-, Reederei- und Bergungsgesellschaft[1]
Bauwerft P+S Werften, (Wolgast, Deutschland)[2]
Baunummer 563
Bestellung 9. Juni 2008
Kiellegung 27. Oktober 2009
Stapellauf 2. Juni 2010
Indienststellung 1. Januar 2011
Schiffsmaße und Besatzung
Länge 78,29 m (Lüa)
68,96 m (Lpp)
Breite 16,40[2] m
Seitenhöhe 8,00 m
Tiefgang (max.) 6,60 m
Vermessung 3374 BRZ / 1012 NRZ
 
Besatzung 12
Maschinenanlage
Maschine 2 × Dieselmotor (MTU 20V8000M71L)[3]
Maschinen­leistungVorlage:Infobox Schiff/Wartung/Leistungsformat 17.200 kW (23.385 PS)
Höchst­geschwindigkeit 19,9 kn (37 km/h)
Propeller 2 × 4-Blatt-Verstellpropeller in Kortdüse
Transportkapazitäten
Tragfähigkeit 2114 tdw
Sonstiges
Klassifizierungen Bureau Veritas
Registrier­nummern IMO 9525962
Pfahlzug 201 Tonnen (ca. 1.970 kN)[2]

Die Nordic ist ein Hochsee-Bergungsschlepper, der im Rahmen des deutschen Notschleppkonzepts auf einer Seeposition bei Helgoland stationiert ist. Das Schiff gilt als der leistungsfähigste Bergungsschlepper in deutschen Gewässern.[4][5]

Bau und Indienststellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Bau und die Indienststellung der Nordic sind eine der Folgen der Pallas-Havarie im Jahr 1998. Insbesondere die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordsee (SDN) hatte sich neben vielen weiteren Naturschutzverbänden seitdem für einen neuen Notschlepper eingesetzt.

Die Kiellegung der Baunummer 563 erfolgte am 27. Oktober 2009 bei P+S Werften (früher: Peene-Werft) in Wolgast. Die Erprobung auf See wurde zwischen dem 7. und dem 12. Oktober 2010 durchgeführt. In diesem Rahmen erreichte die Nordic bei den Pfahlzugtests im norwegischen Flekkefjord eine Zugkraft von 207 Tonnen (rund 2030 kN).[6] Am 15. November 2010 war das Schiff fertiggestellt. Nachdem die Nordic am 8. Dezember 2010 von Susanne Ramsauer, Gattin von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, in Hamburg getauft worden war, löste sie zum Jahreswechsel 2010/11 den Hochseeschlepper Oceanic ab, der nach 42 Einsatzjahren außer Dienst gestellt wurde.[3] Die Baukosten der Nordic wurden inoffiziell mit knapp 50 Millionen Euro angegeben.[7]

Besatzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Nordic trägt 12 Mann Besatzung, die für den eigentlichen Betrieb des Schiffes notwendig sind. Zusätzlich ist das 4-köpfige Boarding-Team Nordsee dauerhaft auf der Nordic stationiert, das mittels Boot oder mittels eines externen Helikopters auf havarierte Schiffe übersetzen kann, um die Besatzung des havarierten Schiffes bei der ordnungsgemäßen und fachmännischen Befestigung der Schleppseile zu unterstützen. Darüber hinaus können bis zu 10 Schiffsmechaniker-Auszubildende mit einem Ausbildungsoffizier an Bord untergebracht werden.[8]

Einsatzspektrum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eigner der Nordic ist die NORTUG Bereederungsgesellschaft, an der die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Küstenschutz beteiligt sind. Den Betrieb des Schiffes übernimmt die Bugsier-, Reederei- und Bergungsgesellschaft. Der Hochseeschlepper ist bis 2028 für etwa 114 Millionen Euro[7][9] an das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) verchartert, das die Nordic im Rahmen des deutschen Notschleppkonzeptes einsetzt. Basishafen der Nordic ist Cuxhaven. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 19,9 Knoten kann sie Havaristen in der Deutschen Bucht innerhalb von wenigen Stunden erreichen.

Um auch in potentiell gefährlicher Umgebung von Havaristen operieren zu können, wurde die Nordic mit Gas- und Explosionsschutz ausgestattet.[5]

Technik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Maschinenanlage und Antrieb[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Maschinenanlage der Nordic besteht aus den beiden Hauptmotoren des Typs MTU 20V8000M71L GSB (Gasschutzbetrieb), zwei Hilfsmotoren (MTU 12V4000) zum Antrieb der beiden Hauptgeneratoren und einem weiteren Dieselmotor von MAN, der den Notgenerator antreibt.

Bei den Hauptmotoren handelt es sich um 20-Zylinder-V-Motoren, die mit Common-Rail-Einspritzung und jeweils vier wassergekühlten Turboladern ausgerüstet sind. Sie haben einen Hubraum von knapp 350 Litern und gehören mit einer Hubraumleistung von rund 24,5 kW/Liter bei einem Ladedruck von 4,1 bar zu den leistungsfähigsten Marine-Dieselmotoren. Der Antrieb der Nordic erfolgt dieselmechanisch über Flender-Reduktionsgetriebe und Wellenanlage auf zwei in festen Kortdüsen laufende Verstellpropeller des Herstellers Berg Propulsion.[9]

Die Nordic verfügt über zwei hydraulische Rudermaschinen sowie über zwei Bugstrahl- und ein Heckstrahlruder.

Die Nordic ist für den Betrieb in explosionsfähiger oder gesundheitsgefährdender Atmosphäre vorbereitet, wie sie beispielsweise nach einer Havarie von Tankern oder Frachtschiffen mit gefährlichen Gütern wie beispielsweise Chemikalien oder bei Bränden auf Schiffen auftreten können. Eine Seewasserkühlung der Abgasanlage reduziert in einem solchen Fall die Abgastemperatur auf Werte unter 135 °C, wodurch sich die Motorleistung auf etwa 4.000 kW reduziert. Flammsperren verhindern, dass die Außenluft durch die Motoren entzündet werden kann. Darüber hinaus werden die Motoren beim Ansaugen von zündfähigen Gasen so überwacht und geregelt, dass ein Überdrehen verhindert und die Motorleistung in Abhängigkeit von der Temperatur in den Ansaugschächten reduziert wird.[10][11]

Außenluftunabhängige Atemluftversorgung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der komplette Aufbau und der Maschinenraum der Nordic kann für den Betrieb des Schiffes in gefährlicher Außenatmosphäre gasdicht verschlossen werden. Dieser gasdicht abschließbare Bereich des Schiffes wird in Anlehnung an den zentralen und stark gepanzerten Teil eines Schlachtschiffes, der die wichtigsten technischen Anlagen und Bereiche des Schiffes schützt, auch als Zitadelle bezeichnet. Innerhalb der Zitadelle kann ein Überdruck von etwa 2 bis 4 mbar erzeugt werden, so dass sichergestellt ist, dass die gefährliche Außenatmosphäre durch eventuell vorhandene geringfügige Leckagen nicht in das Innere des Schiffes eindringen kann. In diesem Zustand können die verschiedenen abgeschlossenen Druckbereiche des Schiffes nur noch durch insgesamt drei vorhandene Luftschleusen verlassen und betreten werden. Die vom Hersteller Dräger installierte Atemluftanlage zur Erzeugung und Speicherung der Atemluft besteht aus zwei Atemluft-Hochdruckverdichtern des Herstellers Bauer Kompressoren und aus insgesamt 108 Hochdruckspeicherflaschen mit je 50 Liter geometrischem Inhalt. Bei einem Speicherdruck von etwa 300 bar können darin etwa 1.600 Normkubikmeter Atemluft gespeichert werden. Über ein verzweigtes Rohrleitungsnetz kann im Einsatzfall die Atemluft in alle Bereiche der Zitadelle verteilt werden. Die Steuerung der Verteilung der Atemluft erfolgt über eine Bedientafel auf der Kommandobrücke.

Stand 2015 ist die Nordic der weltweit einzige zivile Schlepper mit einer außenluftunabhängigen Atemluftversorgung.[12]

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die wichtigsten Steuer-, Bedien- und Anzeigeeinrichtungen auf der Kommandobrücke der Nordic sind vierfach vorhanden, damit das Brückenpersonal an seinen jeweiligen Plätzen immer in Fahrtrichtung blicken kann, unabhängig davon ob sich das Schiff gerade vorwärts, rückwärts oder mit Hilfe seiner Querstrahlruder seitwärts bewegt.

Die Nordic verfügt über insgesamt zwei Schleppseilwinden.

Zum Zwecke der Brandbekämpfung besitzt die Nordic zwei Löschmonitore.

Einsätze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 2015 war die Nordic beim Unfall der Purple Beach im Einsatz, der sie sich unter Gasschutzbedingungen bis auf 100 Meter näherte.[13]

Im Jahr 2017 konnte das Stranden der Glory Amsterdam trotz des Einsatzes der Nordic nicht verhindert werden. Die Herstellung der Schleppverbindung hatte sich um mehrere Stunden verzögert, da der chinesische Kapitän der Glory Amsterdam die Nordic zunächst für ein kommerzielles Schiff hielt und das aus seiner damaligen Sicht kostenpflichtige Abschleppen seines Schiffes mehrere Stunden lang verweigerte. Nach einer weiteren Wetterverschlechterung und Fehlern der Schiffsbesatzung der Glory Amsterdam bei der Befestigung des Schleppseils konnte ein zwischenzeitlich per Hubschrauber übergesetztes deutsches Boarding-Team das Stranden des Schiffes nicht mehr verhindern. Um ähnliche Situationen in der Zukunft zu vermeiden, wurde der Rumpf der Nordic im Jahre 2019 unter anderem auch mit den Farbkennzeichnungen der deutschen Küstenwache versehen.[14][15]

Im Februar 2021 schleppte die Nordic den havarierten niederländischen Stückgutfrachter Peak Bilbao zur Insel Helgoland, wo er an den Schlepper Bugsier 10 übergeben wurde, der die Peak Bilbao nach Wilhelmshaven brachte.[16]

Beim Brand des Autotransporters Fremantle Highway im Juli 2023 vor der niederländischen Nordseeinsel Ameland war die Nordic zur Brandbekämpfung im Einsatz.[17]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Günter Full: Notschlepper »Nordic« für die Nordsee. In: Hansa. Heft 1, 2011, ISSN 0017-7504, S. 20–22.
  • Notschlepper „Nordic“ in Dienst gestellt. In: Schiff & Hafen. Heft 2, 2011, ISSN 0938-1643, S. 30–32.
  • Peter Andryszak: Abschleppdienst. In: Deutsche Seeschifffahrt. Heft 1, 2011, ISSN 0948-9002, S. 44–47.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Nordic – Sammlung von Bildern

Dokumentation des NDR über die Nordic (2024)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Equasis - France-Ministry for Transport: Administrative Daten der „Nordic“. Abgerufen am 23. Februar 2011 (Login nötig).
  2. a b c Datenblatt der Nordic. (PDF) Fairplay Towage Group, abgerufen am 4. Februar 2021.
  3. a b Ablieferungen und Auftragsbestand 2009. In: Schiff & Hafen. Nr. 2, Februar 2010, S. 36 (schiffundhafen.de (Memento vom 25. April 2012 im Internet Archive) [PDF; 633 kB]).
  4. Neuer Notschlepper „Nordic“ getauft (Memento vom 25. April 2012 im Internet Archive), Zeitungsausschnitt (JPG; 167 kB).
  5. a b Verena Leidig: Nachfolger für „Oceanic“ wird gebaut. In: Norderneyer Morgen. Nr. 234, 18. August 2009, S. 2 (norderneyer-morgen.de (Memento vom 25. April 2012 im Internet Archive) [PDF; 1,1 MB]).
  6. Peer Schmidt-Walther: Superschlepper "NORDIC" von Erprobung zurück. Abgerufen am 19. Januar 2011.
  7. a b Süddeutsche Zeitung, Andreas Opitz: Schlepper in Not. Nr. 72, 28. März 2011, S. 33.
  8. Coast Protection – Notschlepper helfen bei Schiffshavarien. Abgerufen am 7. August 2023.
  9. a b Jack Gaston: The new ETV Nordic enters service. Maritime Journal, 31. Januar 2011, abgerufen am 1. Juni 2021.
  10. Volker Landwehr: Nordic. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. Oktober 2013; abgerufen am 25. Oktober 2013.
  11. Notschlepper „Nordic“ in Dienst gestellt. In: Schiff & Hafen. Nr. 2, Februar 2011, S. 30–32 (schiffundhafen.de [PDF; 925 kB]).
  12. https://www.mtu-report.com/de-de/Marine/150-Jahre-Seenotretter/High-Tech-Antriebe-fur-Seenotrettung-und-Kuestenschutz (Bildunterschrift)
  13. Anika Emmerich: Gasschutzeinsatz für Nordseenotschlepper mit MTU-Antrieb, MTU-Report, 29. Mai 2015.
  14. Rettungsversuche für Glory Amsterdam bislang fehlgeschlagen. (PDF; 250 kB) Pressemitteilung-Nr. 2. In: www.havariekommando.de. Havariekommando, 29. Oktober 2017, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 28. März 2023.@1@2Vorlage:Toter Link/www.havariekommando.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  15. Robert Hädicke: Notschlepper „Nordic“ bekennt Flagge. In: nwzonline.de. 10. August 2019, abgerufen am 7. August 2023.
  16. Havarierter Frachter gesichert nach Wilhelmshaven geschleppt. Süddeutsche Zeitung, abgerufen am 9. Februar 2021.
  17. Annette Birschel: Nach Abfahrt in Bremerhaven: Auto-Frachter „Fremantle Highway“ brennt – Löschen schwierig. Nordsee-Zeitung, 26. Juli 2023, abgerufen am 26. Juli 2023.