Polymethylmethacrylat

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 12. Oktober 2016 um 12:00 Uhr durch Roland.chem (Diskussion | Beiträge) (→‎Einleitung: - synthetischer). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Strukturformel
Polymethylmethacrylat
Allgemeines
Name Polymethylmethacrylat
Andere Namen
  • PMMA
  • Poly(methyl-2-methylpropenoat)
CAS-Nummer 9011-14-7
Monomer Methacrylsäuremethylester
Summenformel der Wiederholeinheit C5H8O2
Molare Masse der Wiederholeinheit 100,12 g·mol−1
Art des Polymers

Thermoplast

Eigenschaften
Aggregatzustand

fest

Dichte

ca. 1,18 bis 1,19 g·cm−3[1]

Glastemperatur

ca. 105 °C[2]

Löslichkeit

unbeständig gegen polare Lösungsmittel, wie z. B. Aceton[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[3]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Polymethylmethacrylat (Kurzzeichen PMMA, auch Acrylglas) ist ein transparenter thermoplastischer Kunststoff.

Geschichte

Acrylglas wurde 1928 etwa zur selben Zeit in Deutschland, Großbritannien und Spanien entwickelt. In Deutschland war hieran der Chemiker Walter Bauer (1893–1968) beteiligt. Die ersten gegossenen Scheiben aus Acrylglas wurden im Jahre 1933 in Deutschland von Otto Röhm hergestellt und zur Marktreife gebracht. Es wird heute in großen Mengen für ein breites Spektrum von Anwendungen eingesetzt. Die ersten Kontaktlinsen aus Kunststoff wurden etwa 1939 durch Heinrich Wöhlk aus PMMA hergestellt. Eines der ersten Alltagsprodukte aus PMMA waren Deckel von Radio-Plattenspieler-Kombinationen Braun SK 4 von 1956.

Herstellung

PMMA wird routinemäßig radikalisch durch Emulsions- oder Substanzpolymerisation hergestellt.[2] Auf solche Weise produziertes PMMA ist ataktisch und völlig amorph. Eine anionische Polymerisation (einschließlich Methoden der lebenden Polymerisation) von PMMA ist ebenfalls möglich.

Synthetisierung durch radikalische Polymerisation

Folgende Reaktionen laufen beispielsweise mit Dibenzoylperoxid als Initiator ab:

1. Radikalbildung

Da organische Peroxide bei geringer Wärmezufuhr homolytisch zerfallen, eignen sie sich gut als Radikal-Bilder. Zunächst wird Dibenzoylperoxid gespalten, bevor sich von den entstehenden Radikalen Kohlenstoffdioxid (CO2) abtrennt:

2. Kettenstart

Nun reagiert das entstandene Radikal mit Methacrylsäuremethylester (MMA) zu einem neuen, größeren Radikal.

3. Kettenwachstum

Beim Kettenwachstum reagiert das beim Kettenstart entstandene Radikal erneut mit dem Methacrylsäuremethylester. Diese Reaktion passiert immer wieder, so dass ein immer größeres Radikal entstehen.

4. Kettenabbruch

Das Kettenwachstum kann auf verschiedene Weisen abbrechen: Zwei wachsende Ketten können aufeinandertreffen und kombinieren oder disproportionieren oder eine wachsende Kette kann mit einem Starterradikal reagieren. Hier ist die erste Möglichkeit dargestellt:

Aufbau und Eigenschaften

Struktur von Polymethylmethacrylat

Druck, Temperaturverlauf und Dauer des Polymerisationsprozesses haben dabei Einfluss auf die mittlere Länge der entstehenden Polymerketten sowie der Vernetzung und Verschränkung der Polymerketten untereinander. Dies hat wiederum direkte Auswirkungen auf einige physikalische und chemische Eigenschaften, die je nach Produktionsverfahren leicht von den nachfolgend genannten Werten abweichen können.

PMMA verbrennt knisternd, mit gelblicher Flamme, süßlichem Geruch, tropfend und ohne Rückstände. Beim Beklopfen mit dem Fingernagel klingt PMMA im Vergleich zu transparentem Polystyrol wegen geringerer Härte nicht blechern.

PMMA ist jenseits von 100 °C plastisch verformbar und diese Verformung ist thermisch reversibel. Es ermöglicht eine gute spanabhebende Bearbeitung, lässt sich sehr gut mit CO2-Lasern schneiden oder gravieren und ist kratzunempfindlicher als andere Thermoplaste. Verbindungen durch Kleben oder Schweißen sind möglich. Es transmittiert Licht besser als Mineralglas, ist gut einfärbbar, witterungs- und alterungsbeständig, beständig gegen Säuren, Laugen mittlerer Konzentration, Benzin und Öl. Ethanol, Aceton und Benzol greifen PMMA jedoch an. Daher dürfen Acrylglasflächen auch nicht mit Alkohol oder Lösungsmitteln gereinigt werden, da sonst Spannungsrisskorrosion entsteht. Es absorbiert UV-Licht (abgesehen von speziellen UV-durchlässigen Varianten für den Einsatz in der Röntgenlithographie oder für Solarien).

Die gute Witterungsstabilität der Methacrylatpolymere ist bedingt durch die rein aliphatische Struktur und die sterische Abschirmung der Polymerkette. Kommen bei der Polymerisation weitere Monomere (Alkyl- oder Arylmethacrylate) zum Einsatz, ist es möglich, die Eigenschaften des Mischpolymerisats den Produkterfordernissen anzupassen. So kann durch geeignete Wahl des Alkoholrests des monomeren Esters beispielsweise die Polymererweichungstemperatur beeinflusst werden: Langkettige Ester wie Lauryl- und Stearylmethacrylate zeigen bereits wachsartige Polymereigenschaften; Ester mit stark verzweigtem Alkoholrest liefern Polymere mit reduzierter Lösungsviskosität.

Copolymer-Kombinationen anionischer und kationischer PMMA ergeben Interpolyelektrolytkomplexe (IPEC).[4] Sie werden bevorzugt eingesetzt, Arzneistoffe zu ummanteln und sie in gut vorgegebener Weise freizusetzen.

Auch die Möglichkeiten der Formgebung sind sehr vielfältig. So kann es nicht nur als Glasersatz bei Fenstern eingesetzt werden, sondern auch für Haushaltsgegenstände, wie beispielsweise Schüsseln.

Technische Eigenschaften von PMMA:

Einsatzgebiete

Eine für Schau- und Lehrzwecke illustrativ und sicher in PMMA eingegossene Probe des giftigen und stark ätzenden chemischen Elementes Brom, das hierzu vorher in eine Glasampulle eingeschmolzen werden musste, damit es nicht mit dem PMMA reagieren kann.

Aus Polymethylmethacrylat wird zum Einsatz in verschiedensten Bereichen eine Vielzahl von transparenten und nicht-transparenten Gegenständen, Waren, Bauteilen, Halbprodukten bzw. Halbzeugen gefertigt. PMMA ist z. B. unentbehrlich in der Zahnmedizin, wo es für Prothesen eingesetzt wird. Hierfür wird der Kunststoff mit Metallsalzen eingefärbt, so dass die typische rosa Farbe entsteht. In durchsichtiger Form wird er für Verbandsschienen eingesetzt. Der Kunststoff wird frei angemischt und härtet unter Hitze und Druck aus. Es können auch Aktivatoren zugesetzt werden.

Übersicht wichtiger Einsatzgebiete:

  • und weitere Gebiete bzw. Produkte
    • Bildende Kunst: Als Werkstoff und Bildträger
    • Fotografie: Direkter Fotodruck (meist nach CMYK-Farbmodell) auf die Rückseite des Acrylglases (Acrylglas-Foto)
    • Gartenbau: Beispielsweise für Bedachungen und Seitenteilen von Treibhäusern
    • Haushaltwaren: Schüsseln, Gehäuse, Behälter, Salatlöffel, Salz- und Pfeffermühlen
    • Klebstoffe: Methylmethacrylatklebstoff für Verbindungen von Metallen und Kunststoffen
    • Musikinstrumente: Schlagzeuge, Tastenbeläge von Klavieren
    • Raucherwaren: Zur Herstellung von Wasserpfeifen, sogenannte Acrylbongs
    • Schmuck: Sogenannte Plugs und anderer Schmuck für z. B. geweitete Piercings.
  • Material für Lasercutter
    • Platten aus extrudiertem Acryl eignen sich besser zum Schneiden, Platten aus gegossenem Acryl besser zum Gravieren.

Marken- und Handelsnamen

Bekannt wurde PMMA unter dem Handelsnamen Plexiglas, angemeldet 1933 von Otto Röhm.[6] In Europa und Asien ist Plexiglas ein eingetragener Markenname der Evonik Röhm GmbH,[7] in den USA der Altuglas International (Arkema Gruppe).[8] Jedoch vertreibt auch Evonik unter dem Namen Acrylite® sein Acrylglas in den USA.

In Europa vermarktet die Altuglas International Gruppe PMMA unter dem Namen Altuglas; die Arkema Gruppe PMMA unter dem Namen Oroglas.[9]

Polymethylmethacrylat wird umgangssprachlich auch Acrylglas oder O-Glas genannt. O-Glas war der Markenname des Materials in der DDR (für „organisches Glas“). Einziger Hersteller waren die Stickstoffwerke Piesteritz. Von „Piesteritz“ leitet sich der Handelsname Piacryl ab.

Es gibt eine Vielzahl von weiteren herstellerspezifischen Handelsnamen, darunter Biacryl, Conacryl, Deglas, Diakon, Friacryl, Hesaglas, Limacryl, PerClax und Vitroflex.

Recycling

Recycling-Code für Polymethylmethacrylat

Der Recycling-Code für Polymethylmethacrylat ist 07.

Siehe auch

Andere Kunststoffe für transparente Anwendungen:

Literatur

  • Kai Buchholz, Ralf Beil (Hrsg.): Plexiglas®. Werkstoff in Architektur und Design (anlässlich der Ausstellung Plexiglas, Werkstoff in Architektur und Design, Institut Mathildenhöhe Darmstadt, Museum Künstlerkolonie, 16. September 2007 - 6. Januar 2008. Übersetzt von RAG Service, Sprachendienst). Wienand, Köln 2007, ISBN 978-3-87909-925-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Kaiser, Kunststoffchemie für Ingenieure, 3. Auflage, Carl Hanser, München, 2011, S. 353f.
  2. a b c Wolfgang Kaiser, Kunststoffchemie für Ingenieure, 3. Auflage, Carl Hanser, München, 2011, 339ff.
  3. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  4. Diego Gallardo, Brigitte Skalsky, Peter Kleinbudde: Characterization of combinations between anionic-cationic poly(methyl methacrylate) copolymers. In: Die Pharmazeutische Industrie, Band 73, Nr. 10, 2011, S. 1875–1884.
  5. a b Degussa Röhm Plexiglas Produktbeschreibung, Kenn-Nr. 211-1, Feb. 2003.
  6. Geschichte auf www.plexiglas.de
  7. Eingetragen 2006-05 als Gemeinschaftsmarke unter der Nummer 003739505
  8. Altuglas International.
  9. Oroglas.