Stringtheorie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 23. September 2016 um 18:27 Uhr durch Miracle173 (Diskussion | Beiträge) (→‎Überblick: Rechtschreibung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Als Stringtheorie bezeichnet man eine Sammlung eng verwandter hypothetischer physikalischer Modelle, die anstelle der Elementarteilchen – das sind Objekte der Dimension Null – sogenannte Strings (englisch für Fäden oder Saiten) als fundamentale Objekte mit eindimensionaler räumlicher Ausdehnung verwenden. Das steht im Gegensatz zu den gewohnten Modellen der Quantenfeldtheorie, die von nulldimensionalen Teilchen ausgehen.

Stringtheorien wurden in den 1960er Jahren zur Beschreibung der starken Wechselwirkung (Quantenchromodynamik) verwendet, wobei die Gluonen als räumlich ausgedehnte Saiten zwischen den Quarks aufgefasst wurden. Seit den 1980er Jahren erlebte die Stringtheorie neues Interesse, diesmal als Kandidat einer vereinheitlichten Theorie, die das Standardmodell der Elementarteilchenphysik und die Gravitation miteinander verbindet. Ihre hauptsächliche Anwendung findet sie dabei in der supersymmetrischen Version der Stringtheorie (Superstringtheorie), die eine Symmetrie zwischen Bosonen und Fermionen beinhaltet. In den 1990er Jahren stellte sich heraus, dass die bis dahin bekannten Superstringtheorien sowie die 11-dimensionale Supergravitation miteinander verbunden und Teil einer umfassenderen Theorie (M-Theorie genannt) sind, die auch höherdimensionale Objekte (sogenannte „Brane“) umfasst. Ob es sich bei der Stringtheorie überhaupt um eine wissenschaftliche Theorie handelt, die falsifizierbare experimentelle Voraussagen machen kann, ist nicht geklärt.

Überblick

Strings als Bausteine des Universums – eine Hierarchie: vom makroskopischen Objekt zu Atomen, Kernen, Quarks bzw. Gluonen und „strings“
Wechselwirkungen im subatomaren Bereich: Weltlinien von Punktteilchen im Standardmodell bzw. die analogen Weltflächen in der Stringtheorie

Im Gegensatz zum Standardmodell der Teilchenphysik sind bei der Stringtheorie die fundamentalen Bausteine, aus denen sich unsere Welt zusammensetzt, keine Teilchen im Sinne von Punkten (also nulldimensionalen Objekten), sondern vibrierende eindimensionale Objekte. Diese eindimensionalen Objekte werden Strings genannt. Elementarteilchen kann man sich als Schwingungsanregung der Strings vorstellen, wobei die Frequenz nach der Quantenmechanik einer Energie entspricht.

In Weiterentwicklungen der Stringtheorie, den sogenannten Brane-Theorien, werden als Basisobjekte nicht nur eindimensionale (bzw. bei Einschluss der Zeit (1+1)-dimensionale) Strings angesehen, sondern auch höherdimensionale Objekte („Brane“[1] genannt) verwendet.

Durch Annahme dieser eindimensionalen Struktur der Strings treten automatisch viele erwünschte Eigenschaften einer eher fundamentalen Theorie der Physik hervor. Am meisten sticht hervor, dass jede Stringtheorie, die mit der Quantenmechanik vereinbar ist, eine Quantengravitation beinhalten muss.

In der Stringtheorie werden Probleme, die durch divergierende Schleifenintegrale und die der zu ihrer Zähmung entwickelten Renormierungstheorien entstehen, vermieden, sie ergeben sich speziell für Punktteilchen aus ihrer Selbstwechselwirkung, die bei ausgedehnten z. B. eindimensionalen Objekten „verschmiert“ und damit abgemildert wird. Im besonderen weil sie keine Interaktionen von Punktteilchen beschreibt. Betrachtet man die Heisenbergsche Unschärferelation , so stellt man folgendes fest: Wenn , dann . Dies bedeutet, dass bei einer verschwindenden Distanz ein unendlicher Impuls entstehen würde. In der Stringtheorie wird nun der Fall vermieden und es existiert eine obere Grenze, der Impuls kann nur einen großen, aber endlichen Wert haben, auf diesem Weg werden die Divergenzen in der Theorie vermieden. Die Unschärfrelation wird in der Stringtheorie modifiziert durch:

mit

Wobei die Stringspannung beschreibt. Der neue Term wird hier benutzt um eine minimale Distanz festzulegen. Die minimale Distanz ist nun gegeben durch:

Wenn nun gilt, tritt das Problem von Punktinteraktionen nicht auf, weil diese ausgeschlossen sind.

Die charakteristische Längenskala der Strings müsste in der Größenordnung der Plancklänge liegen, der Größe, unter der Effekte der Quantengravitation wichtig werden:

.

Auf viel größeren Längenskalen, wie sie heute in Laboratorien zugänglich sind, wären diese Objekte nicht von nulldimensionalen punktförmigen Partikeln zu unterscheiden. Trotzdem würden die Vibrationszustände und die Struktur dieser winzigen Strings sie als verschiedene Elementarteilchen des Standardmodells der Elementarteilchenphysik erscheinen lassen. Zum Beispiel würde ein Schwingungszustand des Strings mit einem Photon assoziiert werden, ein anderer Zustand mit einem Quark. Diese vereinigende Wirkung der Stringtheorie ist eine ihrer größten Stärken, doch reproduziert noch keine bekannte Lösung dieser Theorie genau die Vielzahl von Teilchen, die das Standardmodell kennt.

In der Raumzeit überstreicht ein Partikel eine Linie, Weltlinie genannt: Das Teilchen hat keine räumliche Ausdehnung, aber es bewegt sich entlang der „Zeit“. Ein String besitzt dagegen eine zweidimensionale Weltfläche („World Sheet“), da er auch eine räumlich eindimensionale Ausdehnung hat. Die Wechselwirkungen der Elementarteilchen, in der üblichen Quantenfeldtheorie der Punktteilchen mit Feynman-Diagrammen in der Raum-Zeit beschrieben, kann man sich durch „Verdickung“ dieser Feynman-Diagramme in einer Raumrichtung vorstellen (siehe das nebenstehende Bild).

Arten von Strings

Geschlossene und offene Strings

Strings können entweder offen oder geschlossen sein. Ein „geschlossener String“ besitzt keine Endpunkte und ist daher in seiner Topologie einem Kreis äquivalent. Ein „offener String“ hat zwei Enden und ist topologisch äquivalent zu einer Strecke. Nicht alle Stringtheorien enthalten offene Strings, aber jede Theorie muss geschlossene Strings enthalten, da Wechselwirkungen offener Strings immer geschlossene erzeugen können.

Die älteste Stringtheorie, die offene Strings enthielt, war die Typ-1-Stringtheorie.

Mit offenen wie geschlossenen Strings sind immer charakteristische Schwingungsarten (Moden) verbunden. Eine bestimmte Vibration eines geschlossenen Strings kann als Graviton identifiziert werden. In gewissen Stringtheorien stellt die Schwingung mit der niedrigsten Energie eines offenen Strings ein Tachyon dar. Andere Schwingungsmoden offener Strings zeigen die Eigenschaften von Photonen oder Gluonen.

Orientierung

Strings können auch eine „Orientierung“ besitzen, die man sich als stringinternen Pfeil denken kann, der sie von Strings mit der entgegengesetzten Orientierung unterscheidet. Im Gegensatz dazu gibt es auch den „nicht-orientierten String“, dem kein solcher Pfeil zugewiesen werden kann.

Bosonische Stringtheorie

Nambu-Goto-Wirkung

Die Nambu-Goto-Wirkung ist die einfachste Form der Wirkung einer Stringtheorie und beschreibt eine bosonische Stringtheorie (ohne Fermionen) und wurde um 1970 von Yoichiro Nambu[2] und Tesuo Goto[3] eingeführt. Da die Lichtkegelquantisierung der Nambu-Goto-Wirkung nicht manifest kovariant ist, bietet sich hier die äquivalente, aber kompliziertere Polyakov-Wirkung an. Ein Punktteilchen, das sich durch die Raumzeit bewegt, beschreibt eine ein-dimensionale Kurve, auch Weltlinie genannt. Analog dazu beschreibt ein ein-dimensionaler String, der sich durch die Raumzeit bewegt, eine zwei-dimensionale Weltfläche. Die Weltfläche eines Strings wird beschrieben durch eine Parametrisierung wobei und als Zeitparameter interpretiert werden kann und den String parametrisiert, für geschlossene Strings gilt . Sei nun der Tangentialraum der Weltfläche aufgespannt durch die Vektoren und . Um die Weltfläche zu beschreiben kann nun die bekannte Flächenformel benutzt werden.

Weltlinie, Weltfläche und Weltvolumen, wobei ein geschlossener String einen Zylinder beschreibt (hier nicht abgebildet).

Da die Wurzel nun negativ ist, muss noch das Vorzeichen geändert werden, indem einfach die Terme vertauscht werden; setzt man nun die Tangentialvektoren ein, führt dies auf:

Nach der Multiplikation mit entsprechenden Einheiten, um das Funktional konsistent mit einer physikalischen Wirkung zu machen, erhält man nun die Nambu-Goto-Wirkung für geschlossene und offene relativistische Strings in einer d-dimensionalen Raumzeit, wobei die Lichtgeschwindigkeit beschreibt.

Wobei

Mit

,

Die Impulsdichten ergeben sich zu

Die Nambu-Goto-Wirkung kann auch in manifester reparametrisierungsinvarianter Form geschrieben werden, wobei im Detail: dies führt auf:

Die Form dieser Wirkung eignet sich auch zur Verallgemeinerung auf Objekte, die eine höhere Dimensionalität als Strings haben wie z. B. D-Brane.

Polyakov-Wirkung

Die Quadratwurzel der Nambu-Goto Wirkung hat entscheidende Nachteile bei der Quantisierung, eine einfachere Form ist die Polyakov-Wirkung, auch String-Sigma-Modell genannt.

Wobei eine zusätzliche Weltflächen Metrik ist. Reparametrisierungsinvarianz und Skalierungsinvarianz erlauben es das Hilfsfeld als zu wählen, worauf sich die Polyakov-Wirkung vereinfacht zu

für Bewegungsgleichungen in einer flachen Minkowski-Raumzeit.

Symmetrien der Polyakov-Wirkung

  • Poincaré-Transformation: Globale Symmetrie der Weltflächen-Felder mit wobei
  • Reparametrisierungen: Die Polyakov-Wirkung ist klassische äquivalent zur Nambu-Goto-Wirkung, ist daher auch lokal Reparametrisierungsinvariant unter und
  • Weyl Transformationen: Lokal Invariant unter Reskalierung und

Bewegungsgleichungen und Randbedingungen

Nehmen wir die Bewegung in der flachen Minkowski-Raumzeit an. Die Bewegungsgleichungen der Wirkung beschreiben eindeutig Wellengleichungen. . Mit verschwindendem Energie-Impulstensor als weitere Einschränkung.

Für einen geschlossenen String gelten nun die periodischen Randbedingungen

Für einen offenen String gelten die Neumann-Randbedingung (String dessen Endpunkte sich Bewegen)

für

Offenen String mit Dirichlet-Randbedingung (beide Endpunkte des Strings „auf gleicher Höhe“ fixiert)

und

Lösung der Bewegungsgleichungen

Um Lösungen der Bewegungsgleichungen zu finden, bietet sich eine Formulierung in Lichtkegel-Koordinaten an mit

mit Ableitungen und und Wellengleichung

Geschlossener String

Die allgemeine Lösung der Wellengleichung mit Randbedingungen für geschlossene Strings ist gegeben durch

Wobei der Parameter für zur Vereinfachung gesetzt wurde. bezeichnet man bei einem geschlossenen String als rechts-Beweger und als links-Beweger.

Offener String

Die allgemeine Lösung für offene Strings mit Neumann-Randbedigungen ist gegeben durch

ist die Position des Masseschwerpunktes und der Gesamtimpuls des Strings und der exponentielle Term beschreibt die angeregten Zustände.

Historische Entwicklung

Kompaktifizierung (zur Veranschaulichung auf die Schnittpunkte der Achsen reduziert)
Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten ersetzen die im vorherigen Bild dargestellten braunen „Haselnüsse“. Sie sind bereits detailliert in der Mathematik untersucht worden, bevor die Physiker sie in der Stringtheorie zur Beschreibung der Zusatzdimensionen einsetzten.

Ursprünglich war die Entdeckung der Strings (als „duale Modelle“) eine Formel von Gabriele Veneziano aus dem Jahre 1968 im Rahmen der Streumatrix-Theorie stark wechselwirkender Teilchen. 1970 gaben Yōichirō Nambu, Holger Bech Nielsen und Leonard Susskind eine Interpretation in Form von eindimensionalen Strings. Zunächst nur für Teilchen mit ganzzahligem Spin (Bosonen) formuliert, folgte schon bald 1971 die Beschreibung von Teilchen mit halbzahligen Spin (Fermionen) im Stringmodell durch André Neveu, John Schwarz und Pierre Ramond. Daraus ergab sich im Laufe der 1970er Jahre die Einsicht, dass in den Stringmodellen Supersymmetrie zwischen Bosonen und Fermionen bestehen muss. Anfangs bestand die Hoffnung, mit Strings die starke Wechselwirkung zu beschreiben, doch die Entdeckung, dass die Quantentheorie der Strings nur in 26 Dimensionen (Bosonen-String) bzw. zehn Dimensionen (Superstring) möglich ist, versetzte der Theorie um 1974 zunächst einen Dämpfer. Durch die Arbeit von Joel Scherk u. a. wurde jedoch bald darauf klar, dass eine Superstring-Theorie als Kandidat für eine vereinheitlichte Theorie der Naturkräfte inklusive der Gravitation in Frage käme. Die Gravitation ergibt sich bei geschlossenen Strings automatisch als masselose Spin-2-Anregung, die übrigen bekannten Naturkräfte (alles Eichtheorien) entsprechen masselosen Spin-1-Bosonenanregungen. Die zusätzlichen Dimensionen müssten dann auf irgendeine Weise „zusammengerollt“ (kompaktifiziert) werden, wie schon bei den seit den 1930er Jahren bekannten Kaluza-Klein-Theorien (siehe Kaluza-Klein-Kompaktifizierung).

1984 entdeckten Michael Green und John Schwarz, dass sich in Superstringtheorien die Ein-Schleifen-Divergenzen in der Störungstheorie nur bei ganz bestimmten Symmetriegruppen (der Drehgruppe in 32 Dimensionen SO(32) und der speziellen Lie-Gruppe E8) aufheben. Außerdem wurde bei diesen Symmetrien das Auftreten von „Anomalien“ vermieden, das heißt ein Symmetriebruch aufgrund quantenmechanischer Effekte in bestimmten Wechselwirkungsdiagrammen. Dies führte zu einer Neubelebung der Theorie und einer ganzen Reihe weiterer Entdeckungen (sogenannte „Erste Superstring-Revolution“). Sie zeigten nämlich, dass die Theorie für die Eichtheorien, die im Niedrigenergie-Grenzfall der Stringtheorie das Teilchenspektrum beschreiben, erhebliche Einschränkungen ergibt. Außerdem konstruierten Green und Schwarz explizit die ersten Superstringtheorien, deren Existenz vorher nur vermutet worden war.

Um nach der „Kompaktifizierung“ (dem „Einrollen“) der Extra-Dimensionen ein realistisches Modell der Elementarteilchen in den beobachtbaren 4 Dimensionen zu bekommen, folgerten Edward Witten u. a. außerdem eine Reihe von Einschränkungen für die Kompaktifizierungs-Mannigfaltigkeit (bevorzugt wurden sogenannte Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten).

Zunächst bestand die Hoffnung, auch hier stark einschränkende Prinzipien zu finden, doch entdeckte man im Laufe der 1980er Jahre, dass dies nicht der Fall war und die Theorie Raum für eine sehr hohe Zahl möglicher „Vakua“ gab.

Als Kandidaten für die Superstring-Theorien ergaben sich in den 1980er Jahren folgende fünf Theorien:

  • die Typ-I-Stringtheorie, mit offenen Enden der Strings (aber Ankopplung an geschlossene Strings durch Kontakt der Enden, entsprechend gravitativer Wechselwirkung) und der Symmetrie SO(32) mit Ladung an den Enden
  • die Typ-IIA- und die Typ-IIB-Stringtheorie, mit geschlossenen Strings; in Typ II A haben die masselosen Fermionen beide Händigkeiten (links/rechts), in II B nur eine Händigkeit (Chiralität)
  • Zwei Varianten der heterotischen Stringtheorie, geschlossene Strings, die unter Bezug auf ihre Symmetriegruppen E8xE8 bzw. SO(32) gelegentlich als E-heterotische und O-heterotische Stringtheorie bezeichnet werden. Sie wurden vom „Princeton-String-Quartett“ um David Gross gefunden. In ihnen werden rechts- und linkshändige Moden (RH, LH) durch unterschiedliche Theorien beschrieben: RH durch eine 10-dimensionale Superstringtheorie (Beschreibung von Bosonen und Fermionen), LH durch eine 26-dimensionale bosonische Stringtheorie, die aber zu 10 Dimensionen kompaktifiziert, wobei die Eichfeld-Ladungen entstehen, E8 × E8 bzw. SO(32).

Edward Witten vermutete 1995, dass die verschiedenen Stringtheorie-Typen verschiedene Approximationen einer umfassenderen Theorie, der M-Theorie, sind. Es ist noch keine vollständige und einheitliche Formulierung dieser Theorie gelungen, sie ist aber Gegenstand intensiver Forschung. Argumente dafür, dass es sich bei diesen Theorien um Aspekte einer einzelnen Theorie handelt, wurden durch Aufzeigen von Dualitäten zwischen den einzelnen Stringtheorien erbracht, das heißt, es wurde gezeigt, dass sie das gleiche System, nur z. B. im Bereich verschieden starker Kopplungskonstanten, beschreiben. Ähnliche Dualitäten wurden auch für verschiedene Lösungen („Vakua“, das heißt Grundzustände) der Stringtheorie gefunden. Dies war die sogenannte „Zweite Superstring-Revolution“, die zu einer Neubelebung der damals wieder etwas stagnierenden Theorie Mitte der 1990er führte.

Ein interessantes Ergebnis dieser Vereinigung der Teiltheorien war, dass die elfdimensionale Supergravitation, die davor etwas in die Isolation geraten war, als weiterer Grenzfall der M-Theorie erkannt wurde. Diese enthält aber keine Strings, sondern ist eine Teilchen-Approximation von zwei- und fünfdimensionalen Branen. Das verdeutlicht, dass eine allgemeine Stringtheorie mehr beschreibt als nur eindimensionale Strings, und in der Tat hat sich Ende der 1990er Jahre gezeigt, dass höherdimensionale Branen (D-Branes) eine wichtige Rolle in der Stringtheorie spielen (Joseph Polchinski).

Die Stringtheorie hat sich über die Jahre zu einem sehr aktiven Forschungsgebiet mit einer großen Anzahl von Veröffentlichungen pro Jahr entwickelt, was seinen Niederschlag unter anderem darin findet, dass einige beteiligte Forscher (insbesondere Edward Witten) zu den meistzitierten[4] Wissenschaftlern der gesamten Physik gehören.

Experimentelle Überprüfung

Gemäß der Stringtheorie gibt es ein Vibrationsspektrum von unendlich vielen Schwingungsmodi, welche aber viel zu hohe Massen (Energien) haben, um direkt beobachtet werden zu können.[5] Berücksichtigt man die geringe Ausdehnung der Strings in der Größenordnung der Planck-Länge, so bedeutet das nach einem quantenmechanischen Standardargument, dass die Vibrationsmodi Massen besitzen, die ein Vielfaches von ca. 1019 GeV betragen. Das liegt um viele Größenordnungen über dem, was man heute beobachten kann; ein direkter Nachweis dieser Vibrationsmodi ist deshalb nicht möglich. Stattdessen versucht man für die Stringtheorie spezifische Eigenschaften für die niedrigenergetischen, im Vergleich zur Planckmasse fast „masselosen“ Anregungen zu finden. Dazu müsste man aber den Kompaktifizierungsmechanismus von 10 oder 11 zu 4 Dimensionen – oder von der Planckmasse von 1019 bis zur W-Bosonenmasse von ca. 80 GeV oder der Protonmasse von ca. 1 GeV – in der Stringtheorie besser verstehen, was bisher nicht der Fall ist.

Trotzdem gibt es bereits eine Fülle diskutierter Lösungen für den beobachtbaren Niedrigenergiesektor in 4 Raum-Zeit-Dimensionen.

Allgemein wird aber eine mögliche Entdeckung der Supersymmetrie in den gerade laufenden Experimenten[6] (z. B. mit dem Large Hadron Collider (LHC)) als Unterstützung der Stringtheorie angesehen. Allerdings gibt es auch für den Mechanismus der Supersymmetrie-Brechung bei den Stringtheoretikern bisher keine Übereinstimmung. Als eine weitere Möglichkeit zur Überprüfung der Stringtheorie wurden von Gary Shiu[7] mögliche Hinweise auf die Kompaktifizierung der Extradimensionen in der kosmischen Hintergrundstrahlung diskutiert.

Rezeption

Die Stringtheorie hat im Laufe ihrer Entwicklung ein erhebliches Echo in verschiedenen Medien, vielfach in Form populärwissenschaftlicher Literatur, hervorgerufen.[8] In der jüngeren Vergangenheit wurden auch Bücher und Zeitungsartikel veröffentlicht, in denen die Stringtheorie negativ bewertet wird.[9] Dabei argumentieren die Autoren, die Stringtheorie mache keine falsifizierbaren Aussagen und sei damit nach der gängigen wissenschaftstheoretischen Auffassung keine wissenschaftliche Theorie. Der Stringtheoretiker Edward Witten vertritt die Ansicht, dass Supersymmetrie eine falsifizierbare Vorhersage der Stringtheorie sei, wodurch die Kritik entkräftet würde.[10]

Siehe auch

Fundamentale Wechselwirkungen und ihre Beschreibungen
(Theorien in frühem Stadium der Entwicklung sind grau hinterlegt.)
Starke Wechselwirkung Elektromagnetische Wechselwirkung Schwache Wechselwirkung Gravitation
klassisch Elektrostatik Magnetostatik Newtonsches Gravitationsgesetz
Elektrodynamik Allgemeine Relativitätstheorie
quanten-
theoretisch
Quanten­chromodynamik
(Standardmodell)
Quanten­elektrodynamik Fermi-Theorie Quanten­gravitation (?)
Elektroschwache Wechselwirkung
(Standardmodell)
Große vereinheitlichte Theorie (?)
Weltformel („Theorie von Allem“) (?)

Literatur

Populärwissenschaftliche Bücher

  • Brian Greene: The Elegant Universe: Superstrings, Hidden Dimensions, and the Quest for the Ultimate Theory, Vintage Books 2000, ISBN 0-393-05858-1. (Das elegante Universum, 2002, Goldmann Verlag 2005, ISBN 3-442-76026-7)
  • Brian Greene: Der Stoff, aus dem der Kosmos ist – Raum, Zeit und die Beschaffenheit der Wirklichkeit, Siedler Verlag 2004, Goldmann TB 2008, ISBN 3-88680-738-X (Originalausgabe The fabric of the cosmos).
  • Steven Gubser: The little book of string theory, Princeton University Press 2010
  • Michio Kaku: Im Hyperraum – Eine Reise durch Zeittunnel und Paralleluniversen, rororo 1998, 2001, ISBN 3-499-60360-8.
  • Michio Kaku: Die Physik der unsichtbaren Dimensionen – Eine Reise durch Zeittunnel und Paralleluniversen, rororo 1994, 2013, ISBN 978-3-499-61509-2.
  • Lisa Randall: Verborgene Universen – Eine Reise in den extradimensionalen Raum, Fischer TB 2010, ISBN 3-10-062805-5.
  • Dieter Lüst: Quantenfische: Die Stringtheorie und die Suche nach der Weltformel, C. H. Beck, München 2011, ISBN 3-406-62285-2.
  • Paul Davies, Julian R. Brown: Superstrings. Eine Allumfassende Theorie der Natur in der Diskussion. DTV, 1996, ISBN 3-423-30035-3 (zuerst 1988)
  • Frederick David Peat: Superstrings, kosmische Fäden. Hoffmann und Campe, Hamburg 1989, ISBN 3-455-08340-4.

Von Kritikern der Stringtheorie:

Lehrbücher

Aufsätze

  • Michael Greene: Superstrings, Scientific American, November 1986, Online
  • Edward Witten: What every physicist should know about string theory, Physics Today, November 2015, pdf

Weblinks

Wiktionary: Stringtheorie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Stringtheorie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Nach der englischen Endung von Membran, mit Anklang an das englische Wort „brain“ für Gehirn. Zuerst wurden zweidimensionale Objekte diskutiert, die Membranes, später auch höherdimensionale p-Branes, insbesondere die D-Branes, bei denen das D für Dirichlet-Randbedingung steht.
  2. Vorlesungen von Nambu auf einem Symposium in Kopenhagen August 1970, veröffentlicht in Nambu, Selected Papers 1995
  3. Goto, Relativistic quantum mechanics of one dimensional mechanical continuum and subsidiary condition of dual resonance model, Progress Theoretical Physics, Band 46, 1971, S. 1560
  4. z. B. mit dem H-Index gemessen
  5. Siehe z. B. den Artikel von Jan Louis: Die vielen Saiten der Stringtheorie. In: Physik Journal. Band 7, 2008, Nr. 6, S. 29–35
  6. A range of experiments at CERN investigate physics from cosmic rays to supersymmetry. CERN, abgerufen am 12. August 2016.
  7. Gary Shiu, Bret Underwood: Observing the Geometry of Warped Compactification via Cosmic Inflation. In: Physical Review Letters, Band 98, 2007, 051301, arxiv:hep-th/0610151
  8. Beispiele:
  9. Beispiele:
  10. Interview mit Witten bei PBS