„Faust. Eine Tragödie“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[ungesichtete Version][ungesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
→‎Wald und Höhle (3217–3373): Grammatikfehler behoben.
Allander (Diskussion | Beiträge)
Ich will- es muss sogleich geschehn- den Logo schonen, eh ich geh. ( Rv sinnfreie Löschungen.)
Zeile 121: Zeile 121:
Die Meditation wird von Mephisto gestört. Der spottet über Fausts Vergnügen an der öden Natur (''Dir steckt der Doktor noch im Leib!'') und vergleicht dieses mit Selbstbefriedigung. Derweil warte Gretchen doch sehnsüchtig auf den Gebliebten.
Die Meditation wird von Mephisto gestört. Der spottet über Fausts Vergnügen an der öden Natur (''Dir steckt der Doktor noch im Leib!'') und vergleicht dieses mit Selbstbefriedigung. Derweil warte Gretchen doch sehnsüchtig auf den Gebliebten.


Faust verdammt Mephisto, weil dieser seine Begierde wieder anstachelt (''Und nenne nicht das schöne Weib!''), kann sich dem Sog der Gedanken an Gretchen aber nicht entziehen. Sei die Verführung des Mädchens durch höllischen Einfluss schon unvermeidlich, möge es doch ''gleich geschehn'', auch wenn Gretchen mit ihm ''zugrunde gehn'' werde.
Faust verdammt Mephisto, weil dieser seine Begierde wieder anstachelt (''Und nenne nicht das schöne Weib!''), kann sich dem Sog der Gedanken an Gretchen aber nicht entziehen. Sei die Verführung des Mädchens durch höllischen Einfluss schon unvermeidlich, möge es doch''gleich geschehn'', auch wenn Gretchen mit ihm ''zugrunde gehn'' werde.


==== Gretchens Stube (3374–3413) ====
==== Gretchens Stube (3374–3413) ====
Zeile 305: Zeile 305:
''„ Der erste Teil ist fast ganz subjektiv; es ist alles aus einem befangenerem, leidenschaftlicheren Individuum hervorgegangen, welches Halbdunkel den Menschen auch sowohl tun mag. Im zweiten Teile aber ist fast gar nichts subjektives, es erscheint hier eine höhere, breitere, hellere, leidenschaftslosere Welt, und wer sich nicht etwas umgetan und einiges erlebt hat, wird nichts damit anzufangen wissen. Es sind darin einige Denkübungen, sage ich, und es möchte auch mitunter einige Gelehrsamkeit erfordert werden. …Ich habe immer gefunden, sagte Goethe lachend, daß es gut sei etwas zu wissen.“''
''„ Der erste Teil ist fast ganz subjektiv; es ist alles aus einem befangenerem, leidenschaftlicheren Individuum hervorgegangen, welches Halbdunkel den Menschen auch sowohl tun mag. Im zweiten Teile aber ist fast gar nichts subjektives, es erscheint hier eine höhere, breitere, hellere, leidenschaftslosere Welt, und wer sich nicht etwas umgetan und einiges erlebt hat, wird nichts damit anzufangen wissen. Es sind darin einige Denkübungen, sage ich, und es möchte auch mitunter einige Gelehrsamkeit erfordert werden. …Ich habe immer gefunden, sagte Goethe lachend, daß es gut sei etwas zu wissen.“''


== bekannte Zitate ==
== Geflügelte Worte ==
Wegen seines großen Bekanntheitsgrades und der Bedeutung, die man dem Text und seinem Autor beimisst, und auch wegen der leichten Reproduzierbarkeit von Versen, ist Goethes Faust die Quelle zahlreicher [[Geflügelte Worte|geflügelter Worte]], die bis heute oft zitiert werden, vielfach auch, ohne dass dem Zitierenden ihre Herkunft bewusst ist.
Wegen seines großen Bekanntheitsgrades und der Bedeutung, die man dem Text und seinem Autor beimisst, und auch wegen der leichten Reproduzierbarkeit von Versen, ist Goethes Faust die Quelle zahlreicher [[Geflügelte Worte|geflügelter Worte]], die bis heute oft zitiert werden, vielfach auch, ohne dass dem Zitierenden ihre Herkunft bewusst ist. Der [[Büchmann]] führt über fünfzig geflügelte Worte aus dem ersten Teil des Faust an. Einige Beispiele:

* ''Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn!'' (214)
* ''Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn!'' (214)
* ''Es irrt der Mensch, solang er strebt.'' (317)
* ''Es irrt der Mensch, solang er strebt.'' (317)
Zeile 363: Zeile 364:
* 1990 – Faust 1 im [[Schauspiel Frankfurt]] von [[Einar Schleef]].
* 1990 – Faust 1 im [[Schauspiel Frankfurt]] von [[Einar Schleef]].


* 2000 – von [[Peter Stein]]; Gesamtaufführung beider ungekürzter Teile – mit [[Bruno Ganz]] als „alter“ und [[Christian Nickel]] als „junger“ Faust. [[Johann Adam Oest]] und [[Robert Hunger-Bühler]] teilten sich die Rolle des Mephisto. [[Dorothee Hartinger]] gab die Margarete. Insgesamt waren 80&nbsp;Mitarbeiter, davon 33&nbsp;Ensemble- Schauspieler beschäftigt. Sponsoren: [[EXPO 2000|EXPO&nbsp;2000]], [[Deutsche Bank]], [[Daimler AG|DaimlerChrysler]], [[Mannesmann]], [[Ruhrgas]], die ''Deutsche Bundesregierung'', der ''Berliner Senat'', die ''Stadt Wien'' und 850&nbsp;Privatsponsoren. Premiere am 22./23.&nbsp;Juli und Serie bis 24.&nbsp;September&nbsp;2000 auf der ''EXPO&nbsp;2000'' in [[Hannover]], Gastspiel in [[Berlin]] (21.&nbsp;Oktober&nbsp;2000 bis 15.&nbsp;Juli&nbsp;2001) und [[Wien]] (8.&nbsp;September bis 16.&nbsp;Dezember&nbsp;2001). Die Aufführungsdauer (ìncl. Pausen) betrug 21&nbsp;Stunden, reine Spielzeit 15&nbsp;Stunden, aufgeteilt auf 3&nbsp;Wochenend- bzw. 4 (oder 5?) Abendvorstellungen, in eigens für dieses Großprojekt adaptierten Hallen. In den beiden Spielhallen wurden 18&nbsp;unterschiedliche Bühnenräume realisiert, zwischen denen das Publikum gehend wechselte. Der einheitliche Eintrittspreis betrug 233&nbsp;€. <small>
* 2000 – von [[Peter Stein]]; professionelle Gesamtaufführung beider ungekürzter Teile – mit [[Bruno Ganz]] als „alter“ und [[Christian Nickel]] als „junger“ Faust. [[Johann Adam Oest]] und [[Robert Hunger-Bühler]] teilten sich die Rolle des Mephisto. [[Dorothee Hartinger]] gab die Margarete. Insgesamt waren 80&nbsp;Mitarbeiter, davon 33&nbsp;Ensemble- Schauspieler beschäftigt. Sponsoren: [[EXPO 2000|EXPO&nbsp;2000]], [[Deutsche Bank]], [[Daimler AG|DaimlerChrysler]], [[Mannesmann]], [[Ruhrgas]], die ''Deutsche Bundesregierung'', der ''Berliner Senat'', die ''Stadt Wien'' und 850&nbsp;Privatsponsoren. Premiere am 22./23.&nbsp;Juli und Serie bis 24.&nbsp;September&nbsp;2000 auf der ''EXPO&nbsp;2000'' in [[Hannover]], Gastspiel in [[Berlin]] (21.&nbsp;Oktober&nbsp;2000 bis 15.&nbsp;Juli&nbsp;2001) und [[Wien]] (8.&nbsp;September bis 16.&nbsp;Dezember&nbsp;2001). Die Aufführungsdauer (ìncl. Pausen) betrug 21&nbsp;Stunden, reine Spielzeit 15&nbsp;Stunden, aufgeteilt auf 3&nbsp;Wochenend- bzw. 4 (oder 5?) Abendvorstellungen, in eigens für dieses Großprojekt adaptierten Hallen. In den beiden Spielhallen wurden 18&nbsp;unterschiedliche Bühnenräume realisiert, zwischen denen das Publikum gehend wechselte. Der einheitliche Eintrittspreis betrug 233&nbsp;€. <small> Stein, heute selbstkritisch, 5&nbsp;Jahre nach dem 15&nbsp;Mio.&nbsp;€ Großprojekt: ''Du gehst in die dritte oder vierte Vorstellung und siehst, was das für ein Schrott ist.'' [http://archiv.tagesspiegel.de/link=archiv/01.10.2005/2090671.asp|] Auch der preisgekrönte, hochprofessionelle Web- Auftritt unter www.faust-stein.de und die online- videos auf zdf.de/wissen/ sind nicht mehr online (2006).</small>


== Aktuelle Bühnenpräsenz ==
== Aktuelle Bühnenpräsenz ==

Version vom 25. Januar 2008, 16:38 Uhr

Faust. Eine Tragödie (auch Faust. Der Tragödie erster Teil oder kurz Faust I), ist eine Tragödie von Johann Wolfgang von Goethe, die 1808 veröffentlicht wurde. Das Werk gilt als eines der bedeutendsten und meistzitierten Werke der deutschen Literatur. Das Drama greift die vielfach von anderen Autoren gestaltete Geschichte des historischen Doktor Faustus auf und weitet sie im Faust II zu einer Menschheits-Parabel aus.

Datei:Faust I erstausgabe.jpg
Erstdruck

Inhalt

Ort und Zeit

Die Handlung spielt zu Lebzeiten des historischen Faust (ca. 1480–1538), also während der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Die Handlungsorte liegen im heutigen Deutschland, beispielsweise Leipzig oder der Harz.

Personen

  • Heinrich Faust, ein Gelehrter
  • Mephistopheles, kurz Mephisto, ein Teufel
  • Margarete, genannt Gretchen, ein junges Mädchen, Fausts Geliebte
  • Erdgeist, wird von Faust beschworen
  • Wagner, Fausts Famulus
  • Schüler, der bei Faust studieren will
  • Hexe, in Diensten Mephistos
  • Marthe, Gretchens Nachbarin
  • Valentin, Gretchens Bruder
  • Studenten in Leipzig
  • Bürger und Volk vor den Toren der Stadt
  • Hexen, Geister und Wahngestalten in der Walpurgisnacht

Die Handlung in Kürze

Heinrich Faust, ein angesehener Forscher und Lehrer, zieht die Bilanz seines Lebens und kommt zu einem doppelt niederschmetternden Fazit: Als Wissenschaftler fehlt es ihm an tiefer Einsicht und brauchbaren Ergebnissen, und als Mensch ist er unfähig, das Leben zu genießen. In dieser verzweifelten Lage verspricht er Mephistopheles seine Seele, wenn es diesem gelingen sollte, ihn aus seiner Unzufriedenheit und Ruhelosigkeit zu befreien. Mephistopheles nimmt Faust mit auf eine Reise durch die Welt, verschafft ihm Einblick in Banalitäten und Mysterien und verstrickt ihn in die tragisch verlaufende Liebschaft mit der jungen Margarete, genannt Gretchen.

Die Handlung nach Szenen

Zueignung (Zeilen-/Versnummer 1–32)

Satan wettet mit Gott.
Szene aus der Hiobslegende auf einem Fresko im Campo Santo di Pisa, von Taddeo Gaddi (um 1290–1366).

In der Zueignung redet Goethe die Personen des Dramas selbst an, berichtet vom Schaffensprozess und gibt auch die Stimmung wieder, die sich seiner dabei bemächtigt.

Vorspiel auf dem Theater (33–242)

Ein Theaterdirektor, ein Dichter und die Lustige Person (gemeint ist ein Schauspieler) streiten über Zweck und Funktion des Theaters. Der Direktor vertritt eine unternehmerische, der Dichter eine aufklärerische, die Lustige Person eine unterhaltende Absicht. Ihr Kompromiss ist das nun folgende Universal-Stück, der Faust: So schreitet in dem engen Bretterhaus/den ganzen Kreis der Schöpfung aus/und wandelt mit bedächtger Schnelle/vom Himmel durch die Welt zur Hölle!

Prolog im Himmel (243–353)

Der Prolog im Himmel ist an die Hiobswette im Alten Testament angelehnt. Gott (Der Herr) bringt die Sprache auf Doktor Faust, seinen Knecht, der ihm bisher nur verworren dient. Mephisto wettet, er könne Faust verführen, vom rechten Weg abzuweichen. Der Herr hält die Wette und sagt voraus, dass Faust ihm auf die Dauer nicht folgen wird: Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges wohl bewußt.

Mephisto, so sieht es Goethe, ist Teil des Schöpfungsplanes. Der Herr: Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen, […] Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu, der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen.

Nacht, Erdgeist, Wagner (354–807)

Faust beim Anblick des Erdgeistes, den er mit Magie herbeibeschworen hatte: Weh! ich ertrag’dich nicht!
Ludwig G.C. Nauwerck (1810).

Der Gelehrte Heinrich Faust zweifelt am Erkenntniswert der Wissenschaft, die weit davon entfernt ist, zu erklären, was die Welt im Innersten zusammenhält. Er zieht die Summe seiner langjährigen Studien: Und sehe, dass wir nichts wissen können! Um der realwissenschaftlichen Sackgasse zu entkommen, betreibt er Magie nach dem Vorbild des Nostradamus und beschwört den Erdgeist.

Fausts lerneifriger und bornierter Famulus Wagner ist der Typus des auf reine Buch-Gelehrsamkeit bauenden, dabei optimistischen und fortschrittsgläubigen Wissenschaftlers. (Er wird im zweiten Teil des Faust als Reagenzglas-Genetiker auftreten.)

Faust beschließt aus Verzweiflung und in einem letzten Wunsch nach Grenzüberschreitung, sich das Leben zu nehmen, wird jedoch durch das Läuten der Glocken zum Ostersonntag davon abgehalten, weniger durch die christliche Botschaft, als durch die Erinnerung an glückliche Kindertage.

Vor dem Tor, Osterspaziergang (808–1177)

Am nächsten Tag unternimmt Faust mit Wagner einen Ausflug und mischt sich in der vom Frühling bestimmten Natur unter das promenierende Volk. Bei dieser Gelegenheit zeigt sich die hohe Achtung der Bürgerinnen und Bürger vor Faust.

Faust offenbart Wagner seine innere Zerrissenheit zwischen Leben und Wissenschaft: Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, die eine will sich von der andern trennen: die eine hält in derber Liebeslust sich an die Welt mit klammernden Organen; die andre hebt gewaltsam sich vom Dust zu den Gefilden hoher Ahnen. [1]

Ein seltsamer schwarzer Pudel folgt den beiden Spaziergängern; Faust nimmt ihn mit in sein Studierzimmer.

Studierzimmer, Teufelspakt, Schülerszene (1178–2072)

Faust übersetzt den Anfang des Johannesevangeliums. Um den Sinn des griechischen Wortes Logos zu erfassen, schlägt er nacheinander die Übersetzungen Wort, Sinn und Kraft vor, übersetzt aber schließlich: Im Anfang war die Tat.

Unterdessen wird der zugelaufene Pudel unruhig und entpuppt sich, von Faust mit Zaubersprüchen beschworen, als der Teufel Mephisto, der sich vorstellt als: ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft und als Geist, der stets verneint.

Aus Fausts Unzufriedenheit mit seinem irdischen Leben entwickelt sich der sogenannte Teufelspakt: Mephisto verpflichtet sich, Faust im Diesseits zu dienen, ihm alle Wünsche zu erfüllen und tiefste Einsichten zu gewähren; dafür verpflichtet sich Faust, Mephisto im Jenseits zu dienen, also dem Teufel seine Seele zu überantworten, wenn Faust durch Mephistos Dienste endgültige Ruhe und Zufriedenheit erlangt.

Den Professor spielend hält Mephisto einen potentiellen Schüler Fausts zum Narren. Zwar schätzt er Vernunft und Wissenschaft als des Menschen allerhöchste Kraft ein, führt aber gegen die Universitätsgelehrsamkeit und gegen die Engstirnigkeit der einzelnen Fakultäten einen satirischen Rundumschlag.

Auerbachs Keller in Leipzig (2073–2336)

Vier zechende Studenten am Stammtisch in Auerbachs Keller versuchen sich singend zu unterhalten. Mephisto führt sie Faust zunächst als Beispiel dafür vor, wie leicht sichs leben lässt, kann es sich dann aber nicht verkneifen, mit Zauberkunst ihr wahres Wesen zu entlarven: Gib nur erst acht, die Bestialität wird sich gar herrlich offenbaren.

Hexenküche (2337–2604)

Mephisto führt Faust in eine Hexenküche, in der ihm ein Zaubertrank verabreicht wird, der ihn verjüngt und ihm jede Frau begehrenswert erscheinen lässt.

Straße, Begegnung mit Gretchen (2605–2677)

„Mein schönes Fräulein, darf ich wagen,
meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?“ -
„Bin weder Fräulein, weder schön,
kann ungeleitet nach Hause gehn.“
Faust und Gretchen vor dem Dom, von Gustav Heinrich Naeke.

Faust trifft das von der Beichte kommende Gretchen und bietet an, sie zu begleiten. Das aus einfachen Verhältnissen stammende Mädchen weist ihn zurück. Faust ist von Gretchens Aussehen und Wesen eingenommen: So etwas hab ich nie gesehn.

Mit der Drohung, den Pakt zu brechen, fordert Faust von Mephisto, Gretchen noch gleichen Tags zu seiner Geliebten zu machen. Mephistos Einwand, er habe keine Gewalt über das unschuldige Mädchen, kontert Faust: Ist über vierzehn Jahr doch alt.

Mephisto, Fausts Lüsternheit verspottend (Ihr sprecht schon fast wie ein Franzos!), mahnt, man müsse mit Geduld und List vorgehen. Vorerst soll Faust sich damit begnügen, Gretchens verwaistes Zimmer zu sehen. Faust verlangt von Mephisto, zuvor ein Geschenk für das Mädchen zu besorgen.

Abend, Gretchens Zimmer (2678–2804)

Gretchen möchte wissen, wer der Herr gewesen ist, der sie auf der Straße angesprochen hat. Aufgrund stattlicher Erscheinung und Auftreten hält sie Faust für einen Edelmann.

In Gretchens Abwesenheit führt Mephisto Faust in ihr Zimmer und lässt ihn allein. An diesem Ort spürt Faust süße Liebespein. Er malt sich Gretchens bisheriges Leben aus und erfreut sich an der Vorstellung eines „reinen“, in seiner ärmlichen, aber ordentlichen Umwelt verwurzelten Mädchens. Hier möcht ich volle Stunden säumen, erklärt er beim Betrachten ihres Bettes.

Plötzlich erkennt Faust sein Eindringen als Frevel und ist von seinem eigenen Vorgehen befremdet: Armselger Faust, ich kenne dich nicht mehr! Mephisto drängt wegen Gretchens Rückkehr zur Eile. Er platziert ein von ihm gestohlenes Schmuckkästchen im Schrank und belustigt sich am Grübler Faust, der sich nicht entschließen konnte, dies selbst zu tun.

Gretchen findet das Kästchen und rätselt über dessen Herkunft. Sie legt den wertvollen Schmuck an und posiert damit vor dem Spiegel.

Spaziergang (2805–2864)

Faust trifft auf einen tobenden Mephisto. Dieser berichtet, Gretchen habe den Schmuck ihrer Mutter gezeigt, die daraufhin einen Pfarrer einschaltete. Der habe den verdächtigen Schatz prompt für die Kirche eingezogen und himmlischen Lohn dafür versprochen. Mephisto verhöhnt die Bereitwilligkeit, mit der die Kirche Güter einstreicht, ohne sich um deren Herkunft zu scheren.

Auf Fausts Nachfrage berichtet Mephisto, Gretchen denke ans Geschmeide Tag und Nacht, Noch mehr an den, ders ihr gebracht. Faust verlangt von Mephisto umgehend ein neues, noch wertvolleres Geschenk. Außerdem soll sich Mephisto an Gretchens Nachbarin und Vertraute heranmachen.

Der Nachbarin Haus (2865–3024)

Nachbarin Marthe Schwerdtlein denkt an ihren verschollenen Mann, der sie auf dem Stroh allein zurückgelassen habe. Sie will ihn nicht betrügen, hätte nur gern, falls er tot sei, eine amtliche Bestätigung dafür.

Gretchen kommt und zeigt Marthe den neuen Schmuck. Diese rät ihr, ihn vor der Mutter zu verbergen. Da Gretchen den Schmuck nicht in der Öffentlichkeit tragen kann, bietet Marthe an, das Mädchen dürfe dies heimlich in ihrem Hause tun.

Mephisto bringt Marthe die Nachricht: Ihr Mann ist tot und läßt Sie grüßen. Der Verstorbene liege in Padua begraben. Mephisto erklärt, den bei Gericht benötigten zweiten Zeugen für diesen Sachverhalt stellen zu können.

Mephisto schmeichelt Gretchen: sie sei reif für die Ehe oder zumindest für einen vornehmen Verehrer. Auch flirtet er mit Frau Marthe, zieht sich aber schnell zurück, als die frischgebackene Witwe darauf einzugehen scheint.

Straße (3025–3072)

Faust erkundigt sich bei Mephisto über den Fortschritt des Werbens um Gretchen. Mephisto zeichnet Marthe als mögliche Komplizin (Das ist ein Weib wie auserlesen zum Kuppler- und Zigeunerwesen!), dafür müsse Faust aber den Tod des Gatten bestätigen. Faust will dies nur tun, wenn er zuvor das Grab in Padua in Augenschein nehmen könne.

Mephisto verhöhnt Fausts Doppelmoral: Habe dieser als Wissenschaftler nicht auch Aussagen über Gott, Welt und Menschen ohne wirkliche Kenntnisse gemacht? Werde er bei Gretchen nicht bald Versprechungen von ewiger Treu und Liebe abgeben, die er nicht einhalten könne? Faust ärgert der Vergleich: Sei sein tiefes Wahrheitsstreben für Mephisto etwa nichts anderes als ein teuflisch Lügenspiel?

Garten (3073–3204)

„Er liebt mich – liebt mich nicht.“ –
„Du holdes Himmelsangesicht!“
Faust und Margarethe im Garten, von James Tissot (1861)

Die beiden Pärchen Faust-Gretchen und Mephisto-Marthe spazieren in Marthes Garten umher. Mephisto hat dabei alle Mühe, die unverhüllten Eheanträge der Hausherrin abzuwehren.

Gretchen schildert Faust ihren arbeitsreichen Alltag. Einen starken Eindruck in ihrem jungen Leben hat die Liebe zu der von ihr gestillten Schwester hinterlassen, die gestorben ist. Die beiden Spazierenden kommen sich langsam näher. Gretchen beschreibt ihre Gefühle bei der ersten Begegnung, Faust spricht von der Möglichkeit Sich hinzugeben ganz und eine Wonne Zu fühlen, die ewig sein muss.

Ein Gartenhäuschen (3205–3216)

Faust und Gretchen küssen sich, ein Glücksmoment, der vom zum Aufbruch drängenden Mephisto gestört wird. Das zurückbleibende Gretchen versteht nicht, was der gebildete Faust an ihr findet (Bin doch ein arm unwissend Kind), erwidert aber voller Naivität seine Zuneigung.

Wald und Höhle (3217–3373)

Allein in der Natur dankt Faust dem Erdgeist, der ihm alle Wünsche erfüllt habe. Statt sie mit der kühlen Distanz des Wissenschaftlers zu betrachten, könne er die Natur nun direkt erfassen und in ihre tiefe Brust schauen. Doch menschliches Glück ist nie vollkommen: Faust beklagt seine wachsende Abhängigkeit vom Zyniker Mephisto und den von ihm offerierten Verlockungen.

Die Meditation wird von Mephisto gestört. Der spottet über Fausts Vergnügen an der öden Natur (Dir steckt der Doktor noch im Leib!) und vergleicht dieses mit Selbstbefriedigung. Derweil warte Gretchen doch sehnsüchtig auf den Gebliebten.

Faust verdammt Mephisto, weil dieser seine Begierde wieder anstachelt (Und nenne nicht das schöne Weib!), kann sich dem Sog der Gedanken an Gretchen aber nicht entziehen. Sei die Verführung des Mädchens durch höllischen Einfluss schon unvermeidlich, möge es dochgleich geschehn, auch wenn Gretchen mit ihm zugrunde gehn werde.

Gretchens Stube (3374–3413)

Am Spinnrad sitzend, sinniert Gretchen über den Verlust ihres seelischen Gleichgewichts: Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer, ich finde sie nimmer und nimmermehr. All ihre Gedanken werden von Faust bestimmt, den sie küssen will, bis sie an seinen Küssen vergehen sollt.

Marthens Garten, Gretchenfrage (3414–3543)

Gretchen: Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzensguter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.

Zur Zeit des ausgehenden Mittelalters sind Religiosität und Kirchentreue völlig unbezweifelbare Lebensentwürfe – nicht nur für ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen wie Gretchen. Etwas Anderes zu sein als ein frommer Christ, ist nahezu unvorstellbar. Das christliche Dogma ist nicht nur maßgeblich für Himmel und Hölle, Gut und Böse, sondern es ist auch die Richtschnur für das Alltagsleben in der Gemeinschaft. Die Gretchenfrage fragt insofern nicht nur nach Fausts Religion, sondern auch, ob er sie nach den gegebenen Regeln anständig behandeln wird.

Faust dagegen ist in der Welt des ausgehenden Mittelalters ein Einzelgänger, der dank seiner Bildung und Lebenserfahrung und Kraft seines Ehrgeizes und Mutes die Religion in Frage stellt. Er antwortet Gretchen, er habe die gleichen Gefühle für das Gute, Schöne und Anständige wie sie. Diese Werte müssten aber nicht unbedingt von der Kanzel gepredigt werden, um beherzigt zu werden.

Gretchen erwähnt ihre starke Abneigung gegen Fausts Begleiter Mephisto. Sie versteht nicht, dass Faust nicht ähnlich empfindet.

Zum Abschied fragt Faust Gretchen, wann sie miteinander schlafen können: Ach kann ich nie Ein Stündchen ruhig dir am Busen hängen, Und Brust an Brust und Seel in Seele drängen? Er gibt der Zögernden einen Trank, den sie der Mutter verabreichen soll, damit diese nicht aus unruhigem Schlaf erwacht, wenn Faust ins Haus kommt. Er versichert, der Trank sei ungefährlich. Tatsächlich wird die Mutter daran sterben.

Mephisto, der gelauscht hat, macht sich über den Doktor lustig, der sich von einem Mädchen examinieren lasse. Faust antwortet der Spottgeburt aus Dreck und Feuer, Mephisto könne nur die Sorge einer Gläubigen um die Seele des Geliebten nicht nachvollziehen. Mephisto freut derweil, was Gretchen, die sein Wesen durchschaut hat, des Nachts bevorsteht.

Am Brunnen (3544–3586)

Beim Wasserholen trifft Gretchen auf Lieschen. Diese berichtet, eine gemeinsame Bekannte, Bärbelchen, sei von ihrem Liebhaber geschwängert und dann verlassen worden. Gretchens Mitleid mit dem Mädchen teilt Lieschen nicht. Bärbelchen habe sich ihr Geschick aufgrund von Eitelkeit und Koketterie selbst zuzuschreiben: War doch so ehrlos, sich nicht zu schämen, Geschenke von ihm anzunehmen, sich also wie eine Dirne für ihre Liebe „bezahlen“ zu lassen.

Wieder allein, bereut Gretchen, früher ähnlich den Stab über gefallene Mädchen gebrochen zu haben. Nun sei sie selbst eine Sünderin: Doch – alles, was dazu mich trieb, Gott! war so gut! ach, war so lieb!

Zwinger (3587–3619)

Vor einem Andachtsbild ruft Gretchen die Mater Dolorosa an, ihr in ihrer Not beizustehen. Nur die um ihren Sohn trauernde Maria könne Gretchens Leid nachvollziehen. Die gnädige Gottesmutter soll sie von Schmach und Tod bewahren.

Nacht. Straße vor Gretchens Türe (3620–3775)

Gretchens Bruder Valentin, Soldat und einst stolz auf die Tugend seiner Schwester, hat von ihrem Fehltritt erfahren. Er fürchtet die ihm deswegen drohenden Sticheleien. Der Verführer, den Valentin nahen hört, soll nicht mit dem Leben davonkommen.

Faust und Mephisto schmieden Pläne, den Kirchenschatz zu stehlen. Faust hofft, darin ein Halsband für Gretchen zu finden, die er ungern ohne Geschenk besuche. Mephisto bietet an, Gretchen einstweilen durch ein Lied auf eine weitere Nacht mit Faust einzustimmen.

Valentin tritt hervor und zerschlägt die Zither des singenden Mephisto. Angestachelt von Mephisto und mit dessen Hilfe, ficht Faust mit Valentin. Als Letzterem die Hand erlahmt, nutzt Faust nach Mephistos Aufforderung Stoß zu! die Gelegenheit und ersticht Gretchens Bruder. Faust und Mephisto fliehen vor dem drohenden Blutbann aus der Stadt.

Das aufgeschreckte Gretchen wird vom sterbenden Valentin der Zuchtlosigkeit beschuldigt. Er prophezeit der Schwester ein Ende als gewöhnliche Hure. Marthes Ermahnung, sich nicht im Tode noch zu versündigen, kontert er mit Vorwürfen an die Kupplerin. Er selbst sterbe als Soldat und brav.

Dom (3776–3834)

„Ein bißchen Diebsgelüst, ein bißchen Rammelei. So spukt mir schon durch alle Glieder, die herrliche Walpurgisnacht.“
Kupferstich von W. Jury nach Johann Heinrich Ramberg (1829).

Gretchen nimmt an einem Gottesdienst teil. Ein böser Geist erinnert sie an verlorene Tage kindlicher Unschuld im Angesicht jener Schuld, die sie nun am Tod von Mutter und Bruder trägt. Er bekräftigt Gretchens Ahnung, schwanger zu sein.

Als der Chor den Hymnus Dies irae intoniert, der auf das Jüngste Gericht vorausweist, ereilen Gretchen Beklemmung und Atemnot. Sie fällt in Ohnmacht.

Walpurgisnacht (3835–4222)

Faust und Mephisto besteigen in der Walpurgisnacht den Brocken. Auf Mephistos Bitte hin leuchtet ihnen ein Irrlicht den Weg aus.

Sie geraten in eine Windsbraut, ein Gewimmel von Hexen, die zur Bergspitze hinaufreiten, wo der Teufel Hof hält. Faust wünscht sich, selbst zum Gipfel vorzudringen: Dort strömt die Menge zu dem Bösen; Da muss sich manches Rätsel lösen.

Mephisto überredet Faust, stattdessen an einer Hexenfeier am Hang teilzunehmen. Er bietet an, dort als Fausts Kuppler zu fungieren. Bald ergehen sich beide im Tanz und anzüglichem Wechselgesang mit zwei lüsternen Hexen.

Faust bricht den Tanz ab, als ihn seine Partnerin widert und ihm ein blasses, schönes Kind erscheint, das ihn an Gretchen erinnert. Um Faust von dem Zauberbild abzulenken, führt Mephisto diesen auf einen Hügel, wo ein Theaterstück aufgeführt werden soll.

Walpurgisnachtstraum (4223-4398)

Der Walpurgisnachtstraum ist ein auf dem Blocksberg zur goldenen Hochzeit des Elfenkönigspaares Oberon und Titania aufgeführtes Theaterstück- ein „Stück im Stück“.

Trüber Tag, Feld (zwischen den Versen 4398 und 4399)

Faust hat erfahren, dass Gretchen in ihrer Verzweiflung das neugeborene Kind getötet hat, dafür zum Tode verurteilt worden ist und ihre Hinrichtung erwartet. Er macht Mephisto Vorhaltungen, ihm dies verschleiert und ihn mit den Ausschweifungen der Walpurgisnacht abgelenkt zu haben. Mephisto verhöhnt Fausts Reaktion als typisch für einen Menschen, der sich mit teuflischen Mächten einlasse, aber die Konsequenzen nicht tragen könne: Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?

Faust fordert von Mephisto, Gretchen zu retten, andernfalls sei dieser auf Jahrtausende verflucht. Auf Mephistos Erinnern an Fausts eigene Verantwortung (Wer war’s, der sie ins Verderben stürzte? Ich oder du?) weiß dieser nichts zu entgegnen.

Trotz der schweren Strafe, die ihn wegen Valentins Tod in der Stadt erwartet, will Faust zu Gretchen gebracht werden. Mephisto erklärt, er könne zwar den Kerkerwächter einschläfern und Zauberpferde für die Flucht stellen, befreien müsse Faust Gretchen aber selbst.

Nacht. Offen Feld (zwischen 4399 und 4404)

Faust und Mephisto sind auf schwarzen Pferden unterwegs, um Gretchen zu befreien. Sie passieren den Rabenstein, also den Hinrichtungsplatz. Faust beobachtet schwebende Wesen, die streuen und weihen. Mephisto nennt sie eine Hexenzunft.

Kerker, Gretchens Erlösung (4405–4612)

„Dein bin ich, Vater! Rette mich! Ihr Engel! Ihr heiligen Scharen, lagert euch umher, mich zu bewahren! Heinrich! Mir graut's vor dir.“
Gretchen empfiehlt sich Gott, Mephisto zieht Faust mit sich. Lithografie von Wilhelm Hensel nach den Angaben des Fürsten Radziwill (1835)..

Faust dringt in den Kerker ein. Gretchen erkennt ihn anfangs nicht und hält ihn sogar für ihren Henker. Faust will sie zur Flucht überreden, doch sie weigert sich.

Als sie Mephisto sieht, erschrickt sie und empfiehlt sich Gott: Gericht Gottes! Dir hab ich mich übergeben! Mephisto drängt Faust aus dem Gefängnis: Sie ist gerichtet. Die Erlösung Gretchens offenbart sich im Widerspruch einer „Stimme von oben“: Ist gerettet. Mephisto und Faust fliehen.

Fausts Drama ist noch nicht zu Ende. Im Faust II wird die Tragödie fortgesetzt und in andere dramaturgische Dimensionen überführt.

Hinweise zum Verständnis

Gliederung

Faust in seinem Studierzimmer, von Eugène Delacroix (1827).

Nach der Zueignung und dem Vorspiel auf dem Theater, die nicht bei jeder Aufführung des Faust gespielt werden, gehört der Prolog im Himmel bereits zur Handlung, da die Wette zwischen dem Herrgott und Mephisto den Anlass für Fausts Schicksal gibt.

Die beiden Haupthandlungsstränge sind die Tragödie des verzweifelten Wissenschaftlers, der sich dem Teufel verschreibt, sowie die daraus erwachsende Tragödie des verführten und ins Unglück gestürzten Mädchens Gretchen. Man spricht deshalb auch unterscheidend von der „Gretchentragödie“ und der „Gelehrtentragödie“. Mit Gretchens Hinrichtung und der Errettung ihrer Seele endet der erste Teil des Faust; die Gelehrtentragödie findet ihre Fortsetzung und Erfüllung im zweiten Teil.

Die Szenen Auerbachs Keller in Leipzig und Walpurgisnacht treiben eigentlich nicht die Handlung voran. Sie sind Beispiele für tiefere Einblicke in das Weltgeschehen, die dem nach Erkenntnis suchenden Faust von Mephisto ermöglicht werden.

Die Szene Walpurgisnachtstraum oder Oberons und Titanias goldne Hochzeit ist im Untertitel als Intermezzo gekennzeichnet und wird ebenfalls nicht bei jeder Aufführung des Faust gespielt.

Sprache

Mit Ausnahme der Szene Trüber Tag. Feld ist der Faust in Versen geschrieben. Goethe verwendete den am Versende reimenden Knittelvers, wie er in ähnlicher Form schon zu Lebzeiten des historischen Doktor Faust, etwa von Hans Sachs benutzt wurde, und den Madrigalvers. Das Versmaß des Faust passt nicht nur gut zum gedachten historischen Hintergrund, es ermöglicht auch eine lebensechte Sprache der Personen.

Der Endreim unterstützt überdies die zahlreichen komödiantischen Dialoge im Faust. Einige Beispiele:

Wagner: Verzeiht! ich hör Euch deklamieren;
Ihr last gewiss ein griechisch Trauerspiel?
In dieser Kunst möcht ich was profitieren,
denn heutzutage wirkt das viel.
(522)

Bürger: Nichts bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
wenn hinten, weit, in der Türkei,
die Völker aufeinanderschlagen.
(860)

Faust: Und was soll ich dagegen dir erfüllen?
Mephisto: Dazu hast du noch eine lange Frist.
Faust: Nein, nein! Der Teufel ist ein Egoist
und tut nicht leicht um Gottes Willen,
was einem andern nützlich ist.
(1649)

Faust: Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber.
Mephisto: Das ist noch lange nicht vorüber. (2553)

Ein bekanntes Beispiel für einen unreinen Reim im Faust weist auf die mundartliche Prägung des Verfassers hin („dialektischer Reim“). Gretchens Anrufung Mariens, Ach, neige, Du Schmerzenreiche (3587-3588), reimt sich nicht im Hochdeutschen, aber im Frankfurter Idiom, in dem Goethe aufwuchs.

Historischer Hintergrund

Der Ort ist Deutschland, unter anderem Leipzig und der Harz. Die Zeit ist etwa die Lebenszeit des historischen Faust (ca. 1480–1538), also die Wende vom Mittelalter zur Neuzeit.

Wir begegnen Faust in seiner gotischen Studierstube. Als Zeitgenosse Luthers (1483–1546) beschäftigt er sich mit einer Bibelübersetzung. Die mittelalterliche Alchemie, wie sie sein eigener Vater betrieben hat, beurteilt er sehr kritisch. Er selbst setzt dagegen auf Magie und Geisterbeschwörung, auf Offenbarungen aus einer anderen Sphäre – hierin einem anderen Zeitgenossen ähnelnd: Nostradamus (1503–1566).

Es kommen Anachronismen vor, wie zum Beispiel Marthe Schwerdtleins Wunsch, den Tod ihres Mannes im „Wochenblättchen“ anzuzeigen – eine Einrichtung, die es zu Fausts Zeiten noch nicht gab. Es sind auch Anspielungen auf technische Errungenschaften des 18. Jahrhunderts zu finden, wie z.B. den Heißluftballon (Siehe den letzten Absatz Studierzimmer II).

Verweise, Anspielungen und Konnotationen

Goethes Tragödie steht in einer Reihe von literarischen Bearbeitungen des Faust-Stoffes, und es lassen sich entsprechende Bezüge zu den Vorgängertexten herstellen. Durch die Übernahme des Hiob-Motivs ist die Szene Prolog im Himmel eine Neugestaltung der Bibel-Stelle Buch Hiob 1, 6 – 12.

Besonders in den Szenen Walpurgisnacht und Walpurgisnachtstraum hat Goethe Anspielungen eingearbeitet, die für seine Zeitgenossen unmissverständlich waren. So ist zum Beispiel mit der Figur Proktophantasmist (deutsch: Steißgeisterseher) der Schriftsteller Friedrich Nicolai gemeint.

In Rücksicht auf Goethes vielfältiges Gesamtwerk lassen sich zahlreiche Stellen im Faust mit anderen Texten Goethes in Verbindung bringen. So gilt zum Beispiel Mephistos Einlassung über Herkunft und Eigenschaften des Lichtes (Vers 1350 ff.) als Hinweis auf Goethes Farbenlehre.

Interpretationen

Faust-Szene vor Auerbachs Keller (Leipzig)

Faust I ist (im Unterschied zu Faust II) auf den ersten Blick kein schwieriger Text, Sprache und Handlung sind bei der ersten Lektüre oder dem ersten Besuch einer Aufführung unmittelbar zugänglich.

Die Sprache, als wörtliche Rede, ist zuweilen poetisch überhöht, etwa in Gretchens Klagen, jedoch niemals kompliziert. Zum Beispiel lässt Fausts großer Monolog zu Beginn der Handlung an Klarheit nichts zu wünschen übrig; so spricht ein frustrierter Intellektueller: „Habe nun ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie! durchaus studiert mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! und bin so klug als wie zuvor; heiße Magister, heiße Doktor gar, und ziehe schon an der zehen Jahr herauf, herab und quer und krumm meine Schüler an der Nase herum – und sehe, dass wir nichts wissen können! Das will mir schier das Herz verbrennen!“

Handlungsverlauf und Charaktere geben ebenfalls keine Rätsel auf. – Ein nicht mehr junger Wissenschaftler ist beruflich und privat durch und durch unzufrieden. Als sich ihm eine Gelegenheit bietet, seiner verzweifelten Situation zu entkommen, nimmt er sie rücksichtslos wahr und verschreibt sich dem Teufel. Der Teufel Mephisto, dem neben Zauberkräften auch Humor und sogar Charme zu Gebote stehen, ist bestrebt, Faust vom rechten Weg abzubringen. Ein von Mephisto besorgter Zaubertrank bewirkt, dass Faust sich besinnungslos in Gretchen, ein sehr junges und naives Mädchen verliebt. Seine Liebe zu ihr erscheint echt; dennoch richtet er das Mädchen zugrunde, indem er sie verführt, schwängert und sitzenlässt.

Probleme der Interpretation

Über den Faust entstanden seit seinem Erscheinen unzählige Interpretationen, die einander nicht selten widersprechen. Der Grund hierfür ist, dass über das Stück hinweg alle großen Menschheitsfragen zur Sprache kommen.

Ein Beispiel für eine zunächst banal erscheinende Szene, in der plötzlich ein schwerwiegendes Problem zum Vorschein kommt: Mephisto will mit einem Schwindel bei Marthe Schwerdtlein Einlass finden, Faust lehnt das ab, mit der Begründung, er wolle nicht lügen. Mephisto hält ihm jedoch vor, er habe nicht nur als Wissenschaftler zahlreiche unbeweisbare Aussagen gemacht, sondern er belüge auch Gretchen, wenn er ihr ewige Treue und Liebe verspreche. Damit ist nicht weniger gesagt, als dass Liebesschwüre potentielle Lügen sind, weil für ihre Einhaltung kein Mensch garantieren kann – eine ziemlich radikale Behauptung, wenn man etwa an die Versprechen im Rahmen einer Eheschließung denkt. – Die Stelle ist durchaus interpretationsbedürftig, wenn man nicht einfach Mephistos Auffassung beipflichten will.

Ein Beispiel für eine zu zahlreichen widersprüchlichen Interpretationen Anlass gebende Kernstelle des Stücks: Mephisto stellt sich selbst vor als „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“. Das lässt sich zunächst so verstehen, dass auch aus Unfällen, Irrtümern und sogar böswilligen Taten etwas Gutes entstehen kann. Doch wer oder was ist „die Kraft“, von der Mephisto ein Teil ist? Der Zufall, das Schicksal, Gott? Ist Mephisto überhaupt frei, etwas zu wollen, noch dazu etwas, was ihm „stets“ ins Gegenteil umschlägt? Oder ist er nur ein Werkzeug, wie der Prolog es nahelegt? Aber warum sollte sich ein allmächtiger Gott eines Teufels bedienen, um über den Umweg des Bösen zum Guten zu gelangen?

Es sind sehr weitreichende und schwer zu beantwortende „letzte Fragen“ um Liebe, Wahrheit, Willensfreiheit, Verantwortung, Gut und Böse, mit denen Goethe sein Stück aufgeladen hat. Die Problematik dieser Fragen wird zur Problematik des Faust. Das Universaldrama, das „vom Himmel durch die Welt zur Hölle“ verläuft, ist so gut oder schlecht interpretierbar wie die Welt selbst, weshalb viele Interpretationen möglich sind, nicht aber eindeutige oder gar endgültige.

Interpretationen vor ihrem historischen Hintergrund

Viele Interpretationen werden auch von vorherrschenden politischen und wissenschaftlichen Denkrichtungen ihrer Zeit beeinflusst.

Zum Beispiel war lange Zeit die Auffassung verbreitet, Fausts Charakter, sein grüblerischer, teils introspektiver, furchtlos auf letzte Dinge gerichteter Erkenntnisdrang sei spezifisch deutsch. Dies führte zu aus heutiger Sicht so befremdlichen Überzeugungen wie etwa der, die deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges seien „mit dem Faust im Tornister“ in den Kampf gezogen. Auch Thomas Mann schrieb 1943 seinen Roman Doktor Faustus nicht nur über einen durch und durch deutschen Helden, sondern auch als Gleichnis auf den Teufelspakt, den das deutsche Volk mit den Nationalsozialisten eingegangen war.

Ein anderes Beispiel für eine historisch bedingte Interpretation ist die am Faust festgemachte Wissenschaftskritik, bzw. Fragen nach der Ethik des Wissenschaftlers. Diese Perspektive ergab sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts angesichts der sichtbar werdenden Umweltzerstörung und insbesondere angesichts der entfesselten Nuklearkräfte. So wird in Gustav Gründgens Verfilmung des Faust aus dem Jahre 1960 unvermittelt eine Atombombenexplosion eingeblendet. Unter der Fragestellung: „Wie weit darf ein Wissenschaftler gehen?“ wird Goethes Faust bis heute im Schulunterricht mit explizit wissenschaftskritischen Stücken wie Dürrenmatts Physikern oder Kipphardts In der Sache J. Robert Oppenheimer verglichen.

Darüberhinaus bemühen sich natürlich alle literarischen Deutungsmethoden am Faust. Man hat ihn u. a. psychoanalytisch, dialektisch und poststruktualistisch auszulegen versucht. Ein Ende dieser Bemühungen ist nicht abzusehen.

Entstehungsgeschichte

Titelblatt des Fragmentes «Faust» von 1790 anlässlich der ersten Gesamtausgabe von Goethes Werken

Die Legenden um Leben, Charakter und Schicksal von Johann Faust waren seit Erscheinen des Volksbuches 1587 ein bekannter und vielfach bearbeiteter literarischer Stoff.

Urfaust – Goethe begann die Arbeit an seinem Faust um 1770, angeregt von dem Prozess gegen die Kindesmörderin Susanna Margaretha Brandt (deren Hinrichtung Goethe wahrscheinlich miterlebt hat), weshalb in dieser ersten, Urfaust genannten Fassung, die Liebestragödie um Gretchen im Vordergrund steht. Der Urfaust beginnt mit Fausts Monolog im Studierzimmer. Mephisto tritt auf, aber der eigentliche Teufelspakt fehlt. Nach der Szene in Auerbachs Keller nimmt die Gretchentragödie ihren Lauf; die Hexenküche und die Walpurgisnacht fehlen. Diese Fassung wurde erst 1887, nach Vorlage einer Handschrift gedruckt, als man ihr die Bedeutung von Goethes Gesamtwerk und insbesondere des Faust beilegte.

Faust. Ein Fragment. – Aus dem Urfaust entwickelte Goethe die Fassung Faust, ein Fragment, die 1788 vollendet war und 1790 gedruckt wurde. Gegenüber dem Urfaust ist das Faustfragment um einen Dialog mit Mephisto erweitert, in dem der Teufelspakt jedoch noch unausgesprochen bleibt. Neu hinzugekommen ist die Szene Hexenküche, dafür fehlt Gretchens Ende im Kerker. Neben der Liebestragödie um Gretchen wird die Tragödie des zweifelnden und scheiternden Wissenschaftlers sichtbar.

Faust. Eine Tragödie. – 1797 fügte Goethe dem Fragment die einleitenden Szenen Zueignung, Vorspiel auf dem Theater und Prolog im Himmel hinzu. Die endgültige Fassung der bereits im Urfaust und im Fragment enthaltenen Szenen sowie die Ausführung der Walpurgisnacht erfolgten bis 1806. Das Werk ging als Faust. Eine Tragödie. für die Ostermesse 1808 in Druck. Aus der Geschichte um ein unglücklich gemachtes Mädchen und einen verzweifelten Wissenschaftler war ein Menschheitsdrama zwischen Himmel und Hölle geworden.

Goethe hat von seinem 21. bis 57. Lebensjahr am ersten Teil des Faust gearbeitet. Die drei Fassungen dokumentieren neben der inhaltlichen Erweiterung auch eine bedeutende stilistische Entwicklung.

Schon während der Arbeit an Faust I hatte Goethe Entwürfe und Szenen zum zweiten Teil des Faust angelegt, obwohl er selbst nicht daran glaubte, dieses Projekt verwirklichen zu können.

Äußerungen zum Faust

Dank der überragenden Bedeutung Goethes und seines Faust dürfte es schwerfallen, eine Persönlichkeit des literarischen Lebens namhaft zu machen, die sich nicht zum Faust geäußert hätte. Einige Beispiele:

„Was ist das für ein erbärmliches Gewäsch über den „Faust“! Alles erbärmlich! Gebt mir jedes Jahr 3000 Thaler, und ich will Euch in drei Jahren einen Faust schreiben, dass Ihr die Pestilenz kriegt!“

Christian Dietrich Grabbe

„So ruft der Faust des ersten Teiles der Tragödie, der leidenschaftliche Forscher in einsamen Mitternächten, folgerichtig den des zweiten Teiles und des neuen Jahrhunderts hervor, den Typus einer rein praktischen, weitschauenden, nach außen gerichteten Tätigkeit. Hier hat Goethe psychologisch die ganze Zukunft Westeuropas vorweggenommen.“

„Im Grunde genommen ist es die Liebesgeschichte eines Intellektuellen mit einer Kleinbürgerin. Das muss ja mit dem Teufel zugegangen sein.“

„In Goethes Dichtungen dominiert die Natur. Man weiß bei ihm immer welche Witterung herrscht, welche Tages- und Jahreszeit, unter welchem Himmelsstrich man sich befindet, auch wo nicht die geringste Andeutung darüber gemacht wird; die äußere Atmosphäre, in der seine Menschen atmen, ist um sie herum gelegt, hüllt sie ein wie ein bestimmter Farbton ein Gemälde. Dies gilt selbst von den abstraktesten Szenen im zweiten Teil des Faust. …Er war immer Amateur, Liebhaber, Gelegenheitsdichter, Gelegenheitsdenker, Gelegenheitsforscher. … Er entdeckt heute den Zwischenknochen und schreibt morgen seine Lebensgeschichte oder Teile des Faust, vielleicht aber auch nur irgendeinen ganz gleichgültigen Bericht über Bergwerke oder Unterrichtswesen.“

„Ich lasse mir Hände und Füße dafür abhacken, daß der Faust mit der Grundkomponente des hehren deutschen Denkers nichts zu tun hat und daß man diese Figur nicht aus einer philosophisch bedeutsamen Grundhaltung heraus erwischen kann. Das macht dem deutschen Bildungsbürger mit seiner Sucht, die hehren Werte zu erhalten, Probleme.“

Goethes Äußerungen über seinen Faust

„Aber doch ist alles (im Faust II) sinnlich und wird, auf dem Theater gedacht, jedem gut in die Augen fallen. Und mehr habe ich nicht gewollt. Wenn es nur so ist, daß die Menge der Zuschauer Freude an der Erscheinung hat; dem Eingeweihten wird zugleich der höhere Sinn nicht entgehen.“

  • Gespräch mit Eckermann am 6.5.1827:

„Die Deutschen sind übrigens wunderliche Leute! – Sie machen sich durch ihre tiefen Gedanken und Ideen, die sie überall suchen und überall hineinlegen, das Leben schwerer als billig. – Ei! so habt doch endlich einmal die Courage, Euch den Eindrücken hinzugeben, Euch ergötzen zu lassen, Euch rühren zu lassen, Euch erheben zu lassen, ja Euch belehren und zu etwas Großem entflammen und ermutigen zu lassen; aber denkt nur nicht immer, es wäre Alles eitel, wenn es nicht irgend abstrakter Gedanke und Idee wäre! Da kommen sie und fragen: welche Idee ich in meinem Faust zu verkörpern gesucht? – Als ob ich das selber wüßte und aussprechen könnte. […] Je inkommensurabler und für den Verstand unfaßlicher eine poetische Produktion, desto besser.“

  • Gespräch mit Eckermann am 17.2. 1831:

„ Der erste Teil ist fast ganz subjektiv; es ist alles aus einem befangenerem, leidenschaftlicheren Individuum hervorgegangen, welches Halbdunkel den Menschen auch sowohl tun mag. Im zweiten Teile aber ist fast gar nichts subjektives, es erscheint hier eine höhere, breitere, hellere, leidenschaftslosere Welt, und wer sich nicht etwas umgetan und einiges erlebt hat, wird nichts damit anzufangen wissen. Es sind darin einige Denkübungen, sage ich, und es möchte auch mitunter einige Gelehrsamkeit erfordert werden. …Ich habe immer gefunden, sagte Goethe lachend, daß es gut sei etwas zu wissen.“

Geflügelte Worte

Wegen seines großen Bekanntheitsgrades und der Bedeutung, die man dem Text und seinem Autor beimisst, und auch wegen der leichten Reproduzierbarkeit von Versen, ist Goethes Faust die Quelle zahlreicher geflügelter Worte, die bis heute oft zitiert werden, vielfach auch, ohne dass dem Zitierenden ihre Herkunft bewusst ist. Der Büchmann führt über fünfzig geflügelte Worte aus dem ersten Teil des Faust an. Einige Beispiele:

  • Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn! (214)
  • Es irrt der Mensch, solang er strebt. (317)
  • Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor! (358)
  • Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält (382)
  • Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen. (682)
  • Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. (765)
  • Hier bin ich Mensch, hier darf ich′s sein (940)
  • Was man nicht weiß, das eben brauchte man, und was man weiß, kann man nicht brauchen. (1066)
  • Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust! (1112)
  • Das also war des Pudels Kern! (1323)
  • Name ist Schall und Rauch (3457)

Bedeutende Inszenierungen

Theaterzettel der Weimarer Uraufführung des Faust, Tragödie in acht Abtheilungen von Goethe am 29. August 1829
  • 1829 – Eine textlich, inhaltlich und vom Handlungsablauf gegenüber dem als unspielbar gehaltenen Originaltext Goethes radikal veränderte, für die Bühne redigirte Fassung in sechs Abtheilungen von Faust 1 am 19. Januar 1829, am Hof- Theater in Braunschweig. Der Anfang ist um 6 Uhr und das Ende nach halb 10 Uhr.
  • 1829 – Ungekürzte Uraufführung des Originaltextes aus dem Jahr 1808, zu Goethes achtzigstem Geburtstag am Sonnabend, den 29. August 1829: Zum Erstenmal: Faust. Tragödie in acht Abtheilungen von Goethe im Weimarer Hoftheater. Egon Friedell schrieb über die „Weimarer Schule“: Goethe und Schiller haben…eine geradezu schreckliche Art des Theaterspielens über Deutschland verbreitet … Goethes Grundmaxime lautete: der Schauspieler soll stets bedenken, daß er um des Publikums willen da ist… infolgedessen soll er nicht aus mißverstandener Natürlichkeit so spielen als wenn kein Dritter dabei währe… in einer Weise wörtlich genommen, veräußerlicht und überspannt, die ans Unbegreifliche grenzt. Die Darsteller mußten stets einen anmutigen Halbkreis bilden, durften nie nach dem Hintergrund sprechen, niemals dem Zuschauer den Rücken, ja auch nur das Profil zeigen. Das Hauptgewicht wurde auf kultivierten Vortrag gelegt: eine übertrieben deutliche Artikulation, die die Persönlichkeit des Schauspielers und den Charakter der Figur verwischt, und eine Art singende Deklamation, die man für den Höhepunkt der Schönheit hielt, kurz, es war die Reduktion der Schauspielkunst auf bloße Rezitation und eine Anzahl fixer Repräsentationsgesten;… Anfang um 6 Uhr. Ende nach 9 Uhr. Der teuerste Platz am Balkon kostete 16 Groschen Conventionsgeld. Das Ensemble bestand aus: Faust- Herr Durand, Wagner, sein Famulus- Herr Lortzing, Mephistopheles- Herr La Roche, Schüler- Herr Engst, 4 Studenten, Eine Hexe, Margaretha- Demoiselle Lortzing, Valentin- Herr Winterberger, Frau Marthe, Gretchens Nachbarin- Madame Durand, 3 Bürger, 3 Handwerksburschen, 2 Schüler, 2 Bürgermädchen, 2 Dienstmädchen, Der Erdgeist, Böser Geist, Soldaten, Volk, Satanisten, Erscheinungen, Geister. Die zur Handlung gehörende Musik ist von E. Eberwein.
  • 1875/76 – Uraufführung, inklusive des postum 1832 veröffentlichten zweiten Teils, im Hoftheater zu Weimar von Otto Devrient. Diese Inszenierung, die Devrient auch in Berlin, Köln und Düsseldorf zur Aufführung brachte, hatte noch einen starren dreigliedrigen Bühnenbau. Zusätzliche Aufbauten waren für schnelle Szenenwechsel erforderlich. Übrigens ist dies der erste Weimarer Faust seit 1829.
  • 1895 – Savits arbeitete bereits variabler mit offenen Verwandlungen.
  • 1933 – Clemens Holzmeister baute seine 20 Meter hohe- durch Gänge und Treppen miteinander verbundene- Fauststadt für Max Reinhardts Salzburger Festspiele in die Felsenreitschule wodurch alle Spielorte für Faust 1 erstmals simultan zur Verfügung standen und durch den Auftritt der Schauspieler in Funktion gebracht wurden. Auch im Theater in der Josefstadt inszenierte Reinhardt den Faust 1 in der Intendanzzeit seines Nachfolgers als Direktor Otto Preminger. Die Premiere war dort am 4. September 1933. Die Realisierung seines Projekts Faust 2 wurde durch die Machtergreifung der Nazis verhindert.
  • 1949 – In Hannover macht Alfred Roller mit seinem „Aluminium-Faust“, in der Titelrolle Gerhard Just, den Neuanfang nach dem Krieg. Ostern war Faust I zu sehen und Faust II am 28. August. Roller bricht mit den Prinzipien der Faust-Inszenierungen des 19. Jahrhunderts. Die Bühne von Rudolf Schulz bestand aus einem halb-kugelförmigen Gerüst aus Leichtmetall. Im Hintergrund spiegelte eine Aluminiumwand die Lichtreflexe (der Phantasie). Das Metallische symbolisiert das Kosmische. Die Räumlichkeiten vom Studierzimmer bis zum Kerker werden nur angedeutet. Die fünfstündige Version von Faust I wies nur einen Strich auf: der Walpurgisnachtstraum entfiel. Auerbachs Keller war eine derbe Saufszene, die Walpurgisnacht mit Lichtreflexen auf der metallenen Wand eine Sinnesorgie. Faust war nicht mehr die wohlredende Prunkfigur des 19. Jahrhunderts, sondern der an seinem Wissen und Denken verzweifelnde Mensch, der abtrünnige Humanist.
  • 1952 – Das Berliner Ensemble unter der Regie von Egon Monk inszenierte den Urfaust als provokative Neudeutung vor dem Hintergrund spießiger Inszenierungen in der DDR. Parteischelte waren die Folge. Bert Brecht formte Goethes Vorlage episch um: Im Prolog macht Mephisto den Zuschauer mit den wichtigsten Dramengestalten bekannt. Da der Urfaust ein Fragment ist, füllte Brecht diese Leerstellen mit Brückenversen, die dem Zuschauer aus einem voluminösen Buch vorgelesen werden. Wirkungsgeschichtlich beginnt mit dieser Urfaust-Inszenierung die Abkehr vom realistisch-naturalistischen Bühnenbau, die von Gustav Gründgens und Claus Peymann fortgesetzt wurde.
  • 1954 – Im Deutschen Theater in Berlin spielen Kurt Oligmüller (Faust) und Ernst Busch (Mephisto) unter der Regie von Wolfgang Langhoff den Faust 1. Der westliche Vorwärts- Verlag kritisierte am 7. Januar 1954: „Die Aufführung trug alle Merkmale der kommunistischen Schauspielkunst Ernst Buschs. Nicht die Worte Goethes in ihrer Bedeutung standen im Mittelpunkt der Interpretation, sondern die weltanschauliche Sinngebung des Handlungsganges, aus der ostzonalen ‚Hexenküche‘…“ So ideologisch vorbehaltvoll blieb die westliche Kritik bis in die sechziger Jahre, die östliche sogar bis in die achtziger Jahre.
  • 1956/57 – Im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg erfolgt unter der Regie und Intendanz (ab 1955) Gründgens’ die Neuinszenierung des Faust mit Will Quadflieg (Faust), Gustaf Gründgens (Mephisto), Ella Büchi (Gretchen), Elisabeth Flickenschildt (Marthe), Max Eckard (Valentin), Eduard Marks (Wagner), Uwe Friedrichsen (Schüler). Gustaf Gründgens erarbeitete sich mit seinem Bühnenbildner Teo Otto Schritt für Schritt die entrümpelte Fassung. Beide bekannten sich zu ihrer „Einfallslosigkeit“ und zeigten die Bühne als nacktes Gerippe. Gründgens entwickelt seine Konzeption anhand des Vorspiels auf dem Theater. Entsprechend ist alles (Himmel, Hölle, große oder kleine Welt) die Welt des Theaters. Diese gefeierte Neufassung beider Teile (?) gastiert auch in Moskau und wurde 1960 mit größten Erfolg verfilmt. Lediglich in der DDR wurde der zweite Teil negativ gesehen (Faust als kapital. Ausbeuter). Damit begannen in der DDR die Bemühungen, Faust II zu übertreffen.
  • 1976 – Am Wiener Burgtheater, in der Intendanzzeit Gerhard Klingenbergs entstand ein weiterer Höhepunkt des avantgardistischen Regietheaters von Otomar Krejca: Faust 1 mit Rolf Boysen als Faust und Heinz Reincke als Mephistopheles. Dies war die bislang letzte Burg-Inszenierung von Goethes Faust im Haus am Ring. Das bekannt enthusiastische Wiener Publikum empfindet diese Tatsache als Schande.
  • 1977 – In Stuttgart inszenierten Claus Peymann, Achim Freyer und Hermann Beil einen frivolen Spieltext. Faust I und II an zwei Tagen als zusammenhängendes Stück zur Geschichte des Heraustretens aus dem Mittelalter bis zur Entwicklung des Bürgertums. Das Bühnengerüst ist zum Teil dreistufig. Ganz oben residiert der Herr mit seinen Engeln, Fausts Welt bleibt zunächst dunkel. Die Beleuchtungstechnik erschließt beispielsweise die Gretchen-Szene. Alle Szenen wurden durch Striche gekürzt mit Ausnahme der Zueignung und des Prologs im Himmel. Die Vorstellungen des Faust waren in Stuttgart zwei Jahre ausverkauft. Große Teile des jugendlichen Publikums umjubelten die Darsteller. Als Peymann Stuttgart 1979 aus politischen Gründen verlassen musste, lagen so viele schriftliche Bestellungen vor, dass der Faust fünf Jahre hätte gespielt werden können. Martin Lüttge (Faust), Therese Affolter (Gretchen).
  • 1984 – spielt das Berliner Ensemble unter Horst Sagert Faust-Szenen mit Hermann Beyer (Faust) und Corinna Harfouch (Gretchen). Sagert knüpft an die fragmentarische Brecht/Monk-Inszenierung von 1952/53 an und verwendet für seine Inszenierung Texte aus dem Umkreis der Dichtung, die zu einer Abrechnung mit dem „Sturm und Drang“ wird. So grenzt er Fausts Titanismus und den Titan Prometheus gegeneinander ab.
  • 2000 – von Peter Stein; professionelle Gesamtaufführung beider ungekürzter Teile – mit Bruno Ganz als „alter“ und Christian Nickel als „junger“ Faust. Johann Adam Oest und Robert Hunger-Bühler teilten sich die Rolle des Mephisto. Dorothee Hartinger gab die Margarete. Insgesamt waren 80 Mitarbeiter, davon 33 Ensemble- Schauspieler beschäftigt. Sponsoren: EXPO 2000, Deutsche Bank, DaimlerChrysler, Mannesmann, Ruhrgas, die Deutsche Bundesregierung, der Berliner Senat, die Stadt Wien und 850 Privatsponsoren. Premiere am 22./23. Juli und Serie bis 24. September 2000 auf der EXPO 2000 in Hannover, Gastspiel in Berlin (21. Oktober 2000 bis 15. Juli 2001) und Wien (8. September bis 16. Dezember 2001). Die Aufführungsdauer (ìncl. Pausen) betrug 21 Stunden, reine Spielzeit 15 Stunden, aufgeteilt auf 3 Wochenend- bzw. 4 (oder 5?) Abendvorstellungen, in eigens für dieses Großprojekt adaptierten Hallen. In den beiden Spielhallen wurden 18 unterschiedliche Bühnenräume realisiert, zwischen denen das Publikum gehend wechselte. Der einheitliche Eintrittspreis betrug 233 €. Stein, heute selbstkritisch, 5 Jahre nach dem 15 Mio. € Großprojekt: Du gehst in die dritte oder vierte Vorstellung und siehst, was das für ein Schrott ist. [1] Auch der preisgekrönte, hochprofessionelle Web- Auftritt unter www.faust-stein.de und die online- videos auf zdf.de/wissen/ sind nicht mehr online (2006).

Aktuelle Bühnenpräsenz

In der Spielzeit 2004/2005 war Goethes Faust das meistbesuchte Theaterstück an deutschsprachigen Bühnen. Insgesamt 150.000 Zuschauer verfolgten 440 Aufführungen verschiedener Inszenierungen.

Ausgaben

  • 1777–1778 wurde – unter großem Publikumsinteresse – eine Abschrift des Urfaust veröffentlicht, an der Goethe 1768 bis 1775 in Straßburg und Frankfurt am Main gearbeitet hatte. Auszüge daraus präsentierte er erstmals Herzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach und seiner Hofgesellschaft in Weimar.
  • 1790, G. J. Göschen (Hrsg.): Faust. – Ein Fragment von Goethe. – Aechte Ausgabe. – Leipzig. 168 S.
  • 1808, Cotta (Hrsg.): Faust. – Eine Tragödie von Goethe. – Tübingen. 309 S. Dies ist die nunmehr vollendete Bearbeitung Goethes nach dem Urfaust und dem Fragment. Im Jahr 1805, nach dem Tode Schillers vollendete Goethe den Faust, kennzeichnete ihn (intern) als Teil I und arbeitete zwanzig Jahre nicht mehr am Stoff. Erst 1825 begann er am Faust II weiterzuarbeiten.
Titelblatt der Erstausgabe von 1808
  • Johann Wolfgang von Goethe: Faust – Erster Teil, Hamburger Leseheft Nr.29, ISBN 3-87291-028-0
    Preisgünstigste Ausgabe, mit Nachwort und Anmerkungen.
  • E. Trunz (Hrsg.) Faust. München 1998, C.H. Beck, ISBN 3-406-31234-9
    Preisgünstige wissenschaftlich zitierfähige Ausgabe, zum Einstieg geeignet.
  • A. Schöne (Hrsg.) Faust. Frankfurt am Main 1994, Deutscher Klassiker Verlag, ISBN 3-618-60270-7. Auch als preiswerte Taschenbuchausgabe erhältlich: Frankfurt am Main 2003, Insel Verlag, ISBN 3-458-34700-3
    Zur vertiefenden Beschäftigung geeignet, zeigt den Faust-Text erstmals in Goethes ursprünglicher Gestalt (in modernisierter Orthographie), enthält einen hervorragenden Kommentarband.
  • T. Erich Goethe: Faust – kommentiert von Erich T. C.H. Beck, ISBN 3-406-55250-1 Ausgabe zum 175. Todestag von J. W. Goethe

Literatur (Kommentare)

  • H. Arens: Kommentar zu Goethes Faust I. Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1982, ISBN 3-533-03184-5. Wissenschaftlicher Standardkommentar. Zeilenkommentar.
  • A. Schöne: Faust. Kommentare. Enthalten in: Goethe: Faust. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-618-60270-7. Moderner Kommentar.
  • U. Gaier: Faust-Dichtungen. Kommentar I. Enthalten in: Johann Wolfgang Goethe: Faust-Dichtungen. Philipp Reclam jun. Verlag Stuttgart 1999, ISBN 3-15-030019-3. Szenen- und Zeilenkommentar in verschiedenen Lesarten.
  • A. Binder: Faustische Welt. LIT Verlag, Münster 2002, ISBN 3-8258-5924-X. Kommentare und Interpretationen.
  • R. Bernhardt: Erläuterungen zu Johann Wolfgang von Goethe Faust Teil I. Bange Verlag, Hollfeld 2001, ISBN 3-8044-1671-3.
  • T. Erich: Goethe: Faust – kommentiert von Erich T. C.H. Beck, ISBN 3-406-55250-1.

Weblinks

Wikiquote: Faust – Zitate
Wikisource: Faust I – Quellen und Volltexte

Quellen

  1. Erklärung des Wortes Dust aus dem Goethe-Wörterbuch