Benutzer:Bernhard EG/Pfarrerblock im KZ Dachau

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"Pfarrerblock im KZ Dachau"

Am 23. Januar 2013 erhielt ich die Anfrage vom Verleger Herr Juri Klugmann der Deutsche Rundschau, ob ich einen Artikel zum Thema "Pfarrerblock im KZ Dachau" [1] verfassen könnte und für mich war es eine Ehre dies zu tun. Ich sagte sofort zu, denn dies weckte in mir Ferienerinnerungen als ich noch ein Junge im Alter von zirka 12 Jahren war und mit diesen Ferien war eine Besichtigung des KZ Dachau [2] verbunden.

Da jedoch die oben genannte Zeitung fast ausschließlich in Papierform verlegt wurde und es sich abzeichnete, dass der Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen bald eingestellt werden sollte, kam es nicht mehr zur Veröffentlichung meines Artikels. Jedoch nahm ich nun den 75. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau am 29. April 2020 zum Anlass, doch noch meinen Artikel zur Veröffentlichung zu bringen. Außerdem soll es auch ein Beitrag sein gegen das Vergessen der Geschichte.

Wegweiser zum Lager Dachau

Dort konnte ich zum Beispiel auch eine Bilderausstellung eines Treffens der Industriebosse Krupp & Co. mit Hitler sehen, welche sich dann aus den Fängen des Diktators nicht mehr entziehen konnten. Sie hatten die Tragweite ihres Handelns nicht erkannt und sich somit zu Mittätern gemacht. Dies bedeutet nicht, dass die Angehörigen dieser Mittäter schuldig waren, jedoch wurden dann auch diese zumindest moralisch zu Mitwissern. Was natürlich nicht zu einer Verurteilung letzterer in Form einer Sippenhaftung führen sollte. Erst recht nicht für die Nachkriegsgeneration dieser Täter und Mitwisser. Jedoch hätten die Mittäter von den alliierten Kräften komplett enteignet werden müssen und bereits nach dem Krieg hätte das daraus gewonnene Geld zur Wiedergutmachung, eher gesagt zur Linderung des Leids herangezogen werden sollen und es hätte mehr Geschädigte erreicht, wie 55 Jahre nach dem Holocaust, als es dann einen sehr lang überfälligen Entschädigungsfond zu Gunsten von NS-Zwangsarbeitern auf Drängen vom Deutschen Altbundeskanzler Gerhard Schröder gab.

Ebenso hätten viel mehr Gestapo- [3], SA- [4], SS- [5] und sonstige Nazischergen [6] von den Alliierten zur Rechenschaft gezogen werden müssen und unsere Deutsche Bundesregierung hätte hier einiges dazu beitragen können. Aber leider war unsere Bundesregierung und deren Organe, und ist es bis dato teilweise immer noch, auf dem rechten Auge blind.

Ein Schweizer Journalist befragte Menschen nach der Schreckensherrschaft was sie von den deutschen KZ [7] wussten und einige Antworten lauteten "wir haben davon nichts gewusst", "ich kümmere mich nicht um Politik, denn das bringt nur Unannehmlichkeiten", "Gräueltaten? Nur Propaganda" und "KZ? Darin waren doch nur Juden, Polen und gemeine Verbrecher aus allen Ländern".

Jedoch soll keiner von der Generation während des dritten Reichs behaupten "wir haben nichts gewusst", denn das war auf keinen Fall wahr. Zumal meine beide Elternteile mir sagten, dass man zumindest etwas ahnte was geschah. Von meiner Familie wurde mir auch zugetragen, dass der Riss quer durch Familien ging. Manche waren Parteimitglieder oder mussten wegen Ihrer Position der NSDAP beitreten und andere Familienangehörige unternahmen aus zum Beispiel kommunistischer Überzeugung aktiv etwas gegen das Naziregime.

Nazi-Zynismus, das Tor des KZ Dachau

Für viele Deutsche der damaligen Zeit war der Name "Dachau" ein Inbegriff des Grauens. Aber Näheres war nicht bekannt, denn die Naziparteipropaganda hatte es verstanden um diesen Ort den Mantel des Schweigens zu hüllen. Jedoch jeder, der einen Verurteilten durch das eiserne Tor gehen sah, war versucht, ihm Dantes Worte nachzurufen "Hier lass alle Hoffnung fahren!". Denn es war kein gehen, sondern es war ein hetzen mit Fußtritten und Schlägen der Wachmannschaften durch dieses berüchtigte Tor. Angst und Grauen erfüllte bis auf tiefsten Grund die Seele, ja man hatte gar mit dem Leben abgerechnet. Wen der Schutzhaftbefehl ins KZ Dachau brachte, hatte mit dem Letzten zu rechnen. Jedoch nicht so, als ob man damit bereits zum sicheren Tod abgeurteilt war, sondern man konnte sehr leicht zu Tode kommen oder in der Lagersprache "durch den Kamin gehen". Dachau war das älteste KZ der Hitlerzeit und es galt als Musterlager zur Vorlage anderer KZ. Dort lebten der Geist und die Methode der Menschenmisshandlung, es wurde gar das furchtbar raffinierte System der Überwachung und Terrorisierung großer Menschenmassen geschaffen.

Obwohl beide große Kirchen durch ihr teilweises Stillschweigen und Duldung des Naziregimes sich als Mitwisser all der Gräueltaten schuldig machten, steht es mir nicht zu darüber zu urteilen und es wird jemand anderes Gericht halten. Wobei man festhalten muss, dass es eine Mitwisserschaft und keine Mitverantwortung all der NS-Verbrechen war. Die Schuld in dieser Zeit begann vom Vatikan, verschiedener Kirchenorgane bis hin zu einzelnen Kirchenvertretern. Jedoch darf man auch nicht die risikoreiche Kirchentätigkeit, Mitmenschlichkeit und Zivilcourage etlicher Kirchenvertreter, wie zum Beispiel von Pastor Martin Niemöller bis zu seiner Einkerkerung als persönlicher Gefangener des Führers, nicht vergessen. Selbst unter den Geistlichen beider Kirchen gab es unterschiedliche Meinungen wie man sich bezüglich des Verhaltens gegenüber den Nazimachthabern und der Weltanschauung dieser Diktatur zu verhalten habe. Außer den gegen die Naziherrschaft aktivvorgehenden Pfarrern und Pastoren welche größtenteils in KZs eingekerkert wurden, konnte sich niemand von der christlichen und protestantischen Kirche freisprechen von Unschuld in dieser Zeit. Darüber ließe sich bestimmt ein eigener Artikel verfassen und wer dazu näheres wissen möchte, dem lege ich einen Artikel aus der Süddeutschen Zeitung nah. Aber man sollte auch die Gegenseite lesen und hierfür eignet sich die im Anhang aufgeführten Dokumentationen "Meines Bruders Hüter sein" aus der Zeitschrift für Bayerische Kirchengeschichte und "Märtyrer des Bistums Augsburg im 20. Jahrhundert".

Lagerstraße beim Priesterblock 26

Aber nun zum eigentlichen Thema, den Leiden welche inhaftierte in den durch das Naziregime errichteten KZ unterworfen waren. Diese zuvor verfolgten und dann eingekerkerten Menschen mussten unmenschliches über sich ergehen lassen. So auch die vielen Geistlichen der verschiedenen Kirchen, Glaubensrichtungen und Nationen welche mehrheitlich im KZ Dachau inhaftiert waren. Unter diesen waren bekannte Namen wie Korbinian Aigner [8], Josef Beran [9], Jean Bernard [10], Titus Brandsma [11], Agnello van den Bosch [12], Pater Léon de Coninck, Aleksander Falzmann [13], Edmund Friszke [14], Walter Kaiser [15], Michał Kozal [16], Karl Leisner [17], Johannes Neuhäusler [18], Martin Niemöller [19], Gabriel Piguet [20], Hermann Scheipers [21], Georg Schelling [22] und verschiedene mehr. Ebenfalls möchte ich Maksymilian Kolbe [23] erwähnen, wenn er auch nie in Dachau war, sondern im KZ Auschwitz [24]. Es waren auch sehr viele, von denen namentlich nichts beziehungsweise wenig bekannt war und am meisten mussten polnische Geistliche unter den Repressalien und der Willkür der Lagerschergen leiden. Die polnischen Geistlichen wurden unter anderem am 19. September 1941 im KZ Dachau von den anderen Lagerinsassen getrennt. Die deutschen Geistlichen kamen auf den Block 26 und die polnischen auf den Block 28; ihnen wurde strengstens verboten die Kapelle aufzusuchen und den deutschen Priestern wurde jeglicher Kontakt mit Androhungen untersagt. Auch mussten sie alle Gegenstände wie Breviere, Rosenkränze oder ähnliches restlos abgeben. Zusätzlich wurden die Kapellenfenster zugenagelt und auf der Seite zum Block 28 mit Kalk undurchsichtig gemacht damit die Polaken gemäß den SS-Schergen nicht mehr hinein glotzen konnten.

Das tägliche Lagerleben der Pfarrer, Pastoren und anderer Lagerinsassen war geprägt von Angst und Gewalt. Dies wurde als Mittel verwendet, um die abertausend Gefangenen in absoluter Abhängigkeit und sklavischer Unterordnung zu halten. Durch die Zusammensetzung unterschiedlichster Insassen wie auch wirklich Kriminellen entstand eine äußerst schwierige, fasst unmögliche Gemeinschaft. Die SS nutzte dieses raffiniert ausgebaute System der absoluten Bedrohung und Angst, der Rechtlosigkeit und Entwürdigung durch drakonische Strafen und gewissenloser Morde aus. Somit bedurfte es nur weniger SS-Angehöriger welche für die Leitung und Bewachung des Lagers eingesetzt waren. Dafür mussten die Gefangenen als Beute dieses unmenschlichen Systems als willenlos gewordene Werkzeuge der SS ihre eigenen Mitgefangenen als Opfer ihrer Angst und zur Selbsterhaltung in Abhängigkeit und absoluter Unterwerfung halten. Das Lagerleben war absolut unsicher und gefahrvoll, der Überlebenskampf um das Sein und Nichtsein so blutig ernst, sodass der Selbsterhaltungstrieb übermächtig durchschlug und das Denken und Trachten des Lagerhäftlings, aller Widerstände spottend, sich selbst der Nächste zu sein.

Ein geringer Schutz bot für einen Lagerhäftling der Kontakt zur Aussenwelt, weil dessen Name durch irgendjemand im Zusammenhang mit dem KZ genannt wurde und noch wirksamer war es, wenn dies im neutralen Ausland bekannt war. Deswegen hieß es dann für die SS aufpassen und vorsichtig sein, denn selbst der Umstand, dass ein Häftling regelmäßig Post von Angehörigen erhielt, konnte einen Schutz für ihn bedeuten. Umgedreht jedoch den Unbekannten, gar den Vergessenen im KZ und diese waren in ihrer Verlorenheit ein stetiger Anreiz. Daher kam die permanente und besondere Gefährdung der NN- (Nacht- und Nebel-) Häftlinge, zumal von ihnen niemand etwas wusste beziehungsweise wissen konnte und sie durften nicht schreiben und keinerlei Post empfangen. Diese Gefangenen spurlos verschwinden zu lassen, war in einem KZ etwas ganz Einfaches.

Zum Beispiel Egon Zill [25] war im Jahr 1941 SS-Sturmbann- und erster Lagerführer des KZ Dachau und stand einmal vor vierzig Neuankömmlingen im Lager und fragte "warum bist du hier?". Der Häftling stotterte, ich, ich weiß es nicht und sofort schlug der Verbrecher Zill zu. Er brüllte "hier ist keiner Unschuldig, verstanden!" und stellte sich breitbeinig vor den Häftlingen hin, herrschte boshaft die Leute mit den Worten "ihr seid Verbrecher und das Volk hat euch ausgestoßen! Ihr seid ehrlos, rechtlos und nun weggetreten!" an. Einige Tage danach verlief es ähnlich und die Häftlinge mussten auf dem Appellplatz von 06:00 Uhr bis 12:00 Uhr stramm stehen. Verbrecher Zill erschien und er fragte "warum bist Du eingesperrt? Ach so, Jude; drei Tage Krematorium!", dann den nächsten "und Du? Spanienkämpfer? Immer noch Sozialist? Umschulung!", danach "und Du Pfaffe? Da ich gegen die Beschlagnahmung unseres Hauses protestierte. Was hat das mit Seelsorge zu tun?", so ging es weiter "dort ist noch so ein Pfäfflein und dieser zitterte bereits. Warum bist Du hier? Ich darf darüber nicht sprechen und da bekam er unvermindert einen Schlag verpasst. Bürschlein, ich werde mir deine Akten anschauen und Lagerältester, schreib die Häftlingsnummer auf!" und so ging es weiter. Auch sein Vorgänger der Schutzhaftlagerführer Friedrich Wilhelm Ruppert [26], welcher im Dachauer Kriegsverbrecherprozess rechtens zum Tode verurteilt und insbesondere wegen der Exekution von neunzig russischen Gefangenen hingerichtet wurde, war nicht anders. Man könnte noch mehr Schurken aufführen und einer war schlimmer als der andere, aber dies würde den Rahmen absolut sprengen. Selbst von den morgendlichen und abendlichen Appellen könnte man Seiten füllen, wie die armen Häftlinge drangsaliert wurden.

So sei nur gesagt, dass ein hundertprozentiger SS-Schurke ein seelisch zerstörter, triebhafter, nihilistischer, wurzelloser, haltloser, unberechenbarer und böser Mensch war, wenn man überhaupt von einem Menschen reden kann. Viel eher sollte man von bestialischen Monstern ausgehen. Nur ein solcher Mensch konnte weit abgetrieben vom geordneten Denken und jenseits aller moralischen Bedenken handeln. Aber was trieb den fanatischen SS-Schurken eigentlich hierzu an? Sicherlich das unerbittliche Kommando, der Befehl, die Furcht vor einer Bestrafung, auch ein ungeordneter und ungezügelter Trieb. Ob recht, gut, vernünftig, anständig, dies blieb vollständig außer Betracht und entscheidend war nur, was zweckmäßig, nützlich, möglich und ausführbar erschien.

Nach der Aufnahme als Kazetler im Reiche des Ex-Österreichers und Halunken Hitlers wurden die meisten Geistlichen mit netten Worten wie Pfaffe, Tabernakelwanze, Affe und dergleichen begrüsst. Darüber hinaus gab es noch einen warmen Empfang und man kann sich vorstellen was dies bedeutete. Die Geistlichen wurden sofort nach ihrer Einlieferung ins KZ ohne Vernehmung oder einer Begründung in die Strafabteilung gesteckt. Dort mussten diese unter erheblich härterer Bedingung bei schwerster körperlicher Arbeit sowie geringster Verpflegung und absoluter Isolierung im KZ sowie zur Aussenwelt unmenschliche Belastungen ertragen. Sie sollten ihrem Einfluss und ihrer Würde beraubt und vollständig zermalmt werden. So sollten die Geistlichen jegliche Lust und Möglichkeit verlieren, auf Mitgefangene im Sinne ihres Berufes Einfluss zu nehmen.

Insbesondere wurden nach der unrechtmäßigen Besetzung Polens tausende polnische Geistliche in Massentransporten in KZ verschleppt und hunderte waren durch die Quälereien zu tote gekommen. Sie lebten eingeengt und unter bedrückenden Umständen, halb verhungert und gequält, durch Ochsenziemer und Gewehrkolben bedroht in der Hölle der KZ. Sie waren regelrecht Freiwild der SS-Mannschaften und wurden von diesen gehetzt, gequält, geschlagen, getreten, zu Tode geprügelt und zu den schwersten Arbeitskommandos zugeteilt. Es ist erstaunlich wie viele von diesen polnischen Priestern diese höllischen Qualen und unmenschlichen Entbehrungen überleben konnten. Die Qualen der völligen Unsicherheit ihres Schicksals und auf jeden der Gefangenen konnte jederzeit der Ochsenziemer niedersausen. Keiner wusste ob er den Tag überleben wird, ein Ende der Haft war nicht absehbar, die Gefangenen fühlten sich preisgegeben einem völlig ungewissen Schicksal und keiner konnte darauf Einfluss nehmen. Dieses Preisgegeben sein machte die Lagerinsassen rat- und hilflos und sie waren für jeglichen Halt, Trost und Stütze unbeschreiblich dankbar. Absolut zermürbend wirkte sich der permanente und unerträgliche Hunger aus und keiner wurde jemals satt. Die mengenmäßige unzureichende Nahrung war alles andere als geeignet den Bedürfnissen des Organismus Rechnung zu tragen oder auch nur annähernd das zu ersetzen was die schwere Tagesarbeit von den Kraftreserven aufbrauchte.

Der Hunger lies die Menschen langsam dahinsiechen und das war sicherlich Teil der Nazivernichtungsmaschinerie. Die Symptome des Hungers, der Erschöpfung und Mangelkrankheiten zeigten sich durch Wasser im Körper, Herzschwäche, Hungertyphus, Hungerpsychosen, Ödeme, Nierenleiden, Phlegmone und etliches mehr. In solch einer Situation gehörte eine unmäßige Kraft sich gegen eine Psychose zu wehren oder sogar noch mehr um anderen Mithäftlingen helfen zu können und von der eigenen wenigen Nahrung einem Versinkenden noch etwas abzugeben.

Der Stadtpfarrer und Dekan von Dachau hatte seit Bestehen des KZ im Jahr 1933 den sonntäglichen Lagergottesdienst gehalten, jedoch die Störungen und Belästigungen durch die ungläubige SS-Mannschaft und die der glaubensfeindlichen Gefangenen wurde so groß, dass es selbst im Interesse der Gefangenen angeraten war, vom öffentlichen Gottesdienst Abstand zu nehmen. Stadtpfarrer und Dekan Friedrich Pfanzelt, ein treuer Freund und kühner Helfer der Häftlinge und besonders seiner gefangenen priesterlichen Mitbrüder, vergaß die ärmsten seiner Pfarrkinder nicht. Aber die Bevölkerung vergaß nach der Befreiung des Lagers durch die amerikanischen Streitkräfte am 29. April 1945 [27] alles. Die Amerikaner führten anschließend die Bevölkerung ins KZ Dachau und angeblich wussten die Einwohner Dachaus nicht was dort geschah, aber dem Stadtpfarrer blieb nichts verborgen. Dazu kann ich nur fragen, hatten die Leute als die Gefangenen vom Bahnhof bis ins Lager ihren Fußmarsch zurücklegen mussten ihre Augen verschlossen und diesen Vorwurf müssen sich die älteren noch überlebenden Personen bis heute gefallen lassen!

Einzig könnte man den Umstand des Nichtwissens geltend machen, dass die in der Umgebung von Dachau Lebenden niemals Zutritt zum KZ hatten und somit die dortigen Zustände verborgen blieben. Die sich in Urlaub befindliche Wachmannschaft und die im Laufe der Jahre entlassenen Häftlinge mussten sich unter der Androhung der Todesstrafe verpflichten, nicht das Geringste auszusagen. Jedoch, und dies lässt sich bestimmt nicht bestreiten, ahnten etliche Menschen im damaligen Nazi-Deutschland, was hinter den Stacheldrahtverhauen der KZ ablief und dies hätte die Massen zu einem Aufschrei animieren müssen.

KZ-Lagerinsasse

Zu Beginn des Dezember 1940 wurde der Befehl zur Zusammenlegung aller Geistlichen aus den verschiedenen KZ nach Dachau angeordnet. Die Transporte folgten aus Sachsenhausen, Buchenwald, aus den Lagern Polens, Luxemburgs und des Elsass. Als die Gefangenen im KZ Dachau eintrafen, staunten selbst die SS-Schergen und wussten im ersten Moment nicht die Situation abzuhandeln, als die zirka 800 bis 900 Priester in gestreifter Häftlingskleidung oder besser gesagt, in Lumpen vom Bahnhof in Dachau auf einmal ins KZ zu überführen waren.

Das hatte das KZ Dachau noch nicht erlebt, denn bisher waren es lediglich einige Dutzend aus Österreich verschleppte Priester und die in Dachau eingelieferten Geistlichen gewesen. Diese waren zunächst nach Flossenbürg [28] transportiert worden, dann nach Sachsenhausen und wieder zurück nach Dachau. Etliche waren nach dem Transport und bei den schweren Steinbrucharbeiten in Flossenbürg den Strapazen, Anstrengungen, Entbehrungen, Misshandlungen, dem Hunger und hartem Winter erlegen. Lediglich eine kleine Gruppe hatte die Höllenfahrt überstanden und diese wurden jetzt mit den anderen Gefangenen aus den verschiedenen KZ zusammengeführt. Hier in Dachau waren alle überrascht, SS-Verbrecher wie auch Häftlinge und so viele Geistliche auf einmal. Diese wurden als eine "schwarze Gefahr" gesehen und eine Bedrohung für den im KZ herrschenden Geist der Brutalität und Grausamkeit wie auch auf der anderen Seite des naturhaften Triebes, die eigene Existenz mit jeglichen Mitteln zu sichern. Alle irgendwie ohne die Bindung an Glaube und Sitte die furchtbare Ungewissheit und Bedrohung des Lebens zu überstehen. Die SS wie auch die herrschende Häftlingsgruppe waren sich einig, dass man die "schwarze Gefahr" bannen und die Priester möglichst kurzhalten muss.

Für die Geistlichen wurden drei Baracken frei gemacht und dies waren die später berühmten Blocks 26, 28 und 30. Diese "Pfaffenblocks" wurden innerhalb des Stacheldrahtverhaus und der elektrischen Hochspannung zusätzlich mit Draht eingezäunt. In sogenannter doppelter Gefangenschaft wollte man die zirka 800 Priester nochmals innerhalb des KZ isolieren. Es sollte nach Kräften verhindert und wenn möglich ganz gehemmt werden, dass die Geistlichen Kontakt und Einfluss auf Mitgefangene nehmen konnten.

Das KZ Dachau bildete mit allen Anlagen und den vielen Baracken eine in sich geschlossene Stadt. Die vielen Baracken der Totenkopfdivision, der SS mit den vielen Garnisonen, den Kommandogebäuden, Führerwohnungen, der Besoldungsstelle der Waffen-SS, den vielen Vorratshäusern und Magazinen der SS umfasste ein riesiges Gelände vor der Stadt Dachau. Das Gelände war ein riesiges Moor und dies hatten die politischen Gefangenen trocken zulegen und in bebautes Land umzuwandeln. Viele Juden wurden hier bei der Fronarbeit erschossen, mit Gewehrkolben erschlagen, Todgeprügelt oder sind an der Schubkarre zusammengebrochen.

Auf diesen Äckern des Grauens und des Todes, diesem heiligen Boden, erstreckten sich die zirka 700 Hektar großen Gewürz- und Versuchsfelder. Zur anderen Seite hin war die große SS-Stadt entstanden und diese sollte sogar nach vorhandenen Plänen noch weiter vergrößert werden. Es sollte Raum für zirka 50.000 Menschen geschaffen werden. Innerhalb dieser SS-Stadt, der Hochburg des Verbrechers Himmler und dessen schwarzer Schutzstaffeln, war das KZ nur ein kleiner Teil.

In mathematisch exakter Anordnung standen auf dem Gelände von 300 mal 900 Meter 30 Baracken in doppelter Reihe. Davor war der große Appellplatz und auf diesem konnten zirka 30.000 Menschen aufmarschieren. Dieser Platz wurde flankiert vom SS-Wachgebäude, umrahmt von der großen Küchen- und Vorratsbaracke. Hinter der Küchenbaracke war der berüchtigte Kommandantur-Arrest; ein langes Gebäude mit über hundert Haftzellen für Einzel- und Gruppenhaft. Dort wurden alle Stufen der Inhaftierung durchgeführt. Von der leichten "Ehrenhaft" bis zu den furchtbaren Untersuchungs- und Todeszellen. In diesen wurden unzählige Menschen gehängt, erschlagen und erschossen oder sie röchelten unter den entsetzlichsten Torturen bis zum Tote. In den Höfen zwischen dem Arrest und der Küche fanden unbeschreibliche Szenen von Grausamkeiten, Quälereien, ungeahnte Mord- und Todesweisen statt. Seitlich zu den Bracken befanden sich innerhalb des Lagertrakts die Strafzellen der Polizei und SS mit durchschnittlich zirka 500 Inhaftierten. Diese wurden dort mit drakonischer Strenge gehalten, gedrillt und gequält.

Mit dem Schutzhaftlager Dachau war ein Straflager der SS-Schergen verbunden, sowie Strafanstalt und sowohl ein Bereich als Übergangsetappe zur Hinrichtung. So konnten die zivilen Häftlinge öfters in den frühen Morgenstunden den bekannten Lastwagen mit SS-Todeskandidaten unter Abdeckung zum Schießplatz fahren sehen. Bis dato gab es noch keine funktionierenden Gaskammern im KZ Dachau. Also noch nicht, denn diese wurden erst gebaut und der Materialmangel stockte die Arbeit und später ließen die katastrophalen Geschehnisse an den Fronten die Beendung und Inbetriebnahme nicht mehr als geraten erscheinen.

Ursache der Strafen waren Übertretungen gegen Dienstvorschriften, Fluchtversuche, Vergehen in den von der SS besetzten Ländern und Rassenschande. Manche der gefallenen "Engel" wurden auf dem Schießplatz hingerichtet, aber die meisten kamen nach drei oder sechs Monaten zu den "Himmelfahrtskommandos" an die Front und nach einer Bewährung wurden sie begnadigt oder sie verschwanden namenlos.

Im KZ Dachau waren damals zirka 8.000 bis 10.000 Inhaftierte und diese waren auf 30 Baracken verteilt. Diese Baracken waren normalerweise für 200 Insassen gebaut, jedoch im Laufe der Zeit mussten bis zu 1.500 Menschen darin Platz finden. Dieses Eingezwängt sein wurde auf Dauer zur furchtbaren Qual und dadurch wurde viel Nervosität und Streit erzeugt, wenn auf engstem Raum die elementarsten Lebensinteressen aufeinanderprallten und Bedürfnisse nicht zu ihrem Recht kamen. Das Zusammengepfercht sein brachte Nöte und Leiden durch die wahnsinnigen Disziplinarvorschriften hervor und mit diesen wurde die gesamte Belegschaft des KZ in schrecklicher Angst und der absoluten Unterordnung gehalten. Die Wohn- und Schlafstuben mussten absolut blank, obwohl kein Bohnerwachs abgegeben wurde mussten die Fußböden gebohnert, nirgends durfte ein Stäubchen zu sehen, die Betten mussten bis auf den Millimeter ausgerichtet und die Strohsäcke wie eine Tischplatte eben und kantig sein. Wer gegen diese wahnsinnigen, überspannten Forderungen verstieß, musste drakonische Strafen hinnehmen, die für manche Häftlinge lebenslängliches Siechtum oder auch den grausamen Tod als Folge hatte.

Das raffinierte System, welches auf Angst und Grauen aufgebaut war, führte dazu, dass sich die SS-Schergen kaum um die Disziplin der Gefangenen zu kümmern hatten. Dies besorgten die von ihnen eingesetzten Stuben- und Blockältesten aus den Reihen der Inhaftierten und die meisten dieser Kreaturen waren willenlose Werkzeuge der SS. Sie führten nicht nur deren Kommandos hemmungslos durch, sondern ergänzten diese noch durch ihre eigenen Befehle. Dadurch wollten sie ihren verlässlichen Gehorsam, ihre Ergebenheit und Treue beweisen. Für eine extra "Brotzeit" oder "längere Haare" waren die Häftlingsvorgesetzten bereit, ihre Mitgefangenen an die SS zu verkaufen. Mit Strafmeldungen wurde nicht sparsam umgegangen und wenn befohlen wurde, dass jeder Gefangene im KZ einen Meter hochzuspringen hatte, dann befahlen sie, dass zwei Meter zu springen sei.

Die Disziplin wurde von diesen Handlagern durchgesetzt mit Brüllen, Treten, Werfen von Gegenständen, durch Nahrungsentzug der ohnehin wenigen Nahrung, Strafstehen und Marschieren. Sie hatten die absolute Gewalt über Leben und Tod der Lagerhäftlinge, denn sie wussten, dass sie bei der SS umso besser dastanden, je rücksichtsloser und grausamer sie mit den Bewohnern ihrer Baracke umgingen. Von den meisten konnten die SS-Verbrecher blinden Gehorsam erwarten und es wurden alle Befehle ausgeführt. Wenn der SS-Blockführer oder -Rapportführer einem Blockältesten (auch Capo genannt) die Weisung gab, dass abends von zum Beispiel 153 Mann nur 151 zum Appell anzutreten hatten, dann wurde dessen Folge geleistet. Dies bedeutete für ihn, dass zwei Todesmeldungen beim SS-Vorgesetzten eingehen mussten. Der Capo hatte bei diesem traurigen Spiel nicht bedacht, dass seine Mitwisserschaft auch sein Todesurteil war.

Solch ein grausames KZ zeigte alle Variationen, welche sich beim Zusammenleben von Menschen wiederfinden, genauso wie das Verhältnis der Völker und Staaten zueinander. Alle Züge aus der inneren Gesinnung und Triebhaftigkeit, die im Menschenherzen schlummern. Im normalbürgerlichen Leben sind diese im Verborgenen oder getarnt, eingehüllt oder auf die Rücksicht zur Gesellschaft gehemmt. Hingegen im KZ, wo sehr viele Menschen vogelfrei den SS-Schergen ausgeliefert waren, da gab es diese Hemmungen nicht. Hier konnte sich die Ungeheuerlichkeit und Unbegreiflichkeit ohne Bedenken austoben und deswegen war ein KZ nichts anderes als die in den Lagerbereich hineinprojizierte Welt. Es war eine konzentrierte Welt, denn gegen Schluss lebten im KZ Dachau zirka 33.000 Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht und aus allen europäischen Ländern.

Ebenso lernten die Häftlinge dort auch die Ideen, Schwierigkeiten, Wirrnisse, Probleme, das Versagen und die Bewährung der Männerwelt von heute kennen. In Dachau begegneten diese, ganz abgesehen von der SS mit ihren infernalen Methoden und teuflischen Ausgeburten, auch dem Mann, der uns heutzutage auf der Strasse begegnet. Dies mit allem was ihn draussen an Bösem beschäftigt, wie Bedrohung, Daseinskampf, Freiheitsberaubung, GPU [29] mit ihren Schrecken (unter Häftlingen) Heimweh, Homosexualität, Hunger, Machtkampf, Menschenhandel, Prostitution, Protektion, Sklaverei, Verbrechen, Wohnungsnot, Zuhälterei und vieles mehr.

Tod im elektrisch geladenen Zaun des KZ Dachau

Im KZ gab es täglich zirka 50 bis 60 Tote und dazu noch die großen Transporte von Todgeweihten; Erschlagen, Hängen, Verhungern, Verprügeln, verschwinden lassen bei Nacht und Nebel und etliches mehr. Eine gespensterhafte und doch reale Welt. Neben dumpfen dahin Brüten und Versinken im Elend; gespannte Geistigkeit, Auseinandersetzungen zwischen den politischen und philosophischen Anschauungen, produktive Zukunftspläne, Komitees für den Wiederaufbau, Organisierung der Widerstandsbewegung und das alles zwischen den Baracken der SS- und Polizei-Schergen. Ein Zusammenpferchen der Menschen war wie eine eingeschlossene konzentrierte Welt im Kleinen von elektrisch geladenem Stacheldrahtverhau, Wassergräben, Mauern und Maschinengewehren umgeben.

Es gab aber auch eine Kirche unter den 30 Baracken und Bauten des KZ. Es war der Block 26 und in jeder der zugehörigen Baracken hausten zum Schluss 250 Bewohner. Es waren 450 deutsche und österreichische Priester, 1643 polnische, zirka 150 aus anderen Ländern und in etwa 60 Pastoren der evangelischen Kirche. Von den damals Reichsdeutschen starben zirka 25% und von den polnischen zirka 40%; im Ganzen waren schätzungsweise 1000 Todesopfer unter den Dachauer Geistlichen. Vertreten waren 144 Diözesen, 25 Nationen, 40 Ordensgemeinschaften und davon stellten die Jesuiten die Höchstzahl von 95 Häftlingen. Unter den Geistlichen gab es alle Hierarchiestufen, vom Theologiestudenten bis zum Erzbischof und bis zum Greisenalter eines zweiundachtzigjährigen litauischen Pfarrers war alles vertreten. Hinzu kamen gläubige Männer aus allen Völkern und europäischen Nationen jeden Alters; vom 7. bis 80. Lebensjahr, aus allen Berufen, sozialen Schichten, Religionsgemeinschaften wie Juden, russische und griechische Orthodoxe sowie Bibelforscher. Unter ihnen waren zum Schluss die Katholiken jedoch in der Mehrzahl und dies vor allem wegen der großen Massentransporte aus den überwiegend katholischen Ländern.

Im Winter des Jahres 1940 gab es eine ganz unerwartete Wende, denn ganz plötzlich wurden die Priester ohne jegliche Begründung aus den Arbeitskommandos und Strafblocks herausgenommen, in die extra für sie geräumten Baracken 26 bis 30 zusammengelegt, von weiteren schweren Arbeitslasten ferngehalten und erleichternde Privilegien eingeräumt. Hintergrund war der, dass der NS-Verbrecher Himmler den Befehl erlassen hatte, die Geistlichen in Schutzhaft aus der schweren Arbeitsverwendung herauszunehmen und schonender zu behandeln wären. Dies geschah deswegen, da in der Heimat die vielen Todesfälle bekannt wurden und die Bischofskonferenz erheblichen Einspruch erhob und Abhilfe forderte. Entgegen den Erwartungen ging Himmler auf die Forderungen der Bischöfe wegen der öffentlichen Meinung ein und vielleicht fürchtete er diese sogar, hauptsächlich die des Auslandes und das war das einzige Mittel um diese teuflischen Unmenschen vom äußersten Machtmissbrauch fernzuhalten. Himmler befehligte für die Geistlichen in den KZ Verpflegungszulagen und Erleichterungen zu gewähren. Es gab noch andere Vergünstigungen bis hin zu einem Raum für Gottesdienste.

Dies allerdings rief die Eifersucht der übrigen Gefangenen und den Hass der SS-Bewacher hervor. Wie so oft hatten es die SS-Schergen und Kommunisten zusammen versucht, unter hämischen Bemerkungen auf diese Privilegien einen Keil zwischen den Priestern und dem KZ zu treiben. Jedoch Himmlers Befehl blieb in Kraft und sicherte den Priestern das grösste Privileg und den unbeschreiblichen Trost einer Kapelle und dem Gottesdienst.

Die Kapelle war lediglich ein primitiver Barackenraum aus einer Wohn- und Schlafstube der Baracke 26, der Gottesdienst äußerst einfach mit Paramenten und Geräten aus dem Messkoffer eines polnischen Militärgeistlichen. Erfindungsgabe, Improvisation und Spenden aus der Heimat gestatteten es, aus der armseligen Barackenkirche mit einem Tabernakel aus Kisten und Blechbüchsen, einem tönernen Kruzifix eine kleine Diasporakapelle entstehen zu lassen mit würdigen Paramenten, Geräten und Feiern. Zirka ein Jahr hatten die Geistlichen Ruhe von der schweren Arbeit, aber dafür mussten Sie entgegen Himmlers Befehl die "leichte Beschäftigung" des Schneeschaufelns, Schleppens der Speisekübel für das ganze KZ und ähnliche Arbeiten übernehmen. Aber das Schleppen der eisernen Kübel war trotz der Erleichterungen eine Tortur, wenn man das Gewicht von 150 Pfund bedenkt. Der Weg mit den Kübeln von der Küche bis zu den Baracken war ein schwerer Opferweg und für etliche der Weg nach Golgatha.

Einige Stunden blieben allerdings für Gebete, Arbeitskreise, Andacht und Studium übrig. Aber am Tag blieb ihnen die Kapelle verschlossen und der Besuch derer verboten, jedoch hielt sich kaum jemand daran.

Im Winter 1942, genauer gesagt im Februar wurden den Geistlichen die Privilegien genommen und bald zeitgleich auch die Fronarbeit, vor allem auf den berüchtigten Plantagen, wieder eingeführt. Alle Pfaffen raus, vor der Baracke antreten! Alle Pfaffen kommen auf die Plantage und so ist es von Berlin befohlen. Zur Zwangsarbeit gesellten sich in diesem Schreckensjahr noch der Hunger, die Witterung, Misshandlungen, Erschöpfungszustände und Todesfälle. In der absoluten Not kam eine kleine Wende und es wurde erlaubt aus der Heimat Lebensmittelsendungen zu empfangen, denn die SS-Verbrecher sahen sich ausserstande die vielen Tausende im KZ zu ernähren, zumal es die Kriegslage anriet die Erhaltung der Arbeitskräfte. Parallel hierzu erfolgte eben aus diesem Grund eine spürbare Lockerung der Lagerdisziplin. Somit wurde es ermöglicht im Block 26 den Gottesdienst weiter auszubauen und noch weiter für das KZ zu öffnen. Darüber hinaus wurde eine kühnere Lagerseelsorge gewagt, jedoch wurde diese auch sabotiert und behindert. Aber Seuchen und Massenvergasungen sowie das ausgeklügelte Spitzelsystem ermahnten zur Vorsicht.

Es war auch die einzige Möglichkeit zu konzentrierter Seelsorge und das KZ stellte die Priester permanent vor pastoralen Fragen und seelsorgerische Lagen. Hierzu gab es auf den Blöcken der Geistlichen die Möglichkeit des Gedankenaustauschs zu den einzelnen Fragen, wie sie in der langen Kirchengeschichte noch nie dagewesen waren. Zweitausend Priester wurden über Jahre hinweg auf engstem Raum vor die Aufgabe dieser Zeit gestellt, eher gezwungen zu einer gemeinsamen Stellungnahme zu den Nöten, ungelöste Fragen zu dieser Zeit, zu den Täuschungen und unzureichenden Formen und Methoden des überkommenen religiösen Lebens und pastoralen Wirkens.

Hierbei handelte es sich um die schwierigsten Umstände der bereits zuvor erwähnten Masse an Menschen auf engstem Raum, ungenügende und primitivste Wohnungen in welchen 200 Geistliche in einem Raum von neun auf zehn Meter, fünf Priester in drei Betten hausen mussten. Dies bei schwerster Arbeit, bei Hunger und jeder Witterung, Krankheiten, Seuchen, ohne jegliche Medikamente und ärztlicher Pflege. Unter diesen erbärmlichen Umständen war es ein Problem ein priesterliches Innenleben und Lebensstil aufrecht zu erhalten.

Eingelieferte Häftlinge, auch Geistliche, wurden zunächst vollkommen entkleidet und diese aufgezwungene Nacktheit war ein Symbol des Ganzen, ein von nun an aufgezwungenes Dasein oder besser ausgedrückt Dahinvegetierens. Das vorherige Leben war untergegangen, gar ausgelöscht, seine Gewohnheiten und Formen versunken, der Rest von Kraft und Selbstbewusstsein musste sich konzentrieren auf die Erhaltung der nackten Existenz.

Die meisten Lagerhäftlinge verloren in der vom Tode bedrohten und zu Tode gehetzten Masse ihr Eigendasein; sie gingen seelisch daran zu Grunde und etliche auch körperlich; sie wurden Kretine. Um sich aus dieser Situation wieder aufzuraffen und sich selbst zu sein, musste man entweder ein brutaler und gewaltbereiter oder ein geistig gefestigter, sehr in sich gehender und im gottesgeeinten Leben stark verwurzelter Mensch sein.

Es war ein besonderes Gnadengeschenk, dass, den Absichten der SS-Schergen entgegen, die Isolierung der Geistlichen auf eigenen Blocks ihnen durch gemeinsames Beten und brüderliche Gemeinschaft außerordentliche Hilfe schenkte, um der drohenden Vermassung entgegenzuwirken. Dadurch wurde die priesterliche Persönlichkeit und das priesterliche Innenleben zu bewahren, sogar gefördert.

Wer an ein solches Leben weit jenseits aller gewohnten Normen den Maßstab des uns vertrauten bürgerlichen Lebens anlegt, und sich aus dieser Haltung ein abfälliges Urteil erlaubt, geht an der Realität vorbei. Der katholische Laie, der Wiener Bürgermeister Richard Schmitz [30], gab nach seiner Befreiung aus dem KZ Dachau in vatikanischen Kreisen die Erklärung ab, er habe bei den Geistlichen in Dachau ein ganzes Stück Urchristentum vorgefunden. Der Oberst Walter Adam aus Wien, welcher an den Folgen jahrelanger Dauerhaft in Dachau starb, schrieb in seinen Erinnerungen, er habe bei den Priestern in Dachau eine sehr gute Haltung und Wohltätigkeit gefunden. Vom Block 26 seien Wellen sittlicher Kräftigung und geistiger Erneuerung ins KZ ausgeströmt.

Tatsache war, dass das Leben der Priester in ihren Dachauer Katakomben auf das Ganze gesehen, urchristlich, wahrhaft priesterlich, getragen vom Geist religiöser Innerlichkeit, aszetischen Strebens und apostolischen Eifers geprägt war. Natürlich gab es auch Zeiten und Menschen, die einer exakteren kritischen Beobachtung Anlass zu Bedenken geben mussten; aber wer konnte sich bei diesen übermenschlichen Belastungen über solche Grenzen wundern? Jedoch gerade wegen der starken außerordentlichen Belastungen ist die Gemeinschaft der Geistlichen im KZ Dachau sehr hoch einzuschätzen. In den schweren Notjahren bis zum Jahr 1943 noch mehr als in den letzten drei Jahren.

Es war eigenartig, dass nach einhelligem Urteil die Brüderlichkeit, Innerlichkeit, der Gebets- und Opfergeist umso lebendiger wurden und desto ergreifender auflebten, je grösser die Gefahren und Opfer waren. Als im Jahr 1943 die äußerste Not etwas zurückging und größere Massen von Priestern ins Dachauer KZ eingeliefert wurden, nahm die Gemeinschaft, das religiöse Streben, der christliche Opfergeist merklich ab, oder besser ausgedrückt; sie zeigten weniger den heroischen Grad der allerschwersten Leidensjahre. Immer aber blieb die Priestergemeinschaft inmitten der dämonischen Welt des KZ ein Wunder des Sakraments, der Gebete und Liebe, wie einst die Urkirche in der heidnischen Welt von Rom und Korinth.

Der erste Besuch in der Notkapelle des KZ, die erste Opferfeier in der Gemeinschaft der vielen hundert Priester in einem primitiven Raum vor dem einfachen aus Kisten und Betttüchern gefertigten Altar gehalten, war ergreifend wie kaum ein anderes religiöses Ereignis etlicher Jahre zuvor. Es war der Katakomben-Gottesdienst; Jesus Christus und die eucharistische Ekklesiologie allgegenwärtig unter seinen Priestern, mitten im KZ an der Stätte des Grauens und der Finsternis. Seit dem 22. Januar 1941 fanden täglich in aller Frühe vor dem Morgenappell heilige Messen statt und dann waren in der Kapelle trotz dem Verbot, trotz schwerster Behinderungen, äußerer und innerer Hemmungen immer Beter anzutreffen, von 05:00 Uhr früh bis 21:00 Uhr. Ununterbrochen sah man Priester den Kreuzweg des Herrn beten. Es war an vielen Tagen, Jahre hindurch wie eine Prozession von betenden, liebenden, leidenden und doch so aufrechten Männern, welche an den Leidensstationen des Herrn Kraft für sich und den Segen für die Ihrigen erflehten. Als der äußere Druck nachließ und die Bewegungsfreiheit größer wurde, nahm die Gottesdienstfeier eine feierlichere Gestalt an. Hochämter, Vespern und Andachten wurden gehalten, die Priester suchten die entsprechenden Formen, welche sich ins Lagerleben, mit Weitblick auf die spätere Pastoration und in das moderne öffentliche Leben einfügen könnten.

Sehr viel ist auf den Arbeitsfeldern der berüchtigten Plantagen gebetet worden, wo Jahre hinweg zirka 400 bis 500 Geistliche arbeiteten, litten und starben. In kleinen wie auch großen Gruppen hat man dort den Rosenkranz gebetet trotz der SS-Schergen, trotz den Capo und Spitzeln, hat gegen alle Lagervorschriften und Verbote (es waren vor allem polnische Priester) sogar das heilige Messopfer gefeiert auf Dachböden und draußen im Freien auf den riesigen Gewürzfeldern.

Seit dem Herbst im Jahr 1941 wurden auf den Stuben vor dem Schlafengehen oder im Dunkel des Schlafraums Betrachtungsweisen gegeben und gemeinsame Gebete abgehalten. Oft war es so ergreifend, wie jeden Abend viele Priesterhände in das Dunkel hinein den priesterlichen Segen für ihre Gemeinden und Lieben in die Ferne sandten. Von der Fastenzeit im Jahr 1942 an wurden sonntägliche Predigten und recht häufig Vorträge, welche das theologische Wissen vertieften, pastorale Fragen behandelten und das geistliche Leben fördern sollten, gehalten. Pater Léon de Coninck leitete als Blockspiritual einen achttägigen Exerzitien-Kurs für den ganzen Priesterblock. Auf den Stuben wurden, vor allem in den Zeiten wegen der Seuchen verhängten Quarantäne, die Kurse abgehalten und eine ansehnliche theologische Handbibliothek zusammengebracht, trotz der Behinderungen, Erschwerungen und Verbote.

Von den Priesterblocks strahlte ein stiller, aber ständiger religiöser Einfluss auf das ganze KZ aus. Unzählige Beichten wurden auf den Lagerstraßen und Arbeitsstätten entgegengenommen; immer wieder wurde die heilige Eucharistie aus der Kapelle heimlich hinausgetragen in die Arbeitsbaracken und Krankenstuben. Unzählige Sterbende konnten so vor ihrem Ende die heilige Ölung empfangen und dies vor allem in jener Zeit, als es zwölf Priestern gelungen war im Sanitätsdienst tätig zu sein. Auch als Schreiner und Pförtner fanden sie im Krankenbau Beschäftigung und nur wenige Christen die nach einem Priester verlangten, sind ohne die heiligen Sakramente gestorben.

Es hätte sicherlich noch viel mehr getan werden können, jedoch was an apostolischer Wirksamkeit unternommen wurde, war absolut viel und es durfte nicht bekannt werden. Deshalb ist wenig an die Öffentlichkeit gedrungen und eine Art Arkandisziplin zwang zu möglicher Tarnung. So war es möglich, dass nachträglich die Verleumdung ausgestreut wurde, dass die Dachauer Priester nicht ihre priesterliche Pflicht erfüllten und Kranke, Notleidende und Sterbende ohne priesterlichen Beistand gelassen hätten, aber tatsächlich war der apostolische Eifer ausnahmslos groß. Als der äußere Druck nachließ und zu den überwiegend alten kommunistischen Lagerinsassen große Scharen katholischer Häftlinge, darunter befanden sich auch ausländische Geistliche, aus den durch die Deutsche Wehrmacht besetzten europäischen Ländern wie Frankreich, Holland, Belgien und andere eingeliefert wurden, entfaltete sich noch mehr rege priesterliche Aktivitäten.

Ein sehr wichtiges Gebiet war die Übung der Caritas inmitten so grauenhafter und unmenschlicher Entbehrungen. Um die Blöcke der Geistlichen sammelten sich die Hungernden und Leidenden, dass die Lagerpolizei eigens angewiesen war, die Bettler von diesen Blöcken fernzuhalten. Die SS-Wachen drohten mit Strafen, falls die Priester dieser Notleidenden Hilfe schenkten. Dadurch, dass die Priester dies mit ansehen mussten, litten sie mit. Privat wurde von den einzelnen sehr viel gegeben und getan durch Zuwendung von Lebensmittel, die sich die Geistlichen selbst abgespart hatten, sowie mittels Geldgeschenke, Unterstützung und Vermittlung. Gemeinsam wurde in den Stuben vom ganzen Block durch großzügige Spenden die Hilfe organisiert. Bei Bedürfnissen des KZ wandte man sich an die "Pfaffen", in der Erwartungshaltung, dass die "Herren Pfarrer" immer helfen werden.

Als die heimatlichen Lebensmittelsendungen zugelassen wurden, sammelte man Monate hinweg alles Lagerbrot um es den Hungernden zu geben. Die invaliden und jungen Russen erhielten oft ganze Kübel voller Essen und es ist auf die Spenden der Geistlichen zurückzuführen, dass die grausame und furchtbare Hungersnot des KZ nicht mehr so stark hervortrat. Dies ging bis zum letzten Jahr des KZ, denn durch die Bombenangriffe wurde eine Bahnsperre verhängt und diese Umstände ließen keine Lebensmittelsendungen mehr aus der Heimat zu.

Ab April des Jahres 1943 gelang es den Geistlichen das Krankenreviers zu erobern, welches bis anhin eine Domäne der überwiegend kommunistischen Pfleger war. Nachdem im KZ Typhus ausgebrochen war, fehlte es an Sanitätern. Manche der Sanitäter bangten um ihr eigenes Leben und überließen die Kranken einfach ihrem Schicksal. Da kamen der Lagerleitung die Priester in den Sinn und sie wurden unter Berufung auf die christliche Caritas aufgefordert, den Pflegedienst zu übernehmen. Unvermittelt meldeten sich einige Dutzend und zwölf von ihnen wurden genommen. Mit dem Einzug der Priester wurde der Geist im Lagerrevier deutlich anders. In der Folge von Verfügungen der Nazis aus Berlin wurde die Priesteranzahl wieder zurückgenommen. Als jedoch der fürchterliche Flecktyphus ausbrach, zogen noch mehr Pfleger ihre eigene Sicherheit der Pflege der Kranken vor. Deswegen wurden die Priester abermals gebeten, die Pflege zu übernehmen und sie meldeten sich gleich freiwillig. Auch im Wissen um die Gefahren und der Bereitschaft ihr eigenes Leben zu geben. Ziemlich alle wurden von der Seuche befallen und sechs Priester starben als Opfer ihrer Caritas. Monate hinweg wurden täglich kostbare Lebensmittel wie Obst und auch Medikamente gesammelt und den Kranken im Lagerrevier zur Verfügung gestellt, ohne Ansehen der Person und der Religion. Dies trotz dem Verbot das Krankenrevier zu betreten, die Kranken zu betreuen, der eigenen Not und den Gefahren.

Schlussendlich wandten sich in besonderen Notzeiten die Ärzte und Pfleger an die Priester und jedes Mal wurde wieder gesammelt und gespendet was nur möglich war. Selbst zum Blutspenden für Transfusionen meldeten sich viele Geistliche, um dadurch gefährdete Kameraden vor dem Tod zu bewahren. Kaum etwas geschah öffentlich und das Meiste blieb im Verborgenen und das war sehr, sehr viel. Trotz aller Verbote und Sperren sind die Geistlichen ständig im Krankenrevier ein- und ausgegangen, um die Kranken auch im Seuchenblock zu versorgen.

Insbesondere muss die Hilfe für einige hundert Häftlinge erwähnt werden, die beim Fliegerangriff auf die Messerschmitt Werke in Augsburg ihre Glieder verloren hatten und sterbend, elend zerrissen auf Lastwagen ins KZ Dachau geschafft wurden. Es war der Josephstag im Jahr 1944 und es wurde vom Besten gespendet was man hatte. Besonders Zucker, leicht verdauliches Gebäck und Dextropur für Traubenzuckerinjektionen und für diese Allerärmsten hatte man auf den Blöcken 26 bis 30 buchstäblich das Letzte gegeben. Oftmals genügte ein Anschlag in der Kapelle und nach kurzer Zeit war das Gewünschte vorhanden.

Sicherlich gab es auch einige die aus ängstlicher Sorge um ihr eigenes Leben lieber etwas verschimmeln ließen, jedoch waren es die traurigen Ausnahmen von Alltagserscheinungen. Für die wenigen überlebenden Wissenden steht allerdings fest, dass die Caritas einen übergewöhnlichen, ja bei nicht wenigen Priestern einen heroischen Grad annahm. Was in dieser Welt, vor allem in der Glaubenslosen und von Gott entfremdeten, gar losgeketteten und ohne sittliche Normen handelnden Welt geschieht, dies wurde im KZ wie in einer Linse gesammelt und scharf profiliert auf die Leinwand projektiert. Das bedeutet, dass es in einem KZ viel intensiver, hemmungsloser, zusammengedrängter erlebt und erlitten wurde, das Böse wie das Gute.

Nicht in einem der vielen Berichte über das KZ Dachau ist je etwas über die schwierigen und inneren Spannungen der Gefangenen ausgesprochen worden. Nichts über die Machtkämpfe, die zwischen den verschiedenen Gruppen ausgetragen wurden. Auch nichts über die sozialen und weltanschaulichen Auseinandersetzungen, in denen das Gegensätzliche, die Kämpfe und Gehässigkeiten des Lebens in der Welt abspielten. Sehr scharf waren die sozialen Kämpfe im Jahr 1943 durch die systematische Hetze der kommunistischen Gruppen und Kameraden gegen den Priesterblock. Da hielten die SS-Schergen mit den Kommunisten gegen die Priester zusammen und dies hatte zum Ziel, den Geistlichen die Privilegien zu entziehen. Vor allem war Ihnen die Kapelle mit dem Gottesdient ein Dorn im Auge und diese wollte man aus dem KZ verbannen. Es kam sogar soweit, dass man den ganzen Priesterblock verlegen, vernichten und fertig machen wollte.

Hier spiegelte sich auch das Verhältnis der SS-Verwaltung und Lagerführung zu Religion und kirchlichem Denken wieder, also diese waren absolut feindselig und negativ eingestellt. Religiöse Bedürfnisse fanden keine Anerkenntnis durch die SS und es erschien diesen Verbrechern als eine Marotte, eine Narrheit und gar eine Volksverdummung durch die Pfaffen. Den Geistlichen entgegnete die SS mit Hohn, Spott und Verachtung. Wo auch immer sie dieselben demütigen, lächerlich hinstellen und schikanieren konnten, taten sie es.

Sogar eine Untersuchungskommission kam aus Berlin und diese hatte den Auftrag, Meuterei und Nachrichtenübermittlung zum Vatikan festzustellen. Der gefährliche Anschlag misslang und einige wenige hatten erfahren, in welcher Gefahr sich hunderte von Priestern befanden. Trotz der Gefahrenabwendung ging der Kampf von gehässigen Kameraden weiter, dies konnte jedoch nicht verhindern, dass die Geistlichen ihre Kapelle behielten und im KZ sogar immer mehr Einfluss gewannen. Es waren nicht nur die heimatlichen Lebensmittelpakete die den Aufstieg der Priester im KZ bewirkten, sondern vermehrt ihre Brauchbarkeit in allen Stellen, ihre soziale Hilfe, ihre Aufbauarbeit und geistige Haltung.

Im Jahr 1943 war Bischof Michał Kozal aus Leslau an Typhus gestorben und oft hatten die Geistlichen gehofft, dass wieder ein Bischof käme. Wenn man auch nicht wünschen konnte, dass ein Bischof verhaftet und die Not der Gefangenschaft mit den Priestern teilen sollte. Dann im Spätsommer des Jahres 1944 kamen große Gefangenentransporte mit vielen hunderten von gefangenen Franzosen der Widerstandsbewegung aus französischen Gefängnissen im KZ Dachau an. Hunderte von ihnen waren unterwegs in den geschlossenen Güterwagen bereits gestorben. Lediglich zirka 500 bis 600 erreichten das grausame Ziel. Unter den Überlebenden befanden sich französische Politiker, Beamte, Geistliche, Professoren, Arbeiter und der französische Bischof Gabriel Piguet von Clermont-Ferrand.

In den Folgemonaten wuchs die Sorge der Häftlinge täglich, denn der furchtbare Krieg sollte bald sein Ende nehmen. Die Schreckensherrschaft der SS konnte sich nicht dauerhaft halten und je dramatischer die Sachlage wurde, desto drakonischer klangen die Äußerungen der SS-Schergen. Aber auch manche Häftlinge wagten sich hervor und gingen gegen die strenge Lagerdisziplin an und anschließend gab es wieder entsetzliche Strafmaßnahmen mit den entsprechenden Drohungen. Keiner würde lebend aus dem KZ kommen und alle Möglichkeiten wurden von den Häftlingen diskutiert. Die SS-Verbrecher überrumpeln, Massenflucht, Durchbruch der Mauer und des elektrischen Stacheldrahtverhaus, Stürmung und Einnahme des KZ durch die alliierten Streitkräfte und dergleichen mehr. Dann gab es wieder diese besorgniserregenden Gerüchte, dass das ganze KZ in die Luft gesprengt oder durch Luftbombardement dem Boden gleich gemacht werden sollte, denn es war vorgesehen, das KZ nicht den amerikanischen Streitkräften in die Hände fallen zu lassen. Diese Gerüchte und Sorgen schafften eine absolute nervöse Stimmung unter den Lagerinsassen und diese waren auch wirklich begründet. Zumal in der Führerbesprechung der Kriegsverbrecher und Schutzhaftlagerführer Ruppert den Vorschlag unterbreitete, wenigstens die Spanienkämpfer und Funktionäre der Parteien, die gegen den Nationalsozialismus waren zu liquidieren bevor die Amerikaner kämen. Dieser Vorschlag wurde vom Lagerkommandant SS-Obersturmbannführer Martin Gottfried Weiß [31] abgelehnt, wegen eventueller späterer Repressalien gegen SS-Familienangehörigen. Außerdem sagte der Lagerkommandant Weiß im späteren Prozessverlauf gegen die verantwortlichen Lagerführer aus, dass vom RSHA [32] befehligt wurde, dass das KZ durch Bomben zerstampft und zerstäubt werden sollte.

Der Polizeipräsident von München hatte die Ausführung des Befehls hinausgezögert mit Rücksicht auf die bereits beunruhigte Bevölkerung Münchens. Somit war tatsächlich in diesen letzten Wochen keiner der Häftlinge seines Lebens sicher und niemand von den Häftlingen wusste wie sich dessen Schicksal gestalten würde.

Als die Gefahr von außen für das Nazireich weniger groß war, wurden bereits etliche tausend arbeitsunfähige Kranke und Geisteskranke, welche als lebensunwert und wertlos galten, aus dem KZ direkt in die Gaskammern und anschließend ins Krematorium gebracht. Im Rahmen der Euthanasieaktion 14f13 wurden arbeitsunfähige Häftlinge umgebracht. Deswegen waren nun in den Krankenstuben die Sorgen besonders groß und bedrückend, denn man fragte sich, was die SS-Schergen nun mit den Kranken machen würde, wenn die letzten Tag für das KZ anbrechen. Auf diese bange Frage konnte keiner eine Antwort liefern, aber alle waren damit konfrontiert.

Entlassungsschein des Lagerdekan Georg Schelling aus dem KZ Dachau vom 10. April 1945

Dann kam ganz unerwartet eine plötzliche Wende im KZ und somit für viele auch Hoffnung auf. In der Karwoche im März des Jahres 1945 wurden Massenentlassungen im Rahmen der sogenannten "Oster-Amnestie 1945" durchgeführt wie es das KZ bis anhin noch nicht erlebt hatte. Zunächst begannen die Entlassungen am 25. März ohne irgendwelche Angaben und Bedingungen auf dem Priesterblock. Jeden Tag wurden zirka zehn Häftlinge entlassen und dies gab ihnen wieder Hoffnung, Lebensmut und eine Zukunftsperspektive. Eine sichtliche Erleichterung ging durch das ganze KZ und jeder hoffte, dass diese Freilassungen auf andere Baracken übergreifen würde. Es hörte bei insgesamt 167 entlassenen Geistlichen im Priesterblock auf und leider wurden die Perspektiven nicht erfüllt, jedoch jeder war gestärkt für das nahende Ende.

Die amerikanischen Truppen waren inzwischen tief nach Bayern vorgedrungen und sie standen bereits Ende April vor den Toren Augsburgs und Nürnbergs. Die Lagerinsassen waren wiederum durch ihre Nachrichtenquellen exakt informiert vom Rückzug der deutschen Armee. Das kritische Ende des Lagers sollte nun schneller kommen als erwartet.

Im Jahr 1945, am 26. April mussten plötzlich alle reichsdeutschen Häftlinge mit einem Teil der Jugoslawen und Russen auf dem Appellplatz antreten. Dies waren zirka 7000 Männer, jedoch die genaue Anzahl ist niemandem bekannt geworden und jeder von diesen wurde mit einer Decke und Marschverpflegung versorgt. Nun sollte sich noch abends die ganze Kolonne in Bewegung setzen. Manche von der SS-Bewachung die nur widerwillig dabei sein mussten, waren perplex. Wie viel von diesen 7000 ankommen werden, fragten sie sich und einer meinte, eventuell zehn Prozent. Aber was soll es, Himmlers Befehl war, dass der grösste Teil der Lagerinsassen auf Transport zu setzen sei, bevor der Feind das KZ Dachau einnehmen würde. In Dachau sollte vereitelt werden, dass wie in Buchenwald das ganze KZ von den Alliierten eingenommen werden würde. Keiner der Gefangenen sollte lebend in die Hände des Feindes geraten und diese Funkmitteilung wurde später im Papierkorb des Lagerkommandanten gefunden.

Die 7000 Mann sollten in die Ötztaler-Alpen verfrachtet werden und dies noch bevor der Feind in Dachau war. Im KZ war die Aufgeregtheit groß und jeder wusste, dass das Ende kurz bevorstand. Die zurückgebliebenen Lagerinsassen waren äußerst angespannt und selbst die Wachmannschaft war nervös. Etliche Häftlinge waren inzwischen ausgebrochen und hatten sich der Widerstandsbewegung angeschlossen um in Dachau Brückensprengungen durch die Nazis zu verhindern. Falls möglich sollten die Angehörigen des Volkssturms und die SS-Schergen entwaffnet werden. Der couragierte Karl Riemer schlug sich bis zu den amerikanischen Truppen, welche zirka 30 Kilometer vor Dachau standen, durch und er berichtete dem Befehlshaber wie es um das KZ Dachau stand. Die Amerikaner sendeten sofort eine schnelle Panzertruppe, diese sollten die KZ-Wache überrumpeln und die Häftlinge retten.

In den Krankenstuben des KZ-Reviers wurden die Ereignisse mit Anspannung verfolgt, jedoch die zirka 1500 Kranken erfuhren nur teilweise was geschah und die Vermutungen verstärkten nur noch die Ängste. Die absolut dramatischen Ereignisse machten alles noch verworrener und ließen den Kranken die Geschehnisse von ihren Betten aus nur bruchstückweise erleben. In der Nacht des 28. April gab es schon große Gefechte, am 29. April 1945 waren es schwere Artellerie-Einschläge und ganz in der Nähe hörte man Maschinen- und Gewehrfeuer. Der Tag der Freiheit brach an, die weiße Fahne war gehisst und um 05:30 Uhr war es dann endlich so weit. Die ersten amerikanischen Soldaten drangen in das KZ Dachau ein und ein riesiger Jubel brach aus, gar Freudenausbrüche bis an die Grenze der Möglichkeiten der Lagerinsassen. Die polnischen Insassen stürmen die Wache der SS-Schergen, zertrümmern mit Recht das Bild des Verbrechers Hitler und zerschmettern SS-Gewehre und was sonst noch im Wege stand. Die Stimmung war unbeschreiblich und in kürzester Zeit wehten die Fahnen der befreiten Nationen. Keiner wusste woher all die Flaggen kamen und alle Baracken waren mit Blumen geschmückt. Dies war ein herrlicher Anblick!

Bis zum 24. April 1945, also kurz vor der Befreiung des KZ Dachau waren 14.994 Polen, 13.536 Russen, 12.067 Ungarn, 6.819 Franzosen, 5.012 Reichsdeutsche, 3.250 Litauer, 2.934 Italiener, 1.974 Tschechen, 1.746 Slowenen, 989 Belgier, 836 Holländer, 818 Kroaten, 785 Griechen, 516 Serben, 263 Spanier, 244 Slowaken, 230 Letten, 211 Luxemburger, 111 Staatenlose, 86 Türken, 77 Norweger, 69 Rumänen, 54 Bulgaren, 13 Engländer, 12 Schweizer, 11 Amerikaner, 8 Portugiesen, 2 Chinesen und 1 Däne im Lager. Einige Tage zuvor sind noch zirka 400 Dänen nach Schweden abtransportiert worden.

Mit all den mir zur Verfügung gestellten Dokumentationen (siehe Quellennachweise) könnte ich darüber hinaus noch weitere Artikel füllen beziehungsweise die zuvor aufgeführten Ausführungen weiter ergänzen. Gleiches gilt zur Befreiung des KZ Dachau, aber dies würde den Rahmen sprengen. Jedoch möchte ich noch erwähnen, was mit den 7000 Männern auf ihrem Gewaltmarsch geschah. Der Todesmarsch wurde am 1. Mai 1945 in Waakirchen bei Tegernsee zum Stillstand gebracht und die noch lebenden Gefangenen befreit.

Mir sind beim Lesen und insbesondere zum Schluss meines Artikels die Tränen gekommen. In erster Linie als ich in den mir zur Verfügung gestellten Unterlagen nachlesen konnte, dass eine große Befreiungsfeier auf dem Appellplatz stattfand. Dort sprachen ein Französischer General und ein Amerikanischer Feldkaplan.

Danken möchte ich den Personen und Institutionen, welche mir die entsprechenden Informationen, Tipps und Hinweise beziehungsweise Zugang zu Dokumentationen, Bibliotheksbüchern, Online-Bibliotheken und verschiedene andere Medien zur Verfügung stellten. Dies war der theologischer Referent Herr Dr. Peter C. Düren vom bischöflichen Ordinariat Augsburg, die Referentin für Öffentlichkeitsarbeit Frau Irmgard Hoffmann beim Evangelisch-Lutherischen Dekanat Augsburg, Frau Simone Paulmichl und Herr Magnus Brechtken zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation beim Institut für Zeitgeschichte in München, Frau Claudia Gugenberger zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und der wissenschaftliche Mitarbeiter Herr Dr. Dirk Riedel bei der KZ-Gedenkstätte Dachau, der Archivrat Herr Dr. Jürgen König vom Landeskirchlichen Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und Herr Pater Justinus Pagnamenta von der Stiftsbibliothek des Klosters Einsiedeln in der Schweiz.

Ebenso soll es ein Aufruf sein, damit solch ein Schauspiel voll grausiger Szenen, von nie dagewesener Grausamkeit und Härte, von Selbst- und Weltzerstörung, einer entsetzlichen gottfernen Ideologie des Nationalsozialismus, ein Spiel sich überschlagenden Machtwahns und des vollendeten Wahnsinns nicht mehr von Deutschem Boden ausgeht. Am besten, dass es von keinem Fleck der Erde stattfindet.

Altendorf im Juni 2013

Quellennachweise:

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  • Als Priester im Konzentrationslager, meine Erlebnisse in Dachau (ISBN 3-89-244289-4)
  • Die Geistlichen in Dachau. sowie in anderen Konzentrationslagern und in Gefängnissen
  • Elsässer und Lothringer in Dachau
  • Erinnerungen aus sieben Jahrzehnten (ISBN 3-46200-649-5)
  • Geistliche im KZ Dachau. Das war Dachau (ISBN 2-87996-948-4)
  • Georg Häfner, Priest und Opfer, Briefe aus der Haft, Gestapo-Dokumente (ISBN 978-3-429-00838-3)
  • Gott feiern in KZ Dachau (aus der Broschüre Seelsorge 1933 - 1937)
  • Karl Leisner, Priester und Opfer (ISBN 978-3-836-70563-9)
  • KZ - Lagerdekan Georg Schelling, 200 Briefe aus dem KZ (ISBN 3-85430-148-0)
  • Leben auf Widerruf, Begegnungen im KZ Dachau
  • Märtyrer des Bistums Augsburg im 20. Jahrhundert (ISBN 3-00-018072-9)
  • Meines Bruders Hüter sein. Ein Bischof in Verantwortung (aus der Zeitschrift für Bayerische Kirchengeschichte)
  • Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts (ISBN 978-3-506-75778-4)
  • Priester unter Hitlers Terror. Eine biographische und statistische Erhebung (ISBN 978-3-506-79877-0)

Online-Bibliotheken:

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  1. Pfarrerblock im KZ Dachau
  2. KZ Dachau
  3. Gestapo - Geheime Staatspolizei
  4. SA - Sturmabteilung
  5. SS - Schutzstaffel
  6. Nazi - Nationalsozialismus
  7. KZ – Konzentrationslager
  8. Katholischer Pfarrer Korbinian Aigner
  9. Kardinal Josef Beran
  10. Katholischer Priester Jean Bernard
  11. Katholischer Theologe Titus Brandsma
  12. Katholischer Ordenspriester Agnello van den Bosch
  13. Evangelischer Geistlicher Aleksander Falzmann
  14. Evangelischer Pastor Edmund Friszke
  15. Evangelischer Pfarrer Walter Kaiser
  16. Bischof Michał Kozal
  17. Katholischer Diakon Karl Leisner
  18. Katholischer Theologe Johannes Neuhäusler
  19. Evangelischer Theologe Martin Niemöller
  20. Bischof Gabriel Piguet
  21. Katholischer Priester Hermann Scheipers
  22. Dekan Georg Schelling
  23. Franziskaner-Minorit Maksymilian Kolbe
  24. KZ Auschwitz
  25. SS-Sturmbann- und erster Lagerführer Egon Zill
  26. Schutzhaftlagerführer Friedrich Wilhelm Ruppert
  27. Befreiung des KZ Dachau
  28. KZ Flossenbürg
  29. GPU - Gossudarstwennoje polititscheskoje uprawlenije (Объединённое государственное политическое управление)
    Auch beim Aufbau des NS-Polizeiapparates gab es Parallelen; so ist bekannt, dass sich der NS-Verbrecher Heydrich frühzeitig über Stalins Unterdrückungs- und Spionageorgan GPU und dessen Methoden informieren ließ, um die entsprechenden Erfahrungen für seine Arbeit auszuwerten.
  30. Wiener Bürgermeister Richard Schmitz
  31. SS-Obersturmbannführer Martin Gottfried Weiß
  32. RSHA – Reichssicherheitshauptamt