Benutzer:Happolati/Cissi Klein

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Cissi Klein im Alter von sieben Jahren

Cissi Pera Klein[1][2] (* 19. April 1929 in Narvik, Norwegen; † 3. März 1943 in Auschwitz) war ein norwegisches Mädchen jüdischer Abstammung, das während der Zeit des Nationalsozialismus im Vernichtungslager KZ Auschwitz-Birkenau ermordet wurde. Zum Zeitpunkt ihres Todes war sie 13 Jahre alt. Wegen dieses jungen Alters – und weil sie die meiste Zeit ihres Lebens in Trondheim verbrachte – wird sie in ihrem Heimatland als „Trondheims Anne Frank[3] bezeichnet.

Cissi Klein wurde 1929 als zweitältestes Kind des jüdischen Händlers Wulf Klein und der ebenfalls jüdischen Verkäuferin Milla Klein (geb. Glick) im nordnorwegischen Narvik geboren. Die Eltern leiteten den Vor- und Rufnamen ihrer Tochter, Cissi, von Cecilia ab und gaben ihr mit Pera zusätzlich einen Namen aus dem Hebräischen.[2] Cissis älterer Bruder Abraham war 1926 zur Welt gekommen; ein jüngerer Bruder, der 1931 geborene Josef Isidor, starb laut Totenschein im Alter von nicht einmal drei Monaten an Dyspepsie.[4] Wulf Klein, 1886 im litauischen Laižuva geboren,[5] war wegen zahlreicher Judenpogrome im zaristischen Russland zunächst nach Schweden und 1905 nach Norwegen emigriert. Er war damit seinem älteren Bruder Mendel Judel Klein gefolgt, der sich schon ab 1899 im äußersten Norden Norwegens aufhielt.[6]

Das Brüderpaaar hielt sich mit Wander- und Hausierhandel über Wasser.[7] 1912 startete Mendel, vermutlich gemeinsam mit Wulf, ein Geschäft in Kjelvik, einem letzten Außenposten der Zivilisation vor dem Nordkap, mit kaum mehr als 100 Einwohnern. In den Folgejahren versuchte Wulf Klein mit wechselndem Glück, in Kristiansund, Ålesund, erneut Kjelvik, Harstad und Narvik als Händler sesshaft zu werden.[8] 1924 lernte er Milla Glick (geboren 1895 in Saldus, Lettland[9]) kennen, die seit 1912 in Trondheim lebte. Noch im selben Jahr heirateten die beiden. Der Plan des Paares, sich eine Existenz in Trondheim aufzubauen, scheiterte zunächst an den hohen Pachtpreisen dort. Ein kleines Herrenmodengeschäft in Narvik, das Klein 1925 eröffnet hatte, konnte die entstehende Familie jedoch leidlich versorgen.[10]

Familie Klein (1936)

Nachdem Cissis jüngerer Bruder gestorben war, reisten seine Eltern und Geschwister mit dem Hurtigrutenschiff in das knapp 1000 Kilometer südlich von Narvik gelegene Trondheim, wo sich der nächstgelegene jüdische Friedhof befand. Dort wurde Josef Isidor nach jüdischem Zeremoniell bestattet. Ein Jahr darauf entschied sich die Familie, dauerhaft in die Stadt Trondheim zu ziehen, die Cissis Mutter als ihre Heimat ansah.[11]

Erste Jahre in Trondheim

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Nach längerer Suche gelang es Wulf Klein, in der Thomas Angells gate in der Trondheimer Innenstadt ein Lokal zu finden, das seinen Vorstellungen und finanziellen Möglichkeiten entsprach. Da es bereits viele etablierte Herrenausstatter in der Stadt gab, spezialisierte sich Klein in seinem neuen Geschäft, dem er den Namen Sæpemagasinet (wörtlich: Seifenmagazin) gab, auf Kurzwaren. Allerdings bot er dort nicht nur Knöpfe, Garne, Nadeln und Scheren feil, sondern verkaufte auch blaue und weiße Stangenseifen, Waschmittel, Steinzeug, Geschirr, Taschenlampen, Schrank- und Toilettenpapier, Schreibwaren und viele andere Dinge. Da der Kindergarten nur vier Stunden täglich öffnete, nahmen Milla und Wulf Klein ihre Kinder Abraham und Cissi oft mit in das Geschäft. Vor allem Cissi erfreute sich an den vielen Glanzbildern, Postkarten, Buntstiften, Spielsachen und vielen Kuriositäten, die dort ausgelegt waren, und brachte allmählich auch Freundinnen mit, die das Geschäft wie sie selbst als Paradies empfanden.[12] Im Hinterhof des Gebäudes spielten die Mädchen Gummitwist und Himmel und Hölle.[13]

Das Geschäft ging so gut, dass sich Familie Klein einen Umzug in eine geräumige Wohnung am zentral gelegenen Museumsplassen leisten konnte, wo Cissi zum ersten Mal ein eigenes, wenn auch recht kleines, Zimmer bezog. Nach mehreren vergeblichen, oft willkürlich abgelehnten Anträgen erhielten Milla und Wulf Klein im Jahr 1935 die norwegische Staatsbürgerschaft. Cissi erzählte ihrer neuen Freundin Eva, einer Nachbarin im Haus stolz, dass ihre Eltern nun „richtige Norweger“ seien und der norwegische König dies mit einem Brief bestätigt habe.[14] Im selben Jahr wurde Cissi gemeinsam mit 22 weiteren Schülerinnen in die Klasse 1 A der Kalvskinnet skole eingeschult.[13] In der reinen Mädchenklasse stiftete die lebhafte Cissi neue Bekanntschaften. Sie erwies sich schnell als sportlich und insbesondere als ausgezeichnete Skifahrerin. Wenn sie für ihre Geschicklichkeit auf der Piste gelobt wurde, pflegte sie zu antworten: „Wir [Norweger] werden doch mit Skiern an den Beinen geboren.“[15] In ihrer Freizeit feuerte sie auch gerne ihren Bruder Abraham beim Fußballspielen an, außerdem ihren Cousin Simon, der mehrere Jugendteams von Rosenborg Trondheim durchlief.[16] 1936 bewunderte sie die norwegische Eiskunstläuferin Sonja Henie, die in Garmisch-Partenkirchen zum dritten Mal in Folge bei Olympischen Spielen die Goldmedaille gewann. Überliefert ist, dass Cissi Adolf Hitler und Joseph Goebbels, mit denen Henie auf einem in Norwegen sehr bekannten Foto zu sehen war, „unheimlich“ fand.[17]

Beginn der deutschen Okkupation

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Die Eltern Cissis betrachteten mit Sorge die schrittweise Entrechtung der Juden im nationalsozialistischen Deutschland. Cissi konnte kaum glauben, dass die jüdischen Kinder in Deutschland nicht mehr in öffentliche Schulen gehen durften.[18] Schon kurz nach Beginn des Zweiten Weltkrieges veränderte sich auch die Lebenssituation der Familie Klein in Trondheim. Sie hatte sich bereit erklärt, den jüdischen Jungen Tibor Taglicht aus Bratislava aufzunehmen, den die norwegische Nansenhilfe nach dem Einmarsch der Wehrmacht in die Tschechoslowakei aus dem Land schaffen konnte. Bei den Kleins und anderen jüdischen Gastfamilien wohnte der Zehnjährige jeweils mehrere Wochen.[19][20]

Am 9. April 1940 überfiel die Wehrmacht Dänemark und Norwegen und rückte in den frühen Morgenstunden auch in Trondheim ein.[21] Cissis Schule wurde noch am selben Tag zu einer Kaserne für deutsche Soldaten umfunktioniert. Dies hatte zur Folge, dass für Cissi und ihre Mitschülerinnen der Unterricht wochenlang ausfiel. Die Kinder wurden schließlich zu Touristen- und Vereinshütten in der Bymarka transportiert, einem Waldgebiet außerhalb der Stadt, wo sie provisorisch unterrichtet wurden. Hier teilten sich Mädchen und Jungen erstmals einen Klassenraum, was anfangs gegenseitige Verlegenheit auslöste. Einige Wochen darauf kamen die Dritt- und Viertklässler der Kalvskinnet skole, unter ihnen Cissi, in Räumlichkeiten einer Hauswirtschaftsschule unter.[22] Cissi hatte nun häufiger Ferien als gewöhnlich, da die Schule versuchte, Heizkosten zu sparen.[23]

Synagoge in Trondheim

Schon im Mai 1940, knapp einen Monat nach Beginn der Okkupation Norwegens, zog die norwegische Polizei auf Geheiß der deutschen Besatzungsmacht die Radioapparate der Juden ein.[24] Diesem bewussten Akt der Diskriminierung folgte im Frühjahr 1941, mitten während der Pessach-Feierlichkeiten, die Beschlagnahme der Trondheimer Synagoge, die durchreisenden deutschen Soldaten als Schlafsaal dienen sollte. Den anwesenden Juden gelang es lediglich, einige Torarollen, Gebetsmäntel und Bücher zu retten.[25] Die Kleins waren keine sehr religiöse Familie, besuchten aber regelmäßig den Gottesdienst, der fortan in einer Privatwohnung abgehalten wurde. Trotz dieser Vorfälle entschlossen sich nur wenige Mitglieder der Gemeinde zur Flucht. Die meisten Juden in Trondheim hielten die Maßnahmen der Deutschen zu diesem Zeitpunkt für rein kriegsbedingt und sahen sich nicht grundlegend bedroht.[26] Cissi und ihre nicht-jüdischen Freundinnen trauten sich sogar, Plastikringe zur Kennzeichnung von Vögeln in den norwegischen Nationalfarben zu Schmuck zu verarbeiten und öffentlich zu tragen, obwohl dies als Akt des Widerstands galt und offiziell verboten war.[13]

Im Sommer 1941 erfuhr Cissis Vater, dass die Wehrmachtsoldaten die Synagoge in Trondheim mutwillig beschädigt hatten. Unter anderem waren wertvolle Kronleuchter im Haus für Schießübungen missbraucht worden.[27] Diese Neuigkeiten bedrückten die Familie Klein. Ihr zeitweiliger Gast Tibor, ein Spielkamerad von Cissi und Abraham, verließ Trondheim, um in der Nähe von Molde bei einer Gastfamilie leben zu können, die auch seine jüngere Schwester Vera aufgenommen hatte. Der Abschied von Tibor fiel zeitlich mit der Nachricht zusammen, dass in Nordnorwegen 14 Juden im arbeitsfähigen Alter verhaftet und in ein Lager gebracht wurden, unter ihnen zwei Cousins von Cissi, Conrad und Hertze. Den Männern wurde kein Grund für ihre Verhaftung mitgeteilt. Sie erfolgte offenbar, weil es kurz vor dem Einfall der Wehrmacht in die Sowjetunion im definierten Aufmarschgebiet, zu dem der Norden Norwegens zählte, zu keinerlei Störungen kommen sollte.[28][29]

Beschlagnahme der jüdischen Geschäfte

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Die Unruhe in der Familie Klein und generell im Kreis der norwegischen Juden nahm zu und verstärkte sich ab dem Herbst 1941 weiter. Der radikale Antisemit Gerhard Flesch war am 11. Oktober 1941 Kommandant der Sicherheitspolizei und des SD in Trondheim geworden. Er ordnete sofort die Beschlagnahme von jüdischen Geschäften und jüdischem Eigentum in der Stadt an.[30][31] Ausführendes Organ war eine ad hoc gegründete neue Behörde mit der Bezeichnung Forvaltningskontor (wörtlich: Verwaltungsbüro), deren Leitung dem Norweger Reidar Landgraff anvertraut wurde. Dieser ehemalige Freimaurer, von Flesch zum „Generaltreuhänder“ erhoben, suchte in der Regel mit zwei norwegischen Polizisten die jüdischen Geschäfte auf und nahm den Besitzern die Schlüssel ab. Die Geschäfte wurden anschließend unter „arischer Führung“ neu eröffnet. Etliche jüdische Händler wurden vorübergehend inhaftiert.[32][33]

Wulf Kleins Sæpemagasinet war zunächst von einer Beschlagnahme nicht betroffen. Wie allen anderen Juden in Trondheim hatte er sich Anfang 1942 jedoch bei der Polizei einzufinden, um sich seinen Pass mit einem roten „J“ (für Jøde/Jude) stempeln zu lassen. Dies galt auch für seine Frau und seinen Sohn Abraham, während Cissi noch über keinen eigenen Pass verfügte. Den Juden, die sich bei der Polizei meldeten, wurde ein „Fragebogen für Juden in Norwegen“ ausgehändigt, den sie binnen einer bestimmten Frist auszufüllen hatten. Polizei und Besatzungsmacht verschafften sich auf diese Weise präzise Informationen über die Familien– und Wohnverhältnisse der Trondheimer Juden. Cissis Bruder füllte für sich und seine Eltern das Formular aus. Im Fragebogen seines Vaters notierte er in der Rubrik „Anzahl Kinder“ seinen eigenen Namen und den seiner jüngeren Schwester: "Pera Cissi Klein, 12 Jahre".[34][35] Die Existenz des Mädchens wurde damit den deutschen Besatzern bekannt.

Am 24. Februar 1942 erschien „Generaltreuhänder“ Landgraff im Geschäft von Wulf Klein. Er verlangte nicht nur die Aushändigung der Schlüssel, sondern auch, dass Klein den wenigen Angestellten seines Sæpemagasinet weiterhin den Lohn zahlte. Als Wulf Klein hiergegen protesierte, schlug Landgraff mit der Faust gegen seine Schulter und seinen Hals, so dass Klein zu Boden ging. Als er sich wieder erhob, öffneten die norwegischen Polizisten, die Landgraff begleitet hatten, mit einer höhnischen Verbeugung die Tür und forderten ihn und seine Frau Milla auf, das Geschäft zu verlassen.[36]

Ausnahmezustand in Midt-Norge

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Wulf Klein erlitt aufgrund des Vorfalls in seinem Geschäft so starke Verletzungen, dass er ein Pflegeheim in Oslo aufsuchen musste.[13] Den 13. Geburtstag von Cissi im April 1942 verpasste er deshalb. Kleins Gesundheitszustand ließ auch eine möglicherweise erwogene Flucht der Familie nach Schweden als unmöglich erscheinen. Hinzu kam, dass Cissis Mutter wegen eines Magenleidens ebenfalls kaum reisefähig war.[37]

Am 6. Oktober 1942 traf Josef Terboven, der sogenannte Reichskommissar für die vom Deutschen Reich besetzten norwegischen Gebiete, in Trondheim ein und verhängte in einer Rede auf dem Marktplatz der Stadt den Ausnahmezustand für Midt-Norge (Mittelnorwegen).[38][39] Unmittelbarer Anlass für diese Maßnahme waren mehrere Aktionen des norwegischen Widerstandes gegen die Besatzungsmacht gerade in dieser Region.[40] Für Widerstand und Sabotage machte Terboven in seiner Ansprache die „Emigrantenclique in London“ verantwortlich, womit er den geflohenen norwegischen König Haakon VII. und die norwegische Regierung meinte, die nach seiner Darstellung vom „Weltjudentum“ bezahlt wurden. Als Vergeltung für die Widerstandshandlungen kündigte Terboven die Verhaftung und Hinrichtung von zehn hochgestellten Persönlichkeiten der Stadt an. Zwei der Männer befanden sich zu diesem Zeitpunkt bereis im Gefängnis: der jüdische Händler Hirsch Komissar, der zeitweise im selben Haus wohnte wie Cissis Familie, und der Ingenieur Hans Konrad Ekornes. Die Liste mit den übrigen acht Namen stellten wesentlich der lokale „Führer“ der norwegischen faschistischen Partei Nasjonal Samling, Henrik Rogstad, sowie Reidar Landgraff zusammen. Die Männer auf der Liste, unter ihnen der Theaterintendant Henry Gleditsch, wurden noch im Laufe des 6. Oktobers verhaftet, in das 75 Kilometer entfernte Strafgefangenenlager Falstad gebracht und dort nach Mitternacht erschossen.[41][42]

Strafgefangenenlager Falstad

Für die Betroffenen vollkommen überraschend wurden während des Ausnahmezustandes auch die männlichen erwachsenen Juden in Trondheim verhaftet. Norwegische Polizisten erschienen in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober 1942[1] bei Familie Klein. Sie nahmen nicht nur Cissis Vater, sondern auch ihren inzwischen 16-jährigen Bruder Abraham mit, der aus dem Schlaf gerissen wurde. Cissi empörte sich ihren Freundinnen gegenüber, dass Abraham für erwachsen gehalten wurde; er sei „doch noch so kindisch“.[43] Cissi war unsicher, ob sie noch am Schulunterricht teilnehmen durfte und fehlte nach der Verhaftung ihres Vaters und Bruders mehrere Tage in der Schule.

Ihr Leben veränderte sich in diesen Tagen erneut dramatisch. Die Wohnungen der jüdischen Familien wurden beschlagnahmt und die Frauen und Kinder in drei verbleibenden, größeren Wohnungen zusammengepfercht. Auch die Wohnung der Familie Klein am Museumsplassen wurde zu einer Sammeleinrichtung für Juden umfunktioniert. Nach Cissis Angabe lebten nun „15 oder 16“ Menschen dort.[44] Sie hatte keinen Rückzugsort mehr und machte sich große Sorgen um Vater und Bruder. Wulf und Abraham Klein sowie alle anderen Juden wurden in das Lager Falstad gebracht, wo sie im Gegensatz zu den nicht-jüdischen Gefangenen weder Briefe versenden noch empfangen durften.[45] Ihre Angehörigen waren über ihr Schicksal deshalb nicht unterrichtet. Insgesamt wurden, inklusive der Frauen und Kinder, 70 Trondheimer Juden inhaftiert oder in Wohnungen polizeilich überwacht; die 13-jährige Cissi war unter ihnen die jüngste.[40][46] Am 12. Oktober 1942 wurde der Ausnahmezustand offiziell beendet.[47]

Verhaftung in der Schule

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Die Geschehnisse im Oktober 1942 bildeten den „Startschuss für den Massenmord an den norwegischen Juden“.[48] Einige Wochen nach Aufhebung des Ausnahmezustandes wandte sich deutsche Gestapo-Offizier Wilhelm Wagner an den Leiter der norwegischen Statspolitiet (Staatspolizei), Karl Marthinsen, und beauftragte ihn, die Deportation der Juden aus Norwegen zu organisieren. Im Hafen von Oslo stand das Schiff Donau bereit. Der Plan war, dass es am 26. November 1942 mit allen norwegischen Juden an Bord Richtung Deutschland ablegen sollte.[49]

Am frühen Morgen des 25. November 1942 erhielt Cissis Mutter einen Telefonanruf von einer Freundin, die in einer der beiden anderen Sammelwohnungen für jüdische Frauen und Kinder in Trondheim untergebracht war. Zwei Beamte der Statspolitiet seien soeben aufgetaucht und hätten die Frauen angewiesen, sich auf ihre Abholung wenige Stunden später einzustellen. Diese Nachricht verunsicherte Cissi, ihre Mutter und alle Bewohner in der Wohnung am Museumsplassen sehr. Cissi machte sich, schockiert vom Anruf am Morgen, mit Verspätung auf den Weg zur Schule. Eine Schulfreundin begleitete sie wie immer auf dem kurzen Weg und sah, dass Cissi mit den Tränen rang. Kurz bevor die Mädchen das Schulgebäude erreichten, bemerkte Cissi, dass sie ihren Ranzen vergessen hatte. Sie klopfte dennoch an der Tür ihrer Klasse an, wo der Unterricht bereits in vollem Gange war. Ihre Lehrerin, Randi Skorge Reppe, öffnete; Cissi lief ihr schluchzend in die Arme. Es gelang Frau Reppe nach einiger Zeit, Cissi etwas zu beruhigen. Die Lehrerin las ihren Schülerinnen an dem Tag Passagen aus der Ilias vor.[50] Mitten während ihres Vortrages betraten zwei norwegische Polizisten den Klassenraum; einer von ihnen, ein sehr junger Beamter, war ein Nachbar von Frau Reppe. Die Polizisten teilten ihr mit: „Wir sind hier, um Cissi Klein abzuholen.“ Vor den Augen ihrer Schulfreundinnen wurde Cissi abgeführt.[1][51]

Die Polizisten begleiteten Cissi nach Hause, wo ihr und ihrer Mutter nur wenig Zeit blieb, einen Koffer zu packen. Vor dem Haus am Museumsplassen fuhr ein Bus vor, in den die jüdischen Frauen und Jugendlichen einsteigen sollten. Cissis Freundin Eva beobachtete die Aktion vom Fenster ihres Zimmers aus, eilte nach unten, um sich von Cissi zu verabschieden. Eine weitere Freundin, Rut, war ebenfalls eingetroffen. Sie schaffte es, bis zu Cissi vorzudringen und mit ihr ein paar Worte zu wechseln. Cissi sagte nach Erinnerung ihrer Freundin Rut: „Niemand soll sehen, dass ich weine.“[52]

Im Gefängnis Bredtveit

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Cissi, ihre Mutter und alle Menschen, die zuletzt in der Wohnung der Familie Klein gewohnt hatten, wurden zum Trondheimer Hauptbahnhof gefahren, wo auch die Bewohner der beiden übrigen Sammeleinrichtungen eintrafen. Die Frauen und Jugendlichen wurden aufgefordert, sich ruhig zu verhalten und die von norwegischen Polizisten bewachte Schalterhalle nicht zu verlassen. Kurz darauf kamen auch die Männer, die im Lager Falstad festgehalten worden waren, am Bahnhof an. Frauen und Männer hatten sich sieben Wochen lang nicht gesehen und keine Nachrichten voneinander erhalten. Die Polizisten unterbanden Umarmungen oder Gespräche unter Familienangehörigen. Ein kombinierter Personen- und Güterzug fuhr vor, in denen die 72 Juden Platz nehmen sollten; Frauen, Männer und Kinder wurden wieder getrennt. Der Zug verließ Trondheim am 25. November 1942 um 19.45 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass das ehrgeizige Ziel, spätestens am darauffolgenden Tag um 12 Uhr Oslo zu erreichen, verfehlt würde. Das Schiff Donau verließ Oslo am 26. November gegen 14.55 Uhr mit 532 Juden an Bord, die überwiegend aus der norwegischen Hauptstadt und ihrer Umgebung stammten. Der Sonderzug, in dem sich Cissi und ihre Familie befanden, hatte zu diesem Zeitpunkt etwa Hamar erreicht. Währenddessen deklarierte die lokale Gestapoführung Trondheim als „judenfreie“ Stadt.[53][54]

Gefängnis Bredtveit

Der Zug aus Trondheim traf am 26. November 1942 erst in den späten Abendstunden am Osloer Hauptbahnhof ein. Von dort aus wurden die Trondheimer Juden in das Gefängnis Bredtveit gebracht, in dem auch politische Gefangene untergebracht waren. In der dortigen „Judenbaracke“ sollten Cissi, ihre Familie und alle anderen Juden so lange ausharren, bis ein weiteres Schiff zur Deportation bereitstand. Ein weiteres Transportschiff stand jedoch nicht zeitnah zur Verfügung, so dass Familie Klein und die übrigen Juden insgesamt mehrere Monate im Gefängnis verblieben. Vor allem für die Kinder waren die Umstände eine große psychische Herausforderung. Der Psychiater Leo Eitinger, der bereits im März 1942 in der Provinz Møre og Romsdal verhaftet worden war[55] und sich nun unter den Gefangenen in Bredtveit befand, organisierte für sie eine Art improvisierten Schulunterricht ohne jede Hilfsmittel. Eine 19-jährige Abiturientin aus Larvik und ein Student aus Trondheim stellten sich als Lehrer zur Verfügung; Cissi gehörte zu ihren Schülern.[56][57]

Für das 13-jährige Mädchen gab es im Laufe der nächsten Wochen jedoch weitere schlechte Nachrichten. Cissi und den übrigen Kindern wurde es untersagt, im Gefängnis das geliebte Chanukka-Fest zu feiern. Im Laufe des Winters verschlechterte sich außerdem der Gesundheitszustand von Milla Klein so sehr, dass sie in das Ullevål-Krankenhaus eingeliefert werden musste. In der bedrückenden Situation fehlten ihr und ihrem Bruder Abraham daher der Beistand ihrer Mutter. Im Februar 1943 gab es ein Wiedersehen der Geschwister mit dem Freund Tibor Taglicht. Der Jugendliche, der vorübergehend bei Familie Klein gewohnt hatte, befand sich bereits zusammen mit seiner Schwester Vera auf der Flucht nach Schweden, wurde jedoch in Lillestrøm von einem 19-jährigen norwegischen Denunzianten an die NS-Sicherheitspolizei verraten. Tibor und Vera wurden in das Gefängnis Bredtveit gebracht, wo ihr Schicksal von den jüdischen Gefangenen bedauert wurde.[58]

Deportation und Tod

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MS Gotenland

In den frühen Morgenstunden des 24.  Februar 1943 wurden die im Gefängnis Bredtveit festgehaltenen Juden mit acht Bussen zum Osloer Hafen gefahren, wo am Filipstad-Kai das deutsche Frachtschiff MS Gotenland bereitstand. Alle Gefangenen wurden unter Anwendung von Gewalt an Bord gebracht, unter ihnen Cissi, ihr Bruder und Vater, die auf dem Schiff sofort wieder voneinander getrennt wurden. Die norwegische Polizei hatte auch nach Milla Klein, Cissis Mutter, gefahndet, sie jedoch im Ullevål-Krankenhaus nicht auffinden können. Jüdische Gefangene, die im Polizei­häft­lings­lager Grini interniert waren, wurden ebenfalls nach Oslo transportiert und in Laderäume der Gotenland gepresst.

Erst am nächsten Tag, dem 25. Februar 1943, verließ die Gotenland mit 71 Männern, 63 Frauen und 24 Kindern an Bord Oslo.[59] Das Schiff erreichte zwei Tage später Stettin, wo die norwegischen Juden in vier Güterwaggons gepresst wurden, die im Hafenbereich platziert waren.[60] Der Zug brachte sie zum Anhalter Bahnhof in Berlin. Eine Hundertschaft von Soldaten jagte die Juden durch die Bahnhofshalle und nötigten sie, in Lastwagen einzusteigen. Ziel des Transports war die Synagoge Levetzowstraße im Bezirk Tiergarten. Hier wurden die norwegischen Juden mit deutschen Juden zusammengeführt, die bereits auf ihren Weitertransport warteten.[61]

Nach einem mehrtägigen Aufenthalt in der Synagoge wurden Cissi und weitere etwa 1800 Juden zu einem Güterbahnhof außerhalb der Stadt gefahren und mit brutaler Gewalt in 30 Viehwaggons gezwängt. Den Juden stand pro Waggon eine Kanne Wasser und pro Person ein halbes Brot zur Verfügung. Ein einfacher Eimer diente als Toilette.[62] Der Zug erreichte nach etwa 24-stündiger Fahrt in der Nacht zum 3. März 1943 das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. An der Entladerampe wurde eine Selektion durchgeführt: „arbeitsfähige“ Männer wurden von Frauen, Kindern, Alten und Kranken geschieden. Cissi, ihr Bruder und ihr Vater wurden sofort nach ihrer Ankunft zu einer der Gaskammern geführt und umgebracht.[63]

Familienangehörige

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Commons: Happolati/Cissi Klein – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Cissi Klein, Informationen und Bilddokumente zum Leben von Cissi Klein und ihrer Familie, Jødiske fotspor i nord (Norwegisch).
  • Cissi Pera Klein auf der Seite snublestein.no (Norwegisch).

Einzelnachweise

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  1. a b c Vibeke Kieding Banik: Cissi Pera Klein. In: Store norske leksikon (abgerufen am 29. März 2023).
  2. a b Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 47.
  3. Rannveig Korneliussen: Cissi (13) ble drept. In: Dagbladet, 18. September 2022.
  4. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 54.
  5. Wulf Klein, fanger.no (abgerufen am 30. März 2023).
  6. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 31 f.
  7. Zum jüdischen Hausierhandel in Norwegen vgl. Jon Reitan: Jødene fra Trondheim. Trondheim 2005, S. 40 ff.
  8. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 32–35.
  9. Auch die Schreibweise Milla Glück ist überliefert. – Milla Klein, fanger.no (abgerufen am 30. März 2023).
  10. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 43.
  11. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 40 f.
  12. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 56–60.
  13. a b c d Cissi Klein, Jødiske fotspor i nord (abgerufen am 30. März 2023).
  14. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 80.
  15. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 99.
  16. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 63 f.
  17. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 82.
  18. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 105.
  19. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 105–108.
  20. Zur Arbeit der Nansenhilfe in der Tschechoslowakei vgl. Eva Dohnálková: Nansenhjelpens historie og aktiviteter. En norsk humanitær organisasjon i tsjekkisk perspektiv. Brno 2013.
  21. Jon Reitan: Jødene fra Trondheim. Trondheim 2005, S. 94.
  22. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 110–112.
  23. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 114.
  24. Jon Reitan: Jødene fra Trondheim. Trondheim 2005, S. 96.
  25. Oskar Mendelsohn: Jødenes historie i Norge gjennom 300 år. 2 Bde. Bd 2: 1940-1985. Oslo 1987, S. 32.
  26. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 117 f.
  27. Oskar Mendelsohn: Jødenes historie i Norge gjennom 300 år. 2 Bde. Bd 2: 1940-1985. Oslo 1987, S. 32 f.
  28. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 119-121.
  29. Bjarte Bruland: Holocaust i Norge. Registrering, deportasjon, tilintetgjørelse. Oslo 2017, S. 113 f.
  30. Tor Busch: Krigsforbryteren. Oppgjøret med Gerhard Flesch. Trondheim 2022, S. 58 f.
  31. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 126-129.
  32. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 128 f.
  33. Oskar Mendelsohn: Jødenes historie i Norge gjennom 300 år. 2 Bde. Bd 2: 1940-1985. Oslo 1987, S. 70.
  34. Bjarte Bruland: Holocaust i Norge. Registrering, deportasjon, tilintetgjørelse. Oslo 2017, S. 188 ff.
  35. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 137–142.
  36. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 139 f.
  37. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 146 f.
  38. Dag Leraand: Unntakstilstanden i Midt-Norge 1942. In: Store norske leksikon (abgerufen am 24. April 2023).
  39. Claudia Schoppmann: Das war doch jenseits jeder menschlichen Vorstellungskraft. Hilfe für verfolgte Juden im deutsch besetzten Norwegen 1940–1945. Berlin 2016, S. 31.
  40. a b Oskar Mendelsohn: Jødenes historie i Norge gjennom 300 år. 2 Bde. Bd 2: 1940-1985. Oslo 1987, S. 74.
  41. Bjarte Bruland: Holocaust i Norge. Registrering, deportasjon, tilintetgjørelse. Oslo 2017, S. 229 ff.
  42. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 150–154.
  43. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 156 f.
  44. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 157.
  45. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 162.
  46. Bjarte Bruland: Holocaust i Norge. Registrering, deportasjon, tilintetgjørelse. Oslo 2017, S. 234.
  47. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 161.
  48. Bjarte Bruland: Holocaust i Norge. Registrering, deportasjon, tilintetgjørelse. Oslo 2017, S. 235.
  49. Bjarte Bruland: Holocaust i Norge. Registrering, deportasjon, tilintetgjørelse. Oslo 2017, S. 289 ff.
  50. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 14–21.
  51. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 168.
  52. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 173.
  53. Bjarte Bruland: Holocaust i Norge. Registrering, deportasjon, tilintetgjørelse. Oslo 2017, S. 296 f.
  54. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 174–184.
  55. Bjarte Bruland: Holocaust i Norge. Registrering, deportasjon, tilintetgjørelse. Oslo 2017, S. 137 f.
  56. Oskar Mendelsohn: Jødenes historie i Norge gjennom 300 år. 2 Bde. Bd 2: 1940-1985. Oslo 1987, S. 142.
  57. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 190.
  58. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 201–204.
  59. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 206–208.
  60. Jon Reitan: Jødene fra Trondheim. Trondheim 2005, S. 114.
  61. Claudia Schoppmann: Das war doch jenseits jeder menschlichen Vorstellungskraft. Hilfe für verfolgte Juden im deutsch besetzten Norwegen 1940–1945. Berlin 2016, S. 197.
  62. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 210–213.
  63. Geir Svardal: Ingen skal få se at jeg gråter. Oslo 2022, S. 213 f.