Benutzer:Hunding/Film

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Film
Titel Das Lehrerzimmer
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 2023
Länge 98 Minuten
Altersfreigabe
Produktions­unternehmen if… Productions
Stab
Regie İlker Çatak
Drehbuch Johannes Duncker,
İlker Çatak
Produktion Ingo Fliess
Musik Marvin Miller
Kamera Judith Kaufmann
Schnitt Gesa Jäger
Besetzung

Das Lehrerzimmer ist ein deutscher Spielfilm von İlker Çatak aus dem Jahr 2023. Das Drama handelt von einer jungen Lehrerin (dargestellt von Leonie Benesch), die eine Diebstahlserie an ihrer Schule zu beenden versucht. Die überraschende Entlarvung der vermutlichen Täterin und die folgende schulische Untersuchung unter der Prämisse einer „Null-Toleranz-Politik“ führen bald zu Denunziantentum, Streit und Ausgrenzung am Gymnasium. Die Premiere fand Mitte Februar 2023 in der Sektion Panorama der 73. Berlinale statt, wo Das Lehrerzimmer von der Filmkritik sehr positiv aufgenommen wurde. Ein regulärer deutscher Kinostart erfolgte Anfang Mai 2023. Im selben Jahr gewann das Werk den Deutschen Filmpreis in fünf Kategorien, darunter die Auszeichnungen als Bester Spielfilm sowie für Regie, Drehbuch und Hauptdarstellerin Leonie Benesch.

Die junge Carla Nowak unterrichtet die Fächer Mathematik und Sport in einer siebten Klasse an einem Gymnasium. Die neue Lehrerin fällt im Kollegium vor allem durch ihren Idealismus auf. Die Stimmung an der Schule wird von einer unaufgeklärten Diebstahlserie getrübt. Eines Tages wird Carla selbst Zeugin, wie mehrere Schüler ihrer Klasse unter Verdacht geraten. Unter unwürdigen Umständen werden die Jungen im Klassenzimmer von Carlas Kollegen vorgeführt und deren Portemonnaies gefilzt. Aufgrund einer größeren mitgeführten Bargeldsumme muss sich der türkischstämmige Schüler Ali im Sinne der an der Schule geltenden Null-Toleranz-Politik mit seinen Eltern dem Gespräch mit der strengen Schuldirektorin Dr. Bettina Böhm stellen. Der anfängliche Verdacht erhärtet sich jedoch nicht.

Nach diesen Geschehnissen, die Carla als ungerecht empfindet, versucht sie mit Hilfe ihrer Laptop-Kamera der Sache persönlich nachzugehen. Als sie das Video aus dem Lehrerzimmer auswertet, entpuppt sich die langjährige und unscheinbare Schulsekretärin Friederike Kuhn als vermutliche Täterin – ihre auffällige Bluse ist deutlich auf den Aufnahmen zu identifizieren. Die Aufdeckung der Tat versetzt Carla in ein unlösbares Dilemma – Frau Kuhn ist die Mutter des schüchternen Oskar, ihres in Mathematik begabtesten Schülers. Auch leugnet sie vehement die Tat, die auf dem Video nicht genau zu erkennen ist. Dennoch wird Frau Kuhn für die weitere Untersuchung beurlaubt.

In der Folge droht Carla aufgerieben von ihren Idealen und dem System Schule sowie den Konsequenzen ihres Handelns zu zerbrechen. Während eines Elternabends, der sich zu einem Verhör Carlas entwickelt, erleidet sie einen Nervenzusammenbruch. In Teilen des Lehrerkollegiums sowie unter ihren Schülern und deren Eltern gerät sie zunehmend in Isolation. Gleichzeitig hat sie die psychische Belastung für Oskar zu verantworten, der von einigen Mitschülern nun als Sohn einer „Verbrecher-Mutter“ wahrgenommen und gemobbt wird. Dennoch hält er vehement an ihrer Unschuld fest und stellt Carla als „Lügnerin“ dar. Als die von Oskar geforderte öffentliche Entschuldigung Carlas ausbleibt, stiehlt er eines Tages ihren Laptop aus der Sporthalle und wirft diesen in den Fluss. Dabei schlägt er ihr im Handgemenge ins Gesicht. Carla nimmt Oskar aber weiterhin in Schutz, als ein Klassen- oder Schulwechsel andiskutiert wird. Auch belügt sie das Kollegium über das Zustandekommen ihrer Verletzung am Auge und bietet an, selbst an einer anderen Schule zu unterrichten.

Als Oskar den Kontakt zur Schülerzeitung sucht und die Geschichte aus der Perspektive seiner Mutter publik macht, entbrennt eine Diskussion über Wahrheit und Gerechtigkeit. Gleichzeitig wird ein in der Zeitung abgedrucktes Interview mit Carla aus dem Zusammenhang gerissen. Direktorin Böhm lässt daraufhin den Verkauf der Schülerzeitung verbieten und Oskar vom Unterricht suspendieren, wodurch er eine bevorstehende Klassenfahrt zu verpassen droht. Oskar erscheint dennoch trotzig am nächsten Tag zum Unterricht mit einem gelösten Zauberwürfel, den Carla ihm einst schenkte. Carla bittet ihn um Entschuldigung und versucht ihn zum Verlassen des Schulgebäudes zu überreden. Sie und weitere Kollegen können aber nicht zu dem still weinenden Jungen durchdringen, der auch nicht auf die Handy-Anrufe seiner Mutter reagiert. Am Ende wird Oskar auf seinem Stuhl sitzend von Polizisten aus dem Gebäude getragen.

Entstehungsgeschichte

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İlker Çatak während der Präsentation seines Films auf der Berlinale 2023

Das Lehrerzimmer ist der vierte Kinospielfilm von Regisseur İlker Çatak. Das Drehbuch verfasste er gemeinsam mit Johannes Duncker. Es wurde durch die Schulzeit der beiden mitinspiriert, über die sie sich während eines gemeinsam verbrachten Urlaubs austauschten. Ab der achten Klasse besuchte Çatak eine Schule in der Türkei, wo er einen ähnlichen im Film dargestellten Fall um das Filzen der Portemonnaies der männlichen Schüler durch das Lehrpersonal persönlich miterlebte. Ebenso hatte eine Putzfrau der Familie einst seine Eltern bestohlen. Dunckers Schwester wiederum arbeitete als Mathematiklehrerin an einer Schule, wo im Lehrerzimmer Diebstähle verübt worden waren. Unter dem Eindruck, einer „aufregenden Geschichte“ auf der Spur zu sein, reiste Çatak zu seiner ehemals besuchten weiterführenden Schule nach Berlin, wo er von seiner ehemaligen Schulleitung in dem Projekt unterstützt wurde. Ein geplanter Dreh an Çataks ehemaliger Schule kam aber nicht wie geplant zustande. Neben Dunckers Schwester führten beide Gespräche mit gut einem Dutzend Personen aus dem Bildungssektor, darunter Lehrer, Schulleiter, Schulpsychologen und Sportlehrer, die das Autoren-Duo mit teambildenden Maßnahmen vertraut machte. Çatak fiel auf, dass sich im Vergleich zu seiner Schulzeit „vor allem die Art der Kommunikation“ geändert habe. Mit Hilfe von Instant-Messaging-Diensten wie WhatsApp könnten sich die Eltern untereinander schneller austauschen und Probleme ansprechen. Auch hatte der Regisseur das Gefühl, dass Eltern heutzutage mit einem anderen Selbstbewusstsein auftreten würden. Dies sei ihm vor allem bei Kindern aufgefallen, die auf eine „bessere“ Schule geschickt wurden.[3]

Obwohl Çatak und Duncker bei ihren Recherchen klar wurde, dass der Fall um das Filzen der Portemonnaies heute nicht mehr vorkommen würde, bauten sie es unter der Prämisse der Freiwilligkeit in ihr Drehbuch ein. So ist im Film auch mehrfach der Nebensatz „Das Ganze ist freiwillig, aber wenn man nichts zu verbergen hat, hast Du nichts zu befürchten“ zu hören. Çatak empfand dieses „Verfahren“ als „total perfide“, da ein solcher Prozess nicht auf Augenhöhe zwischen Schülern und Lehrern stattfinden könne. Çatak und Duncker wurden in ihrer Anfangsidee von ihrem Filmproduzenten Ingo Fliess ermutigt, mit dem angefangenen Skript fortzufahren. Er mietete beiden ein Haus im Wald, wo sich das Autoren-Duo eine Woche lang bei Spaziergängen über die Prämisse des Films austauschen konnte. Danach kehrten Çatak nach Berlin und Duncker nach Köln zurück. Über ein miteinander geteiltes Online-Dokument kam das Drehbuch zustande. Dabei gefiel Çatak die Idee, den Film in einer Schule spielen zu lassen, da er diese als „Mikrokosmos“ der Gesellschaft betrachtete. Neben dem zentralen Thema der Wahrheitsfindung und dem Glauben an die Wahrheit, kamen mit Fake News, Cancel Culture oder dem Bedürfnis der Gesellschaft, einen „Sündenbock“ zu benennen, weitere Themen hinzu.[3]

Der Film wurde in zwei denkmalgeschützten Gebäuden in Hamburg gedreht, dem Albert-Schweitzer-Gymnasium[4] und dem ehemaligen Standort der Fachhochschule für Architektur und Bauingenieurwesen an der Hebebrandstraße.[5] Die ikonische Aufnahme der übereinander liegenden Treppenläufe stammt aus einem der Atriumbauten an der Hebebrandstraße, die Fahrten durch lange, verglaste Verbindungsgänge aus dem Albert-Schweitzer-Gymnasium.

Veröffentlichung

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Die Uraufführung von Das Lehrerzimmer (internationaler Titel: The Teachers’ Lounge) war am 18. Februar 2023 bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin in der Sektion Panorama. Das Festival pries das Werk als „eine Studie über Machtverhältnisse und darüber, wie Einzelne zwischen verhärteten Fronten aufgerieben werden“ an.[6]

Regulär in die deutschen Kinos gelangte der Film ab 4. Mai 2023 im Verleih von Alamode Film. In Österreich war der Kinostart am 12. Mai 2023.[7] Im selben Monat wurde die Drehbuchfassung von Çatak und Duncker als Buch im Reclam-Verlag veröffentlicht.[8]

Hauptdarstellerin Leonie Benesch auf der Berlinale 2023

Erste nach der Premiere erschienene Kritiken lobten den Film sowie die Darstellerleistung von Leonie Benesch:

Cosima Lutz hob im Filmdienst die dramaturgische Offenheit und Spannung von Das Lehrerzimmer sowie dessen subtilen Humor hervor („Alles scheint hier möglich, eine Fabel vom Gelingen genauso wie ein Amoklauf“). Regisseur und Drehbuchautor İlker Çatak führe „das Publikum in diesem Gesellschaftslabor auf dasselbe Glatteis wie die Protagonistin“. Auch pries sie die Schauspielleistungen von Leonie Benesch und Eva Löbau, die „streng“ komponierte und „elegant“ fließende Kameraarbeit von Judith Kaufmann sowie die beunruhigende Musik von Marvin Miller. Das Handeln an der Schule erweise sich in Bezug auf die begangenen Diebstähle „als immer schwieriger, je mehr geredet“ werde. Die angewandte „Null-Toleranz-Politik“ setze „eine geradezu klassische Tragödie in Gang, indem gerade in seiner Erfüllung die Übertretung“ liege „und im Vermeidenwollen das zu Vermeidende“ geschehe. Die Figur der Carla Nowak wolle „alles richtig machen“, bekomme aber „alsbald zu spüren, wie schnell das ‚Null-Toleranz‘-Diktat zu Denunziantentum, Verdacht und Ausgrenzung“ führe, „statt einen ‚sicheren Raum‘ zu schaffen“. Die von anderen vorgebrachte Kritik, „dass nicht ganz klar sei, worauf“ Çataks Film eigentlich hinauswolle, ließ Lutz aber nicht unerwähnt.[9]

Michael Meyns (die tageszeitung) lobte dem Film als dichtes Psychogramm und Leonie Benesch als eine der „Entdeckungen der […] Berlinale“. Auch ihm fiel die Unvorhersehbarkeit der Handlung auf, die die Zuschauer dazu zwinge, „sich mit dem Denken“ der weiblichen Hauptfigur „auseinanderzusetzen“. Wie Lutz zuvor verwies Meyns auf die engen Bilder von Kamerafrau Kaufmann. Çatak lasse die Situation „nach und nach […] eskalieren“, während sich die „junge, engagierte, es ganz ohne Frage sehr gut meinende Lehrerin […] zunehmend“ verrenne. Die im Film thematisierte moralische Frage lasse sich „nicht auf eine einfache Ja/Nein-Formel reduzieren“. Das „wie eine Ausflucht“ wirkende Ende passe „gerade wegen seiner Unbestimmtheit, seinem bewussten Ablehnen einer klaren Haltung, so gut“, so der Kritiker.[10] In einer längeren, für das Online-Portal Filmstarts verfassten Kritik ließ Meyns Das Lehrerzimmer die zweithöchste Bewertung zukommen. In ihr kritisierte er das Ende als „unbefriedigend“, pries das Werk aber als „bislang besten Film“ Çataks.[11]

Im Rahmen der Aufführung auf der Berlinale war der Film für den Panorama Publikumspreis nominiert, während Hauptdarstellerin Leonie Benesch als deutscher „Shooting Star“ ausgezeichnet wurde. Das Werk erhielt den CICAE Art Cinema Award und den Preis Label Europa Cinemas jeweils als bester Sektionsbeitrag des Panoramas. Bei der Verleihung zum Deutschen Filmpreis 2023 folgten fünf Auszeichnungen, darunter als Bester Spielfilm. Dabei setzte sich Das Lehrerzimmer gegen das zuvor vielfach preisgekrönte Kriegsdrama Im Westen nichts Neues durch.

Festival bzw. Filmpreis Kategorie Resultat Preisträger/
Nominierte
Berlinale 2023 CICAE Art Cinema Award Gewonnen İlker Çatak
Label Europa Cinemas Gewonnen İlker Çatak
Deutscher Filmpreis 2023 Bester Spielfilm Gewonnen Ingo Fliess
Beste Regie Gewonnen İlker Çatak
Bestes Drehbuch Gewonnen Johannes Duncker,
İlker Çatak
Beste weibliche Hauptrolle Gewonnen Leonie Benesch
Beste Kamera / Bildgestaltung Nominiert Judith Kaufmann
Bester Schnitt Gewonnen Gesa Jäger
Beste Filmmusik Nominiert Marvin Miller
Deutscher Kamerapreis 2023 Bester Schnitt – Fiktion Kino[12][13] Nominiert Gesa Jäger
  • İlker Çatak, Johannes Duncker: Das Lehrerzimmer: Drehbuch zum Film. Reclam, Ditzingen 2023. ISBN 978-3-15-014440-4.
Commons: Hunding/Film – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Freigabebescheinigung für Hunding/Film. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (PDF).Vorlage:FSK/Wartung/typ nicht gesetzt und Par. 1 länger als 4 Zeichen
  2. Alterskennzeichnung für Hunding/Film. Jugendmedien­kommission.
  3. a b Das Lehrerzimmer (Presskit). In: berlinale.de (PDF-Datei, 1,43 MB; abgerufen am 24. März 2023).
  4. Susanne Oehmsen: Ein Blick in Das Lehrerzimmer. In: Hamburger Abendblatt, 25. April 2023. (Im Abendblatt-Artikel wird behauptet, der Film wäre „komplett in Hamburg am Albert-Schweitzer-Gymnasium gedreht“ worden. Das ist nicht richtig.)
  5. "Das Lehrerzimmer": İlker Çatak über Idealismus und Rassismus. In: ndr.de, 13. Mai 2023. (Im NDR-Artikel wird behauptet, die Produktion sei „weitergezogen in eine leer stehende Berufsschule in der Hebebrandstraße“. Das ist nicht richtig, am Standort Hebebrandstraße war keine Berufsschule ansässig, sondern die HCU und dann die HfMT.)
  6. Das Lehrerzimmer. In: Programm berlinale.de (abgerufen am 16. Februar 2023).
  7. Das Lehrerzimmer. In: alamodefilm.de (abgerufen am 23. März 2023).
  8. Çatak, İlker; Duncker, Johannes: Das Lehrerzimmer. In: reclam.de (abgerufen am 12. Mai 2023).
  9. Cosima Lutz: Hunding/Film. Kritik. In: Filmdienst. Abgerufen am 23. März 2023.
  10. Michael Meyns: Sie meint es alles gut. In: die tageszeitung, 20. Februar 2023, S. 17.
  11. Michael Meyns: Das Lehrerzimmer. In: filmstarts.de (abgerufen am 23. März 2023).
  12. Nominierungen 2023. In: deutscher-kamerapreis.de (abgerufen am 28. März 2023).
  13. 33. Deutscher Kamerapreis: Elf Bildgestalter:innen und Editor:innen ausgezeichnet. In: deutscher-kamerapreis.de (abgerufen am 16. Juni 2023).


Kategorie:Filmtitel 2023 Kategorie:Filmdrama Kategorie:Deutscher Film Kategorie:Schule im Film