Dutschke (Film)

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Film
Titel Dutschke
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 2009
Länge 90 Minuten
Stab
Regie Stefan Krohmer
Drehbuch Daniel Nocke
Produktion Nico Hofmann
Benjamin Benedict
Musik Stefan Leisering
Axel Reinemer
Kamera Bernhard Keller
Patrick Orth
Schnitt Boris Gromatzki
Besetzung
Dreharbeiten am 31. Mai 2008 in Potsdam

Dutschke ist ein deutsches Doku-Drama des Regisseurs Stefan Krohmer aus dem Jahr 2009. Der ZDF-Fernsehfilm basiert auf dem Leben von Rudi Dutschke. Er wurde vor allem ausgehend von Dutschkes Tagebüchern und den Büchern von Gretchen Dutschke-Klotz entwickelt. Die Besonderheit des Films liegt in der diskursiven Herangehensweise: Unterschiedliche Sichtweisen und Erinnerungen werden gegenübergestellt.

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausgehend von der politischen Situation in Deutschland im Jahr 1964 schildert der Film den Aufstieg Rudi Dutschkes zur zentralen Figur der 68er-Bewegung. Er zeigt Dutschke 1967 und 1968 als deren bedeutendsten Sprecher. Nach der Zäsur durch das Attentat im April 1968 verliert Dutschke seine Rolle im politischen und öffentlichen Leben zusehends. Im weiteren Verlauf werden die ersten öffentlichen Auftritte in den 1970er Jahren und Dutschkes Versuch geschildert, auf den politischen Diskurs der Bundesrepublik wieder wesentlichen Einfluss zu nehmen.

Der Regisseur schneidet hierbei Interviewpassagen und inszenierte Szenen aus dem Leben Rudi Dutschkes zusammen. Hierbei kommen Freunde und Zeitzeugen wie Gaston Salvatore, Bernd Rabehl, Peter Schneider und Helga Reidemeister, aber auch Wolfgang Kraushaar, Claudius Seidl, Eberhard Diepgen und Joscha Schmierer zu Wort.

Produktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Film wurde von teamWorx in Koproduktion mit dem ZDF produziert. Die Dreharbeiten fanden ab Anfang Mai 2008 in Berlin und Umgebung statt.[1] Der Etat betrug etwa 2,1 Millionen Euro.[2] Dutschke wurde erstmals am 29. Juni 2009 in der Reihe Deutsche Fernsehfilme des Filmfests München aufgeführt. Es dauerte fast ein Jahr, einen Sendeplatz für das umstrittene Porträt zu finden.[3]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einschaltquoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sehbeteiligung bei der Fernseh-Erstausstrahlung zur Hauptsendezeit des ZDF-Abendprogramms am 27. April 2010 war mit 1,18 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 3,6 Prozent ungewöhnlich niedrig. Der Film lief parallel zur Übertragung eines Champions-League-Halbfinales mit Bayern München, Serien anderer Fernsehkanäle mussten dadurch jedoch kaum Quotenrückgänge hinnehmen. Der Tagesspiegel führt das schwache Interesse darauf zurück, dass Rudi Dutschke weitgehend vergessen sei und der privatistische Blick des Films auf ihn den Zuschauern nicht die Gründe für seine Breitenwirkung nahegebracht habe.[4]

Kritiken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rudi Dutschke (1940–1979), Originalfoto aus einem Fotoautomaten

„Interviews mit Zeitzeugen runden das Porträt des charismatischen Menschen Dutschke ab, der zur Symbolfigur einer politisch bewegten Generation wurde, deren Utopien und Enttäuschungen in den Spielszenen des Films ebenfalls gespiegelt werden. Ein ernsthafter, respektabler, in seinen Details nachdenklich stimmender Film auf der Höhe der Möglichkeiten des Genres.“

„Der gesamte Dutschke, so wie die Macher Daniel Nocke und Stefan Krohmer ihn darstellen, ist befreit von Politik und Revolution, eigentlich überhaupt jeder Ambition, und heruntergedimmt auf das massenkompatible Sei-ohne-Sorge-Maß des ZDF, nach dem alles bekömmlich ist, wenn es nur luftig leicht, heiter betrachtet, familiär gestützt und ordentlich gekämmt dargestellt wird.“

„Krohmer nimmt die Zeit und alle Personen und alle Schicksale ernst. Der fiktionale Teil ist aufgeräumt inszeniert. Die Dokumentation der Gespräche, zu der auch Dutschkes Frau Gretchen beiträgt, liefert Emotionen und Seitenblicke und Komik.“

„„Dutschke“ dauert nur anderthalb Stunden und setzt bewusst Schwerpunkte [...] Die komplizierte Frage, wofür Dutschke nun eigentlich stand – christlicher Sozialismus, selbstverwaltete Räterepublik, gewaltbereiter Widerstand, deutsche Wiedervereinigung – versucht der Film allerdings nicht zu klären“

„Und es wird ein toller Film! Aber nur, weil Regisseur Stefan Krohmer und Autor Daniel Nocke diese Voten der Zeitzeugen zwar registrieren, und harmonisch in ihren Film einflechten, sich aber mitnichten an die jeweilige Besserwisserei halten. Sie haben einfach ihren Film gemacht und keinen, der den Zeitzeugen gefallen will. Vielleicht ist er deswegen beides geworden, so menschlich und so widersprüchlich. Die Weggefährten Rudi Dutschkes kommen nur vor, sie bilden eine Schicht dieses Films, der ansonsten durch und durch ein Spielfilm ist.“

„So unaufgeregt der Erzählton auch gehalten wird, dürfte das Werk doch für allerhand Widerstand sorgen – im Lager der Dutschke-Anhänger und dem seiner Gegner gleichermaßen. Denn die Polit-Ikone wird hier auf Menschenformat geschrumpft, Widersprüche in der Charakterisierung wurden nicht getilgt, und das kann den einen ebenso wenig gefallen wie den anderen.“

„Krohmer und Nocke wählen eine Form von kluger Zurückhaltung, vor deren Hintergrund die Figuren umso deutlicher agieren. Das gilt nicht nur auf der Ebene der Gesamtkomposition. Auch die Schauspielerführung funktioniert ähnlich; nie wird outriert, stets eher nur hingestellt als mit dem Hinstellen gleich noch etwas behauptet. Irgendwo zwischen behaupteter So-war's-Wirklichkeit und Verfremdungseffekt: in dieser Mitte liegt stets die Krohmer-Ästhetik, einer Mitte also auch zwischen, sagen wir, Nico Hofmann und Berliner Schule und weil die Mitte immer, aber nicht immer zu recht, als uncool gilt (dabei ist sie oft das, was am schwersten auszuhalten ist und von wo man dann doch am nächsten an widerstreitenden Positionen steht), gelten Krohmer und Nocke oft nicht recht viel.“

„Der sensiblen Dutschke-Darstellung von Christoph Bach gelingt das unmöglich Scheinende – dem Zuschauer das Gruseln vor einem geschauspielten Rudi Dutschke zu nehmen. [...] Der Film zeigt aber weder, was Dutschke „gepredigt“, noch was er gelebt hat, noch etwas über die Ziele der Revolte. Tschombé ist ein Mörder, Springer hetzt die Menschen auf, in Vietnam ist auch was nicht in Ordnung. [...]“

„Die Gesamtheit dieses Stimmen- und Spielfilm-Potpourris ist so irritierend wie unterhaltsam und interessant. Hier nimmt sich eine Bewegung und ihren prominentesten Vertreter selbst auseinander und merkt es nicht einmal.“

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auseinandersetzung mit der Axel Springer AG[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die zu Axel Springer AG gehörende Welt warf der Produktion „Fälschung“ vor, um „den Mythos der Hetze gegen Dutschke aufrechtzuerhalten“.[15] Der Anlass hierzu war, dass im Film echte Bild-Schlagzeilen, wie „Terror in Berlin“ gezeigt werden, die zugehörigen Fotos jedoch teilweise ausgetauscht wurden. Im Film werden die ausgetauschten Bilder in Folge animiert um einen Übergang zu eigenen, aus der Zeitungsseite heraustretenden fiktionalen Filmsequenzen zu schaffen. Die verantwortliche ZDF-Redakteurin Caroline von Senden wies die Kritik zurück und erklärte, dass „die Integration von Filmaufnahmen in das Zeitungsbild (...) offensichtlich als Komposition und Zusammenfügung von statischem Druckbild und Bewegtbild - also als bewusste Montage“ zu erkennen sei. die tageszeitung warf dem Verlag, nachdem die Welt auch einen kritischen Beitrag von Bettina Röhl veröffentlicht hatte („Rudi Dutschke hätte einen Qualitätsfilm verdient“[16]), vor, in diesem Zusammenhang auch nicht vor der „Banalität des Blöden“ zurückzuschrecken.[17]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gretchen Dutschke-Klotz: Rudi Dutschke. Wir hatten ein barbarisches, schönes Leben. Eine Biographie. Kiepenheuer und Witsch, Köln 1996, ISBN 978-3-462-02573-6.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Mareike Barmeyer: Am Set des "Dutschke"-Films – "Das war damals so", 2. Juni 2008, taz.de (Memento vom 3. Juni 2008 im Internet Archive).
  2. Produzent Nico Hofmann im Interview: Letztlich geht es nie um Größe, Der Spiegel 17/2010, Seite 160
  3. Hannah Pilarczyk: ZDF-Dokudrama „Dutschke“ – Ein Held aus Streit, 27. April 2010, spiegel.de.
  4. Joachim Huber: ZDF-Film mit desaströser Quote – „Dutschke“, das Vergessen, 29. April 2010, Der Tagesspiegel
  5. Dutschke. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 2. März 2017.
  6. Bernd Graff: Windeln wechseln mit Rudi, 27. April 2010, sueddeutsche.de (Memento vom 30. April 2010 im Internet Archive)
  7. Antje Wewer: Nicht ohne Komik, 27. April 2010
  8. Hanns-Georg Rodek: „Dutschke“ – Auf den Spuren eines legendären Weltverbesserers, 7. Juli 2009, welt.de
  9. Bernd Gäbler: Bewegt, bewegend, 27. April 2010
  10. Christian Buß: Revoluzzer-Filmbiografie. Eins, zwei, drei, viele Dutschkes!, 30. April 2010, spiegel.de
  11. Ekkehard Knörer: Pro Dutschke (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cargo-film.de, 29. April 2010
  12. Eckhard Siepmann: Ein Dutschke ohne Botschaft, 30. April 2010, freitag.de
  13. Lutz Happel: Der real existierende Rudi, 27. April 2010, stern.de
  14. „Erschreckend oberflächlich“ – Grünen-Gründer kritisiert „Dutschke“-Film im ZDF, 25. April 2010, dwdl.de.
  15. Sven Felix Kellerhoff: Historische Fakten im „Dutschke“-Drama gefälscht, 27. April 2010, welt.de.
  16. Bettina Röhl: Rudi Dutschke hätte einen Qualitätsfilm verdient, 28. April 2010, welt.de.
  17. Springers „Welt“ wirft ZDF Fälschung vor - Enteignet Spinner!, 29. April 2010, taz.de.